FGSV-Nr. FGSV C 11
Ort Münster
Datum 09.03.2010
Titel Numerische Modelle zur Bewertung technischer Sicherungsmaßnahmen
Autoren Dr.-Ing. Emanuel Birle
Kategorien Erd- und Grundbau
Einleitung

Bei Verwendung von Böden und Baustoffen mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen in Erdbauwerken sind gegebenenfalls technische Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen, um in umweltspezifischer und wasserwirtschaftlicher Hinsicht einen verantwortungsvollen Einsatz dieser Materialien zu gewährleisten. Die technischen Sicherungsmaßnahmen sind dabei so zu gestalten, dass eine Durchsickerung der Böden und Baustoffe mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen und damit ein möglicher Austrag von Schadstoffen auf ein verträgliches Maß minimiert werden. Das „Merkblatt über Bauweisen für technische Sicherungsmaßnahmen beim Einsatz von Böden und Baustoffen mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen im Erdbau“ (M TS E) stellt insgesamt sechs unterschiedliche Bauweisen für Straßendämme, die entsprechend auch auf andere Erdbauwerke übertragbar sind, vor. Ziel der zugrunde liegenden Forschungsarbeit war es, die Wirksamkeit verschiedener technischer Sicherungsmaßnahmen bei der Verwendung von Böden und Baustoffen mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen im Erdbau zu bewerten. Dazu wurden numerische Berechnungen zur Ermittlung der sich bei den verschiedenen Bauweisen einstellenden Sickerwassermengen durchgeführt. Auf Grundlage der Berechnungsergebnisse wurden die verschiedenen Bauweisen miteinander verglichen.

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1 Einleitung

Bei Verwendung von Böden und Baustoffen mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen (BumI) in Erdbauwerken sind gegebenenfalls technische Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen, um in umweltspezifischer und wasserwirtschaftlicher Hinsicht einen verantwortungsvollen Einsatz dieser Materialien zu gewährleisten. Die technischen Sicherungsmaßnahmen sind dabei so zu gestalten, dass eine Durchsickerung der Böden und Baustoffe mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen und damit ein möglicher Austrag von Schadstoffen auf ein verträgliches Maß minimiert werden.

Das „Merkblatt über Bauweisen für technische Sicherungsmaßnahmen beim Einsatz von Böden und Baustoffen mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen im Erdbau“ (M TS E) stellt insgesamt sechs unterschiedliche Bauweisen für Straßendämme, die entsprechend auch auf andere Erdbauwerke (z. B. Lärm- und Sichtschutzwälle) übertragbar sind, vor. Diese können prinzipiell in Bauweisen mit Abdichtungen, Bauweisen mit gering durchlässigem Körper aus Böden oder Baustoffen mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen und Kernbauweisen ohne Abdichtungen unterschieden werden. Ziel der Forschungsarbeit mit dem Titel „Geohydraulische Bewertung technischer Sicherungsmaßnahmen beim Einsatz von Böden und Baustoffen mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen im Erdbau“ [16] war es, die Wirksamkeit verschiedener technischer Sicherungsmaßnahmen bei der Verwendung von Böden und Baustoffen mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen im Erdbau zu bewerten. Da ein potenzieller Schadstoffaustrag aus dem 3-Phasen-System des Bodens in der Regel maßgeblich über die flüssige Phase erfolgt, ist das entscheidende Kriterium aus wasserwirtschaftlicher und umweltspezifischer Sicht die bei den verschiedenen Bauweisen zu erwartende Sickerwassermenge. Anhand von numerischen Berechnungsmodellen wurden die verschiedenen Bauweisen im Hinblick auf die Sickerwassermengen vergleichend untersucht.

Im Folgenden werden zunächst die verschiedenen Bauweisen zum Einbau von Böden und Baustoffen mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen in Erdbauwerken vorgestellt. Anschließend werden die im Hinblick auf den Wasserhaushalt von Erdkörpern relevanten Prozesse herausgearbeitet bevor ausführlich auf die Modellbildung unter Berücksichtigung der gewählten Modellgeometrie, der Anfangs- und Randbedingungen sowie der Bodenkennwerte eingegangen wird. Abschließend werden die Berechnungsergebnisse vorgestellt und bewertet. In einem Ausblick werden die noch offenen Fragestellungen erläutert.

2 Bauweisen nach dem M TS E

2.1 Bauweisen mit Abdichtungen

Eine Durchsickerung von schadstoffbelasteten Böden und Baustoffen durch eindringendes Oberflächen- und Niederschlagwasser kann prinzipiell durch Dichtungsschichten verhindert werden. Dabei kann die Dichtung aus witterungsempfindlichen Materialien (geosynthetische und mineralische Stoffe) sowie aus witterungsunempfindlichen Baustoffen wie z. B. Kunststoffdichtungsbahnen bestehen.

Das M TS E führt verschiedene Bauweisen mit Abdichtungen auf. Die im Folgenden dargestellten Bilder zeigen Straßendämme, bei denen die als wasserundurchlässig geltenden Fahrbahndecken als Bestandteil der Abdichtung gesehen werden. Um den Schutz des Dammkernes aus Bodenmaterial mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen vor Durchsickerung sicherzustellen, ist eine im Ausbreitungswinkel von 45° unter die Asphaltdecke reichende Kunststoffdichtungsbahn oder wahlweise eine geosynthetischen Tondichtungsbahn anzuordnen. Diese müssen im Straßenseitenbereich mindestens 1,2 m, in Sonderfällen 1,6 m, unter der Oberfläche eingebracht sein, damit eine Durchstoßung durch Pfosten und Schutzplanken verhindert wird. Sinngemäß sind die unterschiedlichen Bauweisen auf andere Erdbauwerke übertragbar; an die Stelle der Asphaltschicht tritt beispielsweise für Wälle eine durchgängige Dichtung.

Das Bild 1 zeigt einen Straßendamm mit einer Abdichtung aus einem witterungsempfindlichen Material ohne zusätzliche Sickerschicht. Um eine dauerhafte Funktionalität der mineralischen Dichtung zu gewährleisten, ist eine Deckschicht aus Dammbaustoffen von mindestens 1,5 m herzustellen (M TS E, Bauweise A). Dies verhindert eine Austrocknung und eventuell auftretende Schäden durch Frosteinwirkung und Durchwurzelung. Außerdem muss die mineralische Dichtung in einer Mächtigkeit von mindestens 0,5 m und einem Durchlässigkeitsbeiwert von k ≤ 5 · 10-10 m/s eingebaut werden.

Bild 1: Bauweise A Damm mit witterungsempfindlichen Dichtungselementen ohne Sickerschicht [4]

Da die oben abgebildete Bauweise A nicht über eine Dränageschicht, in der eingedrungenes Oberflächen- und Niederschlagswasser rasch abgeleitet werden kann, verfügt, muss das Dammbaumaterial den Abfluss des Sickerwassers durch einen um mindestens drei Zehnerpotenzen höheren Durchlässigkeitsbeiwert gegenüber der Dichtungsschicht (Δk ≥ 1 · 103 m/s) gewährleisten.

Die Bauweise B im Bild 2 hingegen ist zusätzlich zur Abdichtung mit witterungsempfindlichen Dichtungselementen mit einer Sickerschicht versehen, was die zusätzlichen Anforderung an den Durchlässigkeitsbeiwert des Dammbaustoffes hinfällig macht. Für diesen Dammaufbau ist ein Durchlässigkeitsbeiwert der mineralischen Dichtung von k ≤ 5 · 10-9 m/s ausreichend.

Bild 2: Bauweise B – Damm mit witterungsempfindlichen Dichtungselementen und Sickerschicht [4]

Bei der Verwendung einer witterungsunempfindlichen Abdichtung (z. B. Kunststoffdichtungsbahnen) kann die Dicke der Überdeckung aus Dammbaustoff gegenüber den Bauweisen A und B deutlich reduziert werden. Diese Bauweise C, ist im Bild 3 dargestellt, erlaubt bei gleichbleibenden Dammabmessungen damit ein größeres Volumen des Dammkernes aus Böden bzw. Baustoffen mit umweltrelevaten Inhaltsstoffen.

Bild 3: Bauweise C – Damm mit witterungsunempfindlichen Dichtungselementen [4]

2.2 Kernbauweisen ohne Abdichtungen

Auf ein zusätzliches Dichtungselement kann verzichtet werden, wenn der Boden mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen nur im Bereich unterhalb der Fahrbahn eingebaut wird (siehe Bild 4). Der für die seitlichen Stützkörper verwendete Dammbaustoff sollte dabei einen gegenüber dem Kernmaterial 50fach größeren Durchlässigkeitsbeiwert aufweisen (k1 ≥ 50 · k2 ).

Bild 4: Bauweise D – Damm mit Kern aus Böden oder Baustoffen mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen [4]

2.3 Bauweisen mit gering durchlässigem Baukörper aus BumI

Bei der im Bild 5 dargestellten Bauweise E soll der Dammkern aus BumI im eingebauten Zustand einen Durchlässigkeitsbeiwert k ≤ 1 · 10-7 m/s aufweisen. Zusammen mit einer da-rüber liegenden Dränschicht, die eine rasche Ableitung des infiltrierten Wassers gewährleistet, soll damit die Durchsickerung des BumIs minimiert werden. Für diese Bauweise sind zwei Varianten beschrieben. Variante 1 fasst das von der Fahrbahndecke abfließende Oberflächenwasser mittels Hochbord am tiefer gelegenen Straßenrand. Bei der Variante 2 fließt das Oberflächenwasser über die Böschung ab und wird am Dammfuß abgeleitet.

Bild 5: Bauweise E – Damm mit schwach durchlässigem Baukörper aus Böden oder Baustoffen mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen [4]

2.4 Bauweise mit wasserabweisender Anspritzung

Eine zusätzliche Variante für den Aufbau eines Erdbauwerkes aus Materialien mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen stellt die Anspritzung mit einer wasserabweisenden Bitumenemulsion von mindestens 0,8 kg/m² dar (Bild 6). Die Anwendung dieser Bauweise F bedingt allerdings hydrogeologisch günstige Untergrundverhältnisse (siehe unter anderem [11]). Für die Dicke der Überdeckung der wasserabweisenden Anspritzung gilt die Art der späteren Bepflanzung als Maßgabe.

Bild 6: Bauweise F – Damm mit wasserabweisender Anspritzung [4]

3 Wasserhaushalt von Erdkörpern

Der Wasserhaushalt eines bewachsenen Erdkörpers mit seinen wichtigsten Komponenten ist vereinfacht im Bild 7 dargestellt. Infolge von Niederschlägen kommt es an der Bodenoberfläche zu Oberflächenabflüssen und zur Versickerung von Niederschlagswasser in den Boden (Infiltration). Gleichzeitig wird dem Erdkörper über die Bodenoberfläche in Abhängigkeit von den klimatischen Bedingungen und der Vegetation Wasser durch Evaporation und Transpiration der Pflanzen entzogen. Diese beiden Komponenten werden in der Regel in Form der Evapotranspiration gemeinsam erfasst. Bilanziert man die einzelnen Zu- und Abflüsse muss im stationären Zustand gelten, dass der Niederschlag gleich der Summe aus Oberflächenabfluss, Versickerung und Evapotranspiration ist. Im instationären Zustand muss zusätzlich im Boden eine Änderung des Wassergehaltes berücksichtigt werden [12].

Bild 7: Wasserhaushalt eines Erddammes mit technischen Sicherungselementen

Im Boden selbst wird Wasser sowohl in flüssiger als auch in gasförmiger Phase bewegt. Die wesentlichen Ursachen für eine Wasserbewegung in flüssiger Phase sind hydraulische Gradienten und Temperaturgradienten. Die Wasserbewegung in der gasförmigen Phase resultiert aus Feuchte- und Temperaturgradienten.

Die im Oberboden bzw. an der Bodenoberfläche auftretenden Vorgänge der Evaporation, Transpiration der Pflanzen, des Oberflächenabflusses und der Versickerung infolge von Niederschlägen sind hochkomplexe Prozesse, die mit numerischen Methoden bisher nur bedingt simulierbar sind [1]. Unter Berücksichtigung der Zielsetzung der Forschungsarbeit wurde nur die Wasserbewegung im Boden betrachtet. Die Wasserbewegung in der gasförmigen Phase bleibt dabei unberücksichtigt. Im Hinblick auf eine vergleichende Untersuchung der Wirksamkeit der einzelnen Bauweisen ist diese Vorgehensweise aber ausreichend.

4 Modellbildung

4.1 Berechnungsprogramm

Die Untersuchungen wurden mit dem Grundwassermodell FEFLOW der DHI Wasy GmbH, Berlin, durchgeführt. Damit kann die Wasserbewegung in der gesättigten wie auch ungesättigten Zone unter stationären und instationären Bedingungen beschrieben werden. Durch die Wahl eines Grundwassermodells beschränkt man sich bei der Abbildung der Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre und Boden auf die Simulation des in den Boden eindringenden Sickerwassers infolge von Niederschlagsereignissen. Die Wasserbewegung im Boden wird mit Hilfe der Richards-Gleichung beschrieben:

C(y) wird dabei als Kapillarkapazität bezeichnet und gibt die Neigung der Beziehung zwischen dem volumetrischen Wassergehalt und dem Matrixpotenzial wieder; k(q) [L/T] stellt den vom volumetrischen Wassergehalt abhängigen Durchlässigkeitsbeiwert dar; yh bezeichnet das Gesamtpotenzial [L], das der Arbeit entspricht, die verrichtet werden muss, um Wasser von einem vorgegebenen Punkt zum Bezugspunkt des betrachteten Kraftfeldes zu bewegen. Bei der Richards-Gleichung handelt es sich um eine partielle, nichtlineare Differenzialgleichung, die unter Anwendung der Finite-Elemente-Methode numerisch gelöst werden kann. Die Beziehungen zwischen der Saugspannung und dem volumetrischen Wassergehalt sowie der ungesättigten hydraulischen Durchlässigkeit und dem volumetrischen Wassergehalt wurden in den verwendeten Modellen mit dem geschlossenen Ansatz nach [14] und [9] beschrieben.

4.2 Vorgehensweise

Zunächst wurden die im M TS E aufgeführten Bauweisen mit technischen Sicherungselementen analysiert. Unter Berücksichtigung der Funktion der verschiedenen Elemente der einzelnen Bauweisen wurde anschließend die Geometrie so weit wie möglich vereinfacht und entsprechend den Modellanforderungen modifiziert. Nach der Ermittlung der Modellgeometrie wurden die Bodenkennwerte und Rand- und Anfangsbedingungen zugewiesen. Während des zeitaufwändigen Prozesses der Modellfindung durch eine Vielzahl von Vorberechnungen stellte sich heraus, dass die stark nichtlineare partielle Differenzialgleichung bei dem vorliegenden mehrschichtigen geometrischen Aufbau nur unter Diskretisierung der einzelnen Zeitschritte instationär gelöst werden kann. Die Berechnung wurde deshalb von einem definierten Anfangszustand ausgehend gestartet und bis zum Erreichen eines quasistationären Zustandes durchgeführt. Zur Bewertung der Wirksamkeit der einzelnen Bauweisen wurden anschließend die sich im stationären Zustand einstellenden Sickerwassermengen ermittelt.

4.3  Modellgeometrie

Den Berechnungen wurde ein 5 m hoher Damm mit den Abmessungen des Regelquerschnittes RQ 10,5 nach [10] zugrunde gelegt. Im Bild 8 ist der Damm mit dem für alle Bauweisen charakteristischen Straßenaufbau am Beispiel der Bauweise E dargestellt.

Bild 8: Bauweise E mit schwach durchlässigem Baukörper aus BumI – Modellgeometrie

Zur Reduzierung des Berechnungsaufwandes wurde das Berechnungsmodell auf den im Bild 8 dargestellten umrandeten Bereich beschränkt. Die eigentliche Dammoberfläche bedeckt eine fiktive Dränschicht, die einen Wasserabfluss auf dem eigentlichen Straßendamm im Sinne eines Oberflächenabflusses ermöglichen soll. Der auf das Modell aufgebrachte Niederschlag kann so entweder in den Damm infiltrieren oder auf der Straßenoberfläche über die fiktive Dränschicht abfließen.

Gemäß den RAS-Ew (2005) [5] sollte der Oberboden im Falle einer Böschungsneigung steiler als 1 : 2 mit einer Mächtigkeit von 10 cm ausgeführt werden. Um numerische Probleme zu vermeiden, wurde der Oberboden im Modell allerdings mit einer Mächtigkeit von 30 cm abgebildet. Das Gleiche gilt für die als Kiesschicht modellierte Sickerschicht. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit dürfte sie wie im M TS E für die Bauweise E dargestellt in der Regel als wenige Zentimeter dicke Dränmatte ausgeführt werden. Derart dünne Elemente bereiten aber Schwierigkeiten bei der Generierung des Finite-Elemente-Netzes und können zu erheblichen numerischen Problemen führen.

4.4 Randbedingungen

Ziel des Forschungsvorhabens war es, die Wirksamkeit verschiedener Bauweisen vergleichend zu untersuchen. Eine exakte Abbildung des Wasserhaushaltes im jahreszeitlichen Ablauf war deshalb nicht erforderlich. Mit dem gewählten Berechnungsmodell kann wie bereits im Abschnitt 4.1 beschrieben prinzipiell nur die Wasserbewegung im Boden abgebildet werden. Die an der Bodenoberfläche stattfindenden Prozesse der Evapotranspiration, des Oberflächenabflusses und der Infiltration können nur vereinfachend dargestellt werden. Großen Einfluss auf die Wirksamkeit der Bauweisen hat die Menge und Verteilung des infiltrierenden Niederschlagswassers. Für die Berechnungen wird angenommen, dass die Asphaltfläche praktisch undurchlässig ist und in diesem Bereich keine Infiltration, sondern nur ein Oberflächenabfluss stattfindet. Dementsprechend wird das im Bereich der Fahrbahn auftreffende Niederschlagswasser rechnerisch vollständig über den Fahrbahnrand an das Bankett abgeführt. Dort kommt es in Abhängigkeit von den hydraulischen Eigenschaften des Banketts zu einer Versickerung in den Boden bzw. zu einem weiteren Oberflächenabfluss. Da das Bankett nach den RAS-Ew (2005) [5] schwach durchlässig sein sollte, ist davon auszugehen, dass das anfallende Niederschlagswasser nur zum Teil versickern wird. In der durchgeführten Forschungsarbeit wurde die über das Bankett und den Oberboden infiltrierende Wassermenge in ihrer Größe und in ihrer Verteilung nicht vorgegeben, sondern sie stellt sich in Abhängigkeit der Bodeneigenschaften ein. Die über dem eigentlichen Straßenkörper modellierte zusätzliche fiktive Schicht dient dabei zur Abführung des in der Realität als Oberflächenabfluss auftretenden Niederschlagswassers.

Am oberen Modellrand, das heißt auf der Oberseite der fiktiven Dränschicht, wurde der Niederschlag in Form eines konstanten Zuflusses („Flux-Randbedingung“) aufgebracht. Die Größe des Niederschlages wurde anhand des mittleren jährlichen Niederschlages für den Flughafen München von 857 mm/a berechnet. Dieser Wert liegt etwas über dem mittleren jährlichen Niederschlag für die Bundesrepublik Deutschland von 797 mm/a [15]. In den ersten Berechnungen wurde der Gesamtniederschlag auf 365 Tage verteilt, womit man eine konstante Niederschlagsmenge von 2,35 mm/d erhält. Um die Auswirkungen größerer Niederschlagsmengen zu studieren, wurden zusätzlich Berechnungen mit einer 4fach sowie einer 10fach größeren Niederschlagsmenge, das heißt 9,4 mm/d und 23,5 mm/d durchgeführt. Diese Wassermengen entsprechen dem mittleren jährlichen Niederschlag für den Flughafen München verteilt auf 3 bzw. 1,2 Monate. Die modellierte Böschungsneigung von 1:1,5 berücksichtigend wurde der Niederschlag im Böschungsbereich entsprechend auf 1,955 mm/d, 7,82 mm/d bzw. 19,55 mm/d abgemindert.

An der Modellunterseite wurde die Situation eines freien Ausflusses modelliert. Dies geschieht über die Definition eines Potenzials entsprechend der geodätischen Höhe und dem Abstand zum Grundwasserspiegel sowie einer sogenannten „constraint“-Randbedingung, wonach das Wasser an der Unterseite nur aus-, aber nicht einströmen darf.

Unter Berücksichtigung eines Abstand der Dammaufstandsfläche zum Grundwasser von einem Meter ergibt sich an der Modellunterseite ein Matrixpotenzial ym = -1 m.

Der linke Modellrand ist undurchlässig und bildet damit eine feste Berandung. Im Bild 9 ist das verwendete Modell mit den Randbedingungen für die Standardbauweise dargestellt.

Bild 9: FE-Modell mit Randbedingungen

4.5 Anfangsbedingung

Als Anfangsbedingung wurde den Berechnungen im gesamten Modellbereich die Potenzialhöhe ψh = –1 m vorgegeben. Daraus ergibt sich eine anfängliche Verteilung des Sättigungsgrades wie im Bild 10 dargestellt. Das Material im Dammkern weist dadurch am Dammfuß nicht wie bei dem oben aufgeführten Modell, das im Grundwasser steht, einen Sättigungsgrad von 100 %, sondern einen entsprechend der Saugspannungs-Wassergehalts-Eigenschaften geringeren Sättigungsgrad auf.

Bild 10: Verteilung des Sättigungsgrades im Anfangszustand, wenn der Grundwasserspiegel 1 m unter der Dammunterkante liegt

In der Realität liegt unmittelbar nach Herstellung des Dammes ein anderer Anfangszustand vor. Dieser wird wesentlich durch den beim Einbau vorliegenden Wassergehalt und den nach Verdichtung erzielten Sättigungsgrad bestimmt. Vor diesem Hintergrund wurden im Rahmen der Voruntersuchungen zunächst Berechnungen mit einem für jede Bodenschicht konstanten Sättigungsgrad durchgeführt. Die vorgegebenen Sättigungsgrade entsprechen dabei einem bestimmten Matrixpotenzial. An den Grenzen zwischen zwei Bodenschichten führt dies jedoch zu Unstetigkeiten, da es dort zu einem Sprung des Matrixpotenzials kommt. Von einem derartigen Anfangszustand ausgehend konnte in den Modellberechnungen kein rechnerisch stabiler Zustand gefunden werden.

4.6 Bodenkennwerte

Bei den betrachteten Bauweisen handelt es sich um mehrschichtige Erdkörper, die unter Berücksichtigung der bautechnischen Regelwerke aus sehr unterschiedlichen Materialien aufgebaut sein können. Deshalb können die für die vorliegende Fragestellung relevanten hydraulischen Eigenschaften einer Schicht sehr unterschiedlich sein. Dies betrifft beispielsweise die bei Bauweisen mit Abdichtungen einsetzbaren BumIs. Dort können prinzipiell grob-, gemischt-, aber auch feinkörnige Böden eingebaut werden, sofern die erforderlichen mechanischen Eigenschaften erfüllt werden. In gleicher Weise können die Eigenschaften des Straßenoberbaus in gewissen Bandbreiten variieren. Festzuhalten ist außerdem, dass die vorliegenden Bodenkennwerte für unverdichtete Böden gelten. Die den einzelnen Schichten zugeordneten Bodenkennwerte sind in der Tabelle 1 zusammenfassend dargestellt.

Tabelle 1: Bodenkennwerte

5 Berechnungsergebnisse

Bauweise A

Die Berechnungsergebnisse zeigen, dass bei der Bauweise A nur eine sehr geringe Sickerwassermenge in den Kern aus Böden oder Baustoffen mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen infiltriert, sofern ein kapillarer Wassertransport im Dammbaustoff in den Bereich unterhalb der Fahrbahn unterbunden wird. Dies lässt sich beispielsweise durch Ausbildung einer Kapillarsperre zwischen der Frostschutzschicht und der Dichtungsschicht unterhalb des Banketts realisieren oder durch Verwendung eines Dammbaustoffes, der nur einen geringen kapillaren Wassertransport zulässt. Die Wirksamkeit der Dichtungsschicht ist anhand der in den Bildern 11 und 12 dargestellten Sättigungsgrade und Strömungslinien gut zu erkennen. Gleichzeitig ist ein geringer kapillarer Wassertransport im als stark schluffiger Sand modellierten Dammbaustoff sichtbar.

Bild 11: Verteilung des Sättigungsgrades für Modell A2b_2.35 im stationären Zustand mit Angabe der angesetzten Bodenkennwerte entsprechend der Tabelle 1

Bild 12: Strömungslinien im Modell A2b_2.35 im stationären Zustand

Bauweise B

Die Berechnungsergebnisse zeigen, dass die Bauweise B geeignet ist, um die Sickerwassermengen in den Boden oder Baustoffen mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen zu minimieren (siehe dazu Bilder 13 und 14). Für die in den Böden oder Baustoffen mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen infiltrierende Wassermenge wurde bei Ansatz eines konstanten Niederschlages von 2,35 mm/d im stationären Fließzustand ein Wert von ca. 3 % des Niederschlages ermittelt.

Bild 13: Verteilung des Sättigungsgrades für Modell B2-1_2.35 im stationären Zustand mit Angabe der angesetzten Bodenkennwerte entsprechend der Tabelle 1

Bild 14: Strömungslinien im Modell B2-1_2.35 im stationären Zustand

Bauweise D

Bei der Bauweise D wird der Boden oder Baustoff mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen nur im Dammkern unterhalb der Asphaltschicht eingebaut. Entsprechend dem M TS E ist dabei darauf zu achten, dass der seitlich anschließende Dammbaustoff einen mindestens um den Faktor 50 durchlässigeren k-Wert besitzt als das Kernmaterial. Die Ergebnisse der Berechnungen zeigen, dass diese Bauweise im Falle einer geringen Durchlässigkeit des Dammkerns tatsächlich sehr wirksam ist (siehe Bild 15). Im Falle des Einbaus von sandigen Böden im Kern und einem gut durchlässigen, grobkörnigen Dammbaustoff kam es in den Modellberechnungen jedoch zu einer erhöhten Infiltration in den Dammkern (siehe Bild 16). Dies beruht auf den Saugspannungs- und Durchlässigkeitseigenschaften des Sandes, welche einen kapillaren Wassertransport begünstigen. Dieser Effekt kann eventuell etwas reduziert werden, indem der Dammkern auf einen engeren Bereich unterhalb der Fahrbahn beschränkt wird und so, dass im Bereich des Banketts infiltrierende Niederschlagswasser nicht entlang des Dammkerns in den Dammbaustoff einsickert.

Bild 15: Verteilung des Sättigungsgrades (qualitativ) und der Strömungslinien für Modell D2b-1_2.35 im stationären Zustand

Bild 16: Verteilung des Sättigungsgrades (qualitativ) und der Strömungslinien für Modell D2b-1_2.35 im stationären Zustand


Bauweise E

Bei der Bauweise E wird der Damm als gering durchlässiger Baukörper unter Verzicht einer Dichtungsschicht erstellt. Der gering durchlässige Boden mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen im Kern soll nach dem M TS E einen Durchlässigkeitsbeiwert k ≤ 1 · 10-7 m/s aufweisen. Die an der Bauweise E durchgeführten Berechnungen ergeben für den Fall, dass der Dammkern den Durchlässigkeitsbeiwert k = 1 · 10-7 m/s besitzt, sehr große Sickerwassermengen (siehe Bild 17). Bei einer Durchlässigkeit des Bodens oder Baustoffes mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen von k = 1 · 10-8 m/s nehmen die Sickerwassermengen bereits stark ab, liegen aber noch deutlich über den bei der Bauweise B rechnerisch ermittelten Werten (siehe Bild 18).

Bild 17: Verteilung des Sättigungsgrades (qualitativ) und der Strömungslinien für Modell E2b-1_2.35 im stationären Zustand

Bild 18: Verteilung des Sättigungsgrades (qualitativ) und der Strömungslinien für Modell Modell E2d-1_2.35 im stationären Zustand

Die anhand der Modellberechnungen ermittelten Sickerwassermengen werden jedoch wesentlich durch die Art der den Berechnungen zugrunde gelegten Randbedingungen beeinflusst. Durch die Definition eines konstanten Niederschlages von 2,35 mm/d kommt es bei der Bauweise E zu einem kontinuierlichen, sehr geringen Sickerwasserzufluss in die oberhalb des Bodens mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen gelegene Sickerschicht. Bei einem Niederschlag von 2,35 mm/d ist diese Sickerwassermenge so gering, dass sie vom Boden oder Baustoff mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen bei Vorliegen eines gesättigten k-Wertes von k = 1 · 10-7 m/s fast vollständig aufgenommen wird.

Außerdem wurde in den durchgeführten Berechnungen nicht berücksichtigt, dass der Damm in trockenen Phasen Wasser infolge von Evapotranspiration wieder abgeben kann. Es ist deshalb zweifelhaft, ob es in der Realität wie in den Berechnungsmodellen aufgrund der Definition der Randbedingungen geschehen zu einer Aufsättigung großer Bereiche des Dammes und einem anschließenden Sickerwasseraustritt an der Dammunterseite kommt.

6  Folgerungen für die Praxis

Die Ergebnisse zeigen, dass die Bauweisen mit Dichtungselementen geeignet sind, um die Sickerwassermengen im Boden oder Baustoff mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen zu minimieren. Für die Bauweise E haben die Modellberechnungen vergleichsweise hohe Sickerwassermengen im Boden und Baustoff mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen ergeben. Dies beruht zum Teil auf den in den Berechnungen definierten zeitlich konstanten Niederschlägen ohne Berücksichtigung einer Wasserabgabe infolge von Evapotranspiration. Es wird vermutet, dass die in die Böden und Baustoffe mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen infiltrierenden Sickerwassermengen durch die angesetzte unrealistische Niederschlagsverteilung zum Teil erheblich überschätzt werden. Eine endgültige Beurteilung der Wirksamkeit der Bauweise E ist bei diesem Stand der Untersuchungen deshalb nicht möglich.

Es sind daher weitere Berechnungen mit zeitlich variablen Randbedingungen (Wechsel von trockenen und nassen Phasen) unter Berücksichtigung der Evapotranspiration vorgesehen. Außerdem sollten die durchgeführten Berechnungen mit experimentell gewonnenen Daten verglichen werden.

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