FGSV-Nr. FGSV 002/124
Ort Bergisch Gladbach
Datum 27.03.2019
Titel Mobile NO2 Messungen in Städten zur Bestimmung der Schadstoffverteilung und Belastung für Rad- und Autofahrer
Autoren Dr. Martin Horbanski, Dr. Johannes Lampel, Dr. Ulrich Platt, Dr. Denis Pöhler, Sven Riedner, Oliver Fischer, Richard Brenner
Kategorien Luftqualität
Einleitung

Die Stickstoffdioxid (NO2)-Belastung in Städten wird bisher nur an weniger festen Orten durch Umweltmessstationen oder Passivsammler erfasst. Die flächendeckende Verteilung der Schadstoffe, z.B. im Stadtgebiet erfolgt im Wesentlichen nur durch Modellrechnungen und ist damit wenig genau bekannt. Vor allem da Modelle durch ihre geringe räumliche Auflösung und Vereinfachung der Meteorologie in der Straße große Ungenauigkeiten aufweisen. Hinzu kommt, dass statt der Konzentration an einem einzelnen Ort eher die persönliche Exposition eines Schadstoffes relevant ist für die Gesundheitsbelastung. Das bedeutet, wie stark ist eine einzelne Person dem Schadstoff ausgesetzt: Ob im Auto, auf dem Fahrrad, zu Fuß, Zuhause oder im Büro. Dazu sind präzise und mobile NO2 Messungen nötig. Diese können durch das neue ICAD NO2 Messsystem, entwickelt an der Universität Heidelberg, realisiert werden, es ist mittlerweile von Airyx GmbH als Produkt erhältlich.

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Einleitung

Die Stickstoffdioxid (NO2)-Belastung in Städten wird bisher nur an weniger festen Orten durch Umweltmessstationen oder Passivsammler erfasst. Die flächendeckende Verteilung der Schadstoffe, z.B. im Stadtgebiet erfolgt im Wesentlichen nur durch Modellrechnungen und ist damit wenig genau bekannt. Vor allem da Modelle durch ihre geringe räumliche Auflösung und Vereinfachung der Meteorologie in der Straße große Ungenauigkeiten aufweisen. Hinzu kommt, dass statt der Konzentration an einem einzelnen Ort eher die persönliche Exposition eines Schadstoffes relevant ist für die Gesundheitsbelastung. Das bedeutet, wie stark ist eine einzelne Person dem Schadstoff ausgesetzt: Ob im Auto, auf dem Fahrrad, zu Fuß, Zuhause oder im Büro. Dazu sind präzise und mobile NO2 Messungen nötig. Diese können durch das neue ICAD NO2 Messsystem, entwickelt an der Universität Heidelberg, realisiert werden, es ist mittlerweile von Airyx GmbH als Produkt erhältlich.

Messung der NO2 Schadstoffbelastung für Fahrradfahrer - Bsp. Heidelberg

In zwei Modellstädten (Heidelberg und Mannheim) erfolgten über ein Jahr mobile NO2 Fahrradmessungen auf einer umfangreichen festen Strecke welche Parks bis Hauptstraßen abdeckt. Es können nicht alle Straßen abgedeckt werden, jedoch wurde versucht, eine möglichst gute Repräsentation aller typischen Straßentypen und Verkehrssituationen zu erfassen. Die Luftansaugung erfolgt auf Nasenhöhe um möglichst die gleiche Schadstoffbelastung zu bestimmen wie sie auch eingeatmet wird (Abbildung 1).

Abbildung 1: Messaufbau für mobile NO2 Fahrradmessungen.

Dadurch lässt sich die Schadstoffverteilung im ganzen Stadtgebiet für unterschiedliche Straßentypen bestimmen sowohl die Variation der Belastung sowohl über den Tag als auch übers Jahr. Die erstellten Schadstoffbelastungskarten (Abbildung 2 und 5) geben eine erste Übersicht der belasteten Straßenabschnitte.

Abbildung 2: Mittlere NO2 Schadstoffbelastung für Fahrradfahrer in Heidelberg (2017 – 2018) extrapoliert auf einen Jahresmittelwert.

Auch wenn Messungen über das ganze Jahr zu verschiedenen Tageszeiten durchgeführt wurden, stellt der Mittelwert nur eine unzureichende Näherung des Jahresmittelwertes dar, da nicht alle Tageszeiten und Wettersituationen gleich abgedeckt sind. Daher wird zuerst jeder Datenpunkt der Messung auf Grundlage der zeitgleichen Messung der Umweltmessstation auf einen Jahreswert extrapoliert. Dadurch werden Effekte wie durch die Wettersituation, oder Hauptverkehrszeiten herausgerechnet. Im Anschluss werden dann alle Messdaten über die ganze Messperiode auf einem Raster von ca. 45x45 m² gemittelt um einen möglichst verlässliche mittlere Schadstoffbelastung zu erstellen.

Abbildung 1 zeigt die daraus gewonnene Karte der Schadstoffbelastung für Fahrradfahrer in Heidelberg gemessen über einen Zeitraum von 2017 bis 2018 in insgesamt 19 Stunden Messzeit verteilt über ein Jahr [Fischer 2018]. Die Stadt zählt sonst durch ihre NO2 Jahresmittelwert unter 40 µg/m³ als nicht stark belastet. Jedoch liegt die Umweltmessstation am Stadtrand und eine weitere Passivsammlerposition nicht im Stadtzentrum.

Die Karte in Abbildung 2 zeigt, dass die vorhandenen Umweltmessstationen ungenügend sind, um die wahren Schadstoffbelastung wiederzugeben. Ebenfalls sind große Unterschiede zu den Modellrechnungen anzutreffen. Letztere können vor allem auf die zu geringe räumliche Auflösung der Modelle zurückgeführt werden. So ist in Modellen die Schadstoffbelastung an breiten gut belüfteten Straßen und Brücken gering, jedoch zeigen die Messungen oft höhere Belastungen, da die Nähe zum hohen Verkehrsaufkommen neben der Straße sich immer noch stark auswirken. Die Messungen geben auch Stadtplanern Hinweise, wie Fahrradwege geplant werden sollten, um eine niedrige Schadstoffbelastung zu erreichen. Die Messungen zeigen auf Nebenstraßen geringe mittlere Belastungen um die 20 µg/m³. Straßenabschnitte mit hohem Verkehrsaufkommen und vor allem, wo durch die Bebauung eine geringe Luftzirkulation stattfindet, ist ein Fahrradfahrer mittleren Konzentrationen bis zu 100 µg/m³ ausgesetzt. Ganze Straßenabschnitte weisen um die 70 µg/m³ auf.

Abbildung 3: Mittlere NO2 Schadstoffbelastung für Fahrradfahrer in Heidelberg (Messzeitraum 2017 – 2018) für Hauptverkehrszeit (peak) und Nebenverkehrszeit (off-peak). Der Fehlerbalken gibt die Varianz der Messdaten an, nicht den Fehler.

Die Konzentrationen sind nicht direkt mit denen einer Umweltmessstation vergleichbar, da sie auf niedrigerer Höhe und öfters näher zum Straßenverkehr stattfinden, geben aber die wahre Schadstoffbelastung für Radfahrer wieder. Straßenabschnitte mit hohen Konzentrationen können dennoch nahelegen, dass in diesen generell eine hohe Konzentration anzutreffen wäre, was im Einzelfall genauer analysiert werden muss.

Abbildung 2 gibt die auf einen Jahresmittelwert extrapolierte Konzentration an. Ist man jedoch vor allem zur Hauptverkehrszeit mit den höchsten Konzentrationen unterwegs, erhöht sich die Belastung weiter. In Abbildung 3 ist der Unterschied von Hauptverkehrszeit (peak) und Nebenverkehrszeit (off-peak) dargestellt. Sie wurden aus den Messungen zu unterschiedlichen Tageszeiten generiert. Vor allem im Winter bei oft auftretenden Inversionswetterlagen sind die Schadstoffbelastungen im Mittel zur Hauptverkehrszeit noch mal deutlich höher.

Es ist ebenfalls möglich, aus den Messdaten eine mittlere Konzentration für einzelne Straßen / Straßenabschnitte zu bestimmen (Abbildung 4). Dies ermöglicht, systematische Eigenschaften von Straßen mit hohen Schadstoffbelastungen für Radfahrer zu identifizieren. In Heidelberg ist dies nicht nur die Verkehrsdichte, sondern ganz ausschlaggebend auch die Nähe des Fahrradweges zur Fahrbahn und Straßenschluchten. Entsprechend weisen vor allem Radwege entlang von Hauptverkehrsstraßen, die direkt auf der Straße oder nahe dran verlaufen, die höchsten Schadstoffbelastungen auf.

Abbildung 4: Mittlere NO2 Schadstoffbelastung für Fahrradfahrer in Heidelberg für einzelne Straßen (2017-2018). In Blau der gemittelte Mittelwert und in Rot extrapoliert auf einen Jahresmittelwert. Der Fehlerbalken gibt die Varianz der Messdaten an, nicht den Fehler. Ein großer Fehlerbalken bedeutet entsprechend, dass die Konzentrationen sehr stark schwanken, ein kleiner, dass sie sehr konstant sind.

Messung der NO2 Schadstoffbelastung für Fahrradfahrer - Bsp. Mannheim / Ludwigshafen

Wie in Heidelberg erfolgen auch mobile Fahrradmessungen in Mannheim / Ludwigshafen [Riedner 2019]. Abbildung 5 stellt die mittlere extrapolierte NO2 Schadstoffbelastung für Fahrradfahrer dar. Im Mittelwert beträgt sie 41 µg/m³ wobei wieder große Unterschiede zu sehen sind. Einzelne Straßenabschnitte mit hohem Verkehrsaufkommen weisen über mehrere 100 m Länge hohe Konzentrationen von 70 bis 80 µg/m³ auf. Andere Straßenabschnitte in Nebenstraßen liegen auch in einer Großstadt wie Mannheim um die 20 µg/m³. Das bedeutet, dass die Schadstoffbelastung für Radfahrer räumlich sehr stark variiert, und dass mit einer günstigen Wahl der Fahrradstrecke eine deutliche Schadstoffreduktion möglich ist. Aus diesen Daten können sowohl Empfehlungen für Städte zur Planung von Radwegen erfolgen. In einem weiteren Schritt sollen sie auch genutzt werden, um Radfahrern Empfehlungen für den Fahrradweg mit geringen NO2 Belastungen zu geben.

In Mannheim / Ludwigshafen zeigen die vorhandenen Umweltmessstationen ein repräsentatives Bild der NO2 Schadstoffkonzentrationen in der Stadt. Zwar zeigen andere Straßen in Abbildung 5 höhere NO2 Werte, was jedoch meist durch die Nähe des Fahrradweges zur Straße erklärbar ist.

Abbildung 5: Mittlere NO2 Schadstoffbelastung für Fahrradfahrer in Mannheim (2017 – 2018) extrapoliert auf einen Jahresmittelwert.

Bestimmung der NO2 Verteilung im Stadtgebiet vergleichbar zu Umweltmessstation

Mit mobilen Fahrradmessungen lassen sich ebenfalls repräsentative Schadstoffkarten bestimmen mit Konzentrationen analog zu Messwerten von Umweltmessstationen. Dazu wurde der Messaufbau so geändert, dass der Ansaugpunkt zwischen 1,5 m und 2 m liegt. Die Messungen werden nicht auf der Straße, sondern auf separaten Rad- und Fußwegen durchgeführt. Somit sollen die Messdaten ein Bild wiedergeben, wie sie eine Umweltmessstation bestimmen würde. Derzeit werden in einzelnen Städten derartige Untersuchungen durchgeführt um die NO2 Schadstoffverteilung zu erfassen. Damit lassen sich ebenfalls langfristige Umweltmessungen im Voraus untersuchen. Auch kann es dienen, um einfach gezielt einzelne Stadtbereiche mit potenziell hohen / niedrigen Schadstoffbelastungen zu untersuchen. Auch können durch wiederholte Messungen Änderungen der Schadstoffbelastung und deren Verteilung durch Verkehrsmaßnahmen überprüft werden. Zwar wird nicht direkt ein Jahresmittelwert gemessen, dafür wird jedoch durch die räumliche Messung sichergestellt, dass die gemessene Konzentration nicht durch einen rein lokalen Effekt beeinflusst ist. Somit kann in der Regel ein verlässlicher Wert bestimmt werden.

Messung der NO2 Schadstoffbelastung für Autoinsassen

Mobile NO2 Messungen im Fahrzeug geben Aufschluss über die Schadstoffbelastung für Fahrzeuginsassen und die Wirkung von speziellen Schadstofffiltern. Zwar sind die Belastung für Fahrzeuginsassen bisher nicht gesetzlich geregelt, so zeigen jedoch die Messungen, dass hier deutlich höhere Konzentrationen im Mittel vorliegen als an den Hauptverkehrsmessstationen (Abbildung 6). Dies ist verständlich, da die Konzentration in der Mitte der Straße bereits deutlich höher ist, die dann durch die Lüftung ins Fahrzeug gelangt. Somit liegt die Belastung in der Regel über 80 µg/m³. Auch auf Autobahnen wird eine Konzentration im Innenraum von um die 100 µg/m³ im Mittel erreicht. Peak Konzentrationen liegen im Tunnel auch mal über 1000 µg/m³. Fahrzeuginsassen sind somit dauerhaft hohen NO2 Konzentrationen ausgesetzt. Sie können einen Großteil der persönlichen Schadstoffbelastung ausmachen. Gute Aktivkohlefilter können diese Belastung jedoch, wie die Messungen in Abbildung 6 rechts zeigten, deutlich um die 90 % reduzieren. Sie sollten daher in jedem Fahrzeug verwendet werden.

Abbildung 6: Mittlere NO2 Belastung als Fahrzeuginsasse (Innenluft) bei einer Untersuchung in Düsseldorf 2018. Links: Messung mit Standard-Pkw-Pollen-Innenraumfilter. Rechts: mit einem Aktivkohlefilter. Dargestellt in Rot die mittlere Schadstoffbelastung im Fahrzeug, in Blau der Messwert außerhalb des Fahrzeuges und als Vergleich die zeitgleichen Messdaten der Hauptverkehrsmesstation Dorotheenstraße (Düsseldorf).

Referenzen

Fischer O. (2018), Mobile NOx-Emissionsmessungen an Stadtverkehrsbussen mit einem ICAD-Messinstrument, Bachelorarbeit, Universität Heidelberg.

Riedner S. (2019), Emissionsmessung der NO2 Konzentration für Fahrradfahrer mit einem ICAD Messinstrument in Mannheim und Ludwigshafen, Staatsexamensarbeit, in Vorbereitung, Universität Heidelberg.