FGSV-Nr. FGSV 001/20
Ort Berlin
Datum 13.10.2004
Titel Sicherheitsaudit für Straßen in Deutschland – Stand der Anwendung in der Praxis
Autoren Dr.-Ing. Michael M. Baier
Kategorien Kongress
Einleitung

Immer wieder werden Straßenbaumaßnahmen geplant und realisiert, bei denen die Möglichkeiten der geltenden technischen Regelwerke für eine verkehrssichere Gestaltung nicht ausgeschöpft oder gar missachtet werden. Mit den im Jahre 2002 eingeführten ESAS steht nunmehr ein formalisiertes Verfahren zur Verfügung, mit dem Sicherheitsdefizite bei Planung und Entwurf von Straßen vermieden werden sollen. Die ESAS wurden den Straßenbauverwaltungen der Länder vom BMVBW zur Anwendung empfohlen, die Umsetzung des Sicherheitsaudits für Straßen ist jedoch bislang noch nicht in allen Länderverwaltungen abschließend geregelt. Es ist auch kein einheitliches Vorgehen zu erwarten, vielmehr ist davon auszugehen, dass Sicherheitsaudits mit unterschiedlichen Verfahrensweisen und zu unterschiedlichen Zeitpunkten realisiert werden. Die erste Umsetzungsphase des Sicherheitsaudits für Straßen wird durch eine Begleituntersuchung dokumentiert, mit dem Ziel, die unterschiedlichen Vorgehensweisen in der Planungs- und Verwaltungspraxis systematisch aufzubereiten und zu bewerten.

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1 Einleitung

Zielsetzung des Sicherheitsaudits für Straßen ist die frühzeitige, systematische und unabhängige Ermittlung der möglichen Sicherheitsdefizite bei der Planung, dem Entwurf und dem Bau von Straßen. Grundlage für das Sicherheitsaudit für Straßen in Deutschland sind die im Jahre 2002 eingeführten ESAS [1]. Diese beinhalten das für die deutsche Planungs- und Verwaltungspraxis entwickelte formalisierte Verfahren, mit dem Sicherheitsdefizite bei Planung, Entwurf und Bau von Straßen zukünftig vermieden werden sollen.

Das Sicherheitsaudit für Straßen soll in vier Stufen, so genannte Auditphasen, durchgeführt werden: Vorplanung, Vorentwurf, Ausführungsentwurf und Verkehrsfreigabe. Am Auditprozess beteiligt sind der Planer, der Auditor und der Straßenbaulastträger als Auftraggeber, der den Auditor bestimmt und für das Sicherheitsaudit verantwortlich ist. Der Auftraggeber entscheidet in letzter Instanz, ob und inwieweit die festgestellten Mängel Sicherheitsdefizite darstellen und zu einer Änderung der Entwurfsplanung führen. Hinsichtlich der zu auditierenden Projekte werden in den ESAS keine Vorgaben gemacht, da selbst bei kleinen Maßnahmen schon erhebliche Sicherheitsdefizite festzustellen sind [2].

Die ESAS wurden den Straßenbauverwaltungen der Länder mit dem ARS Nr. 18/2002 [3] vom BMVBW zur Anwendung bei allen Planungen und Entwürfen von Bundesfernstraßen, aber auch von Straßen im Zuständigkeitsbereich der Länder, empfohlen und sollen bei Neu-, Um- und Ausbaumaßnahmen aller Straßen außer- und innerhalb bebauter Gebiete beachtet werden. Gleichzeitig bestand seitens des BMVBW bereits bei der Einführung der ESAS die Absicht, die Entwicklung des Sicherheitsaudits für Straßen weiter zu beobachten und voranzutreiben.

Einen besonderen Stellenwert hat dabei die Durchführung von Sicherheitsaudits an innerörtlichen Straßen, da hier die Entwurfs-, und somit letztendlich auch die Auditverfahren, gegenüber Außerortsstraßen unterschiedlich sind. Zu Sicherheitsaudits für innerörtliche Straßen wurden deshalb vom BMVBW zwei Forschungsvorhaben vergeben: Im FE 77.470/2002 steht die Anwendung von Sicherheitsaudits an Stadtstraßen [4], im FE 77.471/2002 die Qualifizierung von Mitarbeitern kommunaler Straßenverwaltungen zu Auditoren für das Sicherheitsaudit für Innerortsstraßen [5] im Vordergrund. In diesen beiden, von der Bundesanstalt für Straßenwesen betreuten und inzwischen abgeschlossenen Forschungsvorhaben wurde u. a. auch die Durchführung von Sicherheitsaudits im Zuständigkeitsbereich von Landkreisen betrachtet.

Zusätzlich wurde von der Bundesanstalt für Straßenwesen ein Forschungsvorhaben vergeben, in dessen Rahmen die erste Umsetzungsphase des Sicherheitsaudits für Straßen in der deutschen Planungs- und Verwaltungspraxis wissenschaftlich begleitet werden soll [6]. Ziel dieser Begleituntersuchung ist es, vor einer möglichen allgemeinen Institutionalisierung die unterschiedlichen Vorgehensweisen bei der Anwendung des Sicherheitsaudits zu dokumentieren, systematisch aufzubereiten und zu bewerten. Dabei werden die jeweiligen rechtlichen Grundlagen – z. B. durch entsprechende spezifische Ländererlasse – sowie die Geltungsbereiche und Rahmenbedingungen für die Durchführung von Sicherheitsaudits in den einzelnen Straßenbauverwaltungen eruiert. Hierzu gehören auch die vorgesehenen räumlichen und zeitlichen Einsatzbereiche von Sicherheitsaudits (Für welche Straßen und in welchen Auditphasen?). Die Erkenntnisse aus den beiden Forschungsvorhaben des BMVBW werden hierin einbezogen. Dadurch wird gewährleistet, dass sowohl Erfahrungen im Außerortsbereich als auch im innerörtlichen Bereich berücksichtigt werden.

Die Notwendigkeit einer begleitenden, externen Evaluation des Sicherheitsaudits für Straßen begründet sich u. a. auf den sich bereits jetzt abzeichnenden unterschiedlichen Verfahrensweisen in den einzelnen Straßenbauverwaltungen der Länder, aber auch der Landkreise und Kommunen. Durch die Begleituntersuchung können unter Berücksichtigung der jeweiligen Rahmenbedingungen insbesondere die Auswirkungen der verschiedenen Verfahrensweisen hinsichtlich ihrer Effektivität bewertet werden.

Im Ergebnis werden die Auswirkungen der verschiedenen Verfahrensabläufe sowie auch unterschiedlicher Auditorenstellungen evaluiert. Auf dieser Basis werden Verbesserungsvorschläge für das Sicherheitsaudit für Straßen erarbeitet und Möglichkeiten einer Vereinheitlichung in der deutschen Planungs- und Verwaltungspraxis aufgezeigt.

Die nachfolgenden Ausführungen dokumentieren den aktuellen Stand der Praxisanwendung des Sicherheitsaudits für Straßen in Deutschland. Diese „Zwischenbilanz“ bildet darüber hinaus auch die Grundlage für einen Erfahrungsaustausch mit den Straßenbauverwaltungen der Länder, der Ende des Jahres 2004 stattfinden soll.

2 Umsetzungsstand des Sicherheitsaudits für Straßen

Die Umsetzung des Sicherheitsaudits für Straßen ist derzeit noch nicht in allen Straßenbauverwaltungen abschließend geregelt. Es zeichnet sich aber bereits ab, dass in den Verwaltungen der Länder sowie auch in den Kreis- und Kommunalverwaltungen keine einheitlichen Vorgehensweisen zu erwarten sind, sondern Audits für unterschiedliche Maßnahmen mit unterschiedlichen Verfahrensabläufen und zu verschiedenen Zeitpunkten realisiert werden.

2.1  Umsetzung in den Bundesländern

Die Ergebnisse einer Länderumfrage durch das BMVBW zeigen, dass von den Straßenbauverwaltungen der Länder zum überwiegenden Teil durch das Sicherheitsaudit für Straßen eine besondere oder zumindest stärkere Berücksichtigung der Verkehrssicherheit im gesamten Planungs- und Entwurfsprozess erwartet wird. Darüber hinaus stehen für die einzelnen Verwaltungen jedoch durchaus unterschiedliche Erwartungen im Vordergrund: während für die einen das Sicherheitsaudit zur Qualitätssicherung in der Entwurfsplanung beitragen soll, ist für die anderen wichtig, dass sich hierdurch der Entwurfsprozess nicht unnötig verkompliziert, zeitlich verlängert oder verteuert.

Bild 1: Anwendungsstand des Sicherheitsaudits für Straßen in den Länderverwaltungen

Die Umsetzung des Sicherheitsaudits in den Straßenbauverwaltungen der Länder stellt sich wie erwartet sehr unterschiedlich dar. Während in Brandenburg die Auditorganisation auf Grund der inzwischen bereits mehrjährigen Erfahrungen detailliert geregelt ist – hier ist neben einem bereits vorliegenden Einführungserlass auch ein gesonderter Durchführungserlass vorgesehen, mit dem die verwaltungsorganisatorischen Abläufe des Auditprozesses vorgeschrieben werden –, sind in anderen Bundesländern noch nicht alle Verfahrensabläufe abschließend geklärt. Mit Ausnahme von Baden-Württemberg (hier liegen auf Grund der derzeitigen Verwaltungsumstrukturierungen noch keine konkreten Umsetzungskonzeptionen vor) sowie Bremen und Hamburg (hier ist keine Umsetzung vorgesehen) haben aber alle Länderverwaltungen das Sicherheitsaudit für Straßen eingeführt bzw. bereiten die Einführung gerade vor (Bild 1). Außer in Brandenburg liegen u. a. auch in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz länderspezifische Einführungserlasse hierfür vor.

Hinsichtlich der Auditorenstellung bestehen nach den ESAS drei Möglichkeiten:

  • Interne Auditoren, die in Organisationseinheiten der Verwaltung beschäftigt, jedoch nicht am Entwurfsprozess beteiligt sind,
  • externe Auditoren, die von der Verwaltung beauftragt werden, sowie die
  • Kombination aus internen und externen Auditoren.

Es zeichnet sich ab, dass die Auditdurchführung in den Ländern ausschließlich von internen Auditoren erfolgen wird. Dabei sind verschiedene Umsetzungskonzeptionen festzustellen, die sich zwei prinzipiellen Organisationsmodellen zuordnen lassen:

  1. Gegenseitige Auditierung der Straßenbauämter mit Koordinierung durch eine übergeordnete Behörde nach dem so genannten „Brandenburger Modell“, zunächst in Brandenburg, mittlerweile auch in Rheinland-Pfalz und Thüringen umgesetzt.
  2. Amtsinterne Auditierung, d. h. eigenständige Durchführung der Sicherheitsaudits in den einzelnen Straßenbauämtern oder Niederlassungen, realisiert bzw. vorgesehen in Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein, teilweise unter Federführung einer übergeordneten Behörde, die dann in der Regel die Sammlung und Auswertung der Auditergebnisse übernimmt.

Die gegenseitige Auditierung der Straßenbauämter gewährleistet in jedem Fall die Unabhängigkeit der Auditoren. Die amtsinterne Auditierung, die in der Mehrzahl der Bundesländer (die Sicherheitsaudits durchführen) realisiert bzw. vorgesehen ist, ist dagegen diesbezüglich kritisch zu betrachten.

Eine besondere Situation stellt die Umsetzung des Sicherheitsaudits für Straßen im Saarland dar. Auf Grund der Größe des Zuständigkeitsbereichs erfolgt hier die Auditierung direkt durch die übergeordnete Behörde, dem Ministerium für Wirtschaft. In Berlin (hier wurde das Sicherheitsaudit für Straßen inzwischen in das Verkehrssicherheitsprogramm aufgenommen) und in Mecklenburg-Vorpommern ist die Auditorganisation noch nicht abschließend geregelt.

Hinsichtlich der räumlichen und zeitlichen Einsatzbereiche ist in nahezu allen Bundesländern eine Durchführung von Sicherheitsaudits für alle Bundesfern- und Landesstraßen und für alle Auditphasen vorgesehen. In einzelnen Ländern, z. B. in Hessen, Rheinland-Pfalz und Thüringen, werden zunächst nur bestimmte Planungsmaßnahmen auditiert. Diese Einschränkungen sollen aber nur für die erste Umsetzungsstufe gelten.

In Brandenburg und Nordrhein-Westfalen sind Sicherheitsaudits auch für die im Zuständigkeitsbereich der Landkreise, kreisfreien Städte und Gemeinden liegenden Straßen empfohlen bzw. vorgesehen, wenn durch diese Planungen klassifizierte Straßen betroffen sind. In Hessen und Rheinland-Pfalz sollen im Rahmen der Auftragsverwaltung ebenfalls Planungsmaßnahmen an Kreisstraßen auditiert werden.

2.2 Umsetzung in den Landkreisen

Im Rahmen der beiden Forschungsvorhaben des BMVBW wurden über den Deutschen Landkreistag die Kreisverwaltungen über das Sicherheitsaudit für Straßen informiert und sowohl die jeweiligen Rahmenbedingungen in den Landkreisen für die Planung und den Entwurf innerörtlicher Straßen (dies sind bei diesen in der Regel Ortsdurchfahrten) als auch das Interesse an einer Mitwirkung in beiden Vorhaben eruiert. Daraufhin hat sich der Kreis Euskirchen (Nordrhein-Westfalen) als Fallbeispiel im FE 77.470/2002 zur Verfügung gestellt. Des Weiteren haben Mitarbeiter aus fünf Landkreisen (darunter auch der Kreis Euskirchen) an den Qualifizierungsmaßnahmen zu Sicherheitsauditoren für Innerortsstraßen im Rahmen des FE 77.471/2002 teilgenommen.

In Folge der beiden Forschungsvorhaben haben die beiden nordrhein-westfälischen Kreise Euskirchen und Mettmann das Sicherheitsaudit für Straßen eingeführt. Im Kreis Borken (ebenfalls Nordrhein-Westfalen) ist zunächst die Anwendung in einer Probephase vorgesehen. In den Landkreisen Dahme-Spreewald (Brandenburg) und Quedlinburg (Sachsen-Anhalt) wird die Einführung des Sicherheitsaudits angestrebt.

Die räumlichen und zeitlichen Einsatzbereiche sowie auch diE politischen bzw. verwaltungsorganisatorischen Rahmenbedingungen sind in den beiden Kreisen, die das Sicherheitsaudit für Straßen bereits eingeführt haben, unterschiedlich: Im Kreis Mettmann sollen zunächst nur Maßnahmen im Rahmen der Vorplanung auditiert werden. Zur Unterstützung der Auditdurchführung liegt ein entsprechender Beschluss vor. Im Kreis Euskirchen sollen dagegen alle Ausführungsplanungen auditiert werden. Grundlage ist eine verwaltungsinterne Festlegung; ein politischer Beschluss liegt hierzu nicht vor.

Aber auch in Landkreisen, die nicht an den beiden Forschungsvorhaben beteiligt waren, bestehen Bestrebungen, das Sicherheitsaudit für Straßen einzuführen. So sollen im Kreis Neuss (Nordrhein-Westfalen) zukünftig Sicherheitsaudits für alle größeren Neubaumaßnahmen durchgeführt werden. Im Landkreis Grafschaft Bentheim (Niedersachsen) sollen künftig auf Grundlage einer verwaltungsinternen Festlegung einzelne Planungen auditiert werden.

Ein besonderer Aspekt bei der Umsetzung des Sicherheitsaudits für Straßen in den Landkreisen ist die Einbeziehung der kreisangehörigen Kommunen. Im Kreis Mettmann sollen zukünftig auch Planungsmaßnahmen für kommunale Straßen auditiert werden; detaillierte Absprachen bzw. Regelungen diesbezüglich liegen jedoch noch nicht vor. Auch im Kreis Borken soll, sobald Erfahrungen mit dem Sicherheitsaudit vorliegen, über eine freiwillige Einführung in den Gemeinde- und Stadtverwaltungen weiter nachgedacht werden. Im Kreis Euskirchen dagegen ist (zumindest derzeit) keine Einbeziehung der kreisangehörigen Kommunen vorgesehen.

2.3 Umsetzung in den Kommunen

Bei Innerortsstraßen bestehen im Gegensatz zu Außerortsstraßen sowohl zusätzliche Entwurfsanforderungen als auch wesentlich andere verfahrenstechnische Rahmenbedingen, insbesondere wegen unterschiedlicher institutioneller Zuständigkeiten, unterschiedlicher Planer bzw. Planungsträger sowie einer jeweils stadt-/gemeindespezifischen Konsens- und Entscheidungsfindung. Im FE 77.470/2002 erfolgte deshalb eine Definition relevanter Anwendungsfälle zur Durchführung von Sicherheitsaudits für Stadtstraßen mit konkreten Handlungsanleitungen für die kommunale Praxis. In diesem Zusammenhang wurden für zwei Fallbeispielstädte – Köln und Cottbus – Modelle zur organisatorischen Verankerung des Auditverfahrens in die Verwaltungsabläufe entwickelt und erprobt. Des Weiteren haben Mitarbeiter aus 34 Städten und Gemeinden an den Qualifizierungsmaßnahmen zu Sicherheitsauditoren für Innerortsstraßen im Rahmen des FE 77.471/2002 teilgenommen.

Eingeführt wurde das Sicherheitsaudit für Straßen in Folge der beiden Forschungsvorhaben inzwischen in zwölf Kommunen, in fünf weiteren Städten befindet sich die Anwendung des Sicherheitsaudits noch in einer Probephase bzw. die Einführung wird derzeit vorbereitet (Bild 2). Darüber hinaus bestehen in weiteren Kommunen Bestrebungen, das Sicherheitsaudit einzuführen, dort liegen jedoch noch keine konkreten Umsetzungskonzeptionen vor. In den meisten Kommunen liegen keine gesonderten (politischen) Beschlüsse für die Umsetzung des Sicherheitsaudits vor, mit Ausnahme von Siegen und Lünen. In Gera erfolgte die Einführung durch eine verwaltungsinterne Festlegung.

Bild 2: Anwendungsstand des Sicherheitsaudits für Straßen in Kommunen

Die Geltungsbereiche im Hinblick auf die zu auditierenden Maßnahmen und die Auditphasen sind ebenfalls sehr unterschiedlich: Beispielweise sollen in Oldenburg, Wiesbaden und Wismar Sicherheitsaudits für Hauptverkehrs- und Erschließungsstraßen, in Gera dagegen nur für Erschließungsstraßen durchgeführt werden. Teilweise sollen alle Planungsstufen auditiert werden (Aschaffenburg, Dessau, Gera, Lünen), in anderen Städten nur die Vorentwürfe (Wiesbaden) oder nur die Entwurfs- und Ausführungsplanungen (Oldenburg).

In Köln liegt inzwischen ein konkreter Vorschlag für die Anwendung von Sicherheitsaudits für Straßen vor. Hier ist vorgesehen, zukünftig alle

  • Bebauungspläne und vorhabenbezogene Erschließungspläne,
  • Umbaumaßnahmen von Hauptverkehrs- und Erschließungsstraßen,
  • Entwurfs- und Ausführungspläne bei Erschließungs-, Ausbau- und Durchführungsverträgen sowie
  • Maßnahmen im Rahmen spezieller Programme (z. B. Einrichtung von Tempo 30-Zonen, Radverkehrsmaßnahmen, ÖPNV-Maßnahmen, Anlage von Mini-Kreiseln anstelle vorhandener Lichtsignalanlagen im Erschließungsstraßennetz)

zu auditieren. Bei letzteren sollen exemplarisch einzelne Maßnahmen auditiert werden, um hieraus stadtspezifische Empfehlungen, beispielsweise für die Anlage von Buskaps oder Fußgängerüberwege, abzuleiten.

3 Auditorenqualifizierung

Aus dem in den ESAS vorgeschriebenen Verfahrensablauf bei der Durchführung von Sicherheitsaudits für Straßen wird deutlich, dass an die Auditoren hohe Qualitätsanforderungen gestellt werden: Neben abgeschlossenem, einschlägigem Hochschulstudium und mehrjährigen Erfahrungen auf dem Gebiet des Straßenentwurfs und straßenbezogener Sicherheitsbeurteilungen sollten Zusatzqualifikationen erlangt werden. Hierzu bestehen mittlerweile Ausbildungskonzepte und -angebote.

Für die Qualifizierung zu Auditoren für Außerortsstraßen und Ortsdurchfahrten wurde von der Professur Verkehrsplanung und Verkehrstechnik der Bauhaus-Universität Weimar gemeinsam mit dem Institut für Straßenverkehr Köln des GDV (inzwischen Verkehrstechnisches Institut der Deutschen Versicherer mit Sitz in Berlin) und in Abstimmung mit der ad-hoc-Gruppe 2.0.2 „Sicherheitsaudit für Straßen“ der FGSV ein Curriculum erarbeitet [7]. Nach diesem Ausbildungsplan werden von der Auditpartnerschaft der Hochschullehrer Schulungen sowohl für Verwaltungsmitarbeiter (zu internen Auditoren) als auch für Mitarbeiter aus Planungsbüros (zu externen Auditoren) angeboten [8]. Die Schulungsteilnehmer erhalten nach erfolgreichem Abschluss ein von der Bauhaus-Universität Weimar ausgestelltes, und zunächst auf drei Jahre befristetes, Zertifikat.

Bislang haben insgesamt 45 Mitarbeiter der Straßenbauverwaltungen der Länder Bayern, Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen die Schulungsmaßnahmen an der Bauhaus-Universität Weimar erfolgreich abgeschlossen und sind als Sicherheitsauditoren für Außerortsstraßen und Ortsdurchfahrten zertifiziert. Aus der sächsischen Straßenbauverwaltung werden derzeit 15 Mitarbeiter an der TU Dresden nach diesem Ausbildungskonzept zu Auditoren qualifiziert. Aus Mecklenburg-Vorpommern sollen zunächst sechs Verwaltungsmitarbeiter an der Bauhaus-Universität Weimar ausgebildet werden.

In Bayern werden derzeit insgesamt weitere 70 Mitarbeiter der Straßenbauämter durch verwaltungsinterne Schulungsmaßnahmen zu Auditoren qualifiziert. Die Schulungen werden von dem so genannten Qualifizierungsteam, bestehend aus den sechs Verwaltungsmitarbeitern, die an der Bauhaus-Universität Weimar zu Auditoren ausgebildet wurden, durchgeführt.

Die Ausbildung weiterer Verwaltungsmitarbeiter ist auch in Rheinland-Pfalz vorgesehen. Hier sollen sechs weitere Mitarbeiter in Weimar zu Auditoren qualifiziert werden.

In Hessen werden ebenfalls Verwaltungsmitarbeiter – hier jedoch durch verwaltungsinterne Schulungen – zu Auditoren qualifiziert. Derzeit werden aus fünf Straßenbauämtern jeweils drei Mitarbeiter geschult, jeweils drei Mitarbeiter aus den übrigen sieben Ämtern sollen nächstes Jahr ausgebildet werden.

Der Stand der Auditorenausbildung in den Länderverwaltungen ist in der Tabelle 1 dargestellt. Es sind jedoch nicht in allen Länderverwaltungen Auditorenschulungen vorgesehen. So erfolgen beispielsweise in Nordrhein-Westfalen keine speziellen Qualifizierungsmaßnahmen für die als interne Auditoren vorgesehenen Mitarbeiter.

Für die Qualifizierung zu Auditoren für Innerortsstraßen wurde im FE 77.471/2002 ein entsprechendes Curriculum entwickelt und erprobt. Hierbei wurden 50 Mitarbeiter aus 34 kommunalen Straßenverwaltungen und zehn Mitarbeiter aus fünf Landkreisen zu Sicherheitsauditoren ausgebildet. Des Weiteren wurden im FE 77.470/2002 zwei Verwaltungsmitarbeiter aus Cottbus und fünf Mitarbeiter der Stadtverwaltung Köln sowie zwei Mitarbeiter der Kreisverwaltung Euskirchen „on the Job“ zu Auditoren geschult. Die insgesamt 69 Verwaltungsmitarbeiter sind inzwischen als Sicherheitsauditoren für Innerortsstraßen zertifiziert.

Tabelle 1: Stand der Auditorenausbildung in den Länderverwaltungen

4 Auditergebnisse

Eine differenzierte Auswertung vorliegender Auditergebnisse, u. a. auch hinsichtlich Auditphasen, ermöglicht festgestellte Sicherheitsdefizite systematisch darzustellen und zu analysieren. Hierdurch können letztendlich Verbesserungsmöglichkeiten für die Entwurfsrichtlinien aufgezeigt werden. Des Weiteren geben diese Hinweise auf eventuell notwendige Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen für Planer.

4.1 Festgestellte Sicherheitsdefizite

Umfassende und detaillierte Auswertungen von Auditergebnissen liegen derzeit nur für das Land Brandenburg für Außerortsstraßen und Ortsdurchfahrten und für die im Rahmen des FE 77.470/2002 durchgeführten Sicherheitsaudits für Stadtstraßen vor. Nachfolgend sind typische, im Rahmen von Audits festgestellte Defizite in Planungen von Außerorts- und Innerortsstraßen (einschließlich Ortsdurchfahrten) zusammengefasst.

4.1.1 Typische Defizite an Außerortsstraßen

Die in Planungen von Außerortsstraßen (Autobahnen und Landstraßen) immer wieder festgestellten Sicherheitsdefizite betreffen

  • den Querschnitt (z. B. ungünstiger bzw. falscher Querschnitt, falsche Querneigung),
  • die Linienführung (vor allem fehlende Abstimmung von Lage- und Höhenplan, nicht ausreichende Entwässerung, keine ausreichenden Sichtweiten),
  • die Knotenpunkte (ungünstige Grundform, keine ausreichenden Sichtverhältnisse, nicht ausreichende Erkennbarkeit der untergeordneten Zufahrt, fehlende bzw. zu kurze Linksabbiegestreifen, fehlende LSA, ungünstige bzw. fehlende Führung des Radverkehrs usw.) sowie
  • die Ausstattung (u. a. ungünstige Bepflanzung, fehlende bzw. falsche Markierung, fehlende passive Schutzeinrichtungen).

Zum überwiegenden Teil handelt es sich hierbei um Verstöße gegen die Entwurfsrichtlinien. Besonders auffällig sind die fehlende Abstimmung von Lageplan und Höhenplan sowie die Wahl einer ungünstigen Knotenpunktgrundform.

4.1.2 Typische Defizite an Innerortsstraßen

Die typischen, immer wieder auftretenden Sicherheitsdefizite in Planungen von Innerortsstraßen betreffen

  • den Querschnitt (z. B. ungünstiger Querschnitt, ungünstig gelegene bzw. fehlende Querungshilfen, zu geringe Gehwegbreiten, ungünstige Führung des Radverkehrs),
  • die Linienführung (vor allem nicht wirksame Geschwindigkeitsdämpfungen in Ortsdurchfahrten) und
  • die Knotenpunkte (keine ausreichenden Sichtverhältnisse, ungünstige LSA-Steuerung, ungünstige Führung des Fußgängerverkehrs, ungünstige bzw. fehlende Führung des Radverkehrs usw.).

Auch im Innerortsbereich sind viele Planungs- und Entwurfsdefizite sicherheitsrelevante Abweichungen von den Regelwerken. Insbesondere betreffen diese häufig die nicht motorisierten, schwächeren Verkehrsteilnehmer (Radfahrer und Fußgänger).

4.2 Akzeptanz

Die bisher möglichen Auswertungen der Auditergebnisse zeigen, dass die Akzeptanz insgesamt hoch ist. Dabei ist die Bereitschaft, Änderungen an den Planungen vorzunehmen, in den frühen Auditphasen größer als z. B. beim Ausführungsentwurf oder der Verkehrsfreigabe (Bild 3).

Bild 3: Akzeptierte Defizite durch Auftraggeber

Die Akzeptanz seitens der Auftraggeber im Rahmen der letzten Auditphase, der Verkehrsfreigabe, festgestellte Sicherheitsdefizite zu prüfen bzw. anzuerkennen und zu beheben ist verhältnismäßig gering. Allerdings ist bei den im Bild 3 gemachten Prozentangaben zu berücksichtigen, dass dort keine Maßnahmen enthalten sind, die in allen Auditphasen geprüft wurden. D. h., die für die letzte Auditphase angegebene Akzeptanz bezieht sich auch auf Defizite, die im Rahmen eines „Erstaudits“ bei Verkehrsfreigabe festgestellt wurden, deren Behebung auf Grund des Planungsstadiums aber nicht mehr oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist.

Wären diese Defizite bereits in einer früheren Auditphase festgestellt worden, wären diese vermutlich eher akzeptiert worden. Infolge dessen hätten bei Verkehrsfreigabe weniger Sicherheitsdefizite bestanden und die Akzeptanz wäre (prozentual) höher ausgefallen.

5 Zusammenfassung und Ausblick

 

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Anwendung des Sicherheitsaudits für Straßen in nahezu allen Bundesländern realisiert bzw. vorgesehen ist. Im Hinblick auf die Auditdurchführung zeichnen sich dabei zwei prinzipielle Organisationsmodelle ab:

  • zum einen die gegenseitige Auditierung der Straßenbauämter mit Koordinierung durch eine übergeordnete Behörde,
  • zum anderen die amtsinterne Auditierung, d. h. eigenständige Durchführung der Sicherheitsaudits in den einzelnen Straßenbauämtern bzw.

 

Auch in einzelnen Landkreisen und Kommunen wurde das Sicherheitsaudit inzwischen eingeführt. Hier bestehen ebenfalls verschiedene Organisationsmodelle, die – ebenso wie die Geltungsbereiche des Sicherheitsaudits für Straßen – kreis- bzw. stadtspezifisch geregelt sind.

 

Für die Auditorenqualifizierung liegen erprobte Ausbildungspläne, sowohl für Auditoren für Außerortsstraßen und Ortsdurchfahrten als auch für Auditoren für Innerortsstraßen, vor. Hiernach ausgebildete Auditoren sind in verschiedenen Straßenbauverwaltungen von Ländern, Kreisen und Kommunen tätig.

 

Die bisherigen Auditergebnisse zeigen deutlich, dass in den Planungen typische Sicherheitsdefizite immer wieder auftreten. Die Akzeptanz der Auditergebnisse ist insgesamt hoch. Durch das Sicherheitsaudit für Straßen wird dem Aspekt der Verkehrssicherheit eine besondere Beachtung beigemessen. Damit bekommt die Verkehrssicherheit den entsprechenden Stellenwert bei der Abwägung aller Belange.

 

Literaturverzeichnis

 

  1. Empfehlungen für das Sicherheitsaudit von Straßen (ESAS), Ausgabe 2002. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Köln 2002
  2. Brühning, E.: Das deutsche Sicherheitsaudit von Straßen. In: Perspektiven für das Straßenwesen. Aachener Mitteilungen Straßenwesen, Erd- und Tunnelbau, Nr. 43, S. 41-54, Aachen 2003
  3. Allgemeines Rundschreiben Straßenbau Nr. 18/2002: Empfehlungen für das Sicherheitsaudit von Straßen, Ausgabe 2002 (ESAS 2002). Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, AZ: S 28/16.57.10-2.0.2/5 F 2002, Bonn, 13. August 2002
  4. Baier, R., Heidemann, S., Klemps, A., Schäfer K. H., Schuckließ, L.: Anwendung von Sicherheitsaudits an Stadtstraßen. FE 77.470/2002 im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Schlussbericht-Entwurf (unveröffentlicht), Aachen 2004
  5. Gerlach, J., Kesting, T., Lippert, W., Baier, R.: Qualifizierung von Mitarbeitern kommunaler Straßenverwaltungen zu Auditoren für das Sicherheitsaudit für Innerortsstraßen. FE 77.471/2002 im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Schlussbericht-Entwurf (unveröffentlicht), Wuppertal/Aachen 2004
  6. Baier, M. M., Schuckließ, W.: Begleituntersuchung zum Sicherheitsaudit für Straßen. FE 82.235/2002 im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen, 1. und 2. Zwischenbericht (unveröffentlicht), Aachen 2004
  7. Ausbildungsplan für die Qualifizierung zu Auditoren für Außerortsstraßen und Ortsdurchfahrten, Stand: April 2003. Weimar/Köln 2003; siehe auch adh-sas.de
  8. Brannolte, U., Baselau, Chr., Fischer, L.: Ausbildung von Auditoren für das Sicherheitsaudit von Straßen im Außerortsbereich – Ein Erfahrungsbericht. In: Straße + Autobahn 55 (2004), Heft 8, S. 436-440