FGSV-Nr. FGSV 002/115
Ort Duisburg
Datum 15.02.2017
Titel Methoden der Substanzbewertung
Autoren Dr.-Ing. Dirk Jansen
Kategorien Infrastrukturmanagement
Einleitung

Sowohl im Bereich der invasiven, nicht zerstörungsfrei arbeitenden Methoden als auch bei den zerstörungsfrei und schnellfahrenden Techniken und Methoden ist in den letzten Jahren ein deutlicher Innovationsschub erkennbar. Mit diesen Methoden und Techniken wird das Ziel verfolgt, vergleichbare und hochwertige Substanzbewertungsverfahren sowohl für die Objekt- als auch die Netzebene aufzustellen. Der FGSV-Arbeitsausschuss „Substanzbewertung“, seine Arbeitskreise, verschiedenste Forschungseinrichtungen und die BASt arbeiten gemeinsam daran, diese Methoden und Techniken zu evaluieren, zu standardisieren und auch neue Methoden und Techniken aufzustellen. Da die Fragestellungen der Substanzbewertung derzeit weltweit ein sehr beachtetes Thema darstellen, erfolgt die Bearbeitung oftmals im engen internationalen Austausch. Der Beitrag fasst den aktuellen Stand der Technik sowohl invasiv arbeitender Methoden als auch der zerstörungsfrei arbeitenden Methoden zusammen und zeigt, welche Potenziale und Grenzen hierbei noch zu bewerten sind. Des Weiteren wird ein Ausblick auf neue Methoden, Forschungsprojekte und Wissensdokumente gegeben.

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1 Einleitung

Der hohe und gleichzeitig steigende Erhaltungsbedarf des Straßennetzes verlangt nach angepassten Verfahren für die strukturierte und strategische Planung von Erhaltungsmaßnahmen auf Netz-, aber auch auf Objektebene. Unerlässlich hierfür sind Eingangsgrößen, die eine verlässliche Bewertung der vorhandenen Infrastruktur zulassen.

Der FGSV-Arbeitsausschuss 4.4 „Substanzbewertung“ beschäftigt sich mit der „Entwicklung von Verfahren zur Bewertung der strukturellen Substanz von Verkehrsflächen“ [1]. Das primäre Ziel ist dabei, die „Entwicklung eines Verfahrens zur Bewertung der strukturellen Substanz als Grundlage zur Berechnung eines Nutzungsausfallzeitpunktes. Darüber hinaus soll eine Systematik zur Ermittlung eines Restsubstanzwertes entwickelt werden. Des Weiteren wird im Steckbrief des Arbeitsausschusses die „Prüfung der bekannten bzw. vorliegenden theoretischen und zerstörungsfreien Verfahren zur Substanzbewertung“ genannt. Zur Erreichung der genannten Ziele wurden verschiedene Arbeitskreise eingerichtet, die sowohl die spezifischen Herausforderungen für die Asphalt- als auch Betonbauweise betrachten und sich im Weiteren noch nach den verschiedenen invasiv und zerstörungsfrei arbeitenden Verfahren gliedern. Da sowohl technisch als auch im Lebenszyklus betrachtet eine enge Verbindung zur Dimensionierung von Straßenbefestigungen besteht, erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit dem FGSV-Arbeitsausschuss 4.5 „Dimensionierung“.

Das Thema der Substanzbewertung wird innerhalb der Abteilung Straßenbautechnik in der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) zudem intensiv bearbeitet. Hierzu werden sowohl Projekte im Arbeitsprogramm der BASt (Eigenforschung) durchgeführt als auch Forschungsprojekte zur Bearbeitung an Forschungseinrichtungen vergeben. Das Innovationsprogramm der BASt ist zudem ein Instrument, das in diesem Kontext eingesetzt wurde. Da sich die Fragestellungen zur Substanzbewertung, insbesondere auf Netzebene mit gleicher Dringlichkeit und auch ähnlichem Stand des Wissens inzwischen auch in sehr vielen europäischen und außereuropäischen Ländern finden, erfolgt zudem auch hier ein intensiver Wissensaustausch und teilweise länderübergreifende Zusammenarbeit.

Im Folgenden wird der aktuelle Stand der Bearbeitung und des Wissens zusammengefasst. Zudem erfolgen Abschätzungen der Potenziale insbesondere zerstörungsfreier Messverfahren, die nahezu zwangsläufig auf Netzebene einzusetzen sind.

2 Stand der Technik

Für die Substanzbewertung auf Netzebene und als Teil des Pavement Managements wird in Deutschland derzeit insbesondere auf das sogenannte Dickenäquivalenzverfahren und die hochwertige Datengrundlage der Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) zurückgegriffen. Eine zusammenfassende Beschreibung beider Verfahren findet sich zum Beispiel in [2] sowie in den entsprechenden Regelwerken [3, 4], weswegen an dieser Stelle auf eine Beschreibung verzichtet wird.

Beide Verfahren werden seit Jahren im Bundesfernstraßennetz für die Substanzbewertung angewendet. Einerseits ist die Kritik an diesen Verfahren für die Substanzbewertung angebracht, da das Dickenäquivalenzverfahren einen ökonomischen Ansatz und nur wenig ingenieurtechnischen Ansatz verfolgt und sich die ZEB-Erfassung auf Oberflächenmerkmale beschränkt. Andererseits ist dies aber auch der Tatsache geschuldet, dass entsprechende Ansätze zur Erfassung von Substanzmerkmalen auf Netzebene nicht zur Verfügung standen. In den letzten Jahren wurden jedoch neue Techniken hierfür zur Marktreife gebracht. Einen Überblick hierrüber und eine Potenzialabschätzung werden in den nachfolgenden Abschnitten gegeben.

Demgegenüber erfolgt die Substanzbewertung auf Objektebene bislang insbesondere mittels Einzelfallbetrachtungen. Mit dem im Folgenden beschriebenen RSO-Verfahren wird ein standardisiertes Verfahren zur Substanzbewertung auf Objektebene vorgestellt.

3 Richtlinien zur Substanzbewertung

Die FGSV-Gremien 4.4.3 und 4.4.4 erstellen derzeit die Richtlinien für die Substanzbewertung (RSO) von Asphalt- bzw. Betonstraßen. Mit den Richtlinien wird erstmals das Ziel verfolgt, ein einheitliches und damit vergleichbares Vorgehen für diese anspruchsvolle Aufgabe darzustellen. Die Erstellung einer Substanzbewertung ist nicht grundlegend unbekannt, sie unterlag bislang aber im Wesentlichen der individuellen Vorgehensweise von Fachgutachtern. Vor allem im Falle der Asphaltbauweise stellen die RSO zudem die logische Ergänzung der rechnerischen Dimensionierung gemäß den RDO Asphalt [5] dar, bei der insbesondere die Ermüdung der Asphaltschicht, durch die schließlich ein Riss von der Unterseite der Asphalttragschicht initialisiert wird, die Restnutzungsdauer definiert.

Beide Regelwerke sind aktuell noch nicht offiziell eingeführt. Die RSO Asphalt [6] liegt in einer Entwurfsfassung vor und wird derzeit in einem umfangreichen Pilotprogramm des BMVI, das fachlich durch die BASt begleitet wird, in mehreren Bundesländern zum Aufbau eines Erfahrungshintergrunds angewendet. Da sich die RSO Beton noch in einem frühen Entwicklungsstadium befindet, wird im Weiteren lediglich das Vorgehen gemäß den RSO Asphalt dargestellt.

Die Schritte zur Substanzbewertung gemäß den RSO Asphalt sind schematisch im Bild 1 dargestellt. In einem ersten Schritt des RSO Asphalt-Verfahrens ist der zu untersuchende Straßenabschnitt in strukturell homogene Abschnitte einzuteilen. Hierzu sind prinzipiell alle Informationen zusammenzutragen, die einen Einfluss auf die Entwicklung der strukturellen Substanz des Straßenabschnittes während seiner bisherigen Nutzungsdauer gehabt haben. Vor allem sind hierbei die Nutzungsdauern, die ertragene Verkehrsbelastung, unterschiedliche Bauweisen und Schichtdicken (z. B. aus Georadarmessungen) festzustellen. Nach in den RSO genannten Kriterien sind daraufhin erste strukturell homogene Abschnitte zu bilden. Diese können dann durch weitere Daten bzw. Messungen, wie zum Beispiel Tragfähigkeitsmessungen und ZEB-Daten ergänzt werden. Zur Unterstützung bei der Abschnittsbildung, insbesondere bei vorliegenden Messdaten, kann das Verfahren der kumulativen Summenbildung [7] verwendet werden. Das Bild 2 stellt exemplarisch das Ergebnis einer Abschnittsbildung dar.

Bild 1: Arbeitsschritte bei der Bewertung der strukturellen Substanz nach den RSO Asphalt

Im zweiten Schritt werden die strukturell homogenen Abschnitte mittels Bohrkernentnahmen beprobt. Hierzu sind im ersten Kilometer eines Abschnitts mindestens 16 Bohrkerne zu entnehmen und in jedem weiteren Kilometer fünf weitere. Im labortechnischen Versuch werden an den Bohrkernen für jeden Abschnitt die Ermüdungsfunktion und die Schichtsteifigkeiten bestimmt. Die Ergebnisse der Laborversuche werden als Eingangsgrößen für die rechnerische Ermittlung der Restsubstanz verwendet.

Hierfür wird vom Prinzip das Verfahren der rechnerischen Dimensionierung gemäß den RDO Asphalt angewendet. Unter Berücksichtigung einer von den RDO abweichenden Sicherheitsbetrachtung erfolgt die Berechnung der Restnutzungsdauer bzw. der Ausfallwahrscheinlichkeit. Die Eingangsgrößen (Schichtdicken, E-Moduln) können hierbei sowohl deterministisch als auch probabilistisch betrachtet werden. Dem probabilistischen Verfahren sollte aus Gründen der detaillierteren Abbildung der komplexen in-Situ-Verhältnisse Vorzug gegeben werden. Der ohnehin notwendige Einsatz von Softwareprodukten egalisiert den Mehraufwand des komplexeren probabilistischen Verfahrens.

Bild 2: Beispiel für das Ergebnis aus der Bildung strukturell homogener Abschnitte auf einer Gesamtabschnittslänge von 25 km

4 Zerstörungsfreie Techniken zur Substanzerfassung

Das beschriebene Verfahren der RSO Asphalt bedient sich der Daten zerstörungsfreier Messungen lediglich für die Bildung strukturell homogener Abschnitte sowie zur Berücksichtigung der Schichtdickenverteilung im Falle der probabilistischen Bewertung. Insbesondere bei der Substanzbewertung auf Netzebene wird es allerdings notwendig werden, zerstörungsfreie Techniken gezielter einzusetzen.

Die derzeit zur Verfügung stehenden Techniken besitzen für diese Aufgabe unterschiedlich hohe Potenziale. Die in den zugehörigen FGSV-Arbeitspapieren (8) beschriebenen Bewertungsmethoden haben insbesondere zum Ziel eine Bewertung im Sinne einer Zustandsbewertung zu geben, sprich „gute“, „ausreichende“ und „schlechte“ Zustände zum Betrachtungszeitpunkt voneinander zu unterscheiden. Bewertungsverfahren zur Substanzbewertung, sprich der Abschätzung von Restnutzungsdauern, werden bislang noch nicht vorgestellt.

Teilweise besteht zur Potenzialerhöhung in Richtung Substanzbewertung weiterer Forschungsbedarf bei den Messtechniken selbst, insbesondere besteht dieser Bedarf aber bei den Auswertemethoden. In vielen Fällen ist erkennbar, dass eine wesentliche Potenzialerhöhung vor allem durch die kombinierte Anwendung und Bewertung mehrerer Verfahren erreicht werden kann.

4.1 Anspruch an die Substanzerfassung und -bewertung mit zerstörungsfreien Methoden

Die direkte Erfassung der Eigenschaften der Straßenbefestigung als Gesamtsystem, also über die Oberflächeneigenschaften hinaus, ist die grundlegende Fragestellung für die Substanzerfassung. Sicherlich geben die Oberflächeneigenschaften wichtige Informationen über den inneren Zustand der Straßenbefestigung, dennoch zeigen sich Schäden in der Regel erst, wenn die Schadensausprägung im Inneren bereits weit fortgeschritten ist.

Das Tragverhalten und die zulässige Anzahl an Achsübergängen, somit also die Nutzungsdauer, sind abhängig vom Aufbau der Straßenbefestigung und den Baustoffen bzw. Baustoffgemischen. Ziel bei der Dimensionierung kann es sein, die Beanspruchungsgrößen im Straßenaufbau (Spannungen, Dehnungen, Verformungen) möglichst gering zu halten.

Sofern die gebundenen Schichten gemäß dem gängigen Regelwerk hergestellt worden sind, ist von einer ausreichenden Steifigkeit dieser Schichten im ungerissenen Zustand während der Nutzungsdauer auszugehen. Durch die Alterung des Baustoffgemisches Asphalt ist sogar eher die Zunahme der Steifigkeit über die Nutzungsdauer zu erwarten. Dimensionierungsrelevant ist daher gemäß den RDO Asphalt [5] die Ermüdung der Asphalttragschicht, also das Versagen an der Unterseite der Asphalttragschicht durch wiederkehrende, unterschiedlich große Dehnungen, aufgezwungen durch die Verkehrslasten bei unterschiedlichen Temperaturen.

Zerstörungsfrei arbeitende Verfahren zur Substanzbewertung müssten daher in der Lage sein, Schichtdicken und Störungen im Straßenaufbau eindeutig zu identifizieren sowie Schichtsteifigkeiten, daraus abgeleitet das Dehnungsniveau an der Unterseite der Asphaltschicht, und das Ermüdungsverhalten festzustellen. Die ersten drei genannten Merkmale lassen sich, wie später gezeigt wird, aus zerstörungsfrei arbeitenden Verfahren ableiten. Die Erfassung des Ermüdungsverhaltens, sprich die Ableitung der zulässigen Anzahl von Lastwechseln bei einem Dehnungsniveau bis zum Versagen, ist jedoch nicht erfassbar, da hierzu analog zum zyklischen Spaltzug-Schwell-Versuch die zyklische Belastung bis zur Versagensgrenze notwendig wäre. Es gilt daher zu überprüfen, inwieweit und mit welcher Sicherheit zum Beispiel pauschalisierende Ansätze, wie sie z. B. in [11] genannt sind oder in dem im Abschnitt 6.3 genannten Forschungsprojekt erarbeitet werden sollen, für die Aufgabe der Substanzbewertung anwendbar sind.

4.2 Tragfähigkeitsmessungen

Da sich das Tragverhalten und somit die Verteilung von inneren Beanspruchungsgrößen aus dem komplexen Zusammenspiel aller im Straßenaufbau vorhandenen Schichten, Baustoffgemischen und eventueller Störungen sowie des ebenso komplexen Tragverhaltens der Unterlage zusammensetzt, kann nur eine direkte, mechanisch induzierte, Messung Auskunft darüber geben. Im Folgenden wird der Stand der Technik hierzu zusammenfassend dargestellt.

4.2.1 Messtechnik

Für Tragfähigkeitsmessungen auf Straßenbefestigungen stehen verschiedene Systeme zur Verfügung. Aufgrund der Messgeschwindigkeit kann eine erste Einteilung der Systeme erfolgen. Zu den stationär oder langsam fahrenden Systemen gehören das Falling-Weight-Deflectometer (FWD), der Benkelman-Balken, der Deflectograph Lacroix sowie das Curviameter, welches aus dieser Reihe mit ca. 18 km/h das schnellste Messverfahren ist. Zu den schnellfahrenden Messverfahren gehört derzeit noch alleinig das Traffic-Speed-Deflectometer (TSD), welches Messgeschwindigkeiten von 80 km/h und somit ein „Mitschwimmen“ im Verkehr, erlaubt.

Das TSD besteht aus einem einachsigen Sattelauflieger, der mittels seiner statischen Radlast von 10 t eine definierte Belastung auf die Straßenbefestigung bringt. Mittels Doppler-Laser-Sensoren wird die Verformungsgeschwindigkeit, hervorgerufen durch die Achslast, kontinuierlich erfasst. Aus der Verformungsgeschwindigkeit und der Fahrgeschwindigkeit lassen sich an jedem Messpunkt die Steigungen der Verformungen bestimmen. Aus diesen Steigungen (engl. ‚slope‘) können wiederum Deflexionen (Verformungen) abgeleitet werden. Aufgrund des Einsatzes von Doppler-Laser-Sensoren im Vergleich zu Distanzlasern ist das System unabhängig von der Oberflächentextur zu verwenden und benötigt keinen punktgenauen Bezug zur unverformten Oberfläche. Das Messverfahren wird u. a. ausführlich im Teil B 5 des FGSV-Arbeitspapiers Tragfähigkeit [8] beschrieben. Im Rahmen des laufenden FE 4.0276 (Forschungsnehmer: Bergische Universität Wuppertal) werden umfassend Felddaten generiert, die auch als Grundlage für die derzeitige Erstellung des Teils C 5 des Arbeitspapiers Tragfähigkeit dienen.

Das Bild 3 stellt schematisch das sich bei der BASt in der Beschaffung befindliche TSD dar. Zu Forschungszwecken wird das System mit weiteren Messsystemen ausgestattet sein. Dies soll eine exakte Verschneidung von verschiedenen Messdaten als Teil einer Substanzbewertung ermöglichen. Das somit multifunktionale Messsystem MESAS (Multifunktionales Erfassungssystem zur Substanzbewertung und zum Aufbau von Straßen) wird ab 2018 zur Verfügung stehen. Vergleichbare Systeme sind bereits in Australien, USA und Südafrika im Einsatz. Weitere TSD befinden sich in Großbritannien, Dänemark, Polen, Italien und China.

Bild 3: MESAS – Schematische Konzeptdarstellung

4.2.2 Bewertung

Durch den FGSV-Arbeitskreis „Tragfähigkeit“ (AK 4.4.1) wurden Arbeitspapiere zur Bewertung der Tragfähigkeit mit verschiedenen Messtechniken erarbeitet [8]. Da sich das Tragverhalten von Beton- und Asphaltbefestigungen voneinander unterscheidet, gliedern sich die Arbeitspapiere für das FWD bezüglich der beiden Bauweisen auf.

Im Falle der Betonbauweise werden Methoden vorgestellt, welche die Auflagerbedingungen der Platten, die Wirkung der Lastübertragung durch die Dübel sowie das Gesamttragverhalten bewerten.

Im Falle der Asphaltbauweise werden Methoden vorgestellt, die eine qualitative Bewertung der Tragfähigkeit zum Messzeitpunkt ermöglichen. So werden verschiedene Kennwerte, z. B. die Tragfähigkeitskennzahl Tz und die elastische Länge l beschrieben, die mittels Bewertungskriterien über ausreichende oder nicht ausreichende Tragfähigkeiten Auskunft geben (Beurteilung des Zustandes, siehe oben). Bei Vorliegen von Zeitreihen besteht noch immer die Hoffnung, dass es hiermit möglich sein könnte, den Substanzverlust einer Straßenbefestigung nachzuweisen und auch im Sinne einer Prognose zu bewerten.

Insbesondere im Ausland werden aus den gemessenen Verformungsmulden die Schichtsteifigkeiten zurückgerechnet. Im Weiteren können dann hiermit mittels zum Beispiel Mehrschichtenmodellen die relevanten Beanspruchungsgrößen, z. B. die Dehnung an der Unterseite der Asphaltschicht ermittelt werden. Die Rückrechnung von Schichtsteifigkeiten aus Tragfähigkeitsdaten, z. B. Deflexionsmulden ist nur mit einer Anzahl von Annahmen sowohl für das Berechnungsverfahren als auch für die Randbedingungen möglich. Es ist daher von herausragender Bedeutung, dass die Rückrechnung qualifiziert durchgeführt wird, dass die Deflexionen qualitätsgesichert erfasst werden (vgl. Abschnitt 4.2.3) und dass möglichst exakte Schichtdicken für den jeweiligen Messpunkt vorliegen.

Dem zuletzt genannten kritischen Faktor für den Erfolg einer Rückrechnung sollte Rechnung getragen werden, indem zugehörig zu jeder Tragfähigkeitsmessung exakte Schichtdicken zum Beispiel mit dem Georadar (GPR), vgl. Abschnitt 4.3, erfasst werden. Dabei ist es wichtig, dass die Schichtdicken direkten Bezug zu dem Tragfähigkeitsmesspunkt besitzen. Die Angaben aus der Bauplanung oder die Übertragung von Schichtdicken aus vereinzelten Bohrkernentnahmen sind für eine eindeutige Interpretation in der Regel nicht ausreichend. Da sich die Messungen mit dem GPR erst in den letzten Jahren zu einem handhabbaren und verlässlicheren Instrument entwickelt haben, wurde die Rückrechnung von Schichtsteifigkeiten aus Verformungsmulden in Deutschland bislang nur sehr verhalten eingesetzt. Im Rahmen des durch das Innovationsprogramm der BASt geförderten Projektes In-Motion (Zuwendungsempfänger: RWTH Aachen) wurde das Thema aufgegriffen. In diesem Projekt wurden insbesondere Verformungsmulden untersucht, die durch ein rollendes Rad, z. B. durch ein TSD, erzeugt werden. Die Rückrechnung erfolgt mit dem semi-analytischen FEM-Programm SAFEM [9]. Die in In-Motion erarbeitete Methode wird derzeit im Rahmen des FE 89.0314 (Forschungsnehmer: RWTH Aachen) anhand von Messungen an einer großmaßstäblichen und instrumentierten Teststrecke weiterentwickelt.

Das Bild 4 zeigt wie die Verformungsmulde von den unterschiedlichen Steifigkeiten der Schichten im Straßenoberbau beeinflusst wird. Hierzu wurden die Verformungsmulden eines DreiSchichten-Systems mit konstanten Schichtdicken berechnet. Lediglich die Steifigkeiten der Schichten des Oberbaus bzw. der Verformungsmodul des Untergrundes wurde variiert. Anhand dieser Darstellung ist erkennbar, dass der mittlere Bereich der Mulde von der Steifigkeit der Tragschicht ohne Bindemittel (ToB) und der vordere Bereich insbesondere von der gebundenen oberen Schicht beeinflusst wird, zugleich der hintere Bereich und die gesamte Lage der Verformungsmulde vom Verformungsmodul des Untergrundes abhängig ist.

Mit Kenntnis dieser Abhängigkeiten erfolgt die Rückrechnung von E-Moduln durch den iterativen Vergleich von gemessenen Deflexionsmulden (Verformungsmulden) mit berechneten Deflexionsmulden. Für die Berechnung von Deflexionsmulden werden in der Regel die Mehrschichtentheorie oder Finite-Elemente-Methoden (FEM) angewendet. Ergänzend kommen auch zunehmend die Ergebnisse angelernter Systeme aus Künstlich-Neuronalen-Netzen (KNN) für die Rückrechnung zum Einsatz.

Wie bereits in [10] diskutiert, sind die Ergebnisse aus Rückrechnungen nicht immer eindeutig, d. h., dass verschiedene Steifigkeitskombinationen ähnlich gute Ergebnisse erzielen und sich somit die berechnete und gemessene Deflexionsmulde sehr ähneln. Es ist daher wichtig, das Ergebnis der Rückrechnung kritisch zu prüfen. Je mehr unbekannte Variablen vorliegen, z. B. durch Erhöhung der Anzahl der Schichten, wird das Ergebnis der Rückrechnung gegebenenfalls unplausibel bzw. ungenauer. Der Einsatz sogenannter „Black-Box-Programme“ ist ohne ausreichenden Erfahrungshintergrund nicht zu empfehlen. Im Rahmen der COST-Aktion 336 [11] wurden verschiedene Programme für die Rückrechnung bewertet.

Liegen somit nun die Steifigkeiten der Schichten im Straßenoberbau und des Untergrundes bzw. Unterbaus vor, könnte eine Bewertung derer zur Substanzbewertung erfolgen, vgl. auch Abschnitt 4.1. Hierbei muss jedoch eingeschränkt werden, dass verschiedene Untersuchungen die Unabhängigkeit der Steifigkeit von der Verkehrsbelastung [12, 13] aufgezeigt haben, d. h. die Steifigkeit bleibt über die Nutzungsdauer einer Straße konstant und eignet sich somit grundsätzlich nicht als Kennwert für eine Substanzbewertung. Zudem stellt eine Abgrenzung zu der durch den Effekt der Alterung zu erwartenden Zunahme der Steifigkeiten der Asphaltschichten wahrscheinlich die größte Herausforderung dar.

Bild 4: Einfluss der Steifigkeiten einzelner Schichten auf die Deflexionsmulde in einem Drei-Schichten-System mit konstanten Schichtdicken

4.2.3 Qualitätssicherung

Zur Sicherstellung einer qualitätsgesicherten Erfassung liegt es zum einen in der Verantwortung des Messgerätebetreibers, durch Eigenüberwachungsprozesse und Werkskalibrierungen die Funktionstüchtigkeit seines Tragfähigkeitsmessgerätes nachzuweisen, zum anderen wurden hierzu jüngst durch die BASt jährlich wiederkehrende Vergleichsuntersuchungen für das Tragfähigkeitsmesssystem Falling-Weight-Deflectometer (FWD) organisiert (Bild 5).

Bild 5: FWD Vergleichsmessungen 2016 auf dem Gelände der BASt

Bei diesen FWD-Vergleichsuntersuchungen stehen die Kriterien Vergleichbarkeit und Wiederholbarkeit im Vordergrund. Für die Überprüfung der Vergleichbarkeit werden die gleichen Messpunkte von allen teilnehmenden Gerätebetreibern kurz hintereinander angefahren und die gleiche Belastung aufgebracht. Die so gemessenen Deflexionen aller Teilnehmer werden anschließend von Ausreißern bereinigt und auf ihre Vergleichbarkeit in vorgegebenen engen Grenzen überprüft. Die Vergleichbarkeit der Krafteinleitung wird zudem durch straßenseitig installierte Messsensorik überprüft. Derzeit in der Diskussion ist, ob jedes teilnehmende FWD hieraus resultierend noch einen Korrekturfaktor erhalten sollte. Die Überprüfung der Wiederholbarkeit ist hingegen eher im Sinne der Eigenüberwachung zu verstehen, da hierbei für jedes FWD überprüft wird, ob bei wiederholter Belastung ohne Wechsel des Standortes die Deflexionen nicht bzw. nur äußerst gering streuen. Des Weiteren wird im Rahmen der Vergleichsuntersuchungen auch ein Abgleich der vorhandenen Temperaturmesssysteme durchgeführt.

4.3 Georadarmessungen

Wie bereits erwähnt, stellen die Ergebnisse aus Georadarmessungen einen wichtigen Bestandteil für die Bewertung von Tragfähigkeitsmessungen dar. Sie liefern aber auch direkt einen wichtigen Blick in die Straße. So können beispielsweise rein visuell bereits bestehende potenzielle Schwachstellen (z. B. Feuchtigkeit in der Straße) identifiziert werden. Die Identifizierung von Rissen im Asphalt ist mit dem aktuellen Stand der Technik eher nicht möglich, bzw. gegebenenfalls nur unter äußerst günstigsten Bedingungen. Günstiger stellt sich die Situation im Betonstraßenbau dar, da die Erkennung fehlender oder falscher Dübellagen sowie die Bildung von Hohlräumen unter der Betonplatte einfacher erreichbar sind.

Das Potenzial des Georadars für die Substanzbewertung ergibt sich vor allem aus der kontinuierlichen Aufnahme einer oder mehrerer Messlinien, was dem Charakter des Linienbauwerks Straße deutlich gerechter wird als eine stichprobenartige Überprüfung mittels Bohrkernentnahmen oder der Annahme, dass Straßen mit konstanter Dicke flächendeckend gebaut werden können. Die sich daraus ergebenden Daten können zum einen direkt zur Beurteilung der Homogenität in Längsrichtung verwendet werden – siehe auch Bildung strukturell homogener Abschnitte nach dem RSO-Verfahren – und zum anderen stellen sie eine entscheidende Eingangsgröße bei der probabilistischen Substanzbewertung gemäß den RSO dar.

In den letzten Jahren konnte eine deutliche Weiterentwicklung des Georadarverfahrens beobachtet werden. Verbesserte Techniken erlauben höher aufgelöste Darstellungen bei gleichzeitig deutlich höheren Befahrungsgeschwindigkeiten. Zudem stellt das „Mitschwimmen“ im Verkehr bei 80 oder auch 100 km/h für die neuesten Gerätegenerationen kein Problem mehr dar, und durch die heutzutage hohen Rechnerleistungen auf Standardcomputern konnte die Qualität und Effizienz der Interpretation von Georadarmessungen gesteigert werden.

Dennoch ist das Georadarsystem weiterhin ein Expertensystem. Sowohl die für den Einsatzzweck angepasste Wahl der Antennenspezifikationen, der einzustellenden Parameter während der Messung als auch die Interpretation der komplexen Radargramme und Reflexionsamplituden verlangen vertieftes Fachwissen und ausreichend Erfahrung. Das seit Ende des Jahres 2016 laufende FE-Projekt 4.0284 „Möglichkeiten und Grenzen des Georadarverfahrens“ (Forschungsnehmer: Fachhochschule Münster) beschäftigt sich intensiv mit der Komplexität des Verfahrens und hat als Zielstellung, die Prozesskette für Georadarmessungen hinreichend genau zu beschreiben.

Durch den FGSV-Arbeitskreis 4.4.2 wurde im Jahr 2016 ein Arbeitspapier zur Schichtdickenbestimmung mittels Georadarverfahren erarbeitet [14]. Somit wurde in Ergänzung zu einer in 2003 erstellten Arbeitsanleitung [15] ein wesentlicher Schritt zur Standardisierung und somit Qualitätssicherung von Georadarmessungen getan. In Ergänzung zu den weiteren Arbeiten des AK 4.4.2 werden die Ergebnisse des FE 4.0284 die weiteren Schritte beschreiben.

4.3.1 Messtechnik

Bei dem Georadarverfahren werden Radarwellen von einer Antenne in den Straßenaufbau und dessen Unterlage gesendet. Diese werden teilweise reflektiert und durch einen Empfänger in der Antenne wieder erfasst. Ändern sich die elektromagnetischen Eigenschaften des durchwanderten Mediums, beispielsweise an Schichtgrenzen, entstehen genau dort die Reflexionen. Die als Laufzeiten erfassten Messwerte lassen sich in Form von Radargrammen bildlich darstellen.

Bild 6: Georadar – Prinzipskizze und Messequipment mit Hornantenne

Üblicherweise werden eine oder zwei der im Bild 6 dargestellten Hornantennen für Messungen verwendet. Werden zwei oder mehr Antennen verwendet, so haben diese in der Regel verschiedene Frequenzen, um in den unterschiedlichen Tiefenlagen ausreichende Auflösungen zu erzielen. Die Kopplung einer Vielzahl von Antennen wird als Multi-Array bezeichnet und wurde in den letzten Jahren entwickelt. Darüber hinaus wurde die Stepped-Frequency-Technik marktreif gemacht, die es ermöglicht, mit einem Frequenzband statt mit einer festen Frequenz zu messen.

Ein Equipment, das sowohl die Multi-Array als auch die Stepped-Frequency Technik vereint, ist das 3-D-Radar. Für Forschungszwecke steht der BASt seit Ende des Jahres 2016 ein solches System zur Verfügung. Dieses eröffnet gegenüber dem konventionellen Linienscan weitere Möglichkeiten der Anwendung und Interpretation. Es wird derzeit geprüft, inwieweit hierdurch ein für den Anwendungszweck Substanzbewertung entscheidender Mehrwert entsteht. Das Bild 7 zeigt exemplarisch die Radargramme in Längs- und Querschnitten sowie die Schichtdickenverteilung der Asphaltschicht in Fehlfarbendarstellung.

Bild 7: Darstellung der Messwerte einer 3-D-Aufnahme im Längs- und Querschnitt sowie der eingefärbten Unterkante der Asphaltschicht im Grundriss

4.3.2 Bewertung

Die Bewertung der als Radargramme dargestellten Laufzeiten erfolgt in der Regel manuell bzw. teilautomatisiert. Für den Anwendungsbereich der Straßen werden zumeist die nebeneinander liegenden, ähnlichen Reflexionsamplituden als Schichtgrenzen interpretiert und dann über das Streckenband hinweg weiter verfolgt.

Mittels Kalibrierung an Bohrkernen oder auch mittels geeigneter Annahmen werden die Laufzeiten dann in Schichtdicken umgerechnet.

Schwachstellen, Störungen, Einbauten, etc. sind in unterschiedlichster Form im Radargramm zu erkennen. Zur Interpretation dieser ist zum einen Expertenwissen notwendig, zum anderen können hierzu Aufnahmen der Straßenoberfläche und deren Umfeld wertvolle Informationen liefern. Eine exemplarische georeferenzierte Darstellung aller Daten ist im Bild 8 dargestellt.

Im Rahmen des FE 7.0257 (Forschungsnehmer: BAM, Berlin) wurde untersucht, ob ein Zusammenhang von Permittivität (dielektrische Leitfähigkeit) und gealtertem Bitumen bzw. gealtertem Asphalt vorliegt. Leider konnte kein signifikanter Zusammenhang festgestellt werden, d. h. eine direkte und alleinige Verwendung des Georadar-Verfahrens zur Substanzbewertung ist derzeit nicht möglich. Im Rahmen des Projektes wurde jedoch ein Zusammenhang zwischen der Verdichtung bzw. dem Hohlraumgehalt und der Permittivität der jeweiligen Schicht hergestellt. Vergleichbare Ergebnisse wurden auch im amerikanischen SHRP-2 Programm [16] identifiziert. Lässt sich dieser Zusammenhang verifizieren und quantifizieren, so vergrößert sich das Anwendungspotential der Georadartechnik für den Straßenbau erheblich.

Der Einsatz der 3D-Radar bzw. Multi-Array-Technik kann gegebenenfalls die Interpretation vereinfachen, da zum Beispiel linienhafte Einbauten, wie Versorgungsleitungen auch linienhaft zu erkennen sind. Des Weiteren ermöglicht diese Technik im regulären Messbetrieb den Einsatz der Common-Midpoint-Methode zur Herstellung des Zusammenhanges von Laufzeiten und Schichtdicken. Hierbei wird durch variierende Abstände von Sender und Empfänger immer der gleiche Reflexionspunkt einer (horizontalen) Schichtgrenze im Untergrund abgetastet. Die daraus resultierenden unterschiedlichen Laufzeiten werden miteinander verglichen und ausgewertet, wodurch eine deutliche Reduzierung des Aufwandes zur Kalibrierung am Bohrkern erreicht werden soll.

Bild 8: Georeferenzierte Darstellung des Oberflächen-/Umfeldbildes und der aufgenommenen Radargramme

4.3.3 Qualitätssicherung

Wie bereits erwähnt, ist das Georadar ein ausgeprägtes Expertensystem. Die Wahl der richtigen Antennenkonfiguration, teilweise auch die Wahl des Herstellers, die Wahl der Messparameter und die Erfahrung des Auswerters sind entscheidende Faktoren für die Ergebnisqualität.

In der Diskussion befinden sich daher derzeit qualitätssichernde Maßnahmen. Hierzu gehören eine standardisierte Beschreibung der Anforderungen für Messungen auf Straßenbefestigungen, Schadenskataloge für vergleichbarere Interpretationen von Radargrammen, Weiterbildungsmaßnahmen und auch Vergleichsmessungen.

5 Datenmanagement

Nicht zu vernachlässigen ist die Bedeutung einer organisierten und vor allem eindeutigen Datenhaltung im Rahmen der Substanzbewertung. Diese gilt insbesondere beim netzweiten Einsatz schnellfahrender Systeme. Ein sehr gutes Beispiel für eine gelungene Umsetzung bietet hierfür das System der Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) und das damit verbundene Online Auskunftssystem IT-ZEB.

Neben den technischen Herausforderungen, eindeutige Schnittstellen zu definieren und Qualitätsmaßstäbe für die Datenorganisation und die geografische Eindeutigkeit zu gewährleisten, eröffnen sich hierdurch wesentliche Potenziale für die Interpretation bei der Substanzbewertung. Fundierte Aussagen zur strukturellen Substanz, insbesondere auf der Netzebene, werden nur durch die Verschneidung verschiedenster Datenquellen, wie zum Beispiel Aufbaudaten, Erhaltungsdaten, Tragfähigkeitsdaten, etc. zu treffen sein. Sofern hierfür nicht nur Algorithmen eingesetzt werden können, kommt auch der entsprechenden visuellen Darstellung sowohl von Messdaten als auch von Umfelddaten eine hohe Bedeutung zu. Als Beispiel sei die Interpretation von Tragfähigkeitsmessungen genannt, die durch Kenntnis von u. a. vorhandenen Rissbildern auf der Straßenoberfläche wesentlich gestützt werden kann.

6 Weitere Methoden

6.1 Sensorik im Straßenaufbau

Direkt im Straßenaufbau gemessene Daten können wertvolle Informationen über den inneren Zustand der Straßenbefestigung und die bereits ertragenen Belastungen aus Verkehr und Klima liefern. Offensichtlich nachteilig ist, dass die Sensoren hierfür in den Straßenaufbau eingebracht werden müssen. Idealerweise erfolgt dies bereits beim Bau der Straße oder der entsprechenden Schicht. Bei der nachträglichen Instrumentierung stellt man sich immer der Herausforderung, die Befestigung nicht durch den Einbau zu zerstören bzw. deren Verhalten hierdurch zu stören.

Ende des Jahres 2016 hat sich der FGSV-Arbeitskreis 4.4.5 „Sensorik zur Substanzbewertung“ konstituiert, um den Stand des Wissens hierzu zusammenzutragen. Die Ergebnisse einer abgeschlossenen Machbarkeitsstudie [17] sowie die langjährigen Erfahrungen der BASt mit der instrumentierten Modellstraße in Asphaltbauweise stellen u. a. eine Grundlage hierfür dar. Eine Aufgabe des Arbeitskreises liegt auch darin, die Messtechniken, deren Einsatzmöglichkeiten und -grenzen sowie Qualitätsstandards zu beschreiben. Übergeordnetes Ziel hierbei ist, dass bei dem Einsatz von Sensoren zur Substanzbewertung im Straßenaufbau vergleichbare Ergebnisse erzeugt werden.

6.2 Nutzung von innovativen Methoden zur Erfassung des Straßenzustandes

Als Partner des durch das BMWi im Smart-Service-Welt Call geförderten Verbundprojektes „StreetProbe“ unter der Leitung eines führenden Automobilzulieferers untersucht die BASt seit dem Jahr 2016 die Möglichkeiten und Grenzen der Nutzung von Sensordaten aus handelsüblichen Personenkraftwagen, um das bestehende System der Zustandserfassung und -bewertung ZEB zu ergänzen, und auch, um weitere Aussagen bezüglich des strukturellen Zustandes von Straßen zu gewinnen.

Jeder moderne Pkw führt eine Fülle von Sensoren mit sich, die sowohl für die Systeme der aktiven Fahrsicherheit als auch für Komfortfunktionen genutzt werden. Beispiele hierfür sind Beschleunigungssensoren und Raddrehzahlsensoren für die elektronische Stabilitätskontrolle ESP. Zudem wird in der Regel auch für Assistenz-, Notfall- und Navigationssysteme die geografische Position moderner Fahrzeuge erfasst. Ziel des Projektes ist es zu eruieren, ob die mit diesen Sensoren erfassten „Auffälligkeiten“ auf Schäden in und auf der Straßenbefestigung hinweisen können. Hierbei wird explizit ein Big-Data-Ansatz verfolgt, d. h., dass nicht eine einzelne Fahrzeugüberfahrt, sondern eine hohe Anzahl von Fahrzeugen die gewünschte Information mit einer ausreichenden Sicherheit und auch Lagegenauigkeit erbringt. Ebenso kann somit ausgeschlossen werden, dass zeitlich einmalige Ereignisse, wie zum Beispiel ein auf der Fahrbahn liegendes Aststück als Straßenschaden interpretiert werden.

Für die Substanzbewertung ist dieser Ansatz insofern von großem Interesse, dass hiermit die Möglichkeit besteht, Schäden sehr früh zu beobachten und auch den zeitlichen Schadensverlauf in die Bewertung mit aufzunehmen.

Zur Erreichung des Projektziels sind neben dem Automobilzulieferer auch Sensor- und Mustererkennungsspezialisten einer Technischen Universität und ein Unternehmen zur hochpräzisen Straßen- und Straßenraumvermessung Partner im Projekt. Um sowohl den Belangen der Fernstraßen als auch der kommunalen Straßen im Projekt gerecht zu werden, ist zudem eine Ingenieurgesellschaft mit ausgewiesenen Kompetenzen Projektpartner [18].

6.3 Nutzung der RSO-Systematik auf Netzebene

Das im Abschnitt 3 beschriebene RSO-Verfahren zur Substanzbewertung von Asphaltstraßen kann auch als Grundlage für ein auf Netzebene anwendbares Verfahren dienen. Da für ein solches Verfahren auf die Bohrkernentnahmen und die Laborprüfungen verzichtet werden müsste, sind diese durch allgemeingültige Materialeigenschaften unter Berücksichtigung spezifischer Kenndaten (Materialarten, Qualitätslevel, Erhaltungshistorie, Klima, Verkehr und weitere zfP-Kennwerte) zu ersetzen. Hierbei würden insbesondere auch die zerstörungsfreien Prüfungen einen wesentlichen Beitrag liefern. Die Grundlagen für ein solches Verfahren sollen ab dem Jahr 2017 in einem Forschungs- und Entwicklungsprojekt des BMVI erarbeitet werden.

7 Zusammenfassung und Ausblick

Sowohl im Bereich der invasiven, nicht zerstörungsfrei arbeitenden Methoden als auch bei den zerstörungsfrei und schnellfahrenden Techniken und Methoden ist in den letzten Jahren ein deutlicher Innovationsschub erkennbar. Mit diesen Methoden und Techniken wird das Ziel verfolgt, vergleichbare und hochwertige Substanzbewertungsverfahren sowohl für die Objekt- als auch die Netzebene aufzustellen.

Der FGSV-Arbeitsausschuss 4.4, seine Arbeitskreise, verschiedenste Forschungseinrichtungen und die BASt arbeiten gemeinsam daran, diese Methoden und Techniken zu evaluieren, zu standardisieren und auch neue Methoden und Techniken aufzustellen. Da die Fragestellungen der Substanzbewertung derzeit weltweit ein sehr beachtetes Thema darstellen, erfolgt die Bearbeitung oftmals im engen internationalen Austausch.

Die Einführung der RSO, die Ergebnisse laufender Forschung sowie die anstehende Einführung schnellfahrender Systeme in Deutschland und die damit zu erwartenden neuen Datengrundlagen werden ein wichtigen Beitrag zur Aufstellung von Substanzbewertungsverfahren im deutschen Straßennetz leisten.

Literaturverzeichnis

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