FGSV-Nr. FGSV 001/20
Ort Berlin
Datum 13.10.2004
Titel Leitfaden für das Qualitätsmanagement im Straßenbau Einsatz von Ingenieurbüros bei der Ausschreibung und Ausführung von Straßenbauleistungen
Autoren Präsident a.D. Dipl.-Ing. Jürgen Knackstedt, Dipl.-Ing. oec. Dörte Retzlaff
Kategorien Kongress
Einleitung

Eine ad-hoc-Gruppe der Kommission „Qualitätssicherung im Straßenbau“ hat sich intensiv mit der Problematik der Schnittstellen zwischen den Aufgaben der Bauüberwachung und den Aufgaben der Bauausführung befasst, da öffentliche Bauherren zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben in zunehmendem Umfang Ingenieurbüros einsetzen. Diese ad-hoc-Gruppe hat ihre Ergebnisse in einem aktuell veröffentlichten Leitfaden zusammengefasst. Im Wesentlichen wird darin eine genaue Abgrenzung der jeweiligen Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten vorgenommen, denn nur mit einer eindeutigen Kompetenzzuordnung lassen sich Behinderungen, Verzögerungen und andere Erschwernisse bei der Bauabwicklung vermeiden. Der Leitfaden soll insbesondere öffentlichen Bauherren eine Hilfe sein, wenn sie sich entschieden haben, Ingenieurbüros mit Aufgaben der Verwaltung zu betrauen.

 

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1 Veranlassung

Bei öffentlichen Verwaltungen wächst die Erkenntnis, dass es im Grundsatz zweckmäßig ist, Aufgaben, die sie bislang als ihre ureigene betrachtet haben, vollständig oder doch teilweise durch Dritte wahrnehmen zu lassen. So setzen auch die für den Straßenbau zuständigen Verwaltungen bei der Ausschreibung und Bauüberwachung in zunehmendem Umfang Ingenieurbüros als Dienstleister ein. Die Verwaltungen konzentrieren sich dann auf ihre Bauherrenaufgaben und vergeben den operativen Teil ihres Geschäftes.

Die Aufteilung der Aufgaben in verschiedene Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten führt allerdings häufig zu Unklarheiten in der Kompetenzabgrenzung und als Folge davon zu vermeidbaren Erschwernissen in der Bauabwicklung. Die Praxis zeigt das an täglichen Beispielen.

Eine ad-hoc-Gruppe der Kommission „Qualitätssicherung im Straßenbau“ hat sich mit diesem Sachverhalt eingehend auseinandergesetzt und eine Problemanalyse vorgenommen. Die daraus abgeleiteten Ergebnisse sind in dem Leitfaden „Einsatz von Ingenieurbüros bei der Ausschreibung und Ausführung von Straßenbauleistungen“ [1] zusammengefasst. Er soll insbesondere öffentlichen Bauherren eine Hilfe sein, wenn sie sich, aus personellen, wirtschaftlichen oder Termingründen, entschieden haben, Private mit Aufgaben der Verwaltung zu betrauen.

2  Aufgabenzuordnung

Zunächst hielt es die ad-hoc-Gruppe für notwendig, die beiden Aufgabenbereiche abzugrenzen, die dem öffentlichen Bauherren bei der Ausführung von Straßenbauleistungen obliegen: die Bauaufsicht und die Bauüberwachung.

Die Bauaufsicht ist definiert im Bundesfernstraßengesetz sowie in den entsprechenden Straßengesetzen der Länder. Der öffentliche Bauherr, also die Straßenbauverwaltung, ist von der Beaufsichtigung durch die Bauordnungsbehörden freigestellt. Er ist selbst verantwortlich für die Wahrnehmung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Da die bauaufsichtliche Überwachung eine öffentlich-rechtliche Aufgabe darstellt, sollte die Verwaltung sie mit eigenem Personal ausführen.

Die Bauüberwachung hat eine andere Zielrichtung. Sie dient der Durchsetzung der Interessen des öffentlichen Bauherren als Auftraggeber gegenüber dem bauausführenden Unternehmen als Auftragnehmer für die ordnungsgemäße Abwicklung des Bauvertrages. Die Bauüberwachung ist somit eine privatrechtliche Aufgabe. Dafür kann die Verwaltung eigenes Personal einsetzen; sie kann damit aber ebenso Ingenieurbüros beauftragen.

Bild 1: Grundsätzliche Aufgabenzuordnung (Projektstrukturplan / Organigramm)

Die Bauüberwachung kann unterteilt werden in die Bauoberleitung und die Örtliche Bauüberwachung. Im Sinne der in der HOAI formulierten Leistungsbilder beinhaltet die Bauoberleitung bei Straßenbaumaßnahmen vor allem die organisatorische Bauüberwachung; sie kümmert sich um die formale Abwicklung des Bauvorhabens wie z.B. Verträge, Termine, Kosten, andere Baubeteiligte. Demgegenüber umfasst die Örtliche Bauüberwachung die fachtechnische Bauüberwachung, d.h. die Kontrolle der sach- und fachgerechten Ausführung der einzelnen Bauleistungen. Beide Teilaufgaben können grundsätzlich auf Ingenieurbüros übertragen werden.

Für die Verwaltung ist die Kenntnis dieser differenzierten Aufgabenzuordnung in der Bauüberwachung deshalb von Bedeutung, weil sie hinsichtlich der jeweiligen Zuständigkeit und Verantwortlichkeit eindeutige Festlegungen treffen muss. Das gilt insbesondere dann, wenn für die Teilaufgaben verschiedene Ingenieurbüros eingesetzt werden sollen.

3 Abgrenzung der Bauherrenaufgaben

Als Kernstück des Leitfadens kann der Abschnitt über die Abgrenzung der Bauherrenaufgaben sowohl bei der Ausschreibung als auch bei der Bauüberwachung gesehen werden. Hier sind Aufgaben, die grundsätzlich delegiert werden können, solchen gegenübergestellt, die als nicht delegierbar beim Bauherren verbleiben sollten. Die ad-hoc-Gruppe hat sich bei der jeweiligen Einstufung auf das bestehende Regelwerk gestützt, aber auch das breite Spektrum der ausgeübten Praxis herangezogen.

Innerhalb der generellen Delegierbarkeit muss der öffentliche Bauherr als Auftraggeber in jedem Einzelfall entscheiden, welche Aufgaben er auf ein Ingenieurbüro übertragen will. Diese müssen dann eindeutig beschrieben werden, damit überhaupt die notwendigen klaren Festlegungen über die Kompetenzen, d.h. über die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, getroffen werden können. Bestehen dagegen unscharfe Aufgabenabgrenzungen sowie unklare Zuordnungen von Entscheidungsbefugten, resultieren daraus Probleme in der Bauabwicklung, die im Grunde vermeidbar sind. Der Bauherr muss dem Ingenieurbüro im Rahmen der Baueinweisung bzw. der Bauanlaufbesprechung mitteilen, welche Kompetenzen er als Vertreter erhalten soll.

In einem weiteren Schritt sind in diesem Abschnitt die delegierbaren Aufgaben der organisatorischen und der fachtechnischen Bauüberwachung zugeordnet. Der öffentliche Bauherr sollte rechtzeitig prüfen, ob es nach Art und Umfang der Straßenbaumaßnahme sinnvoll ist, neben der Örtlichen Bauüberwachung auch die Aufgaben der Bauoberleitung zu vergeben.

Bei der beabsichtigten Aufgabenübertragung sollte der öffentliche Bauherr allerdings ein Kriterium stets im Auge behalten: Er muss in allen Phasen der Bauabwicklung „Herr des Verfahrens“ bleiben. Er muss nicht nur wissen, was er delegiert, sondern er muss ebenso wissen, was auf der Baustelle durch wen und warum geschieht.

4 Anforderungsprofil

Der Erfolg einer Aufgabenübertragung hängt maßgebend von der Qualifikation des einzusetzenden Personals ab. Im Abschnitt über das Anforderungsprofil für die Bauüberwachung sind konkrete Anforderungen für diesen Personenkreis formuliert. Das Anforderungsprofil setzt sich zusammen aus formalen Qualifikationsanforderungen und besonderen Kompetenzen.

Die formalen Qualifikationsanforderungen betreffen die fachliche Ausbildung z.B. an einer Technischen Universität oder an einer Fachhochschule. Sie werden mit dem Nachweis der entsprechenden Dokumente über den Abschluss der Fachausbildung erfüllt. Die besonderen Kompetenzen beinhalten u.a. die fachliche, die methodische, die persönliche, aber auch die soziale Kompetenz. Sie müssen aufgabenbezogen und individuell hinterfragt werden. Die Kompetenzen sind Ausdruck der Fähigkeit, das in der Fachausbildung erworbene Wissen in ein erfolgsorientiertes Handeln umzusetzen.

5 Auswahl der Ingenieurbüros

Für die Auswahl eines Ingenieurbüros sieht die VOF ein zweistufiges Vergabeverfahren vor, wenn der so genannte Schwellenwert erreicht oder überschritten wird. Um die gewünschte Qualität auch bei geringerem Leistungsumfang geliefert zu bekommen, wird im Leitfaden empfohlen, sich bei Nichterreichen des Schwellenwertes ebenfalls an dem zweistufigen Verfahren zu orientieren.

Gemäß dem einschlägigen Regelwerk sind Leistungen nur an solche Ingenieurbüros zu vergeben, die die notwendige Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzen. Im Leitfaden ist beispielhaft aufgeführt, was zu diesen „Allgemeinen Kriterien“ zählt, nach denen in der ersten Stufe des Vergabeverfahrens die Auswahl der Bewerber getroffen wird. Es sind auch „Projektspezifische Kriterien“ beschrieben, anhand derer in der zweiten Stufe die Wertung der Angebote der ausgewählten Bewerber vorgenommen wird. Eine sorgfältige und objektive Auswahl der Ingenieurbüros ist wichtige Voraussetzung für die erwartete Qualität in der Leistungserbringung.

6 Handlungsempfehlungen

Im letzten Abschnitt des Leitfadens sind für wichtige Schritte in der Bauabwicklung „Handlungsempfehlungen für einen optimierten Bauablauf“ zusammengestellt. In ihrer komprimierten Form zielen diese Empfehlungen insbesondere auf straffe und nachvollziehbare Entscheidungswege sowie eine qualifizierte Entscheidungsfindung. Der Leitgedanke wird hier nochmals hervorgehoben: Die eindeutige Zuweisung und Abgrenzung von Kompetenzen. Sie sind der entscheidende Grundstein dafür, dass der zukunftsweisende Weg der Aufgabenteilung zu dem gewünschten und auch erzielbaren Erfolg führt.

Die Verwaltung als Bauherr und Auftraggeber sowie das Ingenieurbüro als treuhänderischer Vertreter des Bauherren müssen ihren Beitrag für eine optimierte Bauabwicklung ebenso einbringen wie auf der anderen Seite der bauausführende Auftragnehmer. Alle am Baugeschehen Beteiligte haben ihre Aufgaben in dem Umfange und in dem Maße wahrzunehmen, wie es den getroffenen und vereinbarten Festlegungen entspricht.

7 Fazit

Es gibt überzeugende Gründe dafür, dass sich die für den Straßenbau zuständige Verwaltung in ihrer Tätigkeit auf die Bauherrenaufgaben konzentriert und die operativen Aufgaben qualifizierten Ingenieurbüros überträgt. Dazu bedarf es keiner neuen Definitionen dieser Aufgaben. Sie sind in dem bestehenden Schriftwerk umfassend beschrieben; sie müssen jedoch eindeutig zugeordnet werden. Wenn sich die Verwaltung zu einer Aufgabenteilung bei der Ausschreibung und Bauausführung entschließt, muss sie unmissverständlich regeln, wer, was, wann an welcher Stelle zu tun und zu entscheiden hat.

Literaturverzeichnis

1 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Leitfaden für das Qualitätsmanagement im Straßenbau, Teil: Einsatz von Ingenieurbüros bei der Ausschreibung und Ausführung von Straßenbauleistungen, FGSV 948/6, Ausgabe 2004