FGSV-Nr. FGSV A 41
Ort Düsseldorf
Datum 14.05.2013
Titel Nutzungsdauerbetrachtungen aufgrund von Asphaltuntersuchungen
Autoren Dr.-Ing. Sebastian Lipke
Kategorien Asphaltstraßen
Einleitung

Die Kenntnis über den tatsächlichen strukturellen Zustand einer Asphaltbefestigung wird im Hinblick der stets steigenden Verkehrsbelastung und für eine qualifizierte Erhaltungsplanung immer wichtiger. In dem vorliegenden Beitrag wird ein Ansatz vorgestellt, welcher darin besteht, zu einem beliebigen Zeitpunkt anhand von versuchstechnisch ermittelten Asphaltkennwerten und aufbauend auf diesen Ergebnissen die Restnutzungsdauer einer Asphaltbefestigung zu prognostizieren. Hierfür wurden aus bestehenden Asphaltbefestigungen, welche bereits langjährig unter Verkehr liegen, Asphaltproben entnommen und deren asphaltspezifischen Eigenschaften wie die Steifigkeit und die Ermüdungsbeständigkeit versuchstechnisch bestimmt. Mit diesen Ergebnissen der Asphaltuntersuchungen im Labor und zusammen mit einem Prognoseverfahren in Anlehnung an die RDO Asphalt (FGSV 2009) besteht die Möglichkeit, Aussagen zu den voraussichtlichen Restnutzungsdauern von Asphaltbefestigungen geben zu können. Für die Optimierung dieser Vorgehensweise zur Prognose von Restnutzungsdauern wurde zu verschiedenen Zeitpunkten der gesamte Asphaltoberbau der Asphaltbefestigungen untersucht.

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1 Einleitung

In der Bundesrepublik Deutschland wird der Straßenbau in Zukunft weniger durch den Neubau als vielmehr durch die Erhaltung und Erneuerung geprägt sein. Durch die enorm steigende Verkehrsbelastung wird die vorhandene Straßensubstanz in immer stärkerem und schnellerem Maße verbraucht werden. In den letzten Jahren wurde deshalb ein Pavement Management System auf der Grundlage einer objektiven, netzweiten Bewertung des aktuellen Straßenzustandes entwickelt. Hierbei werden jedoch die strukturellen Materialeigenschaften (hinsichtlich des Aufwandes zur Erhaltung) nicht berücksichtigt.

Unzureichende oder gar unterlassene Arbeiten auf dem Gebiet der (Substanz)erhaltung führen zwangsläufig zu einem Substanzverzehr, der auch den Gebrauchswert der Straßenbefestigung herabsetzt. Durch die über alle Erwartungen gewachsenen Beanspruchungen der Straßen erleiden diese Schäden, die zu einer erheblichen Verkürzung der Gebrauchsdauer führen. An jener Entwicklung ist vor allem der Schwerverkehr maßgeblich beteiligt. Fahrzeugmassen und Achslasten wurden bei gleichzeitiger Zunahme der Tagesfrequenzen ständig erhöht.

Die Erfassung und Bewertung des Straßenzustandes erfolgt in der Bundesrepublik Deutschland gemäß den Arbeitspapieren der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen zur Systematik der Straßenerhaltung, wobei erwähnt werden muss, dass bei der Ermittlung des Gesamtwertes nach diesem Bewertungsschemas (FGSV 2001) nur die Straßenoberfläche herangezogen wird. Bei genauerer Betrachtung von Bild 1 fällt auf, dass Aussagen zu bzw. über das Aufnehmen der strukturellen Substanz einer Asphaltbefestigung kaum getroffen werden. Lediglich das Erfassen von Netzrissen/Flickstellen wird dargestellt. Dies geschieht jedoch nur mit visueller Betrachtung der Oberfläche der Asphaltbefestigung. Die Zustandsparameter erfahren zwar eine große Gewichtung für die Bildung des Gesamtwertes zur Bewertung einer Asphaltbefestigung, jedoch ist daran nicht festzumachen, ob es sich wirklich um eine strukturelle Schädigung des gesamten Asphaltoberbaus handelt.

Bild 1: Bewertungsschema für Asphaltstraßen (FGSV 2001)

2 Vorgehen

2.1 Allgemeines

Aufbauend auf den fundamentalen Ergebnissen des FA 4.199 „Vergleichende Bewer tung der Restsubstanz von Asphaltbefestigungen nach langjähriger Verkehrsnutzung“ (Ressel, Lipke et al. 2008) zur Ermittlung und Bewertung der Restsubstanz von Asphaltbefestigungen wurden auf denselben Versuchsstrecken (VS) noch einmal Materialproben entnommen, so dass auf Grundlage von versuchstechnisch ermittelten Asphalteigenschaften eine möglichst genaue Abschätzung der Restnutzungsdauer einer bereits längere Zeit unter Verkehr liegenden Asphaltbefestigung erfolgen kann.

2.2 Auswahl der Versuchsstrecken

Für die Schaffung eines Bewertungshintergrundes wurde angestrebt, verschiedene Aufbauten (entsprechend Bauklassen) von Asphaltstraßenbefestigungen zu untersuchen. Hierzu wurden Datenbanken herangezogen, welche Aufbaudaten von Straßenbefestigungen aller Bundesländer beinhalten. Unter anderem sind in jenen die vorhandenen Schichtdicken, Aussagen zur Ausführungsart (Material) der Gründung und Angaben zum Herstellungsjahr des Straßenbauwerkes festgeschrieben. Für eine vergleichende Betrachtung sollten verschiedenste Auswahlkriterien von allen in Betracht kommenden Versuchsstrecken erfüllt werden, welche wie folgt definiert waren:

  • langjährig unter Verkehr,
  • Asphaltschichtenpaket auf Tragschicht ohne Bindemittel,
  • Asphaltoberbau konform mit den RStO 86/89,
  • hohe Verkehrsbelastung mit hohem Schwerverkehrsanteil.

Zur genauen Ermittlung der Verkehrsbelastung wurden die durchschnittlichen täglichen Verkehrsstärken (DTV) und die entsprechenden Schwerverkehrsanteile (SV) von Dauerzählstellen genutzt. Somit bestand die Möglichkeit die tatsächlichen durchschnittlichen täglichen Verkehrsstärken für die einzelnen Nutzungsjahre zu berechnen.

2.3 Bohrkernentnahme

Die Bohrkernentnahmen im Rahmen des FA 4.199 wurden auf den vier relevanten Versuchsstrecken im Kalenderjahr 2006 durchgeführt. An denselben Stellen wurden im Kalenderjahr 2011 noch einmal Bohrkerne in der rechten Rollspur des Hauptfahrstreifens entnommen, um Kenntnisse zu erlangen, ob während der weiteren Nutzungszeit Änderungen der Asphalteigenschaften von statten gegangen sind. Das Bild 2 zeigt zum einen die immer noch verschlossenen Bohrlöcher der Bohrkerne, welche im Kalenderjahr 2006 gezogen wurden und zum anderen direkt im Anschluss des ersten Beprobungsfeldes jene Bohrlöcher der Bohrkerne, welche in der rechten Rollspur des Hauptfahrstreifens im Kalenderjahr 2011 von den Mitarbeitern der Bundesanstalt für Straßenwesen genommen wurden.

Bild 2: Bohrkernentnahme auf den Versuchsstrecken

2.4 Darstellung der Versuchsstrecken

Das Asphaltpaket wurde bei allen Versuchsstrecken auf einer Schicht ohne Bindemittel eingebaut. Bei vielen Bohrkernen war zu beobachten, dass der Schichtverbund zwischen Asphaltbinderschicht und Asphalttragschicht nicht mehr vorhanden war. Ebenso wurde festgestellt, dass meist an der Unterseite der Asphaltbinderschicht keine einheitliche Hohlraumverteilung vorhanden war.

Die Tabelle 1 gibt einen Überblick über die vorgefundenen Schichtenaufbauten bzw. Schichtstärken der einzelnen untersuchten Versuchsstrecken.

Tabelle 1: Asphaltaufbau der Versuchsstrecken 

3 Materialuntersuchungen

3.1 Allgemeines

Für eine analytische Bewertung von Asphaltbefestigungen auf der Grundlage von Materialuntersuchungen besitzen die materialspezifischen Eigenschaften wie Steifigkeit, Ermüdungsverhalten und das Verformungsverhalten eine wesentliche Bedeutung. Die Optimierung der Zusammensetzung von Asphalten erfolgte bisher hauptsächlich hinsichtlich des Widerstandes gegen plastische Verformungen. Demzufolge wurde der Widerstand gegen Rissbildung kaum berücksichtigt.

Mit dem Spaltzugschwellversuch kann die Untersuchung des Ermüdungsverhaltens von Asphalt im Labor erfolgen. Zur Beschreibung des Ermüdungsverhaltens von Asphalten (Dauerfestigkeit) mit Hilfe des Spaltzugschwellversuches wurden an verschiedenen Forschungsinstitutionen zahlreiche Untersuchungen durchgeführt. Der Spaltzugschwellversuch stellt ein relativ einfaches, kostengünstiges und schnelles Prüfverfahren zur Erfassung des Steifigkeits- und Ermüdungsverhaltens von Asphalten dar. Die wesentlichen Vorteile des Spaltzugschwellversuchs sind, dass sich im Prüfkörper ein großer Bereich mit konstanter Zugspannung einstellt.

Für die Ermittlung der Zugspannungen, welche bei tiefen Temperaturen durch eine behinderte thermische Dehnung auftreten können, wurden gemäß der nationalen technischen Prüfvorschrift Abkühlversuche durchgeführt. Mit dieser versuchstechnischen Materialprüfung wird die Beanspruchung von Asphalten bei witterungsbedingten negativen Temperaturänderungen simuliert. Die zu untersuchenden Asphaltmaterialien werden mit einer definierten Abkühlrate geprüft. Die Prüfkörperlänge wird während des Abkühlvorgangs konstant gehalten. Im Prüfkörper werden durch den behinderten thermischen Schrumpf abkühlbedingte Zugspannungen (kryogene Zugspannungen) induziert. Erreichen die kryogenen Zugspannungen die Zugfestigkeit des Prüfkörpers, kommt es zum Bruch. Die kryogenen Zugspannungen in Abhängigkeit von der Temperatur sowie die erreichte Bruchtemperatur und die Bruchspannung werden als Ergebnis des Abkühlversuches ausgegeben.

3.2 Ermittlung der Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktion

3.2.1 Versuchsparameter

Die experimentelle Bestimmung des Elastizitätsmoduls erfolgte an den Prüfkörpern für alle Materialien. Wenn ein zweilagiger bzw. zweischichtiger Einbau der Asphalttragschicht erfolgte, wurde eine Unterteilung dieser in eine obere und untere „Schicht“ vorgenommen. Bei den Spaltzugschwellversuchen zur Bestimmung der Steifigkeitsmoduli wurden die Prüfkörper bei einer Belastungsfrequenz von 10 Hz, bei vier unterschiedlichen Temperaturen und drei verschiedenen Spannungsniveaus beansprucht. Für diese Untersuchungen sind die Prüftemperaturen -10 °C, 0 °C, 10 °C und 20 °C gewählt worden.

Für die Ermittlung der Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktion erfolgte die Beanspruchung der Prüfkörper mittels einer kraftgeregelten harmonischen Sinusschwellbelastung ohne Lastpause. Zur Lagesicherung des Prüfkörpers wurde eine konstante Unterspannung (unterer Grenzwert der Sinusschwellbelastung) für alle Einzelversuche von 0,035 N/mm2 gewählt. Die Festlegung der Oberspannung erfolgte nach dem Grundsatz der Begrenzung der elastischen Anfangsdehnungen. Die Beanspruchungsniveaus für die Spaltzugschwellversuche sind so gewählt worden, dass in einem Intervall von 0,05 ‰ bis 0,10 ‰ die elastischen Anfangsdehnungen liegen.

3.2.2 Ergebnisse

Für die Auswertung der Spaltzugschwellversuche bzw. Berechnung der Steifigkeitsmoduli wurden die Querdehnzahlen entsprechend den Prüftemperaturen mit μ = 0,298 (bei 20 °C), μ = 0,239 (bei 10 °C), μ = 0,198 (bei 0 °C) und μ = 0,174 (bei -10 °C) gewählt.

Der Elastizitätsmodul wurde nach folgender Gleichung berechnet:

Formel im PDF

und die elastische Querdehnung nach:

Formel im PDF

E    - Elastizitätsmodul

∆F  - Kraftdifferenz zwischen der aufgebrachten Oberlast und Unterlast

μ     - Querdehnungszahl h       Prüfkörperhöhe

u     - elastische Querverformung

εx     - elastische Querdehnung in Prüfkörpermitte

σx    - Spannungen im Prüfkörpermittelpunkt.

Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass sowohl auf der Grundlage von Spaltzugschwellversuchen als auch nach dem Schätzverfahren von (Francken, Verstraeten 1974) für alle untersuchten Asphalte, welche länger in der Straßenbefestigung den Beanspruchungen aus Witterung und Verkehr ausgesetzt waren, höhere Steifigkeiten ermittelt wurden. Im Bild 3 sind für das untere Asphalttragschichtmaterial alle ermittelten Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktionen dargestellt. Jene Reihung stellte sich bei fast allen untersuchten Asphaltgemischen ein.

Bild 3: Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktion – Vergleich 2006 zu 2011

3.3 Ermittlung des Ermüdungsverhaltens

3.3.1 Versuchsparameter

Zur Bestimmung der Ermüdungsfunktion wurden mehrere Einzelversuche bei drei verschiedenen Oberlasten (Spannungsamplituden) durchgeführt. Die Belastungsfrequenz wurde mit 10 Hz angesetzt. Die Versuche zur Ermittlung des Ermüdungsverhaltens erfolgten bei einer Prüftemperatur von 20 °C. Da die dehnungsabhängigen Ermüdungsfunktionen für Asphaltgemische weitestgehend temperaturunabhängig sind, wie Untersuchungen von (Read 1996) gezeigt haben, war eine Variation der Prüftemperatur bei den vorgesehenen Ermüdungsuntersuchungen nicht erforderlich. Die Festlegung der Oberspannung für die Ermüdungsuntersuchungen wurde anhand der Ergebnisse der Ermittlung der Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktionen vorgenommen. Für die Lagesicherung des Prüfkörpers wurde eine Unterspannung von 0,035 N/mm2 gewählt, welche den unteren Grenzwert der Sinusschwellbeanspruchung darstellt.

Gleichfalls wurde bei der Durchführung der Ermüdungsuntersuchungen darauf geachtet, dass für die untersuchten Asphalttragschichtmaterialien die drei gewählten Beanspruchungsniveaus elastische Anfangsdehnungen von ca. 0,3 ‰, 0,15 ‰ und 0,05 ‰ erreicht, beziehungsweise nicht überschritten wurden.

3.3.2 Ergebnisse

Die Lastwechselzahl NMakro wird als Ermüdungslastwechselzahl definiert. Bei dieser kann im Prüfkörper während des Ermüdungsversuchs der Beginn des Auftretens von Makrorissen beobachtet werden. Der weitere Versuchsverlauf ist durch schnell fortschreitende Rissbildung gekennzeichnet, welche bis zum Versagen des Prüfkörpers führt. Basierend auf dem Konzept der dissipierten Energie, wurde von (Hopman 1996) eine Methode zur Bestimmung von der Lastwechselzahl NMakro entwickelt. Hierfür wird aus der Lastwechselzahl und dem für N berechneten Elastizitätsmodul |E(N)| die sogenannte „Energy Ratio“ ER definiert. Anhand des Verlaufs der Funktion ER(N) kann die Ermüdungslastwechselzahl (NMakro) für das Kriterium Makroriss bei dem Maximum der Funktion ER(N) berechnet werden.

ER(N) = E(N) ● N           (3)

mit

ER(N)    - Energy Ratio
|E(N)|     - bei dem betrachteten Lastwechsel berechneter Elastizitätsmodul
N            - zugehörige Lastwechselzahl.

Die Bestimmung der materialspezifischen Ermüdungsfunktion erfolgte anhand der mit dem Spaltzugschwellversuch ermittelten Lastwechselzahlen bis zum Erreichen des Makrorisses. Aufgrund einer lokalen Überschreitung der Zugfestigkeit entstehen Makrorisse. In Abhängigkeit von der anfänglichen elastischen Horizontaldehnung wurden die Lastwechselzahlen bis zum Makroriss für alle untersuchten Asphalttragschichtgemische ermittelt (dehnungsabhängige Ermüdungsfunktionen).

Im Bild 4 sind für die unteren Asphalttragschichtmaterialien der vier Versuchsstrecken die versuchstechnisch ermittelten Ermüdungsfunktionen ersichtlich. Erwartungsgemäß sollten die Ermüdungsfunktionen der Asphalte, welche zu einem späteren Zeitpunkt der Straßenbefestigung entnommen wurden desselben Streckenabschnittes unterhalb derer liegen, welche den Materialuntersuchungen der Bohrkernentnahme 2006 zu Grunde liegen. Für die Versuchsstrecke I, II und IV kann festgehalten werden, dass eine weitere Materialermüdung eingetreten ist und somit kurze Restnutzungsdauern zu erwarten sind. Bei der Versuchsstrecke III verhält es sich anders. Aufgrund der Tatsache, dass beide ermittelten Ermüdungsfunktionen (aus 2006 und 2011) fast deckungsgleich verlaufen, scheint keine weitere Materialermüdung während der „zusätzlichen“ Nutzungszeit stattgefunden zu haben.

Bild 4: Ermüdungsfunktionen – Vergleich 2006 zu 2011 

3.4 Ermittlung des Tieftemperaturverhaltens

3.4.1 Versuchsparameter

An die Stirnflächen der Asphaltprismen wurden mittels eines Zweikomponentenklebers auf Epoxidharzbasis Adapterplatten geklebt. Anschließend wurde dieses System in die Prüfvorrichtung eingebaut. Die Position der beiden Adapterplatten wurde während des Abkühlvorgangs von zwei Wegaufnehmerpaaren, die an zwei temperaturindifferenten Messbasen befestigt sind, erfasst. Die Asphaltprüfkörper wurden, beginnend bei der Starttemperatur von +20 °C, mit einer konstanten Abkühlrate von 10 K/h abgekühlt. Während des Abkühlvorgangs wird die vor Versuchsbeginn gemessene Probekörperlänge konstant gehalten. Die durch diese beabsichtigte Behinderung des thermischen Schrumpfs im Prüfkörper auftretenden thermogenen Zugspannungen wurden in Abhängigkeit von der Temperatur und der Zeit erfasst und beim Bruch des Prüfkörpers wurden die maximale thermisch induzierte Zugspannung und die Bruchtemperatur ermittelt.

3.4.2 Ergebnisse

Die Ergebnisse der Abkühlversuche deuten darauf hin, dass eine Veränderung dieser Asphalteigenschaft erfolgt ist. Dies ist anhand des Verlaufes der kryogenen Spannungen erkennbar. Asphalttragschichtmaterialien, welche nicht über einen langen Nutzungszeitraum und somit Beanspruchungen aus Witterung und Verkehr ertrugen, weisen bei gleichen (Prüf)Temperaturen wesentlich geringere kryogene Spannungen auf. Demnach treten infolge der Temperaturänderung (unter der Voraussetzung, dass die Abkühlrate in der Realität auch eintritt) größere Dehnungen in den untersuchten unteren Asphalttragschichtmaterialien auf.

Im Bild 5 sind die Ergebnisse des Abkühlversuchs zu sehen, das heißt die kryogenen Spannungen, die aufgrund einer Abkühlrate in den Probekörper eingebracht worden sind. Die durchgezogenen Linien charakterisieren die Prüfergebnisse der Asphaltmaterialien, welche 2006 den Straßenbefestigungen entnommen wurden und die gestrichelte Linie charakterisiert jene Ergebnisse derselben Asphalte, welche jedoch ca. fünf Jahre länger den Beanspruchungen aus Klima und Verkehr ausgesetzt waren. Es ist deutlich zu erkennen, dass für dieselbe Temperatur im Abkühlversuch in die Asphalte, welche länger in der Straßenbefestigung beansprucht wurden, höhere Spannungen induziert werden, das heißt das Relaxationsvermögen des Asphaltes nahm während der Liegezeit weiter ab. Dies bedeutet auch für die Nutzungsdauerbetrachtungen einen höheren Beitrag an Beanspruchung/Dehnung infolge Temperaturänderung.

Bild 5: Kryogene Zugspannungen – Vergleich 2006 zu 2011 

4 Nutzungsdauerbetrachtungen

4.1 Allgemeines

Zunächst muss die Definition des Nutzungsausfallzeitpunktes (NAZ) geklärt werden. Der Eintritt eines Makrorisses an der Unterseite der Asphalttragschicht legt den Nutzungsausfallzeitpunkt fest, da somit eine strukturelle Schädigung in der Befestigung vorliegt. Die Dimensionierung in der Bundesrepublik Deutschland berücksichtigt die Rissbildung von unten, das heißt, die Materialeigenschaften der unteren Asphalttragschicht sind maßgebliche dimensionierungsrelevante Einflussparameter. Für die analytische Bewertung der Versuchsstrecken wurde die Software Pavement Design Tool (PaDesTo) genutzt, mit jenem kann der Ermüdungsstatus und folglich der NAZ anhand der ermittelten Dimensionierungseingangswerten, der vorhandenen Schichtdicken des Asphaltpaketes und der ertragenen/vorgegebenen Verkehrsbelastung berechnet werden.

Für die Berechnung des Nutzungsausfallzeitpunktes der einzelnen Versuchsstrecken fließen zum einen die ermittelten Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktionen der untersuchten Asphaltschichten des Oberbaus und zum anderen die aufgestellten Ermüdungsfunktionen der unteren Asphalttragschichten mit ein. Außerdem werden für die Berechnungen der Nutzungsausfallzeitpunkte weitere streckenbezogene Parameter, wie beispielsweise die Anzahl der Fahrstreifen, Längsneigung, das Materialverhalten bei tiefen Temperaturen (kryogene Spannungen), der vorhandene Schichtenaufbau und die geografische Lage, mit berücksichtigt.

4.2 Eingangswerte für Nutzungsdauerbetrachtungen

Die Berechnung wird unter Berücksichtigung der vorhandenen Schichtenfolge durchgeführt. Ausgehend von dem vorgegebenen Schichtenaufbau werden die Spannungen an maßgebenden Stellen innerhalb der Befestigung berechnet. Alle Asphaltoberbauten der untersuchten Versuchsstrecken sind gemäß den Aussagen der zuständigen Baulastträger auf einer Frostschutzschicht gegründet.

Anhand der geografischen Lage (Frosteinwirkzone) der einzelnen Versuchsstrecken innerhalb des Straßennetzes wurden die sich daraus ergebenen Dicken für den frostsicheren Oberbau ermittelt (Asphaltpaket auf Frostschutzschicht). Zusätzliche Faktoren für Mehr- oder Minderdicken, wie vorherrschende Wasserverhältnisse oder die Ausführung der Randbereiche, wurden bei der Festlegung der Mindestdicken des frostsicheren Oberbaus konstant gehalten. Bei der Bestimmung der Mehr- oder Minderdicke für das Kriterium Lage der Gradiente wurden die tatsächlich vorgefundenen örtlichen Verhältnisse der einzelnen Versuchsstrecken berücksichtigt. Die vorhandenen Schichtenaufbauten der einzelnen Versuchsstrecken sind bereits dargestellt worden.

Die Verkehrsbelastungen bis zur Bohrkernentnahme 2011 für alle untersuchten Versuchsstrecken sind bereits im Abschnitt 4 dargestellt worden. Ab dem Zeitpunkt der Bohrkernentnahme wird eine mittlere jährliche Steigerung des Schwerverkehrs von 3 % bis zum Ende des angestrebten Nutzungszeitraums angenommen. Diese Vorgehensweise für die Ermittlung der bemessungsrelevanten Beanspruchung („B-Zahl“) wurde bei allen Versuchsstrecken durchgeführt. Die Tabelle 2 zeigt die für die Berechnung der Nutzungsausfallzeitpunkte ermittelten Verkehrsbelastungen (seit Bauwerkserstellung) der untersuchten Versuchsstrecken.

Zum heutigen Zeitpunkt kann jedoch nicht eindeutig gesagt werden, von welchen Verkehrssteigerungen für die einzelnen Versuchsstrecken bei der damaligen Bemessung ausgegangen worden ist bzw. Verkehrsszenarien angesetzt worden sind. Für die Prognose der zu erwartenden Verkehrsbelastung (ab dem Zeitpunkt der Bohrkernentnahmen) ist eine charakteristische Achslastverteilung für Bundesautobahnen „BAB Fernverkehr“ gewählt worden, welche in elf Achslastgruppen unterteilt ist.

Tabelle 2: Verkehrsbelastungen der Versuchsstrecken

Die entscheidenden Eingangswerte für die analytische Bewertung bzw. Ermittlung der Nutzungsausfallzeitpunkte sind die versuchstechnisch ermittelten Asphalteigenschaften wie Ermüdungsverhalten der unteren Asphalttragschichten, die Steifigkeiten in Abhängigkeit der Temperatur der verschiedenen Asphaltschichten sowie das Tieftemperaturverhalten. Hierfür wurden die ermittelten kryogenen Spannungen der Asphalttragschichtmaterialien bei den Berechnungen der Nutzungsausfallzeitpunkte zu 50 % mit angesetzt. Die Ergebnisse sind in den betreffenden Abschnitten enthalten.

Ebenso fanden bei den Berechnungen der Nutzungsausfallzeitpunkte für die Frostschutzschichten realistische Verformungskennwerte Eingang. Für den Untergrund/Unterbau ist ein Verformungsmodul EV2 mit 45 N/mm² gewählt worden. Die Frostempfindlichkeitsklasse für die anstehenden Böden der untersuchten Versuchsstrecken wurde mit F 3 gewählt.

Aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels auf die Straßenoberbauten in Asphaltbauweise ist bei der Berechnung der Nutzungsausfallzeitpunkte eine Berücksichtigung der Temperaturverläufe in allen Asphaltschichten erforderlich. Derzeit wird davon ausgegangen, dass für Asphaltbefestigungen in Deutschland dreizehn Oberflächentemperaturen berücksichtigt werden sollten, zu denen jeweils der Temperaturverlauf im Asphaltpaket rechnerisch ermittelt wird. Ebenso wurde die Häufigkeit des Auftretens dieser Oberflächentemperaturen innerhalb eines Jahres bei der analytischen Bewertung berücksichtigt.

4.3 Ergebnisse und vergleichende Betrachtungen

4.3.1 Allgemeines

Über die Ermüdungsfunktion werden die zulässigen Achsübergänge der einzelnen Konstruktionsschichten ermittelt und den vorhandenen bzw. prognostizierten Achsübergängen gegenübergestellt. Die Anzahl der Achsübergänge wird in Achslastklassen aufgeteilt. Für jede Achslastklasse werden die Spannungsberechnungen getrennt für die jeweils vorherrschenden Oberflächentemperaturen und den daraus resultierenden Temperaturverläufen innerhalb der Asphaltschichten durchgeführt. Alle maßgebenden Kombinationen aus Temperatur und Last, deren Einzelergebnisse nach der Hypothese von (Miner 1945) für die Bewertung zusammengefasst werden, finden in der Berechnung der Nutzungsausfallzeitpunkte und somit in die analytische Bewertung Berücksichtigung.

Derzeit wird davon ausgegangen, dass eine erstellte Asphaltbefestigung mindesten 30 Jahre „schadfrei“ sein sollte. Da jedoch nicht immer genau bekannt ist, wie lange eine Straßenbefestigung tatsächlich schadfrei im Sinne des nationalen Regelwerks für Verkehrsflächen liegt, wird dieser angestrebte Nutzungszeitraum zu 100 % gesetzt, so dass für die berechneten Nutzungsausfallzeiten prozentuale Angaben möglich sind. Wenn sich zum Beispiel für die Berechnung des Nutzungsausfallzeitpunktes ein Wert von 85 % ergibt, dann bedeutet das, dass diese Straßenbefestigung unter Berücksichtigung aller erforderlichen Parameter 15 % länger schadfrei, bezogen auf den angestrebten Nutzungszeitraum, liegt. Dies entspräche somit einer Nutzungszeit von mehr als 30 Jahren. Zunächst ist der Ermüdungsstatus einer Asphaltbefestigung ermittelt worden und für die zu erwartende Verkehrsbelastung drückt dieser den  „Verbrauch“ an Nutzungsdauer aus.

Die Ergebnisse der vergleichenden Betrachtungen der zu erwartenden Rest- bzw. Gesamtnutzungszeiten sind in der Tabelle 3 dargestellt.

Die Versuchsstrecke I lag bis zur ersten Bohrkernentnahme 2006 ca. 11 Jahre unter Verkehr. Ausgehend von den Materialuntersuchungsergebnissen wurde eine noch zu erwartende Restnutzungszeit von 14 Jahren ermittelt. Somit ergab sich eine prognostizierte Gesamtnutzungszeit von 25 Jahren. Anhand der Ergebnisse der Materialuntersuchungen der durchgeführten Bohrkernentnahme im Kalenderjahr 2011 (bisherige Liegezeit 16 Jahre) wurde dahingegen eine zu erwartende Restnutzungszeit von fünf Jahren ermittelt. In der Addition ergibt dies nun eine Prognose von 21 Jahren Gesamtnutzungszeit. Daraus folgt, dass das Asphaltmaterial aufgrund der weiteren fünf Jahren Liegezeit (Witterungs- und Verkehrsbeanspruchung) noch stärker ermüdet ist als 2006 prognostiziert.

Tabelle 3: Rest- bzw. Gesamtnutzungszeiten – Vergleich 2006 zu 2011

Nach beiden Bohrkernentnahmen mit anschließenden Materialuntersuchungen wurde für Versuchsstrecke III eine noch zu erwartende Restnutzungszeit von ca. fünf Jahren prognostiziert. Einen Betrag für dieses Prognoseergebnis der Restnutzungsdauer liefern auch die wesentlichen höheren Steifigkeiten des Asphaltdeckschicht- und Asphaltbinderschichtmaterials, welche an den Prüfkörpern der im Kalenderjahr 2011 entnommenen Bohrkernen ermittelt wurden. Für die Versuchsstrecken II und IV konnten die Prognosen der Gesamtnutzungszeiten aus 2006 mit den Ergebnissen der zweiten Prognoserechnung, bei welchen die Materialeigenschaften der 2011 entnommenen Asphaltproben als Datengrundlage dienten, bestätigt werden.

Die Versuchsstrecken II und III weisen dieselben prognostizierten Gesamtnutzungsdauern und eine annähernd gleiche Verkehrsbeanspruchung auf, aber doch deutlich unterschiedliche Asphaltpaketdicken. Bei Versuchsstrecke III wurde die Schichtdicke der Asphalttragschicht um 80 mm reduziert ausgebildet gegenüber der Asphalttragschichtdicke der Versuchsstrecke II (Tabelle 1). Dies bedeutet, dass das Asphalttragschichtmaterial der Versuchsstrecke II nicht so ermüdungsresistent ist wie jenes der Versuchstrecke III. 

5 Zusammenfassung

Der konstruktive Straßenbau in der Bundesrepublik Deutschland wird in der Zukunft weniger vom Neubau als von der Erhaltung dieser wertvollen Infrastruktur geprägt sein. Daher bedarf es gezielter Erhaltungsstrategien. In den letzten Jahren wurde deshalb ein Pavement Management System entwickelt, das auf einer objektiven, netzweiten Bewertung des aktuellen Straßenzustandes basiert. Somit können Schwachstellen rechtzeitig erkannt und Dringlichkeitsreihungen für notwendige Erhaltungsmaßnahmen erstellt werden. Hierbei kommt der Zustandserfassung und Zustandsbewertung eine besonders hohe Bedeutung zu. Es wird jedoch für die Ermittlung der Zustandsmerkmale Substanz ausschließlich das erfasste Oberflächenbild herangezogen bzw. visuell beurteilt. Daher ergibt sich die Notwendigkeit der Ermittlung der Restsubstanz einer Asphaltbefestigung, welche die Faktoren Belastung, Alter, Klima und Materialeigenschaften berücksichtigt und somit eine ganzheitliche, strukturelle Bewertung einer Straßenbefestigung ermöglicht.

In der vorliegenden Arbeit bildeten die Ergebnisse von Spaltzugschwellversuchen für die Ermittlung und Bewertung der strukturellen Restsubstanz von Asphaltbefestigungen die wesentliche Grundlage. In diesem Zusammenhang wurden zwei Betrachtungszeitpunkte untersucht. Hierfür wurden von Versuchsstrecken Asphaltproben im Labor untersucht. Für alle Asphaltschichten sind die Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktionen und für die unteren Asphalttragschichten die Ermüdungsfunktionen bestimmt worden. Anhand der Ergebnisse der Ermüdungsuntersuchungen konnte eine große Bandbreite beschrieben werden, innerhalb derer die Ermüdungsfunktionen von Asphalttragschichtmaterialien liegen können. Mit den Ergebnissen zur Ermittlung der Asphalteigenschaften bei tiefen Temperaturen konnte auch anhand des Verlaufs der kryogenen Spannungen die aufgetretene Materialveränderung aufgezeigt werden.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Restnutzungsdauerbetrachtungen in Anlehnung an die RDO Asphalt 09 möglich sind. Mit den Ergebnissen der Asphaltuntersuchungen des zweiten Betrachtungszeitraums (2011), konnten die Ergebnisse der ersten Prognose (Bohrkernentnahme 2006) bestätigt werden. Hierbei müssen aber unbedingt die Asphaltkennwerte direkt bestimmt werden.

Weiterhin wurde deutlich, dass anhand der ermittelten Materialeigenschaften nur in Verbindung mit einem Berechnungsverfahren, welches auch die Faktoren Alter, Klima und Belastung berücksichtigt, eine Abschätzung der Restsubstanz von Asphaltbefestigungen möglich ist.

Literaturverzeichnis

  1. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2009): Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Asphaltdeckschicht (RDO Asphalt), Köln, FGSV 498
  2. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2001): Richtlinien für die Planung von Erhaltungsmaßnahmen an Straßenbefestigungen (RPE-Stra), Köln, FGSV 488
  3. Ressel, W.; Lipke, S.; Wellner, F.; Benner, A. (2008): Vergleichende Bewertung der Restsubstanz von Asphaltbefestigungen nach langjähriger Verkehrsnutzung, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Abteilung Straßenbau, Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 1003, Bonn
  4. Francken, L.; Verstraeten, J. (1974): Methods for predicting moduli und fatigue laws of bitumious road mixes under repeated bending, Transportation Research Record 515, pp 114–123, Washington D.C.
  5. Read, J. (1996): Fatique cracking of bituminous paving mixtures, University of Nottingham, Department of Civil Engineering, Dissertation, Nottingham
  6. Hopman, P. C. (1996): A visco-elastic analysis of asphalt pavement using veroad, Eurasphalt & Eurobitume Congress, Strasbourg
  7. Miner, M. A. (1945): Cumulative damage in fatigue, Journal of Applied Mechanics, Vol. 12, Nr. 3