FGSV-Nr. FGSV 001/23
Ort Mannheim
Datum 15.09.2010
Titel Aktuelle Themen bei der Sicherung von Arbeitsstellen
Autoren Dr.-Ing. Dirk Kemper
Kategorien Kongress
Einleitung

In Deutschland werden ungefähr 90 % des Verkehrsaufkommens im Personenverkehr und 65 % im Güterverkehr von den Autobahnen bewältigt. Die Gesamtfahrleistung auf den Autobahnen ist in den letzten 20 Jahren noch stärker angestiegen als in den Prognosen erwartet wurde. Bei der Bewältigung dieser Fahrleistung stellen Arbeitsstellen immer wieder einen Engpass im Straßennetz dar. Arbeitsstellen auf Autobahnen beeinträchtigen durch Veränderungen der Verkehrsführung oder durch Sperrung von Fahrstreifen die Leistungsfähigkeit der betroffenen Streckenabschnitte. Als Folge treten in der Regel Störungen des Verkehrsablaufs oder Staus auf, die zu einem Anstieg der Straßennutzerkosten führen.

Ungefähr ein Drittel der staubedingten Verlustzeiten auf deutschen Autobahnen resultieren aus Arbeitsstellen. Eine Reduzierung dieser Kosten ist vor allem durch die Optimierung der jährlich ungefähr 70.000 staurelevanten Arbeitsstellen kürzerer Dauer möglich. Insbesondere eine Verlagerung dieser Arbeitsstellen vom Tag in die Nacht stellt zukünftig eine wichtige Alternative dar, um Verkehrsbeeinträchtigungen zu reduzieren; aber auch die Erhöhung der Verkehrssicherheit ist weiterhin ein wichtiges Ziel.

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1 Einleitung

Die Problematik der baustellenbedingten Verkehrsstauungen beschäftigt die Straßenbauverwaltungen genau wie die Straßennutzer seit langem. Als Ursache für die stetige Zunahme dieser Störungen sind die überproportional steigenden Verkehrsbelastungen gegenüber dem Wachstum der Autobahnnetzlänge, aber auch die zunehmenden Er- und Unterhaltungsmaßnahmen aufgrund des Alters des Autobahnnetzes zu nennen. Die hierbei anfallenden Arbeitsstellen auf Bundesautobahnen sind unvermeidbar, um den Zustand des Straßennetzes zu erhalten, stellen aber immer einen Eingriff in den Verkehrsablauf dar. Ursächlich für Verkehrsstauungen sind aber in erster Linie nicht die länger andauernden Großbaustellen; hier werden in der Regel ausreichende Verkehrsersatzflächen bereitgestellt. Problematisch sind vielmehr die Arbeitsstellen kürzerer Dauer (AkD), da die Zahl der Fahrstreifen und somit auch die Leistungsfähigkeit meist reduziert wird.

Verkehrsarme Zeiten, die für eine staufreie Abwicklung von Arbeitsstellen kürzerer Dauer notwendig sind, werden immer seltener, so dass bei Tag nur noch kurze Zeitfenster zur Bewältigung der erforderlichen Leistungen zur Verfügung stehen. Hier stellen sogenannte Nachtbaustellen eine geeignete Alternative dar, um Eingriffe in den Verkehrsablauf zu reduzieren.

2 Nachtbaustellen

Erfahrungen mit der Durchführung von Nachtbaustellen liegen derzeit nur vereinzelt vor. Diese wurden zwar in den letzten Jahren von einzelnen Bundesländern vermehrt umgesetzt1), allerdings nicht immer unter vergleichbaren Randbedingungen. Die aktuellen „Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen“ (RSA-95) geben derzeit noch keine Vorgaben, so dass bis heute nur länderspezifische Lösungen umgesetzt wurden.

Aufgrund dieser Notwendigkeit wurde im Dezember 2009 das Allgemeine Rundschreiben Straßenbau (ARS) Nr. 17/2009 veröffentlicht, um einheitliche Regelungen zur Durchführung von Nachtbaustellen zu schaffen. Dieses Rundschreiben ist aufgrund eines vermehrten Auftretens von Nachtbaustellen als Vorgriff auf die Überarbeitung der RSA-95 zu sehen.

2.1 Regelungen des ARS Nr. 17/2009

Nachtbaustellen im Sinne dieser Regelungen sind Arbeitsstellen kürzerer Dauer, die bei Dunkelheit betrieben werden. Sofern nicht etwas anderes geregelt ist, gelten auch für Nachtbaustellen die allgemeinen Regelungen der RSA-95 für Arbeitsstellen kürzerer Dauer.

Die wesentlichen Änderungen gegenüber den Tagesbaustellen betreffen die lichttechnischen Aspekte, wie die Beleuchtung der Arbeitsstelle sowie die Erkennbarkeit der Verkehrszeichen. Generell sind für Verkehrszeichen und Einrichtungen in Nachtbaustellen Folien mindestens der Retroreflexionsklasse RA2 nach DIN 67520 zu verwenden. Des Weiteren müssen die Vorwarnanzeiger2) mit einem aktiven lichttechnischen Informationsteil3) ausgestattet sein (Bild 1).

Bild 1: LED-Vorwarnanzeiger bzw. -tafeln

Zudem soll gemäß ARS 17/2009 die zulässige Höchstgeschwindigkeit in Nachtbaustellen mit Rücksicht auf die im Arbeitsbereich Beschäftigten und aus Gründen der Adaptation in der Regel niedriger angesetzt werden als bei Tagesbaustellen. Die Festlegung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ist hierbei nach Art der durchzuführenden Arbeiten, den örtlichen Gegebenheiten und den verkehrlichen Verhältnissen zu treffen.

1) Die Autobahndirektion Nordbayern führt schon seit mehr als 15 Jahren Nachtbaustellen erfolgreich zur Stauvermeidung durch.

2) Die Bezeichnung „Vorwarnanzeiger“ wurde mit dem ARS Nr. 17/2009 eingeführt und soll den Begriff „Vorwarntafel“ ersetzen.

3) Als aktiver lichttechnischer Informationsteil ist auch die LED-Technik zu verstehen. Um aber zukünftig keine Neuentwicklungen auszuschließen, wurde diese allgemeingültige Formulierung gewählt.

Zur Längsabsperrung sind in Nachtbaustellen wegen der besseren Leitwirkung Leitbaken (mindestens der Größe 750 x 187,5 mm2) anstatt von Leitkegeln zu verwenden. Der Aufwand für die Einrichtung mit Leitbaken ist zwar deutlich höher, allerdings wird eine bessere Erkennbarkeit erwartet.

Die Beleuchtung des Arbeitsbereichs in Nachtbaustellen soll gemäß DIN EN 12464-2 erfolgen. Wird eine negative Beeinflussung anderer Verkehrsteilnehmer erwartet – beispielsweise wenn der Arbeitsbereich direkt an den Verkehrsbereich anschließt – muss gegebenenfalls eine Adaptationsstrecke eingerichtet oder das Beleuchtungsniveau gemäß DIN 5044-1 und DIN EN 13201 angepasst werden. Zur Verbesserung der visuellen Führung kann auch der Verschwenkungsbereich beleuchtet werden. Werden Leuchtballone verwendet, ist eine Mindestlichtpunkthöhe von 5,00 m einzuhalten.

Da zur Durchführung von beweglichen Arbeitsstellen kürzerer Dauer (sogenannte Wanderbaustellen) bei Nacht nur geringe Erfahrungswerte vorliegen, sind hierzu zunächst mit dem ARS noch keine separaten Regelungen aufgestellt worden. Für die Durchführung von Wanderbaustellen soll der Arbeitsbereich daher stationär abgesichert und innerhalb dieser Absperrung die bewegliche Arbeit durchgeführt werden.

Zum Schutz der Beschäftigten bei Nacht kommt der Warnkleidung eine besondere Bedeutung zu. Personen, die außerhalb von Gehwegen und Absperrungen im Verkehr eingesetzt oder neben dem Verkehrsbereich tätig und nicht durch eine geschlossene Absperrung (Absperrschranken oder Bauzäune) von diesem getrennt sind, müssen Warnkleidung nach DIN EN 471 (früher DIN 30711) in kompletter Ausführung tragen. Das Tragen einer Warnweste allein genügt nicht. Folgende Anforderungsmerkmale müssen hierbei eingehalten werden:

  • Warnkleidungsausführung mindestens Klasse 2 gemäß Abs. 4.1, Tabelle 1, der DIN EN 471, wobei die zusätzlich verfügbare Fläche an Reflexstoffen die menschliche Gestalt (Kontur) betonen soll. Für kurzzeitig in Nachtbaustellen tätiges Personal (Kontrolltätigkeit) ist ein Warnmantel oder ein vergleichbares Kleidungsstück mit zusätzlichen vertikalen Reflexstreifen ausreichend.
  • Als Farbe darf ausschließlich fluoreszierendes Orange-Rot oder fluoreszierendes Gelb gemäß Abs. 5.1, Tabelle 2, der DIN EN 471 verwendet werden.

2.2 Umsetzung der Länder

Die oben genannten Vorgaben des ARS wurden von den meisten Bundesländern ohne Änderungen eingeführt. Modifizierungen bzw. Anregungen kamen vor allem aus den Ländern, die schon aufgrund von hohen Verkehrsbelastungen in den letzten Jahren zur Durchführung von Nachtbaustellen gezwungen waren und somit eigene Erfahrungen sammeln konnten. Negative Erfahrungen bezüglich der Verkehrssicherheit in Nachtbaustellen wurden bislang nicht gemacht. In der Regel sind von diesen Modifikationen somit auch nur Details bei der Absicherung der Nachtbaustellen betroffen, wie z. B. dass

  • Warnschwellen eingesetzt sowie Leitkegel anstatt Leitbaken verwendet werden sollen,
  • das Fahrzeug vor der fahrbaren Absperrtafel kein Arbeitsfahrzeug sein darf,
  • zwei Vorwarntafeln (aktiver lichttechnischer Informationsteil) bei Verzicht von Z 123 eingesetzt werden sollen oder
  • eine Höchstgeschwindigkeit von Vzul = 80 km/h anstatt 60 km/h vorgegeben wird.

Generelle Anmerkungen wurden vor allem zur Beleuchtung von Nachtbaustellen und den Vorgaben zur Absicherung von Wanderbaustellen bei Nacht gemacht. Die Umsetzung der ARS-Vorgaben bezüglich dieser Aspekte ist sehr arbeits- und zeitintensiv, so dass einige Länder auf die Einrichtung von Adaptationsstrecken generell verzichten und nur den Arbeitsbereich beleuchten und auf die Einrichtung von Wanderbaustellen gemäß der gemachten Vorgaben verzichten.

2.3 Praxiserfahrungen mit Nachtbaustellen

Die Sicherheitsaspekte von Nachtbaustellen wurden bislang noch nicht wissenschaftlich betrachtet, so dass immer wieder Bedenken gegen diese Art von Arbeitsstellen vorgebracht werden. Daher wurden im Rahmen einer Untersuchung sicherheitsrelevante Aspekte von Nachtbaustellen mit dem Ziel betrachtet, Empfehlungen für die Durchführung von Arbeitsstellen kürzerer Dauer bei Nacht zu erarbeiten (Kemper, 2010). Hierzu wurden für ein Untersuchungsgebiet in NRW ca. 14.500 AkD sowie ca. 33.500 Unfälle auf Bundesautobahnen der Jahre 2002 bis 2005 analysiert und hinsichtlich der Verkehrs- sowie der Arbeitssicherheit bewertet.

Die angestellten Untersuchungen haben gezeigt, dass Arbeitsstellen kürzerer Dauer für die Verkehrsteilnehmer ein höheres Risiko bergen als die freie Strecke, Nachtbaustellen aber kein höheres Gefährdungspotenzial aufweisen als vergleichbare Arbeitsstellen bei Tag. So liegen beispielsweise die Unfallzahlen je 1.000 AkD-Stunden bei Tag ca. 30 % höher als bei Nacht, und auch die Unfallkostenraten sind im Bereich von AkD bei Tag höher als bei Nacht (Kemper, 2010). Generell ist als eine Hauptursache für die erhöhten Unfallzahlen im Bereich von Arbeitsstellen in der hieraus resultierenden Stauentwicklung zu sehen, in erster Linie bei Tag. Die Ergebnisse der Unfalluntersuchungen haben gezeigt, dass sich die Unfälle bei Nacht in Unfalltyp und Unfallursache maßgeblich von den Unfällen bei Tag unterscheiden und somit auch angepasste Maßnahmen gefordert sind.

Die optimale Wahrnehmbarkeit der Absicherungsmaßnahmen ist eine wesentliche Voraussetzung für ein situationsangepasstes und sicheres Verhalten der Verkehrsteilnehmer in Arbeitsstellen. Die Sichtbarkeit bzw. Erkennbarkeit der verwendeten Leiteinrichtungen und Verkehrszeichen muss bei Tag und Nacht gewährleistet sein. Optimierungsmaßnahmen bestehen beispielsweise in der gestalterischen Ausführung von Leiteinrichtungen (Pfeil- anstatt Schraffenbake) oder der Positionierung der Verkehrszeichen (überkopf anstatt im Seitenraum). Da Unfälle bei Nacht hauptsächlich im Zulaufbereich der Arbeitsstellen, vor allem aufgrund von Fehlern beim Fahrstreifenwechsel, zu verzeichnen sind, ist insbesondere bei Nacht durch den geforderten Einsatz von LED-Vorwarntafeln eine deutliche Verbesserung der Verkehrssicherheit zu erwarten.

Leitbaken kommen bisher in Arbeitsstellen kürzerer Dauer nicht zum Einsatz, werden allerdings gemäß dem ARS 17/2009 zur Längsabsperrung von Nachtbaustellen vorgesehen. Leitkegel sind demnach zukünftig nicht mehr zulässig. Die Unfallanalysen der Nachtbaustellen in NRW, bei denen noch die Leitkegel im Einsatz waren zeigen aber, dass den Leitkegeln keine Unfälle zuzuschreiben sind. Im Arbeitsbereich sind keine Unfälle aufgetreten, die den Ursachen seitliches Abkommen von der Fahrbahn o. Ä. zugewiesen werden können. Demnach könnten auch weiterhin Leitkegel zur Längsabsperrung verwendet werden. Des Weiteren führt eine Umstellung von Leitkegeln auf Leitbaken zu einem höheren Aufwand und somit auch zu einem Anstieg der Kosten.

Als zulässige Höchstgeschwindigkeit kann innerhalb von Nachtbaustellen die gleiche Geschwindigkeit (80 km/h) vorgegeben werden wie bei Tag. Dies sollte als Regelfall angesehen werden, der bei besonderen Verkehrsführungen oder geringen Fahrstreifenbreiten auf 60 km/h reduziert werden kann. Auch im benachbarten Ausland wurden mit dieser Regelung (unter anderem Schweiz oder Niederlande) gute Erfahrungen gemacht (vgl. Kemper, 2010). Messungen haben gezeigt, dass sich das Geschwindigkeitsniveau innerhalb von Nachtbaustellen bei ca. 80 bis 85 km/h einpendelt, sowohl bei zulässigen Geschwindigkeiten von 60 km/h als auch von 80 km/h. Auch innerhalb von Tagesbaustellen werden die zulässigen Geschwindigkeiten (in der Regel 80 km/h) überschritten, so dass sich dort Geschwindigkeiten von ca. 90 km/h einstellen. Bei ungestörtem Verkehrsfluss werden demnach sowohl Tages- als auch Nachtbaustellen mit einer vergleichbaren Geschwindigkeit durchfahren. Ein Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ist bei Nacht allerdings deutlich seltener als Ursache für Unfälle zu nennen als bei Tag. Daher sollte für Nachtbaustellen auch kein generelles Tempolimit von 60 km/h vorgegeben werden. Hier muss von Fall zu Fall geprüft werden (hinsichtlich der Fahrstreifenbreite oder des Abstandes zum Arbeitsraum), welche zulässige Höchstgeschwindigkeit angesetzt werden soll.

Neben den Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit, die auch immer zu einer Erhöhung der Arbeitssicherheit führen, können weitere Maßnahmen oder Elemente umgesetzt bzw. verwendet werden, die speziell die Sicherheit der Beschäftigten erhöhen. Dies kann unter anderen durch die Verwendung von optimierter Warnkleidung erreicht werden. Im ARS 17/2009 wird als Mindestausführung die Klasse 2 der DIN EN 471 gefordert. Doch Warnkleidung soll umso auffälliger sein je größer die Verkehrsbelastungen, je höher die gefahrenen Geschwindigkeiten, je unübersichtlicher die betroffenen Streckenabschnitte und je schlechter die Sichtverhältnisse vor Ort sind. Folglich sollte insbesondere in Nachtbaustellen nicht die Klasse 2, sondern Klasse 3 für Warnkleidung gefordert werden (Bild 2), bei der zusätzlich die Reflektoren so angebracht werden, dass die Kontur des Menschen in jeder Körperhaltung vom Verkehrsteilnehmer erkannt wird (Bild 2). Jeder Verkehrsteilnehmer kann daher die Arbeiter eindeutig als Mensch identifizieren und die eigene Geschwindigkeit sowie den seitlichen Abstand hierauf einstellen.

Bild 2: Optimierte Warnkleidung (links), Warnkleidung gemäß DIN EN 471 (rechts) (beide Klasse 3)

Auf Basis dieser Untersuchungen stehen für einen zukünftig verstärkten Einsatz von Nachtbaustellen somit praxisgerechte Einsatzempfehlungen für die richtige Auswahl und Anwendung von wirtschaftlich und betrieblich vertretbaren, staumindernden Maßnahmen zur Verfügung.

 

3 Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit in AkD

Die vergleichende Analyse von Arbeitsstellen kürzerer Dauer hat gezeigt, dass Nachtbaustellen nicht gefährlicher sind als Tagesbaustellen. Es wurde aber deutlich, dass die Unfallgefahren in diesen Arbeitsstellen deutlich höher sind als auf der freien Strecke und das daher Maßnahmen ergriffen werden sollten, die speziell auf die festgestellten Unfallursachen abgestimmt werden. Dies kann sowohl die frühzeitige akustische oder haptische Warnung des Schwerverkehrs, z. B. durch CB-Funk oder Warnschwellen, umfassen oder generell durch eine verbesserte Gestaltung der Beschilderung von Arbeitsstellen erreicht werden.

3.1 Einsatz von Warnschwellen

Aufbauend auf den positiven Erkenntnissen aus Pilotversuchen im Rahmen eines Forschungsprojektes (Baier et al., 2005) wurden bereits im Jahr 2005 erste Empfehlungen zum Einsatz von Warnschwellen bei stationären Arbeitsstellen kürzerer Dauer auf Autobahnen veröffentlicht. Neben Aussagen zur straßenverkehrsrechtlichen Bedeutung, Anforderungen an die Beschaffenheit der Schwellen und Vorgaben zur Anordnung auf Fahr- und Seitenstreifen wurden auch Hinweise zum Auf- und Abbau gegeben. Im Gegensatz zu den niederländischen Vorgaben dürfen bzw. müssen die Warnschwellen in Deutschland (gemäß Reißverschlussverfahren) allerdings überfahren werden. Hierdurch werden die Warnschwellen einer höheren Beanspruchung ausgesetzt als in den Niederlanden, die schon seit über 10 Jahren durchweg positive Erfahrungen mit den Warnschwellen machen.

Derzeit werden Warnschwellen vor allem in den beiden Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Bayern eingesetzt, vornehmlich auf dem Seitenstreifen und dem Hauptfahrstreifen. Neben dem Nutzen der Warnschwellen durch vermiedene Unfälle sind allerdings auch zwei Unfälle mit geringem Sachschaden durch Lageinstabilitäten der Warnschwellen aufgetreten. Bei einem dieser beiden Unfälle trat durch eine Schwelle ein geringer Blechschaden an einem Pkw auf, bei dem anderen Unfall konnten keine Auswirkungen festgestellt werden. Diese beiden Unfälle stehen zwar in keinem Verhältnis zu den durch Warnschwellen vermiedenen schweren Unfällen, allerdings sollten auch diese vermieden werden. In den Niederlanden sind während der bisherigen Einsatzzeit keine derartigen Unfälle beobachtet worden.

Aufgrund dieser aufgetretenen Unfälle sollten die Warnschwellen für einen Einsatz auf deutschen Autobahnen modifiziert werden. Hierzu wurden von Institut für Straßenwesen der RWTH Aachen in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Straßenwesen BASt und dem Landesbetrieb Straßenbau NRW Überfahrversuche durchgeführt, um zum einen die Ursachen dieser Unfälle zu klären und zum anderen eine lagestabile Warnschwelle zu entwickeln.

Als Ursache für die Unfälle konnte im Rahmen der Überfahrversuche ein Hochschleudern der Schwelle identifiziert werden. Diese Fälle treten allerdings nur auf, wenn die Schwellen nicht mehr quer, sondern längs zur Fahrtrichtung auf der Fahrbahn liegen (Bild 3).

Bild 3: Mögliche Ursache für das Hochschleudern der Schwellen

Zur Absicherung der Arbeitsstellen werden die Warnschwellen, ohne weitere Verankerungen, quer zur Fahrtrichtung auf der Fahrbahn ausgelegt. Die Lagestabilität der Schwellen wird somit nur durch das Eigengewicht sowie die Haftreibung zwischen Fahrbahn und Schwelle hergestellt4). Durch Bremsvorgänge auf der Schwelle, hauptsächlich von Lkw, kann es zu Verschiebungen und/oder Verdrehungen der Schwellen kommen. Erst diese Lageveränderungen können dann zu einem Hochschleudern der Schwellen führen.

Im Rahmen der verschiedenen Versuchsreihen sind die Schwellen, die quer zur Fahrtrichtung ausgelegt wurden, über 900 Mal überfahren bzw. in Bremsversuchen getestet worden. Um speziell die Gefährdung der Schwellen für andere Verkehrsteilnehmer abzuschätzen wurden auch Schwellen überfahren, die längs zur Fahrtrichtung ausgelegt wurden. Die Fahrer wurden hierzu speziell angewiesen die jeweiligen Außenkanten zu überfahren. Von diesen Überfahrten wurden insgesamt 430 durchgeführt.

Die Überfahrversuche haben gezeigt, dass eine normale Überfahrung der Warnschwellen bei einer Geschwindigkeit von ca. 80 km/h als absolut ungefährlich einzustufen ist. Die Lagestabilität ist sogar umso besser, je höher die gefahrenen Geschwindigkeiten sind. Erst bei Geschwindigkeiten von unter 50 km/h sind Lageverschiebungen der Warnschwellen zu beobachten. Durch Beschleunigungs- bzw. Abbremsvorgänge, wie sie z. B. bei auftretenden Verkehrsstörungen zu beobachten sind, können die Schwellen um einige Zentimeter verschoben werden. Diese Verschiebung stellt aber keine Gefährdung für den Verkehrsteilnehmer dar, erfordert allerdings eventuell einen erhöhten Kontrollaufwand für das Betriebspersonal.

Die Analyse der Überfahrversuche bei unterschiedlichen Warnschwellenvarianten hat allerdings gezeigt, dass ein Hochschleudern der Schwellen durch Modifikationen an den Schwellen verhindert werden kann. Bei zwei Varianten der Schwellen konnte bei allen Überfahrversuchen eine stabile Lage der Schwellen beobachtet werden.

Die im Bild 4 dargestellten Schwellen können daher für den weiteren Einsatz zur Erhöhung der Sicherheit in Arbeitsstellen kürzerer Dauer empfohlen werden. Bei beiden Varianten wird auf eine generelle Anrampung verzichtet, im Bild links werden nur die Reflektoren im Winkel von 45° angebracht. Selbst für den Fall, dass sich diese Schwellen aufgrund von Bremsmanövern verschieben oder drehen, kann auf Basis der Überfahrversuche auch bei weiteren Überfahrungen eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen werden.

Bild 4: Modifizierte Warnschwellen

4) Da die Warnschwellen unter laufendem Verkehr und auch nur für eine begrenzte Stundenzahl auf die Fahrbahn gelegt werden, können diese nicht auf der Fahrbahn befestigt werden.

3.2 Einsatz von Überkopfbeschilderung

Eine weitere Alternative die Sicherheit in Arbeitsstellen kürzerer Dauer zu erhöhen besteht darin, die Erkennbarkeit der Verkehrszeichen durch eine Überkopfanzeige zu verbessern. Diese Überkopfsignalisierungen werden in den Niederlanden bereits seit fast 20 Jahren zur Sicherung von Arbeitsstellen kürzerer Dauer eingesetzt. Dort sind mobile Fahrstreifensignalisierungen verpflichtend vorgeschrieben bei der Einrichtung von Arbeitsstellen kürzerer Dauer mit einer Fahrstreifensperrung auf dreistreifigen Richtungsfahrbahnen sowie auf zweistreifigen Richtungsfahrbahnen mit einer Verkehrsstärke von über 1.100 Kfz/h und wenn Aufstellmöglichkeiten für konventionelle Beschilderungen im Mittelstreifen fehlen. Bei Arbeitsstellen auf zweistreifigen Richtungsfahrbahnen wird darüber hinaus der Einsatz auch bei geringeren Verkehrsstärken empfohlen.

Aber auch in anderen europäischen Ländern (z. B. Belgien oder Österreich) werden vergleichbare Systeme in letzter Zeit immer häufiger eingesetzt. In Deutschland wurden mobile Überkopfsignalisierungen bislang nur im Rahmen einzelner Pilotversuche verwendet.

Die Vorteile solcher Systeme werden vor allem in einer verbesserten Erkennbarkeit gesehen, insbesondere wenn die Verkehrszeichen am rechten Fahrbahnrand durch den Schwerverkehr verdeckt werden. Neben den verkehrlichen Effekten wird von den Systemen auch eine deutliche Arbeitserleichterung für das Straßenbetriebsdienstpersonal erwartet, da gerade bei mittleren bis hohen Verkehrsbelastungen das Überqueren der Fahrbahn zum Aufstellen von Verkehrszeichen eine enorme Gefahr für die Beschäftigten darstellt.

Im Rahmen eines Forschungsvorhabens wurden die Auswirkungen von Überkopfsignalisierungen auf den Verkehrsablauf und die Sicherheit bei Arbeitsstellen kürzerer Dauer untersucht (Kemper et al., 2010). Zunächst wurden in einer Grundlagenstudie die am Markt vorhandenen Systeme zusammengestellt. Da es sich hierbei überwiegend um im benachbarten Ausland eingesetzte Systeme handelt, erfolgte ein Abgleich mit den in Deutschland gültigen straßenverkehrsrechtlichen wie technischen Anforderungen an vergleichbare Systeme. Des Weiteren wurden die bisherigen Erfahrungen zum Einsatz von Überkopfsignalisierungen bei der Absicherung von Arbeitsstellen kürzerer Dauer analysiert und bewertet.

Zur Ableitung möglicher Einsatzbereiche bei Arbeitsstellen kürzerer Dauer auf Autobahnen wurde parallel hierzu eine systematische Aufbereitung der vorhandenen Erkenntnisse zum Verkehrsablauf und zur Verkehrssicherheit in Arbeitsstellen kürzerer Dauer in Deutschland vorgenommen. Auf Basis der vorab beschriebenen Erkenntnisse wurden Pilotversuche auf ausgewählten Strecken in Nordrhein-Westfalen und Bayern durchgeführt, anhand derer die Wirkungen der Überkopfsignalsierungen auf den Verkehrsablauf ermittelt werden konnten.

Bild 5: Links: MRS mit drei Anzeigetafeln (Hersteller: Hytrans System b. v.), rechts: RMS 3000 mit einer Anzeigetafel zur Überkopfsignalisierung (Hersteller: Horizont Group GmbH)

Für die Pilotversuche wurden die beiden im Bild 5 dargestellten Varianten eingesetzt, wobei der wesentliche Unterschied der Systeme darin liegt, dass das MRS (Bild links) aufgrund des größeren Auslegers die dargestellten Zeichen über jedem Fahrstreifen einer zwei- oder dreistreifigen Richtungsfahrbahn (wie bei einer VBA) anzeigen kann und an zwei Querschnitten im Zulaufbereich der Arbeitsstellen aufgestellt wird. Der Ausleger des RMS (Bild 5, rechts) reicht hingegen nur über den Hauptfahrstreifen und wird auch nur an einem Querschnitt aufgestellt.

Die Ergebnisse der Verkehrsablaufuntersuchungen haben gezeigt, dass durch einen Einsatz von Überkopfsignalisierungen der Verkehrsablauf, das heißt die Geschwindigkeiten sowie die Fahrstreifenwechsel im Zulaufbereich von Arbeitsstellen kürzerer Dauer, positiv beeinflusst werden kann. Bei den niederländischen Systemen mit zwei Anzeigenquerschnitten konnten dabei deutlich größere Wirkungen festgestellt werden als beim Einsatz von Überkopfanzeigen mit nur einem Anzeigenquerschnitt.

Insgesamt konnte aber für beide Varianten bezüglich der Fahrstreifenwechsel unter anderem festgestellt werden, dass

  • der Einsatz einer Überkopfsignalisierung zu Fahrstreifenwechseln deutlich vor der Sperrung und zu einer homogenen Verteilung der Fahrstreifenwechsel über einen größeren Bereich führt,
  • die Fahrstreifenwechsel im Bereich von 100 Metern vor der Sperrung (und somit die Überfahrungen der Warnschwellen) durch beide Systeme deutlich verringert werden können.

Die Betrachtung des Geschwindigkeitsverhaltens im Zulaufbereich der Arbeitsstellen hat des Weiteren ergeben, dass

  • Geschwindigkeiten frühzeitiger reduziert werden und im Bereich der AKD auf einem deutlich geringeren Niveau bleiben,
  • insbesondere bei dreistreifigen Richtungsfahrbahnen durch die Anpassung der Differenzgeschwindigkeiten zwischen den drei Fahrstreifen eine Homogenisierung des Verkehrsflusses erreicht werden kann und
  • die positiven Auswirkungen auf das Geschwindigkeitsverhalten bei beiden Systemen sowohl bei Tag als auch bei Nacht aufgetreten sind.

Der Einsatz von Überkopfsignalisierungen bei Arbeitsstellen kürzerer Dauer ist aufgrund der festgestellten positiven Auswirkungen auf Verkehrsablauf und -sicherheit grundsätzlich sinnvoll. Die niederländischen Systeme mit zwei Anzeigenquerschnitten können bei allen Verkehrsführungen eingesetzt werden, das andere untersuchte System hingegen nur bei Arbeitsstellen mit Sperrungen des rechten Fahrstreifens.

Bei einem Einsatz der Systeme sollte der Abstand zwischen der fahrbaren Absperrtafel und der Überkopfanzeige 300 m betragen. Bei geringeren Abständen ist nicht auszuschließen, dass die Erkennbarkeit der angezeigten Symbole auf der Überkopfanzeige durch die hellen Blinkleuchten der fahrbaren Absperrtafel abgemindert werden.

 

4 Ausblick

Die vorgestellten Erkenntnisse sollen die aktuellen Entwicklungen bei der Einrichtung und Absicherung von Arbeitsstellen kürzerer Dauer darstellen.

Für eine abschließende Beurteilung der Sicherheit und Wirtschaftlichkeit von Nachtbaustellen sollten weitere länderübergreifende Untersuchungen angestellt werden. Derzeit werden Nachtbaustellen schon von mehreren Bundesländern vermehrt umgesetzt, so dass die jeweiligen Erfahrungen abgefragt und in die Aufstellung von weiteren Vorgaben integriert werden könnten. Des Weiteren sollten Vorgaben zur Beleuchtung von Nachtbaustellen entwickelt werden, da die derzeitige Regelung (u. a. die Einrichtung von Adaptationsstrecken) in der Praxis nur schwer umgesetzt werden kann.

 

Literaturverzeichnis

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Allgemeines Rundschreiben Straßenbau Nr. 17/2009, Sachgebiet 07.3: Straßenverkehrstechnik und Straßenausstattung, Arbeitsstellen an Straßen, Betreff: Arbeitsstellen an Autobahnen – Regelungen für Nachtbaustellen, 8. 12. 2009, Bonn

Bundesministerium für Verkehr: Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen (RSA), Ausgabe 1995, Bonn, FGSV 370

Kemper, D.: Vergleichende Betrachtung der Sicherheit und Wirtschaftlichkeit von Arbeitsstellen kürzerer Dauer auf Autobahnen bei Tag und Nacht, Aachener Mitteilungen Straßenwesen, Erd- und Tunnelbau, Heft 52, Aachen, 2010

Steinauer, B.; Baier, M. M.; Kemper, D.; Baur, O.; Meyer, A.: Einsatz neuer Methoden zur Sicherung von Arbeitsstellen kürzerer Dauer. Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Verkehrstechnik, Heft V 118, Wirtschaftsverlag NW-Verlag für neue Wissenschaft GmbH, 2005

Kemper, D.; Sümmermann, A.; Steinauer, B.; Baier, M. M.; Klemps-Kohnen, A.; Kathmann, T.; Schmitz, S.: Auswirkungen von Überkopfsignalisierungen auf Verkehrsablauf und Sicherheit bei Arbeitsstellen kürzerer Dauer, FE 82.358/2008, Entwurf Schlussbericht (unveröffentlicht), Aachen, 2010

Kemper, D.; Steinauer, B.: Begleituntersuchungen zur Lagestabilität von Warnschwellen, in Kooperation mit der Bundesanstalt für Straßenwesen und dem Landesbetrieb Straßenbau NRW, Schlussbericht (unveröffentlicht), Aachen, 2010