FGSV-Nr. FGSV 001/20
Ort Berlin
Datum 13.10.2004
Titel Grenzüberschreitendes Verkehrsmanagement für das Transeuropäische Straßennetz
Autoren Dipl.-Geogr. Reiner Dölger
Kategorien Kongress
Einleitung

CENTRICO ist ein Projekt, in dem sich Autobahnbetreiber aus 6 europäischen Ländern (B, D mit 4 Bundesländern, F, LUX, NL und UK) zusammengeschlossen haben, um das Verkehrsmanagement, die Verkehrsinformation und die Verkehrssicherheit, insbesondere für grenzüberschreitende Korridore, zu verbessern. Im Rahmen eines gemeinsamen Aktionsplans, der den Zeitraum 2001 – 2006 umfasst, werden von den Partnern insgesamt knapp 400 Mio. € für Maßnahmen der Verkehrstelematik im transeuropäischen Straßennetz aufgebracht. Die EU-Kommission fördert CENTRICO in diesem Zeitraum mit rd. 50 Mio. € aus dem Budget der „Transeuropäischen Netze“. Die Arbeitsbereiche in CENTRICO umfassen die Generierung von Verkehrsdaten, den Aufbau und Betrieb von Verkehrsrechnerzentralen, das Verkehrsmanagement mit Strecken- und Netzbeeinflussungsanlagen sowie die Erzeugung und Distribution von Verkehrsinformationen. Konkrete Ziele sind Fortschritte bei der Einheitlichkeit und internationalen Verständlichkeit von Streckeneinrichtungen, ein effizienter Betrieb von Anlagen, Beiträge zur europäischen Standardisierung des Datenaustausches und insbesondere auch ein umfassender Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen den Verwaltungen untereinander und mit privaten Autobahnbetreibern. In gemeinsamen Projekten arbeitet CENTRICO aktuell insbesondere an der Etablierung einer Plattform zur Weitergabe von Verkehrsdaten an private Dienstleister (Projekt OTAP) sowie an einem Demonstrator zur Verbesserung des Verkehrsmanagements über weite Distanzen (Long Distance Corridors). Den Vorsitz in CENTRICO hat seit 2003 Rheinland-Pfalz stellvertretend für die deutschen Partner inne. Neben CENTRICO bestehen vier weitere, sogenannte Euroregionale Projekte mit deutscher Beteiligung (Bund bzw. Bundesländer). Die meisten Projekte der Straßenverkehrstelematik auf Autobahnen in Deutschland kommen in den Genuss von Fördermitteln aus diesen Projekten. Insbesondere als Ergänzung der knappen Planungsmittel vergrößern sie die Spielräume der Auftragsverwaltungen, die sich sonst an internationalen Abstimmungsprozessen kaum beteiligen könnten. Die Euroregionalen Projekte haben sich bewährt und sollen auch nach Ablauf des aktuellen Förderzeitraums, der technischen Entwicklung angepasst, fortgeführt werden. Um dies zu erreichen und auch um Deutschlands Gewicht in der internationalen Zusammenarbeit zu erhöhen, ist eine enge Abstimmung der Deutschen Partner, einschließlich des BMVBW und der BASt erforderlich.

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1 Ansätze für kooperatives Verkehrsmanagement in Europa

Die Verkehrsbelastungen im Fernstraßennetz in Deutschland, aber auch in den Nachbarländern nehmen zu. Um die Leistungsfähigkeit dieser Infrastruktur zu sichern und zu verbessern werden immer mehr Maßnahmen des dynamischen Verkehrsmanagements eingesetzt. So sind auf den Bundesautobahnen in den letzten Jahrzehnten Hunderte von Kilometern Streckenbeeinflussungsanlagen und zahlreiche Netzbeeinflussungsanlagen entstanden. Verkehrlich relevante Daten werden in Rechnerzentralen gesammelt, verarbeitet und zu vielfältigen Zwecken genutzt. Die Verkehrstelematik gehört heute zu einem festen Bestandteil des Fernstraßennetzes.

Die Potenziale von Telematik oder – international gebräuchlicher wenn auch begrifflich nicht deckungsgleich – ITS für die Steigerung von Leistungsfähigkeit und Verkehrssicherheit des Fernstraßennetzes sind international unbestritten. Kein Land mit Autobahnen verzichtet darauf.

Die Europäische Union betrachtet ITS als wesentliches Instrument zur Schaffung eines leistungsfähigen Transeuropäischen Straßennetzes und fördert Studien sowie Aufbau von Anlagen aus dem Finanzierungsbudget für Transeuropäische Netze.

Allerdings haben sowohl die EU als auch die Netzbetreiber, öffentliche Verwaltungen oder private Autobahngesellschaften, erkannt, dass ITS nur dann seine volle Wirkung entfalten kann, wenn eine grenzüberschreitende Harmonisierung von Maßnahmen und eine intensive internationale Zusammenarbeit stattfinden.

Seit 1996 haben sich daher die Fernstraßennetzbetreiber in mehreren sogenannte Euroregionalen Projekten (ERP) organisiert, um gemeinsame Arbeitsprogramme und Zielkataloge für den Aufbau von ITS aufzustellen und umzusetzen. Eines von insgesamt 7 dieser Projekte ist CENTRICO, in dem vier deutsche Bundesländer (Hessen, NRW, Rheinland-Pfalz und das Saarland), der BMVBW, die 3 belgischen Regionen, die Niederlande, Luxemburg, Frankreich (Nordwesten) und England (Südosten) zusammenarbeiten.

Bild 1: CENTRICO-Gebiet

Im Jahre 2001 wurde CENTRICO Teil des so genannten „Multi-Annual-Indicative Programm, das sich über den Zeitraum von 2001 – 2006 erstreckt und auf Basis der Finanzierungsverordnung zu den Transeuropäischen Verkehrsnetzen von der EU-Kommission gefördert wird. Investitionen in Höhe von knapp 400 Mio. € durch die CENTRICO-Partner stehen ca. 57 Mio. € Fördermittel der EU gegenüber. CENTRICO ist damit das größte der Euroregionalen Projekte, die insgesamt fast die ganze EU einschließlich der in 2004 beigetretenen Staaten umfassen:

Deutschland nimmt geographisch eine zentrale Stellung in Europa ein und ist dementsprechend an mittlerweile 5 Projekten beteiligt.

Im Gegensatz zu Forschungsprogrammen wie etwa den Rahmenprogrammen der EU-Kommission geht es bei ERP allerdings nicht in erster Linie um Neuentwicklungen, sondernum die tatsächliche Einrichtung und den abgestimmten Betrieb, Bau und Erweiterung von Verkehrsmanagement und Verkehrstelematikanlagen. Grob schematisch lässt sich die Stellung der ERP daher in Bezug auf die bekannten Programme mit Bezug auf Verkehrstelematik etwa wie folgt einordnen:

Bild 2: Karte der Euroregionalen Projekte

Bild 3: Stellung der ERP in Bezug auf andere Programme und Forschungsbereiche

2 Lösungsansätze im Rahmen der Euroregionalen Projekte

Aus Sicht der Straßennetzbetreiber werden ITS-Systeme in einer Produktions- oder Prozesskette ausgehend von der Datenerfassung an der Straße, Verarbeitung in Rechnerzentralen, Betrieb von Wechselverkehrszeichen und der Erzeugung und Weitergabe von Verkehrsinformationen betrachtet. Dieser Aufbau spiegelt sich auch in der inneren Struktur der ERP, die diese 4 Bereiche als so genannte Domains bezeichnen.

Bild 4: Domain-Struktur und Prozesskette (in Klammern geschätzte Ausgaben in Centrico, 2001 – 2006)

Die Aufteilung der Kosten zwischen diesen Domains schwankt natürlich zwischen Projekten und auch zwischen Nationen. So wird in Deutschland – seitens der Autobahnbetreiber – vergleichsweise relativ viel Geld für Verkehrsbeeinflussungsanlagen aber relativ wenig für den Bereich Verkehrsinformationen ausgegeben.

Außerdem haben Projekte wie CENTRICO, die eine Vielzahl überlasteter Straßen und eng benachbarter städtischer Gebiete aufweisen, andere Schwerpunkte gebildet als die südeuropäischen Projekte. So wird bei der Netzbeeinflussung innerhalb CENTRICO stark auf automatische Systeme gesetzt, während bei anderen Projekten Maßnahmen mit Schwerpunkt auf organisatorischen Elementen überwiegen. Multimodale Anwendungen haben in einigen Projekten bereits Eingang gefunden, in CENTRICO spielen sie bislang noch eine geringe Rolle.

Schon frühzeitig haben die Partner der ERP und die EU-Kommission die Defizite erkannt, die sich insbesondere bei der Harmonisierung von ITS-Systemen und im Verkehrsmanagement international zeigen:

  • Grenzüberschreitende Korridore sind schwieriger und aufwändiger zu betreiben als die Steuerung nationaler Netzmaschen. Dies gilt in vielen Ländern auch interregional, etwa zwischen Bundesländern in Deutschland, Regionen in Belgien oder Autobahngesellschaften in den romanischen Ländern. Der Betrieb von Wechselwegweisungen und die Abstimmung von Maßnahmen bei schweren Unfällen oder anderen Störungen werden schwieriger, die Qualität der Verkehrsinformationen ist in diesen Bereich signifikant niedriger.
  • Mit der Entstehung von Wechselverkehrszeichen sind nationale Einzelregelungen geschaffen worden. Die Wiener Konvention etwa regelt solche Zeichen nur unzureichend. Textlastige Systeme können besondere Verständnisprobleme aufwerfen, werden aber aufgrund ihrer Flexibilität gerne eingesetzt.
  • Die Versorgung mit Verkehrsinformationen auf internationaler Ebene ist unzureichend. Verkehrsfunk oder auch internetbezogene Informationssysteme sind national ausgerichtet. Der TMC-Dienst, der auf einer internationalen Standardisierung aufsetzt, hat sich bislang in der Breite nicht durchsetzen können.
  • Die Märkte für ITS-Systeme sind ebenfalls noch national geprägt, ebenso Richtlinien und„Communities“. Dies behindert den Erfahrungsaustausch und verschlechtert die Wettbewerbssituation für die Straßenbetreiber. Internationale Zusammenarbeit fördert das Wachstum dieser Märkte und erweitert den Aktionsradius von Industrie und Ingenieurbüros.
  • Für die Abschätzung der Wirksamkeit von ITS-Maßnahmen sind möglichst umfassende statistische Daten erforderlich. Internationale Vergleiche bieten eine viel breitere Basis zur Abschätzung der Wirkung bestimmter Maßnahmen als nationale Maßstäbe. Als Beispiel wäre hier etwa der „Siegeszug“ der Zuflussdosierung zu nennen, für die international vielfältige Erfahrungen vorliegen.

All diese Defizite können grundsätzlich auch durch eine Zusammenarbeit auf gesamteuropäischer Ebene angegangen werden. Allerdings zeigt die Erfahrung, dass dann der konkrete Projektbezug häufig verloren geht, der in Deutschland z. B. stärker bei den Auftragsverwaltungen als beim Bund gegeben ist.

Grob vereinfacht verfolgen die CENTRICO-Partner nationale Projekte, in Deutschland etwa den Bau von Streckenbeeinflussungsanlagen ohne unmittelbar grenzüberschreitende Komponente (1), Projekte in bilateraler Zusammenarbeit mit einzelnen Nachbarn (2) oder gemeinsame Projekte mit breiter Beteiligung aller oder beinah aller Partner (3).

Bild 5: Zielzustand der Dichte des Netzes der Verkehrsdatenerfassung für 2006 in CENTRICO

Als Beispiele für derartige „Deployment“-Aktivitäten im Bereich (1) kann die Domain Monitoring dienen. Hier wird es bis zum Jahre 2006 eine erhebliche Ausweitung des Einsatzes von Erfassungseinrichtungen geben, die im Arbeitsplan von CENTRICO dokumentiert ist:

Es ist zu erkennen, dass im ganzen CENTRICO-Gebiet, mit einer gewissen Ausnahme bei den Niederlanden, das Niveau der Verkehrsdatenerfassung von der Verkehrsbedeutung abhängig ist. Es ist weiter zu erkennen, dass das Transeuropäische Straßennetz 2006 recht gut mit Erfassungseinrichtungen versorgt sein wird (in Deutschland überwiegend Schleifen, in anderen Ländern häufig Kameras oder andere Sensoren), wobei Deutschland eine Mittelstellung einnimmt.

Beispiele für den Fall (2) – bilaterale oder trilaterale Aktivitäten – sind etwa der Aufbau und Betrieb von grenzübergreifenden Netzbeeinflussungsanlagen für wichtige Verkehrskorridore, der in CENTRICO aufgrund der zahlreichen Zuständigkeitsgrenzen eine besondere Rolle spielt.

Im Rahmen von CENTRICO wurden insgesamt 12 Korridore definiert, für die Meilensteine im Hinblick auf das Verkehrsmanagement im Arbeitsplan enthalten sind. Diese Korridore müssen nicht unbedingt Staatsgrenzen überschreiten, sondern können auch national angelegt sein (wie etwa der Rhein-Korridor), da in fast allen CENTRICO-Ländern regionale Zuständigkeiten für die Autobahnnetze bestehen. Das Bild 6 zeigt Beispiele für die Lage der zugehörigen Strecken und die Instrumente, die für das so genannte Rerouting eingesetzt werden.

Die Etablierung von abgestimmten Umlenkungsmaßnahmen oder Verkehrsmanagementplänen ist allerdings eine schwierige Aufgabe. Sprachbarrieren, technische Insellösungen und allgemein ein geringeres Verständnis für die Probleme jenseits der (Zuständigkeits-)Grenze behindern eine reibungslose Kooperation. Zumeist müssen schriftliche Vereinbarungen abgeschlossen werden und oft genug braucht es zusätzliche Schnittstellen in den Verkehrsrechnerzentralen der Partner. Und immer wieder kommt es aus vielerlei Gründen zu Stockungen, sei es, dass engagierte Personen bei Partnern ausscheiden oder politische Abstimmungsschwierigkeiten auftauchen.

Dies sind Probleme, mit denen sich die ERP zu beschäftigen haben.

Bild 6: Beispiele für grenzüberschreitende Verkehrsmanagement-Korridore (hier zwischen NRW und den NL)

3 Gemeinsame Projekte der CENTRICO-Partner

Die Projekte der Kategorie (3) – gemeinsame Projekte – stellen besondere organisatorische Anforderungen an die Projektkoordination und die beteiligten Partner, denn sie zielen im Kern auf einen Einsatz in sehr vielen Ländern. Zwei dieser Projekte sollen kurz dargestellt werden:

Das OTAP-Projekt bezweckt eine bessere Zugänglichkeit von Daten der Straßenbetreiber für private Dienstleister. Es ist allgemein bekannt, dass die Entwicklung von kommerziellen Verkehrsinformationsdiensten bislang wesentlich schleppender verlaufen ist, als in der Vergangenheit vorausgeschätzt. Neben der häufig beklagten mangelnden Zahlungsbereitschaft der Endkunden dürfte im erheblichen Aufwand für den Erwerb und die Aufbereitung von Verkehrsdaten eine wesentliche Ursache liegen. Hierauf hat die EU im Jahre 2001 (Recommendation 551) [1] mit einer Empfehlung reagiert, in der die Mitgliedsstaaten aufgefordert werden, Verkehrsdaten leichter zugänglich zu machen.

Die CENTRICO Partner haben dazu eine Initiative gestartet, um zu einem „one-stop-shop“ für Verkehrsdaten aus ihren Verkehrszentralen zu kommen. Zunächst war es dazu allerdings notwendig, eine gemeinsame strategischE position zu formulieren, auf deren Basis dann gemeinsame Schritte getan werden können. Eine – zunächst simple – Kernaussage hierzu lautet:
“all traffic information centres should make available all the traffic data and information that all (enduser) service providers ask for”. [2]

Hierdurch wird klargestellt, dass private Dienstleister im Bereich der Verkehrsinformationen eine wichtige Rolle spielen sollen und dass es einen wie auch immer gestalteten Anspruch auf die Verfügbarkeit von Daten aus Verkehrsinformations- und Verkehrsrechnerzentralen gibt.

Zur Umsetzung dieses Prinzips haben die Partner in CENTRICO, gemeinsam mit dem Nachbarprojekt „Streetwise“, die Initiative OTAP (Open Travel data Access Protocol) zunächst als Demonstrator gestartet.

Dieser Demonstrator umfasst ein gemeinsames, vereinfachtes Verkehrsdatenmodell und ermöglicht den Bezug von Daten (je nach Partner Verkehrsmeldungen, Level-of-Service, Baustellen oder anderes) über das Internet statt wie zuvor meist nur über teure ISDN-Standleitungen. Ziel des Demonstrators ist es, das Interesse privater Dienstleister zu wecken und die technische Machbarkeit und Qualität eines einfachen und kostengünstigen Übertragungsmodells zu demonstrieren. Umfassende Informationen hierzu finden sich unter (www.itsproj.com/otap).

Bild 7: Arbeitsweise des OTAP-Ansatzes: Vielfältige Rechnerverknüpfungen können heute wirtschaftlich und sicher über Internet-Protokolle angelegt werden

Bislang sind die Ergebnisse vielversprechend, das Interesse von Dienste-Anbietern wie auch anderer Autobahnbetreiber außerhalb CENTRICO ist groß.

Im OTAP-Projekt werden moderne und weit verbreitete Kommunikationsstandards wie XML und Internet genutzt, die technischen Hürden und die voraussehbaren Kosten sind dementsprechend geringer als bei einer Kommunikation etwa über Standleitungen im EDIFACT-Verfahren. Bewährt sich das System, ist es grundsätzlich und relativ einfach auch auf andere Anwendungsfälle übertragbar, etwa den Bezug von städtischen Verkehrsdaten. Im Rahmen der laufenden Vorarbeiten zur definitiven Einführung eines Datenaustauschstandards in Europa, heute der Pre-Standard DATEX [3], wird eine Variante des OTAP, sozusagen als „DA-TEX-light“, mitbetrachtet.

Das Projekt Long Distance Corridors (LDC) zielt auf die Nutzung von Informations- und Beeinflussungspotenzialen auf Verkehre, die sehr weite Distanzen zurücklegen. Hierzu gehören insbesondere Lkw-, aber auch Geschäfts- und Urlaubsverkehre. Das Vorhaben wurde durch eine Studie im Auftrag des BMVBW und weiterer Deutscher Partner von CENTRICO gestartet, denn gerade in Deutschland könnte der Nutzen eines derartigen Verkehrsmanagements zu Tage treten. In dieser ersten Projektphase waren insbesondere die Menge des LDC-Verkehrs und die Anforderungen der Nutzer abgeschätzt worden.

Nun geht es darum konkrete Maßnahmen zu entwickeln. Neben der Verbesserung von Verkehrsinformationen – und vor allem deren Verständlichkeit für ausländische Fahrer – liegt ein erhebliches Potenzial offensichtlich in einer einfachen Kommunikation zwischen den Netzbetreibern. Vielfach sind heute bereits Prognosen über Kapazitätsengpässe basierend auf dynamischen Daten möglich. Gelingt es, großräumige Verkehre im Vorfeld rechtzeitig auf weniger belastete Achsen zu lenken, können Bedarfspitzen vermieden werden.

Für den Alpentransit (gesperrte Pässe) ist der Nutzen frühzeitiger, dynamischer Reiseempfehlungen offensichtlich, aber auch für andere Autobahnnetze können hier erhebliche Effekte erwartet werden.

Dementsprechend betrachtet das LDC-Projekte zunächst einen breiten Korridor, der von den britischen Inseln über Deutschland nach Italien reicht und wahrscheinlich der Korridor in Europa ist, der den meisten Güterverkehr verkraften muss.

Bild 8: Modellraum des LDC-Projektes mit relevanten Entscheidungspunkten im TERN

Die Arbeitspakete umfassen die „Metainformation“ über bereits vorhandene Informationsdienste (die „quick wins“), den Test neuer Dienstleistungen und insbesondere auch die Abstimmung von Routenempfehlungen zwischen den Netzbetreibern.

Hält man sich vor Augen, welche Schwierigkeiten schon bei der Aufstellung und Umsetzung bilateraler Verkehrsmanagementpläne auftreten, ist dieser Projektteil durchaus ehrgeizig. Es kommt sicher darauf an, durch weitgehende Vorabsprachen die Komplexität von Empfehlungen, bei der mehr als 2 Partner beteiligt sind, so gering wie möglich zu halten. Aus deutscher Sicht besteht hier die Chance den Ansatz des so genannten Strategienmanagers anzuwenden, wie er etwa im Rhein-Main-Gebiet im Rahmen des Forschungsprogramm „Mobilität in Ballungsräumen“ entwickelt und erprobt wurde und auch in den entsprechenden Hinweisen der FGSV dargestellt ist. [4] (www.longdistancecorridors.info).

4 Die Rolle der ERP bei Harmonisierung und Standardisierung von Verkehrsmanagement-Maßnahmen in Europa

Die ERP stellen eine mittlere Ebene zwischen Nationalstaaten und pan-europäischen Institutionen dar. Die Dringlichkeit von Harmonisierungen tritt in dieser Maßstabsebene besonders zu Tage. Es ist sicher unbefriedigend, etwa eine Netzbeeinflussung mit unterschiedlichen Umlenkungspfeilen auszustatten. Der Nutzen von Standards bei der Kooperation von Rechnerzentralen ist offensichtlich. Für den Straßennutzer wiederum kommt es darauf an, dass Wechselverkehrszeichen möglichst verständlich, am besten einheitlich, zumindest aber international abgestimmt gestaltet sind.

Bei taktischen Managementmaßnahmen wie etwa Zuflussdosierung, Standstreifennutzung oder beim Einsatz von Markierungsleuchtknöpfen, die nicht zuletzt gefördert durch internationalen Erfahrungsaustausch immer breitere Anwendung finden, kommt es ebenfalls darauf an, den sprachunkundigen ebenso wie den ortskundigen Nutzer eindeutig zu informieren.

Für CENTRICO spielen die Bereiche Datenaustausch zwischen Rechnerzentralen, sowie Wechselverkehrszeichen eine Rolle. Gerade bei diesen ist eine Fülle von Varianten entstanden, gleichzeitig werden international mehr derartige Zeichen als je zuvor installiert.

Neuartige Wechselverkehrszeichen, wie etwa so genannte graphische Informationstafeln werden in den nächsten Jahren hinzukommen.

Für diese Harmonisierungsprobleme versuchen die ERP Lösungsansätze zu finden. So hat CENTRICO einen Vorschlag für einen international gültigen Umlenkungspfeil erarbeitet, der in einigen Partnerländern auch bereits eingesetzt wird. Im Bereich des Datenaustausches wurde innerhalb von CENTRICO ein Ansatz entwickelt, um mit den Mängeln des DATEX-Standards umzugehen. Harmonisierungs- und Standardisierungsgremien auf europäischer Ebene haben vielfache personelle Verflechtungen mit den ERP. Dennoch bleiben die Erfolge der Euroregionalen Projekte im Hinblick auf Standardisierung begrenzt. Zum Einen gehören die großen Länder wie Frankreich oder Deutschland mehreren Projekten an, so dass sich diese nicht eindeutig in einzelnen Projekten positionieren können, zum Anderen gelingt selbst der Sprung von einer Harmonisierung auf euroregionaler Ebene nach ganz Europa nur selten.

Allerdings ist es auch schon ein nicht gering zu schätzender Vorteil, diese Diskussion überhaupt in Gang zu bringen und lebendig zu halten. Nationale Alleingänge können so frühzeitig hinterfragt werden und ein Umdenken hin zu einer von vorneherein weiter gefassten Strategie der nationalen Administrationen setzt ein.

5 Die Zukunft der ERP nach 2006

Trotz der sichtbaren Ergebnisse von ITS und der ERP in den vergangenen Jahren hat es eine Verschiebung bei der politischen Einschätzung, vor allem durch die Kommission gegeben. So stehen heute mit Galileo und dem Thema elektronische Mauterhebung imagebeladene Vorhaben im Vordergrund, die voraussichtlich erhebliche Finanzmittel auf Jahre binden werden. Die Förderung der Infrastruktur in den 2004 der EU neu beigetretenen Ländern wird ebenfalls steigende Zuschüsse erfordern. Unter diesen Rahmenbedingungen müssen die ERP ihre Existenzberechtigung überzeugend belegen, wenn sie zukünftig noch auf der europäischen Tagesordnung stehen wollen. Ohne eine institutionelle Klammer und eine entsprechende finanzielle Unterstützung kommt aber eine internationale Zusammenarbeit bestenfalls punktuell voran.

Dass grundsätzlich weiterhin ein erheblicher Nutzen aus einer internationalen Kooperation zu erwarten ist, steht nicht in Frage. Themen und Aufgabenfelder wie Intelligent Speed Adaptation, das weit gefasste e-safety und die gleichzeitig weitere Verbreitung von Wechselverkehrszeichen und in-Car-Systemen lassen sich immer weniger national regeln.

Die Partner in den ERP sind entschlossen, hierzu einen Beitrag aus Sicht der Autobahnbetreiber zu leisten.

Für Deutschland bedeutet dies, seine Stimme möglichst wirkungsvoll zu Gehör zu bringen. Die Zentrallage des Landes, das in Europa umfangreichste Autobahnnetz und eine leistungsfähige Telematikindustrie bieten hierzu gute Voraussetzungen. Allerdings muss man auch feststellen, dass die Europäischen Nachbarländer Boden gut gemacht haben, insbesondere dort, wo private Autobahngesellschaften tätig sind, aber z. B. auch in Großbritannien. Deutschland profitiert von internationaler Zusammenarbeit in besonderer Weise. Umso wichtiger ist es, dort tätig zu werden, wo relevante Entscheidungen vorbereitet werden. Es gilt daher auch, zu erreichen, dass Auftragsverwaltungen, Bund und die BASt frühzeitig Positionen abstimmen und konsequent verfolgen. Auf der am 12./13. 10. 2004 stattfindenden Verkehrsministerkonferenz steht daher das Thema ITS für Transeuropäische Netze erstmals auf der Tagesordnung. Es wäre positiv, wenn auch zukünftig diesem Thema eine hoher politischer Stellenwert in Deutschland zukäme.

Literaturverzeichnis

  1. Commission Recommendation on the development of a legal and business framework for participation of the private sector in deploying telematics-based Traffic and Travel (TTI) services in Europe (2001/551/EC)
  2. CENTRICO TIS positioning paper, unveröffentlicht, 2002
  3. DATEX specifications for data exchange between traffic and travel information centres (version 1.2.a), CEN, ENV 13777, ENV 13106, 2000
  4. Hinweise zur Strategieentwicklung im dynamischen Verkehrsmanagement (2003), FGSV 381,Köln