FGSV-Nr. FGSV 002/106
Ort Stuttgart
Datum 02.04.2014
Titel Dynamisches Flottenmanagement für eine gemeinschaftlich-e-Mobilität
Autoren Stefan Tönjes
Kategorien HEUREKA
Einleitung

Elektrofahrzeuge (eFz), Ladeinfrastrukturen sowie Daten und Dienste in der gemeinschaftlichen Nutzungstellen aus technischen, rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Gründen eine besondere Herausforderung dar. Im Rahmen des Projektes „GeMo“ werden erste technische Lösungen für diese gemeinschaftlich genutzten Mobilitätsressourcen entwickelt. Um auf Basis nutzerspezifischer Reisedetails verfügbare Fahrzeuge zu identifizieren, kommt, als Kern dieses Papers, ein dynamisches Flottenmanagementsystem zum Einsatz. Die Fahrzeugauswahl erfolgt dabei als vierstufiger Selektionsprozess unter Einbeziehung nutzerspezifischer, zeitlicher, räumlicher und innovativer ladezustandsabhängiger (elektromobilitätsspezifischer) Kriterien. Eine Mobilitätsdaten-Cloud fungiert als zentrale Plattform zur Aggregation und Verfügbarmachung mobilitätsrelevanter Daten und Dienste zur Nutzung für mobile Endgeräte (Smartphones).

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1 Einleitung

Autos nicht kaufen, sondern teilen – Carsharing gibt es in vielen Großstädten. In der elektromobilen Zukunft nutzen die Stadtbewohner einen Großteil Fahrzeuge und die Infrastruktur gemeinschaftlich. Im Übermorgen-Projekt »Gemeinschaftlich-e-Mobilität: Fahrzeuge, Daten und Infrastruktur«, kurz GeMo, arbeiten Forscher daran, diese Vision zu realisieren (siehe SATIKIDIS 2011, [1]). Geht es nach der EU, fahren wir schon im Jahr 2050 in allen großen europäischen Städten nur noch elektrisch und vorwiegend gemeinschaftlich (siehe NOEREN et. al. 2013, [2]). Um Elektrofahrzeuge (eFz) gemeinschaftlich nutzbar zu machen, wird ein dynamisches Flottenmanagementsystem für die gemeinschaftlich genutzten Elektromobilitätsressourcen entwickelt (Kapitel 4).

2 Stand der Technik

In urbanen Räumen erreichen erste Carsharing-Konzepte mit größeren Fahrzeugflotten (z.B. Car2Go, DriveNow, DB Flinkster, Stadtmobil oder teilAuto) den Markt und gewinnen an Popularität. Dabei wird zwischen Systemen mit flexibler („Free-Floating“) bzw. fester („Stationsbasiert“) Fahrzeugrückgabe unterschieden. Etwa 190.000 Deutsche nutzen 2010 bereits Carsharing-Angebote mit einer Flotte von ca. 5.000 Fahrzeugen (Bild 1). Hier teilen sich also ca. 30-40 Personen ein Leihfahrzeug. Bis zur Dekade 2020 wird die gemeinschaftliche Fahrzeugnutzung Prognosen zufolge stark zunehmen (siehe FROST & SULLIVAN, 2010 [3]).

Bild 1: Energetische und informationstechnische Schnittstellen als Kernherausforderungen der Gemeinschaftlichen Mobilität.

Elektrofahrzeuge werden heute größtenteils in gemeinschaftlichen Mobilitätskonzepten (z.B. Carsharing) zur Demonstration der Technologie und Steigerung der Nutzerakzeptanz eingesetzt. In einigen Großstädten kommen elektrische Flotten mit mehreren hundert Fahrzeugen zum Einsatz, wie z.B. Car2Go in Amsterdam oder Multicity in Berlin (beides „Free-Floating“-Konzepte).

Typischerweise verwenden Carsharing-Unternehmen jeweils ein individuelles Dispositionssystem zur Verwaltung der Fahrzeugflotte. Infolge einer Nutzeranfrage wird die Verfügbarkeit der Fahrzeuge in Abhängigkeit klassischer betrieblicher und organisatorischer Randbedingungen, wie geplante Wartungen, Reinigung, Betankung, Nachladung oder existierende Vorreservierungen, durch das Flottenmanagement ermittelt. Bisher sind keine Dispositionssysteme bekannt, welche eine intelligente Berücksichtigung elektromobilitätsspezifischer Parameter, wie Reichweite oder Ladezustand bzw. deren Abhängigkeit von Umgebungsparametern (z.B. aktuelle Wettersituation, Höhenprofil der Strecke oder Rekuperationsfaktor zur Energierückspeisung), sowie nutzerspezifischer Reiserouten für eine personalisierten Fahrzeugauswahl und –Reservierung vornehmen. Heute wählen Kunden üblicherweise Fahrzeuge mithilfe einer digitalen Karte einer mobilen Smartphone-Applikation oder Web-Oberfläche aus dem uneingeschränkt angezeigten Fahrzeugpool.

Erste Untersuchungen ergaben, dass elektrische Zusatzverbraucher (z.B. Klimaanlage) einen großen Einfluss auf Gesamtreichweite (bis zu 50% im Winter) besitzen. Ebenso ergab sich für bestimmte Geländeprofile ein Einsparpotenzial von teilweise mehr als 20% durch Bremsenergierückgewinnung (Rekuperation) (siehe BECK 2011, [4]). Im Zuge einer kundenspezifischen Fahrzeugdisposition finden diese entscheidenden Einflüsse auf die lektromobilität im Rahmen des Projekts GeMo beispielhafte Beachtung.

3 Das Projekt GeMo

3.1 Ziele und Herausforderungen

Der Entwicklungsschwerpunkt des Projektes liegt auf den energetischen und informationstechnischen Schnittstellen. Die Entwicklung von IuK-Lösungen zur Sicherstellung eines hohen Komforts bei gleichzeitig hoher Zuverlässigkeit für den Nutzer, sowie die Entwicklung der energetischen Schnittstellen in Form von stadtintegrierten induktiven Ladesystemen wird als vordringlich angesehen, um gemeinschaftliche Mobilität umzusetzen. Diese Schnittstellen sind weitestgehend unabhängig von den Basisfahrzeugen und können folglich mit bereits heute existenten Fahrzeugen und der heute vorhandenen gebauten urbanen Infrastruktur umgesetzt werden. Der Lösungsansatz des Projektes ist dadurch charakterisiert, dass die drei Arten von Mobilitätsressourcen „Fahrzeuge“, „Ladeinfrastruktur“ sowie „Daten und Dienste“ integriert auf die gemeinschaftliche Nutzung hin betrachtet werden. Dabei soll auf die primär zu lösenden, energetischen und informationstechnischen Schnittstellen fokussiert werden. Das betrachtete System besteht dabei aus den folgenden Komponenten (Bild 2):

•    Mobiles Endgerät (Smartphone) als persönliches Kommunikationsgerät und zentrale Kommunikationseinheit der gemeinschaftlich genutzten Fahrzeuge

•    Mobilitätsdaten-Cloud zur zentralen Bereitstellung von Daten und Diensten

•    Stadtintegrierte, induktive, netzintegrierte Ladeinfrastruktur

•    Elektrofahrzeug (PKW, Scooter, Van) mit einem Steuergerät (On-Board-Unit) zur Realisierung von Zugang, Lademanagement, Positionierung der Spulen etc.

Bild 2: Energetische und informationstechnische Schnittstellen als Kernherausforderungen der Gemeinschaftlichen Mobilität.

Im Folgenden wird der Fokus auf die informationstechnischen Schnittstellen des Projekts bzgl. Mobilitätsdaten und Dienste sowie Flottenmanagementsystem gelegt.

3.2 Daten und Dienste für eine gemeinschaftliche Mobilität

Als Basis für die Realisierung von vernetzten Diensten für eine gemeinschaftliche Mobilität wird eine prototypische Infrastruktur entwickelt (siehe TCHOLTCHEV 2012, [5]), die es ermöglicht, Mobilitätsdaten von gemeinschaftlicher Relevanz zwischen verschiedenen Anwendungen über offene webbasierte Schnittstellen auszutauschen und zu integrieren. In diesem Zusammenhang wird auch aufgezeigt, wie die Ansätze der intelligenten Vernetzung von mobilitätsrelevanten Daten mit dem Ansatz der offenen städtischen Datenbereitstellung verbunden werden können (private/öffentliche Mobilitätsdaten-Cloud). Anhand Dienste für die gemeinschaftliche Mobilität, integriert in Smartphone-Applikationen, werden die Mehrwerte einer solchen Infrastruktur demonstriert:

•    Zugang und Personalisierung: Über eine Smartphone-Applikation erhält der Nutzer Zugang zu seinem persönlichen Bereich. Auf Basis hinterlegter Präferenzen (z.B. Fahrzeugtyp, ÖPNV-Affinität, Tarifoptionen, maximale Fußwegstrecke) und unter Berücksichtigung von den jeweiligen Fahreigenschaften des Nutzers erfolgt eine neuartige, adaptive Auswahl und Disposition der Elektrofahrzeuge.

•    Online-Disposition und Buchung: Die Echtzeit-Disposition der Fahrzeuge erfolgt neben zeitlichen und räumlichen Parametern unter zusätzlicher Nutzung von ladezustandsabhängigen und kundenspezifischen Eigenschaften (z.B. Alter, Fahrzeuggröße, Getriebeart, Raucher/Nichtraucher). Die Reichweite der verfügbaren Fahrzeuge wird unter Zuhilfenahme von Fahrzeugspezifika (z.B. Ladestand, Energieverbrauch, Rekuperationsfaktor) für eine gegebene Route mit spezifischem Geländeprofil unter aktuell vorherrschenden Wetterbedingungen abgeschätzt.

•    Partizipativ-e-Mobilität: Eine Kommunikationsplattform ermöglicht es Nutzern, mit dem Systembetreiber in Kontakt zu treten, um Anliegen zu übermitteln (z.B. Vorschlag für Standort einer neuen Ladestation) oder die Fahrzeugnutzung zu bewerten (z.B. bzgl. Defekten oder Sauberkeit).

3.3 Innovationen für elektromobiles Carsharing

Der Fokus in GeMo liegt auf der Entwicklung eines Free-Floating-Konzepts für Elektrofahrzeugflotten. Das Konzept basiert auf bewährten Funktionalitäten zur Fahrzeugpositionierung, Buchung, Reservierung oder Abrechnung von Standard- Dispositions- und Flottenmanagementsystemen der gemeinschaftlichen Mobilität. Jedoch sind diese nicht frei als Open Source erhältlich, sodass alle Komponenten in GeMo von Grund auf neu implementiert werden. Im Vergleich zu existierenden Konzepten (Car2Go, Multicity) werden beim in Kapitel 4 beschriebenen Flottenmanagementsystem folgende zusätzliche und innovative Parameter bzw. Funktionalitäten für ein elektromobiles Carsharing berücksichtigt:

•    Individuelle Vorauswahl von Fahrzeugen basierend auf eingegebenem Reiseziel/Reiseroute und nutzerspezifischen Kriterien (z.B. Fußwegentfernung)

•    Elektromobilitätsspezifische Vorauswahl von Fahrzeugen basierend auf aktuellem Fahrzeug-Ladezustand in Abhängigkeit von Umgebungsparametern (Wettersituation, Geländeprofil der Reiseroute, Rekuperation etc.)

4 Dynamisches Flottenmanagement für eine gemeinschaftliche Elektromobilität

Das Flottenmanagement- und Dispositionssystem ist ein betreiberseitiger Hintergrunddienst, welcher in der Mobilitätsdatencloud verortet ist und mithilfe der Smartphone-Applikation Online-Disposition und Buchung (Kapitel 3), der mobilen Komponente des Flottenmanagements als Nutzeroberfläche und Interaktionsplattform, angesprochen werden kann. Infolge der nutzerseitigen Eingabe von Reisedetails (Abschnitt 4.1) interagiert das Flottenmanagementsystem mit weiteren Cloud-Datenbanken und -Diensten zum Auslesen von Nutzerprofilen, zur Prüfung der Fahrzeugverfügbarkeiten (Abschnitt 4.2) oder zur Reservierung eines ausgewählten Vehikels (Abschnitt 4.3).

Der Prozess der Fahrzeugauswahl und -reservierung als Zusammenspiel der mobilen Applikation und der Hintergrunddienste wird im Folgenden ausführlich erläutert.

4.1 Identifizierung von Nutzerpräferenzen und Reisedetails

Zunächst erfolgt bei der zentralen Registrierung mithilfe des Smartphone-Diensts Zugang und Personalisierung das Anlegen eines Nutzer-Profils. Startet der Nutzer nun aktiv die Suche nach einem verfügbaren Fahrzeug, so werden die Nutzerpräferenzen aus der Cloud innerhalb der Smartphone-Applikation als Empfehlung angezeigt. Der Nutzer gibt nun in einer initialen Eingabemaske die gewünschten Kriterien seiner geplanten Reise ein:

•    Beginn der Fahrt: Auswahl Datum/Uhrzeit (Voreinstellung auf aktuelle Zeit)

•    Startposition: Auswahl Position durch Angabe Adresse, Position von Karte, ÖPNV-Haltestelle, Favoriten aus Verlauf (Voreinstellung auf aktuelle GPS-Position)

•    Zielposition: Auswahl Position durch Angabe Adresse, Position von Karte, ÖPNV-Haltestelle, Favoriten aus Verlauf oder „kein festes Ziel“ (Voreinstellung auf Adresse des Nutzers: „zu Hause“)

•    Ergänzung von Zwischenzielen

•    Sonstige Parameter: Reisedauer, Gepäckmitnahme, Beförderung weiterer Personen, maximale Fußwegentfernung zum eFz, ÖPNV-Affinität für Zu-/Abgang etc.

Das Cloud-basierte Nutzerprofil wird auf Basis der aktuellen Anforderungen des Nutzers für Folgebuchungen aktualisiert.

4.2 Identifizierung verfügbarer Fahrzeuge

Auf Basis der vom Nutzer eingegebenen Reisedetails (Abschnitt 4.1), der ermittelten GPS-Nutzerposition und der im Nutzerprofil hinterlegten Präferenzen leitet der Nutzer via Smartphone-App die Suche nach einem passenden eFz per Absenden der o.g. Informationen ein. Mithilfe eines speziell an die Bedürfnisse der Elektromobilität angepassten Dispositionssystems werden die eFz nach folgenden vier Kriterien optimal ausgewählt (Bild 3):

Bild 3: Prozess der schrittweisen Fahrzeugselektion.

(1) Nutzerspezifische Selektion:

Fragestellung: Welche eFz stehen gemäß der kundenspezifischen Fahrzeugpräferenzen zur Auswahl?

Nachfolgende Attribute dienen der Selektion der Flotte:

•    eFz-Art/Größe (z.B. zur Mitnahme von Personen, Gepäck, Rollstuhl etc.)

•    Raucher/Nichtraucher

•    Getriebe: Schaltung/Automatik

Die Selektion nach nutzerspezifischen Reisedetails erfolgt durch Anfrage eines allgemeinen Cloud-basierten Fahrzeugdatendienstes, der eine Liste mit passenden eFz-IDs zurückgibt.

(2) Zeitliche Selektion:

Fragestellung: Welche eFz sind für den Zeitraum der geplanten Reise unter Beachtung von (Vor-)Reservierungen, Wartungsarbeiten etc. verfügbar?

Entscheidender Parameter für die zeitliche Selektion ist die Nutzungsdauer. Diese wird entweder vom Nutzer im Rahmen der Eingabemaske hinterlegt oder muss bei Eingabe von (Zwischen-)Zielen vom extern angebundenen Navigationsdienst abgeschätzt werden. Dabei wird in Zusammenarbeit mit der Universität Heidelberg der „Open Route Service“ auf Basis von OSM-Kartenmaterial mit Koordinaten der (Zwischen-)Ziele und der aktuellen Nutzerposition angefragt und liefert eine abgeschätzte Reisedauer für die gesamte Reiskette.

Die eFz-Liste (als Resultat der Selektion aus Schritt (1)) sowie die identifizierte Nutzungsdauer wird an einen Cloud-seitigen eFz-Verfügbarkeitsdienst übergeben, welcher eine neue Liste mit zeitlich selektierten eFz-IDs zurückgibt (2).

(3) Räumliche Selektion:

Fragestellung: Welche eFz sind bezogen auf den Startpunkt der Reise in einem erreichbaren, nutzerabhängigen Umkreis verfügbar?

Die räumliche Selektion läuft dabei zweistufig, unter Nutzung der im Zuge der Eingabe von Reisedetails eingegebenen maximalen Fußwegentfernung (z.B. 500m), ab:

I.    Grobe Selektion der Fahrzeuge auf Basis eines geometrischen Umkreises (Luftlinienentfernung von x Metern).

II.    Feine Selektion der in (I.) vorselektierten eFz durch Berechnung der genauen Fußwegroute zu eFz im Umkreis unter Nutzung des Open Route Service zur Sicherstellung, dass die reale Fußwegentfernung den maximal eingegebenen Wert nicht überschreitet (z.B. 500m).

Die eFz-Liste (als Resultat der Selektion aus Schritt (2)) ist Grundlage zur Erstellung einer neuen Liste mit räumlich selektierten eFz-IDs (3).

(4) Elektromobilitätsspezifische Selektion:

Fragestellung: Die Ladekapazität welcher eFz ermöglicht die Durchführung der spezifischen Reise?

Diese Fragestellung erfordert die Bestimmung des voraussichtlichen Energieverbrauchs der Reise. Die vorselektierte eFz-Liste aus (3) wird an einen Cloud-basierten Verbrauchsrechner und Reichweitenabschätzer weitergereicht. Für die elektromobilitätsspezifische Selektion bestehen wiederum zwei mögliche Herangehensweisen (A) oder (B) in Abhängigkeit der angegebenen Nutzerdetails:

(A)    nach Nutzungsdauer: Wurde in der Eingabemaske kein Fahrtziel angegeben, wird ein statistischer Wert (durchschnittlicher Verbrauch des Fahrzeugtyps für bestimmte Nutzungsdauer und aktuelle Wettersituation) zur Energieverbrauchsbestimmung angesetzt.

(B)    nach konkreter Strecke: Kam es nutzerseitig in der Eingabemaske zur Angabe einer konkreten Reisestrecke (inkl. Startposition & Zielposition(en)), so erfolgt die Bestimmung des Energieverbrauchs der Strecke mithilfe des Cloud-basierten Verbrauchsrechners unter Berücksichtigung folgender, wesentlicher Einflussfaktoren:

o    Geländeprofil: Der Open Route Service dient der Erstellung eines Geländeprofils auf Basis einer zuvor vom Open Route Service ermitteltenPolyline mit den einzelnen Stützpunkten der Strecke. Der Energieverbrauch der Strecke wird im Folgenden als Summe der jeweiligen Höhendeltas zwischen zwei Stützpunkten berechnet.

o    Fahrzeugdaten: Es erfolgt eine Anpassung des Verbrauchs in Abhängigkeit fahrzeugspezifischen Energieverbrauchs [kWh/100km] (wird beeinflusst durch Gewicht, Motorleistung, Bereifung etc.), elektrischer Zusatzverbraucher (z.B. Klimaanlage [kWh/h]) und des Rekuperationsfaktor zur Rückspeisung von Energie beim Bremsen bzw. bei Gefällen (Wert zwischen 0…1; 0=keine Rückspeisung, 1=maximale Rückspeisung).

o    Wetterdaten: Anpassung des Verbrauchs in Abhängigkeit der aktuell vorherrschenden Temperatur/Luftfeuchte. In GeMo werden Simulationswerte der aktuellen Wettersituation verwendet, eine Integration kostenpflichtiger Wetterdienste kann im Vermarktungsfall erfolgen.

Um diese Umgebungsfaktoren in der Energieverbrauchsermittlung berücksichtigen zu können, werden statistische Messungen zur Hilfe genommen. In Abbildung 4 sind bspw. Messwerte zur Temperaturabhängigkeit des Energieverbrauchs eines Mitsubishi i-MiEV aufgetragen. Die Messreihe zum durchschnittlichen Energieverbrauch (ab Steckdose und unter Nutzung der Klimaanlage) wurde von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (HTW) aus 7781 km Fahrleistung zwischen Juli 2011 und Mai 2012 zur Verfügung gestellt. Es ergibt sich eine charakteristische „Badewannenkurve“ mit erhöhtem Energieverbrauch bei unter ca. 7°C bzw. über ca. 15°C. Durch Regressionsverfahren können Messreihen durch geeignete Funktionen beschrieben bzw. angenähert werden (hier: Polynom 2. Grades mit Bestimmtheitsmaß R²=0,82).

Bild 4: Temperaturabhängigkeit Energieverbrauch Mitsubishi i-MiEV [Quelle: HTW Dresden].

Als Ergebnis wird der fahrzeugspezifische Energieverbrauch für die vorliegende Nutzungsdauer bzw. Strecke verwendet, um die eFz-Liste als Resultat der Selektion in (3) weiter eingrenzen zu können. Dabei wird für jedes Fahrzeug überprüft, ob der abgeschätzte Energieverbrauch den aktuellen Ladezustand überschreitet oder nicht. Dabei priorisiert das Flottenmanagementsystem eFz mit hohen Ladeständen. Bei der Identifizierung optimal verfügbarer eFz muss das Optimierungssystem folglich auch Verlustzeiten für den Nutzer berücksichtigen: Einerseits entstehen Verlustzeiten für Nachladevorgänge, andererseits können Verlustzeiten für längere Anreisen des Nutzers (z.B. per ÖPNV oder Fußweg) zu einem ausreichend geladenem eFz entstehen.

4.3 Fahrzeugreservierung

Je nach identifizierten Verfügbarkeiten der eFz und zuvor angegebenen Reisedetails werden dem Nutzer in der Smartphone-Applikation Angebote zur Reservierung unterbereitet. Dabei werden die eFz-Standorte, die aktuelle Nutzerposition, das Reiseziel inkl. Fußweg-Zugang zum Fahrzeug (rote Linie) und Fahrtroute zum Ziel (blaue Linie) eingezeichnet (siehe linke Abbildung in Bild 5). Dabei wird OpenStreetMap (OSM) als freier Kartenanbieter verwendet. Im Rahmen einer Vermarktung nach Projektende kann ein eigener Kartenserver angebunden werden.

Per Klick auf ein eFz kommt es zur Anzeige von Fahrzeugdetails: verfügbare Zeit, Ladestand, eFz-Art/Größe, Position sowie eine Information über eine ggf. notwendige Aufladung. Voraussichtliche Kosten für die als verfügbar identifizierten eFz werden auf Basis eines vom Betreiber aufgesetzten externen Tarifsystems (nicht Bestandteil von GeMo, nur Realisierung einer Schnittstelle zum Anschluss eines externen Dienstleisters) berechnet. Eine erste prototypische Benutzeroberfläche ist in Bild 5 zu sehen.

Bild 5: Kartenbasierte Fahrzeugauswahl und -reservierung.

Kommt es per Nutzerklick auf den Button „Reservierung“ zu einer verbindlichen Buchung eines eFz, so erhält der Nutzer nach erfolgreichem Reservierungsvorgang für das ausgewählte Fahrzeug einen WLAN-Zugangscode zur Entriegelung, ein aktuelles Beschädigungsprofil des Vehikels und weitere Buchungsinformationen auf seinem Smartphone.

Zukünftige Weiterentwicklungen der Applikation zielen auf die Vervollständigung des Reiseplanungsprozesses durch intermodale Verknüpfungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Dafür steht ein ÖPNV-Fahrplanauskunftsdienst mit Anbindung an den Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) zur Verfügung. Mögliche Anschlussreservierungen von Ladestationen zur Zwischenladung entlang der Strecke (z.B. während Einkauf) oder eines weiteren eFz zum Tausch des entladenen gegen ein aufgeladenes Fahrzeugs können während der Nutzungsdauer initiiert werden.

Um den Nutzer nach erfolgreicher Reservierung während seiner Nutzungsdauer zu begleiten, besteht die Möglichkeit der Eingabe einer Zieladresse mit einem Link auf einen externen Navigationsdienstleister (z.B. „Google Maps API“ oder „V-Navi“ von Map and Route). Im Rahmen von GeMo wird der externe Dienst aufgerufen und die GeMo-Applikation verlassen. Das V-Navi kann in einem Umsetzungs-/Vermarktungsfall nach Projektende in die GeMo-App integriert werden.

4.4 Herausforderungen aus Betreibersicht

Die im Projekt GeMo entstehenden Lösungen werden für ein simuliertes Szenario mit einer virtuellen Flotte für die Stadt Berlin demonstriert. Für die energetischen und informationstechnischen Schnittstellen steht ein Demonstrationsfahrzeug (VW Caddy) zur Verfügung. Geschuldet der Tatsache, dass GeMo weder über eine physische Fahrzeugflotte verfügt, noch spezifische Geschäftsmodelle adressiert, werden im Folgenden einige betreiberseitigen Fragestellungen für einen zukünftigen Praxiseinsatz diskutiert.

Im Falle einer Vermarktung nach Projektende, könnte der Mobilitätsdienstleister als Kundenanreiz und weitere Funktionalität des Flottenmanagementsystems langfristige Reservierungen von Buchungen zulassen, die weiter als 30 Minuten in der Zukunft liegen, um so mit anderen Carsharing-Unternehme oder Mobilitätsanbietern konkurrieren konkrete Nutzeranfrage erfolgt dann ca. 30 min vor tatsächlichem Fahrtantritt). Wenn kein eFz vorhanden sein sollte, handelt es sich um ein betreiberseitiges Tarifproblem, das evtl. durch manuelle Umsetzung von eFz gelöst werden muss (im Vermarktungsfall nach Projektende).

Dabei wird das Flottenmanagement in GeMo für den visionären und kundenfreundlichen “Free-Floating”-Ansatz der flexiblen Fahrzeugrückgabe konzipiert. Betreiberseitig ergibt sich damit, im Gegensatz zur festen Fahrzeugrückgabe an dedizierten Stellplätzen, die Herausforderung der Zusammenarbeit mit Betreibern öffentlicher Parkflächen. Zudem kann von Vorreitern des Free-Floating-Ansatzes, wie Car2Go und deren beobachteten Effekten (z.B. Verstecken von Fahrzeugen durch Kunden für spätere Weiternutzung), gelernt werden. Durch die gemeinschaftliche Nutzung einer eFz-Flotte werden sich charakteristische Nutzertypen mit unterschiedlichem Nutzerverhalten (Leihdauer, zurückgelegte Entfernung, Ort der Anmietung, Rückgabestelle etc.) erkennbar herauskristallisieren. Dadurch ergeben sich in Abhängigkeit der Flottengröße räumliche Ballungspunkte sowie besonders nachgefragte Regionen von eFz in urbanen Räumen (z.B. Bahnhof, Einkaufszentrum). Ebenso wird die zeitliche Verteilung der eFz-Flotte typische Muster aufweisen, die sich charakteristischen Personenströmen anpassen werden. So wird es morgens Pendlerströme von den Vororten und Randbereichen ins Stadtzentrum bzw. in Industrie- und Wirtschafts-Ballungsräume geben, die am Abend in umgekehrter Richtung wiederkehren.

Um diesen Bedürfnissen nachzukommen, ist ein betreiberseitiger Dienst vorgesehen, der die Verteilung der Fahrzeuge im urbanen Raum sicherstellt, sodass die Standorte der Fahrzeuge in optimaler Weise nach den Nutzerbedürfnissen ausgerichtet sind. Dabei kann heute eine physische Umverteilung der Fahrzeuge als Dienstleistung durch ein Service-Team des Systembetreibers stattfinden. Ein intelligentes Flottenmanagementsystem der eFz könnte dieses Kriterium als zusätzliche Randbedingung bei der optimalen Zuordnung von eFz zu Nutzern im Hinblick auf die Zeitscheibe 2020 berücksichtigen, um einen gewünschten Zustand der Fahrzeugflotte im Netz zum Zeitpunkt x einzuhalten. Durch die Kenntnis von Reisezielen der Nutzer und von Buchungen für vorausliegende Zeitpunkte können zukünftige Verteilungen der Fahrzeugflotte prognostiziert werden, was als Input für die optimierte Zuordnung der eFz dient.

5 Literatur

[1]    SATIKIDIS, D. et al. (2011). GeMo – Gemeinschaftlich-e-Mobilität. 03. Juli 2013. URL: http://www.gemo.fraunhofer.de.

[2]    NOEREN, D.; REICHERT, S.; TÖNJES, S.; ERNST, T. (2013). Neue Mobilität: Ein Ausblick zur intermodalen Elektromobilität über vier Dekaden. Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, Freiburg.

[3]    FROST & SULLIVAN (2010). Carsharing: Der Weg in eine grünere Zukunft. 21. August 2013. URL: http://www.frost.com/prod/servlet/press-release.pag?docid=193332392.

[4]    BECK, B (2011). Simulative Untersuchung des Einflusses verschiedener Fahrzeug und Umgebungsparameter auf den Tank-to-Wheel-Energieverbrauch von Elektrofahrzeugen. Universität Stuttgart, Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement IAT.

[5]    TCHOLTCHEV, N. et al. (2012). On the interplay of open data, cloud services and network providers towards electric mobility in smart cities. IEEE 37th Conference on Local Computer Networks (LCN). Clearwater (USA), 22.-25. Oktober 2012. Proceedings, pp. 860–867, DOI: 10.1109/LCNW.2012.6424075.