FGSV-Nr. FGSV 001/21
Ort Karlsruhe
Datum 11.10.2006
Titel Die neuen Richtlinien für den Entwurf von Autobahnen (RAA)
Autoren BDir. Dipl.-Ing. Michael Rohloff
Kategorien Kongress
Einleitung

Die RAA fassen die bisherigen sektoralen RAS-Q, RAS-L und RAS-K zu einem gemeinsamen Regelwerk für Autobahnen zusammen. Sie enthalten neben entwurfstechnischen Grenzund Richtwerten Hinweise zum Planungs- und Entwurfsablauf sowie zu den relevanten Abwägungsbelangen. Außerdem geben sie den Planern wichtige Hinweise auf betriebliche und entwurfstechnische Besonderheiten und erläutern wesentliche Aspekte der Straßenausstattung. Die RAA stützen sich auf die ebenfalls in Überarbeitung befindlichen Richtlinien für die integrierte Netzgestaltung RIN (Nachfolger der RAS-N), die eigens für Autobahnen eine eigene Kategoriengruppe vorsehen.

Neu ist der Verzicht auf die Geschwindigkeiten Ve und V85. Künftig werden drei Entwurfsklassen für Fern- und Überregionalautobahnen, für autobahnähnliche Straßen und für Stadtautobahnen die charakteristischen Größen des Entwurfs unmittelbar bestimmen.

Erwähnenswert sind auch die neuen Regelquerschnitte, deren Einsatzbereiche durch volkswirtschaftliche Überlegungen abgesichert wurden. Der RQ 20 entfällt ersatzlos, ein neuer RQ 31 ersetzt den RQ 29,5, und der alte RQ 26 wird durch einen RQ 28 ersetzt. Für Stadtautobahnen werden eigene abgeminderte Querschnitte definiert, aus Gründen der Verkehrssicherheit generell mit Seitenstreifen.

Anhaltewege, Sichtweiten sowie Kuppen- und Wannenhalbmesser konnten verringert werden. Die Sichtweitenermittlung berücksichtigt stärker als das bisherige Modell die Praxis, so dass gegenüber den RAS-L wirtschaftlichere und angepasstere Linienführungen möglich werden.

Die Knotenpunktsysteme und ihre empfohlenen Einsatzbereiche werden dargestellt, einige Ausfahrtypen wurden modifiziert und provisorische Lösungen für den kostengünstigen Ausbau von Kleeblättern angeboten.

Allein knapp 5.000 km BAB und zweibahnige Bundesstraßen des geltenden Bedarfsplans für die Bundesfernstraßen sind noch in einem so frühen Planungsstadium, dass die neuen Richtlinien für sie gelten werden; weitere Straßen anderer Baulastträger kommen hinzu.

Nach Auswertung der Stellungnahmen der Länder wird die Fertigstellung der RAA in der 2. Jahreshälfte 2007 angestrebt.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1  Warum neue RAA?

Im Jahr 1998 wurde in der FGSV Arbeitsgruppe 2 beschlossen, die bisherige Struktur der sektoralen Richtlinien für anbaufreie Straßen außerorts aufzugeben und stattdessen komplexe Richtlinien jeweils für die Straßentypen „Autobahnen“, „Landstraßen“ und „Stadtstraßen“ zu erstellen. Die Struktur der Arbeitsgremien der FGSV orientiert sich seither an der beabsichtigten Richtlinienstruktur.

Mit Hilfe von Forschungsarbeiten [1] ist zunächst die Vielzahl heute bestehender entwurfstechnischer, baulicher und betrieblicher Regelungen zu Konzeptentwürfen neuer Richtlinien für Autobahnen, Landstraßen und Stadtstraßen zusammengeführt worden. Neben der Übernahme bestehender Regelungen wurden hierbei vor allem neue Forschungsergebnisse berücksichtigt. Auf der Grundlage der vorliegenden Konzepte haben die Arbeitsgremien Richtlinienentwürfe ausgearbeitet, sie wurden hierbei durch Forschungsarbeiten unterstützt [2, 3]. Der Entwurf der Richtlinien für die Anlage von Autobahnen (RAA) ist mittlerweile fertig gestellt und vom BMVBS den Ländern mit der Bitte um Stellungnahme übersandt worden. Die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt) liegen den Ländern mit der Bitte um Stellungnahme schon etwas länger vor. Für die Landstraßen wird der Entwurf der Richtlinien (RAL) in Kürze erwartet.

Wozu werden nun neue Richtlinien benötigt? Hierzu gibt es eine Reihe von Antworten:

Die Entwurfsphilosophie der Vergangenheit mit Entwurfsgeschwindigkeit Ve, 85 %-Geschwindigkeit V85, der Haltesichtweitendimensionierung und Kuppenbemessung ist zu hinterfragen gewesen. So entspricht die V85 vor allem auf Autobahnen kaum noch der tatsächlichen Geschwindigkeit von 85 % der frei fahrenden Pkw bei nasser, sauberer Fahrbahn. Die fahrzeug- und straßenbautechnischen Entwicklungen haben andererseits zu höheren realisierbaren Bremsverzögerungen geführt, wodurch sich die Anhaltewege verringern und Haltesichtweiten deutlich verkürzt werden können. Hierdurch werden z. B. Verringerungen der Kuppenhalbmesser vertretbar. Auch hinsichtlich des Umgangs mit Sichthindernissen am Mittelstreifen in Linkskurven sind in der Vergangenheit Fragen aufgeworfen worden, für die die Entwurfspraxis Antworten benötigte. Für den Bereich der planfreien Knotenpunkte an Autobahnen war die RAL-K-2 von 1976 überarbeitungsbedürftig. Die zwischenzeitlichen Ergänzungsregelwerke AH-RAL-K-2 1993 und die RAS-K-2-B von 1995 verdeutlichen, dass hier eine generelle Überarbeitung des Grundregelwerkes fällig gewesen wäre. Schließlich war die bereits erwähnte einheitliche Struktur der Entwurfsrichtlinien für alle drei Straßenarten ein wesentliches Ziel der neuen Richtliniengeneration.

Das neue Regelwerk soll alle entwurfsrelevanten Belange umfassend in einer Richtlinie behandeln. Die bisherige Aufsplittung in die sektoralen Richtlinien für Querschnitt, Linienführung und Knotenpunkte stand diesem Ziel entgegen. Als für die Planungspraxis wichtig wurde auch die Berücksichtigung von Entwurfs- und Ausstattungsmerkmalen erachtet sowie die umfassende Darstellung des dem Straßenentwurf vorangehenden komplexen Planungs- und Abwägungsprozesses in seinem Beziehungsgeflecht zum weiteren Richtlinienwerk.

Ein weiterer wesentlicher Antriebsmotor war die Tatsache, dass die Erwähnung von nicht für Autobahnen gedachten Elementen in den bisherigen sektoralen Richtlinien vielfach zu unsachgemäßen Vorschlägen von „Sparkommissaren“ geführt hat. So wurde der RQ 20 immer wieder als möglicher Autobahnquerschnitt ins Feld geführt. Der RQ 26 ist – wie vielen sicherlich bekannt ist – auch in Fällen angewandt worden, in denen er nach der Vorstellung der RAS-Q-Verfasser nicht gedacht war. Hierauf hat das BMVBS schließlich mit dem ARS 40/98 reagieren müssen, um durch die Verbreiterung der Seitenstreifen den SQ 27 zumindest als Notlösung zu kreieren.

Die betrieblichen und verkehrstechnischen Belange sollen bereits beim Straßenentwurf stärker Berücksichtigung finden. Die vielfach zitierte Forderung nach „Einheit von Bau und Betrieb“ soll hiermit stärker in der Planungspraxis verankert werden. So soll sich der Planer z. B. frühzeitig genug darüber bewusst sein, dass die Wahl einer bestimmten Mittelstreifenbreite gegebenenfalls Auswirkungen auf die Festlegung von Fahrzeugrückhaltesysteme oder Querschnittsfestlegungen auf die spätere Durchführung von Arbeitsstellen über die Lebensdauer einer Straße maßgebliche volkswirtschaftliche Auswirkungen haben. Auch Fragen der Nutzung von Seitenstreifen, Betriebsumfahrten und vieles andere mehr soll der Planer bereits frühzeitig bedenken. Die RAA ersetzen nicht die einschlägigen Regelwerke, sie weisen den Planer nur auf maßgebliche Regelungen hin und stellen eine Art Checkliste dar.

Als eines der wichtigsten Ziele ist schließlich das Erschließen von Einsparpotenzialen durch mögliche Verringerungen von Parametern aufgrund neuerer Erkenntnisse zu nennen. So haben die kürzeren Anhaltewege kürzere Haltesichtweiten und damit kleinere Kuppenhalbmesser zur Folge, was einen geländeangepassteren Entwurf ermöglicht. Weiterhin können die Überarbeitung der Richtlinie für die Straßennetzgestaltung, die zu einer neuen Richtlinie für die integrierte Netzgestaltung führen wird, sowie die vom BMVBS angestoßene Überarbeitung der RE 85 als Gründe für eine neue RAA aufgeführt werden.

Kritiker äußern immer wieder die Auffassung, dass das bestehende Autobahnnetz weitgehend fertig sei und eine neue Entwurfsrichtlinie hierfür nicht lohnen würde. Ich möchte das Gegenteil beweisen:

Der neue Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen aus dem Jahr 2004 legt die investitionspoliltischen Ziele des Aus- und Neubaues der Bundesfernstraßen fest. Der Bedarfsplan umfasst ein Finanzvolumen von über 80 Mrd. €, davon 51,5 Mrd. € im Vordringlichen Bedarf (VB). Insgesamt beinhaltet er die Bauziele von ca. 2.400 km Autobahn-Neubau und der Erweiterung von ca. 3.800 km Autobahnen auf 6- oder mehr Fahrstreifen. Daneben sieht er den Aus- und Neubau von 8.700 km Bundesstraßen vor, wovon ca. 5.800 km Ortsumgehungen sind, aber auch knapp 1.000 km Neubau zweibahniger Bundesstraßen und mehr als 1.000 km Ausbau vorhandener Bundesstraßen auf vier oder mehr Fahrstreifen.

Im Zeitraum von 2001 bis heute konnten von den vorgenannten Zielen bei den BAB bereits ca. 700 km Neubau sowie ca. 530 km Erweiterungen realisiert werden, über 500 km sind derzeit im Bau und ca. 900 km sind im Planfeststellungsverfahren oder bereits planfestgestellt. Insgesamt verbleiben also noch ca. 3.600 km BAB zu planen, davon etwa 1.300 km im VB.

Bei den zweibahnigen Bundesstraßen sind ca. 340 km Neu- und Ausbaumaßnahmen bereits fertig gestellt, weitere 200 km sind im Bau und ca. 150 im Planfeststellungsverfahren, so dass von den insgesamt 2.000 km noch ca. 1.300 km zweibahniger Bundesstraßen nach den RAA zu entwerfen sein werden, davon ca. 400 km im VB.

Hieraus wird die Bedeutung der neuen Entwurfsrichtlinien für die mittel- und langfristigen Investitionsziele deutlich: Knapp 5.000 km Autobahnen und autobahnähnlicher Straßen allein in der Baulast des Bundes werden davon betroffen sein. Hinzu kommen weitere zweibahnige Straßen anderer Baulastträger in nicht bekannter Länge.

Die verkehrliche Bedeutung des Netzes der Bundesautobahnen wird an folgenden Zahlen deutlich.

Mit etwa 12.200 km haben die Autobahnen einen Längenanteil von ca. 5 % des gesamten überörtlichen Straßennetzes von insgesamt ca. 231.300 km, sie übernehmen jedoch knapp 1/3 der gesamten Kfz-Fahrleistungen von insgesamt 697 Mrd. Kfz.km/Jahr. Die Autobahnen sind damit das Rückgrat des Fernverkehrs und dienen den zentralen verkehrspolitischen und gesellschaftlichen Zielen wie:

  • Gewährleistung dauerhaft umweltgerechter Mobilität
  • Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland zur Schaffung und Sicherung von Arbeits- plätzen
  • Förderung nachhaltiger Raum- und Siedlungsstrukturen
  • Verbesserung der Verkehrssicherheit für die Verkehrsteilnehmer und die Allgemeinheit
  • Förderung der europäischen

Bild 1: Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen

 

2  Geltungsbereich

Der Geltungsbereich der RAA erstreckt sich im technischen Sinne auf alle anbaufreien zweibahnig mehrstreifigen Straßen, die durchgehend planfrei geführt und nur für den schnellen Kraftfahrzeugverkehr bestimmt sind. Dazu gehören auch autobahnähnliche Straßen und Stadtautobahnen, unabhängig von ihrer straßenrechtlichen Widmung. Kürzere zweibahnige Straßenabschnitte im Zuge von ansonsten einbahnigen Straßen der Kategoriengruppe LS werden nach den Richtlinien für die Anlagen von Landstraßen (RAL) behandelt. Diese enthalten unter anderem einen zweibahnigen Querschnitt ohne Seitenstreifen, den die RAA nicht vorsehen. Die meisten von den RAA betroffenen Straßen werden Bundesautobahnen mit blauer Wegweisung sein, die mit Zeichen 330 beschildert sind. Allerdings können es auch zweibahnige Kraftfahrstraßen nach Z 331 StVO sein, die gelbe – oder bei Stadtautobahnen auch weiße – Wegweisung haben.

Die derzeit in Überarbeitung befindlichen ehemaligen RAS-N, künftigen RIN sehen eine eigene Straßenkategoriengruppe AS eigens für Autobahnen vor. Diese beinhalten die Verbindungsfunktionsstufen 0 = kontinental, I = großräumig und II = überregional mit den entsprechenden Straßenkategorien AS 0, AS I und AS II.

Mit den RAA soll der Entwurf zukünftig stärker an den Verbindungsfunktionsstufen gemäß RIN orientiert werden. Hierdurch wird eine Stärkung der Entwurfselemente für die Autobahnen des Fernverkehrs erwartet, die in besonderer Weise der hohen volkswirtschaftlichen Bedeutung der Autobahnen für den Wirtschafts- und Personenverkehr Rechnung trägt. Auch die Fernverkehrsrelevanz von Anschlussstellen soll durch einen stärkeren Bezug zur Kategorie der jeweiligen Autobahnen einen höheren Stellenwert erlangen. Die Einteilung und die Straßenbezeichnungen in Abhängigkeit von der Kategorie, Funktion und Lage der Autobahnen zeigt die Tabelle (Bild 2).

Bild 2: Übersicht über Einteilung und Straßenbezeichnung

Das BMVBS hat im Zusammenhang mit Diskussionen über die Verbindungsfunktion die Bundesfernstraßen das BAB-Netz mit den realisierten Maßnahmen des weiteren Bedarfs mit Planungsrecht (WB*) nach den Verbindungsfunktionsstufen bewerten lassen [4]. Grundlage hierfür war das Netzmodell, welches auf der Basis von ca. 6.600 Verkehrszellen der Bewertung der BVWP- bzw. Bedarfsplanmaßnahmen dient. Unter Zugrundelegung der zentralen Orte gemäß BBR und der zeitkürzesten Route der entsprechenden Fahrten zwischen den Kernen von Metropolregionen, Oberzentren und Mittelzentren ergibt sich, dass etwas weniger als 3/4 aller BAB die Verbindungsfunktionsstufe 0 erfüllen, knapp 20 % die Verbindungsfunktionsstufe I und ca. 8 % die Verbindungsfunktionsstufe II. Ein Entwurf für eine solche Karte mit den Einstufungen der Autobahnen, die dem künftigen Straßenentwurf zugrunde gelegt werden sollen, wird den Ländern demnächst übersandt, nachdem die vorliegenden Ergebnisse der Modellrechnung mit den praktischen Anforderungen abgeglichen („demodelliert“) worden sind. Es wird hierbei auch noch zu klären sein, wie die BAB in den Ballungsräumen behandelt werden. Im derzeitigen Entwurfsstadium haben die RIN bezüglich der Zuordnung der Verbindungsfunktionsstufe II in diesen Netzteilen und der Zuweisung des Funktionsmerkmales Stadtautobahn noch keine abschließende Festlegung getroffen.

 

3  Ziele, Maßnahmen, Planungs- und Entwurfsgrundlagen

Nach dem Einführungsabschnitt werden im Abschnitt 2 „Ziele und Maßnahmen“ die Zielbereiche Verkehrssicherheit, Qualität des Verkehrsablaufs, Raumordnung, Städtebau, Natur und Umwelt sowie Kosten genannt, und für diese Zielbereiche werden Abwägungsbelange aufgeführt. Darüber hinaus werden Maßnahmen beschrieben, die dem Erreichen der jeweiligen Ziele dienen. Dieser Abschnitt dient der Strukturierung der Abwägungsbelange und kann die Abwägung nicht vorwegnehmen.

Im Abschnitt 3 schließlich werden die Planungs- und Entwurfsgrundlagen dargestellt. Neben einer Beschreibung des Planungsablaufs, die von vielen Praktikern gewünscht wurde, werden zunächst Entwurfsklassen für Autobahnen EKA in Abhängigkeit von der Straßenkategorie und der Lage der Autobahn definiert und die Bestimmungsgrößen der Entwurfsklasse sowie die für den Entwurf maßgeblichen Geschwindigkeiten behandelt. Die Entwurfsklassen sollen die Einheitlichkeit von Autobahnen vergleichbarer Netzfunktion und Verkehrsbedeutung gewährleisten.

Fernautobahnen und Überregionalautobahnen werden generell in die EKA 1 einsortiert. Innerhalb der Entwurfsklasse EKA 1 werden die Entwurfselemente nochmals in Abhängigkeit von der Verbindungsbedeutung zweifach abgestuft. Die EKA 2 gilt für sämtliche autobahnähnlichen Straßen der Verbindungsfunktionsstufen I und II Stadtautobahnen, die nach derzeitiger RIN-Fassung der Verbindungsfunktionsstufe II zuzuordnen sind (möglicherweise kann dies auch noch für die VFS I erweitert werden), sind in die EKA 3 einzusortieren.

Die EKA und die Straßenkategorie bestimmen die Entwurfs- und Betriebsmerkmale

  • Regelquerschnitt
  • Grenz-/Richtwerte der Entwurfselemente
  • Grundformen und Mindestabstände der Knotenpunkte
  • Verkehrsführung in vierstreifigen Arbeitsstellen
  • Geschwindigkeiten

Es entfallen die gewohnten Größen der Entwurfsgeschwindigkeit Ve und der 85 %-Geschwindigkeit V85. Deshalb muss für bestimmte Entwurfsgrenzwerte die Frage von zulässigen Geschwindigkeitswerten diskutiert werden. Autobahnen der EKA 1 sollen grundsätzlich mit der verkehrsrechtlich gültigen Richtgeschwindigkeit 130 km/h bei nasser Fahrbahn sicher befahren werden können. Nur wenn dies nicht der Fall ist, ist eine zulässige Höchstgeschwindigkeit zu erwägen. Allerdings ist nur dann, wenn beim Entwurf von Autobahnen der EKA 1 und EKA 2 im Zuge einer ansonsten großzügigen Trassierung Kurvenradien im Bereich der Grenzwerte verwendet werden, für diese Bereiche die Anordnung einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit bei Nässe zu erwägen. Da das sicherheitsrelevante Problem unzureichenden Kraftschlusses nur bei nasser Fahrbahn auftritt, sind Kurvenradien, Kuppenhalbmesser und Haltesichtweiten unterhalb der Mindestwerte bei trockener Fahrbahn aus Sicherheitsgründen unproblematisch.

Die aufgeführten Grenzwerte der RAA sind so bemessen, dass für Überregionalautobahnen der Kategorie AS II ein Wert von 120 km/h und für autobahnähnliche Straßen (EKA 2) ein Wert von 100 km/h zugrunde liegt. Wenn diese Autobahnen hingegen über längere Streckenabschnitte mit Werten im Bereich der Grenzwerte trassiert werden und grenzwertige Radien nicht unvermittelt nach einer zuvor zügigen Strecke auftauchen (Relationstrassierung), ist eine Geschwindigkeitsbeschränkung in der Regel nicht erforderlich, weil die Kraftfahrer ihr Geschwindigkeitsverhalten auf die engeren Radienfolgen einstellen.

In der EKA 3 ist wegen der schmaleren Fahrstreifen und der dichten Anschlussstellenfolge mit der Vielzahl der Verflechtungsvorgänge grundsätzlich eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h angezeigt. Werden Kurvenradien deutlich oberhalb der Grenzwerte trassiert, kann die Geschwindigkeitsbeschränkung auch 100 km/h betragen.

Nur wenn wegen unabänderlicher Randbedingungen von Beginn der Planung an feststeht, dass die Straße ohne Geschwindigkeitsbeschränkung nicht sicher betrieben werden kann, ist bereits während der Planung von der Anordnung einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit auszugehen. Aber nur in diesen Fällen ist die Lärmberechnung auf diese Geschwindigkeitsbeschränkung abzustellen, ansonsten auf 130 km/h. Problematisch kann in diesem Zusammenhang die Abstimmung zwischen der Planungs-, Planfeststellungs- und Verkehrsbehörde sein. Hier ist sicherlich in der Zukunft noch Aufklärungsarbeit über die fahrdynamischen Zusammenhänge zu leisten. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass auch bisher erwogene Geschwindigkeitsbeschränkungen an der planerischen Ve oder V85 orientiert wurden.

Wenn sicherheitsrelevante Entwurfsparameter so gewählt werden (müssen), dass Geschwindigkeitsbeschränkungen unvermeidbar sind, muss der Planer auch in einem nächsten Iterationsschritt überlegen, ob der Entwurf dann nicht insgesamt überarbeitet werden muss.

 

4  Querschnitte

Die neue Mittelstreifenbreite von 4,0 m berücksichtigt insbesondere die durch die europäischen Normen bedingten Belange der Fahrzeugrückhalteeinrichtungen. Bei 3,5 m Mittelstreifenbreite kommt nur eine zu stark begrenzte Auswahl von Schutzsystemen vor Hindernissen im Mittelstreifen in Betracht, die die Anforderungen der EN 1317 und der neuen RPS 2006 erfüllen.

Durch die Breite einer Richtungsfahrbahn des normalen 4-streifigen Autobahnquerschnitts von 12 m wird eine 4+0-Behelfsverkehrsführung in Arbeitsstellen einschließlich baulicher Trennung der gegenläufigen Fahrtrichtung mit transportablen Schutzeinrichtungen möglich. Die RSA sind hinsichtlich der Darstellung entsprechender Abmessungen zu überarbeiten.

Aus den vorgenannten Änderungen ergibt sich eine Vergrößerung des bisherigen RQ 29,5 auf RQ 31 (Bild 3). Eine kürzlich abgeschlossene Überprüfung dieser Querschnittsgestaltung unter volkswirtschaftlichen Aspekten [5] hat bestätigt, dass bei durchschnittlichen täglichen Verkehrsstärken ab etwa 30.000 Kfz/24h die 4+0-Behelfsverkehrsführung mit Richtungstrennung volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Die Hauptgründe hierfür sind:

  • 4+0 mit Richtungstrennung erhöht deutlich die Verkehrssicherheit.
  • 4+0 ohne Richtungstrennung bedingt höhere Reisezeitverluste wegen schärferem Tempolimit und bedingt dennoch höhere Unfallkostenraten
    • eine komplette Sperrung einer Richtungsfahrbahn ermöglicht die Baudurchführung ohne Längsnaht, vermeidet mehrfache Änderungen der Behelfsverkehrsführung, wie sie bei 3+1 erforderlich wird, und ermöglicht somit einen schnelleren und wirtschaftlicheren Bauablauf. Bauweisen wie Beton und offenporiger Asphalt werden hierdurch überhaupt erst ermöglicht. Zudem ist das Personal der Baufirmen und der Straßenbauverwaltung räumlich vom Verkehr getrennt.

Bild 3: Vergrößerung des Regelquerschnitts von RQ 29,5 auf RQ 31

Erstmals in den Richtlinien ist ein 8-streifiger Regelquerschnitt RQ 43,5 für Verkehrsstärken über 90.000 Kfz/24 h vorgesehen.

Für die EKA 2 ist der bisherige RQ 26 auf RQ 28 verbreitert worden (Bild 4). Hier wurden der Seitenstreifen auf 2,5 m und der Mittelstreifen auf 4,0 m verbreitert. Bei Prognoseverkehrsstärken deutlich unter 30.000 Kfz/24h kommt dieser Querschnitt auch für die EKA 1 in Frage, ansonsten ist er den autobahnähnlichen Straßen vorbehalten. Umgekehrt ist die Möglichkeit des Einsatzes des RQ 31 auch bei der EKA 2 für DTV-Werte über 30.000 Kfz/24h vorgesehen.

Bild 4: Erweiterung des Seitenstreifens auf 2,5 m

Der bisherige RQ 20 ist völlig entfallen. Die Richtlinien enthalten keinen Querschnitt ohne Seitenstreifen. Auch bei Stadtautobahnen sind grundsätzlich Seitenstreifen von 2 m Breite vorzusehen. Die Mittelstreifenbreite sollte hier 2,5 m nicht unterschreiten (Bild 5).

Für Brücken sind eigene Regelquerschnitte definiert, die Mittelkappe ist hier auf 3,5 m reduziert worden. Weiterhin wurden die Tunnelquerschnitte gemäß dem ARS 6/2000 den neuen Querschnitten zugeordnet.

Bild 5: Stadtautobahnen mit Seitenstreifen von 2 m Breite

 

5  Linienführung

Im Abschnitt Linienführung ist insbesondere erwähnenswert, dass der neue Mindestradius für Fernautobahnen 900 m beträgt. Grundlage für diese Festlegung sind Sicherheitsanalysen bestehender Kurven im Bereich der Mindestwerte, die ein auffälliges Unfallgeschehen unterhalb dieses Wertes gezeigt haben. Eine Umfrage bei Praktikern hat darüber hinaus ergeben, dass Radien unter 1.000 m ohnehin nicht geplant werden. Aufgrund der Festlegungen von kürzeren Haltesichtweiten und der Neudefinition der Zielpunkthöhe von 1,0 bzw. 0,5 m anstelle der bisher geschwindigkeitsabhängig gestaffelten Werte haben sich kleinere Kuppen- und Wannenhalbmesser ergeben. Die Zielpunkthöhe verdient besondere Erläuterung:

Grundsätzlich soll auf einer Kuppe ein haltendes Fahrzeug (Stauende) möglichst frühzeitig erkannt werden können. Das bedeutet, dass beim Nachweis der Haltesichtweite auf Kuppen der Fahrerblick (Augenhöhe 1,0 m) auf eine Zielpunkthöhe von 1,0 m gewährleistet sein muss. In Mittelstreifen von Linkskurven können Schutzeinrichtungen und Bewuchs sichtbeschränkend wirken, wenn sie >0,9 m hoch sind. Die Erkennbarkeit des Stauendes anstatt eines Brettes berücksichtigt die Realität. Unfälle mit Auffahren auf ein Brett oder ein anderes niedriges Hindernis (liegender Motorradfahrer) sind – weder in Bereichen mit begrenzter Sichtweite noch anderswo – auffällig geworden.

Sicherheitsüberlegungen, z. B. hinsichtlich der Erkennbarkeit von Kraftfahrzeugen bei Nacht oder Nebel oder des Wahrnehmungs- und Reaktionsverhaltens von Kraftfahrern bei langer bzw. schneller Autobahnfahrt, führen zu größeren Kuppenmindesthalbmessern als entsprechend der o. g. Forderung nach Erkennbarkeit eines Stauendes erforderlich wären. Die Kuppenmindesthalbmesser resultieren daher aus einer Zielpunkthöhe von hz = 0,5 m. Bei Einhaltung der Kuppenmindesthalbmesser ist deshalb der Nachweis der Haltesichtweite nicht erforderlich. Es reicht dann der Sichtweitennachweis im Lageplan aus.

Die maximale Querneigung ist auf 6,0 % festgelegt worden.

Nach kontroversen Diskussionen wurde die Schrägverwindung als Alternative in entwässerungsschwachen Zonen trotz fahrdynamischer und bautechnischer Nachteile nach wie vor aufgenommen. Hierzu werden die Stellungnahmen der Länder mit Interesse erwartet. Insgesamt gebürt der Entwässerung zunehmend breiterer Fahrbahnen verstärkte Aufmerksamkeit. Um Aquaplaninggefahren zu begegnen, sind auch Maßnahmen wie Querkastenrinnen oder offenporiger Asphalt, wenn er aus Lärmschutzgründen ohnehin erforderlich ist, zu erwägen.

 

6  Knotenpunkte

In diesem Abschnitt erfolgt eine umfassende Darstellung der Knotenpunktsysteme mit Einsatzbereichen und Empfehlungen. Für die Knotenpunktsysteme Autobahnkreuze, Autobahndreiecke und Anschlussstellen werden die Einsatzbereiche aufgezeigt. Neu ist die Definition netzplanerisch begründeter Mindestabstände von Knotenpunkten. Dies ist insbesondere für Anschlussstellen von Interesse, wo bei den Verbindungsfunktionsstufen 0 und I ein Anschlussstellenabstand von mindestens 8 km für erforderlich gehalten wird, in der Verbindungsfunktionsstufe II von mindestens 5 km. Nur bei Stadtautobahnen sind aufgrund der systembedingten Gegebenheiten keine Mindestabstände definierbar. In der Realität können kürzere Abstände unter Berücksichtigung von Sonderlösungen gemäß RWBA realisiert werden, die Definition netzplanerischer Mindestabstände soll allerdings den sich immer stärker häufenden Forderungen nach neuen Anschlussstellen eine Argumentation entgegensetzen.

Als Sonderlösung ist ein Kleeblattsystem mit überworfenen Rampen in Analogie zum Autobahnkreuz Frankfurt als provisorische Lösung für den Um- und Ausbau von Kleeblättern und zur Vermeidung von Problemen, die die Verflechtungsbereiche mit sich bringen, aufgeführt worden.

Einige Ausfahrttypen wurden modifiziert, die Gabelung (A5) ist entfallen und durch eine Ausfahrt mit Fahrstreifensubtraktion nach rechts ersetzt worden. Weiterhin ist eine Linksausfahrt an Rampen für Stadtautobahnen entsprechend bisheriger RAS-K-2-B vorgesehen. Zur Gestaltung von Verflechtungsbereichen findet sich darüber hinaus ein eigener Abschnitt. Innerhalb von Autobahnkreuzen (Kleeblättern) sollen in der EKA 1 keine Verflechtungsstreifen an durchgehenden Fahrbahnen angelegt werden.

 

7  Ausstattung

Der Abschnitt Ausstattung erläutert die für Planer wesentlichen Grundlagen und weist auf weitergehende Regelwerke zu den Themen Markierung, Beschilderung, Leiteinrichtungen, Fahrzeug-Rückhalteeinrichtungen, Immissionsschutz, Blendschutz, Bepflanzung, Wildschutz, Fernmeldeeinrichtungen und Verkehrsbeeinflussungsanlagen hin.

So soll z. B. der Hinweis, dass Bepflanzung im Mittelstreifen keine nennenswerte ökologische Funktion hat und überwiegend der optischen Auflockerung des Verkehrsbauwerks Straße dient, verdeutlichen, dass aus Gründen des Straßenbetriebsdienstes und der mit Pflegearbeiten verbundenen Gefahren für Verkehr und Betriebspersonal eine Bepflanzung im Mittelstreifen bei hoch belasteten Autobahnen fragwürdig ist. Bereits zuvor erwähnt wurden die Zusammenhänge zwischen Fahrzeug-Rückhaltesystemen, Mittelstreifenbreite und Sichtweite (Höhe des Sichthindernisses im Mittelstreifen). Wie wichtig künftig diese Zusammenhänge sind, sollen folgende Beispiele verdeutlichen: Bei 4,0 m Mittelstreifenbreite können für die Aufhaltestufe H2 z. B. zwei einseitige Stahlschutzplanken mit der Anprallheftigkeitsstufe A und einer Systemhöhe <90 cm realisiert werden, bei 3,5 m Breite steht hingegen derzeit nur ein 1,15 m hohes Schutzsystem zur Verfügung, das die Sicht in Linkskurven einschränken kann. Bei 4,0 m breiten Mittelstreifen ist auch eine Aufhaltestufe H4b mit der Anprallheftigkeitsstufe A möglich, wie die RPS sie in besonderen Fällen vorsehen.

 

8  Entwurfstechnische und betriebliche Besonderheiten

Hier finden sich u. a. Hinweise zur Gestaltung von Zusatzfahrstreifen. Der Nachweis der Erforderlichkeit konnte aus dem bisher in den RAS-Q enthaltenen Verfahren entfallen, da die Notwendigkeit sich aus der Verkehrsqualität nach HBS ergibt. Weiterhin werden Ausführungen zu Fahrstreifenreduktionen, zur Verkehrsführung in Arbeitsstellen und zu Mittelstreifenüberfahrten gegeben. Die Umnutzung von Seitenstreifen wird angesprochen, hier ist insbesondere der RQ 31 mit seiner befestigten Richtungsfahrbahnbreite von 12 m künftig gut geeignet, provisorisch 3-streifigen Verkehr in einer Richtung aufzunehmen. Weiterhin finden sich umfangreiche Hinweise zu Betriebsumfahrten, die bisher in keinem Regelwerk enthalten waren, für den Betriebsdienst aber von großer Bedeutung sind. Hinweise zur Entwässerung, zu Besonderheiten bei Brückenbauwerken und zu Belangen der Baudurchführung ergänzen diesen Abschnitt. Der Abschnitt schließt ab mit einem Hinweis auf die Gestaltung von Rastanlagen, die nach den einschlägigen Richtlinien für Rastanlagen RR zu erfolgen haben. Abschließend werden sämtliche Entwurfs- und Betriebsmerkmale in einer Tabelle zusammengefasst.

 

9  Ausblick

Der Richtlinienentwurf ist an die Obersten Straßenbaubehörden der Länder mit der Bitte um Stellungnahme bis Oktober übersandt worden. Ich darf Sie bitten, von der Möglichkeit zur Stellungnahme regen Gebrauch zu machen, um am Ende eine auf möglichst breiter Basis getragene Richtlinie entstehen zu lassen.

Die Stellungnahmen der Länder werden dann von den Arbeitskreisen ausgewertet, und nach Abstimmung und redaktionellem Abgleich mit den im nächsten Jahr wohl auch fertiggestellten RAL und den RIN könnte dann eine abschließende Veröffentlichung der RAA und deren Einführung in der zweiten Jahreshälfte 2007 erfolgen.

 

10  Literaturverzeichnis

  1. Schnüll, R.; Dammann, W.; Hoffmann, S.; Engel, W.: Überführung der bisherigen sektoralen Entwurfsrichtlinien RAS-L, RAS-Q, RAL-K-2 und RAS-K-2-B zu ganzheitlichen Richtlinien für die Anlage von Autobahnen (RAA), FA 2.199, Hannover 2002
  2. Wirth, W.; Stroh, S.; Alte-Teigeler, T.; Sprenger, S.: Entwurfsgrundsätze für Stadtautobahnen, FA 2.227, München 2004
  3. Lippold, Ch.; Kleinschmidt, P.: Entwurfsrichtlinien für Autobahnen auf der Basis des Konzeptes der Entwurfsklassen, FA 2.228, Dresden 2006
  4. Ingenieurgruppe IVV GmbH & Co.KG: Weiterentwicklung und kontinuierliche Aktualisierung des Netzmodells für die Bundesfernstraßen (NEMOBFStr), Projekt Nr. 26.0158/2004 des BMVBS, Aachen, in Bearbeitung
  5. Bark, A.; Brannolte, U.; Fischer, L.; Kutschera, R.; Viehmann, I.: Volkswirtschaftliche Nutzen neuer Autobahnquerschnitte, Projekt 18.0016/2005 des BMVBS, Darmstadt 2006 (unveröffentlicht)