FGSV-Nr. FGSV 001/26
Ort Bremen
Datum 28.09.2016
Titel Anlagen für den ruhenden Verkehr – Entwicklungen bei Stellplatzbemessung, -gestaltung und -ausstattung
Autoren Prof. Dr.-Ing. Petra K. Schäfer
Kategorien Kongress
Einleitung

Der Arbeitsausschuss ,,Ruhender Verkehr" der FGSV beschäftigt sich zurzeit intensiv mit der Überarbeitung der EAR ­ ,,Empfehlungen für die Anlagen des ruhenden Verkehrs" aus dem Jahr 2005. Dabei werden grundsätzliche Aspekte der Parkraumpolitik besprochen, aber auch ganz konkrete Aspekte, wie die Dimensionierung der Parkflächen oder die Integration der Elektromobilität in die Richtlinien. In diesem Beitrag werden die aktuellen Diskussionspunkte zur Parkraumpolitik sowie zur Entwicklungen bei Stellplatzbemessung, -gestaltung und -ausstattung zusammengefasst. Diese Aspekte betreffen dabei nicht nur die Anlagen des ruhenden Verkehrs, auch für die Straßenraumgestaltung in Gänze sind diese Aspekte von großer Bedeutung. In diesem Beitrag kann nur ein Schlaglicht auf Diskussionspunkte geworfen werden. Dieser Beitrag soll dazu führen, die Diskussion zur Parkraumpolitik, zur Fahrzeugbreite und der damit einhergehenden Dimensionierung der Straßeninfrastruktur und zur Integration der Elektromobilität in Städten und Kommunen in die breitere Fachwelt zu tragen.

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1 Einleitung

Der Arbeitsausschuss ,,Ruhender Verkehr" der FGSV beschäftigt sich zurzeit intensiv mit der Überarbeitung der EAR ,,Empfehlungen für die Anlagen des ruhenden Verkehrs" aus dem Jahr 2005. Dabei werden grundsätzliche Aspekte der Parkraumpolitik besprochen, aber auch ganz konkrete Inhalte, wie die Dimensionierung der Parkflächen oder die Integration der Elektromobilität in die Richtlinie.

In diesem Beitrag werden die aktuellen Diskussionspunkte zur Parkraumpolitik sowie zu Entwicklungen bei Stellplatzbemessung, -gestaltung und -ausstattung zusammengefasst. Diese Aspekte betreffen dabei nicht nur die Anlagen des ruhenden Verkehrs, sondern sind auch für die Straßenraumgestaltung in Gänze von großer Bedeutung.

2 Stand der Parkraumbewirtschaftung in Deutschland

Parkraummanagement ist ein wichtiger Teil urbaner Verkehrsplanung und Verkehrspolitik. Rund 23 Stunden am Tag, wird das Fahrzeug geparkt. In einigen Kommunen wird der Stellenwert einer guten Parkraumplanung und eines konsequenten Parkraummanagements aber unterschätzt. Im Jahr 2015 wurde, durch die Fachgruppe Neue Mobilität der Frankfurt University of Applied Sciences, eine Erhebung wiederholt, die bereits 2004 im Rahmen des Promotionsvorhabens der Autorin an der TU Darmstadt stattfand. Hier wurden deutsche Städte und Gemeinden zur Parksituation befragt. Durch den Vergleich der Daten aus 2004 und 2015 konnten Änderungen in der Parkraumpolitik analysiert werden. Dabei wird deutlich, dass die Parkgebühren im Straßenparken und in den Parkhäusern teurer geworden sind. Trotzdem ist in den befragten Städten das Straßenparken in den meisten Fällen preiswerter als das Parken in den Parkhäusern und Tiefgaragen. Der Vergleich mit anderen europäischen Städten zeigt, dass dort teilweise deutlich höhere Parkgebühren verlangt werden als in deutschen Großstädten (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1: Parkgebühren in europäischen Städten (aus Schäfer, 2015)

Im Vergleich zu anderen europäischen Städten wird auch deutlich, dass die Höhe der Verwarnungsgelder in Deutschland sehr gering ist (siehe Tabelle 2). Dieses Ungleichgewicht führt dazu, dass höhere Parkgebühren von den Verkehrsteilnehmern nicht akzeptiert werden, und die Stellschraube der Parkraumpolitik damit nur eingeschränkt greift.

Tabelle 2: Höhe der Verwarnungsgelder im europäischen Vergleich (aus Schäfer, 2015)

Insgesamt können die deutschen Städte hier noch etwas von den europäischen Nachbarn lernen. Eine Verkehrspolitik, die den Kfz-Verkehr in den Innenstädten reduzieren will, ist auf ein konsequentes Parkraummanagement angewiesen. Dies setzt voraus, dass eine flächendeckende und nachvollziehbare Bewirtschaftung der Parkflächen erfolgt, bei der das Straßenparken teurer ist, als das Parken in Tiefgaragen und in Parkhäusern.

3 Bemessungsfahrzeug

Die EAR ,,Empfehlungen für die Anlagen des ruhenden Verkehrs" der FGSV beschäftigen sich, neben der Planung und dem Betrieb von Anlagen des ruhenden Verkehrs, auch mit der Dimensionierung und Ausgestaltung der Parkstände und Stellplätze. Um diesem Auftrag gerecht zu werden, wird in regelmäßigen Abständen ein Bemessungsfahrzeug ermittelt, um die Dimensionen der Parkflächen den aktuellen Entwicklungen anpassen zu können.

Im Jahr 2010 hat eine Kooperation zwischen TU Braunschweig und FH Zwickau das Bemessungsfahrzeug für die EAR neu ermittelt und mit den Daten des Bemessungsfahrzeugs aus dem Jahr 1999/2000 verglichen (Schuster, Sattler et al . 2011). Die Ergebnisse zeigen, dass das Bemessungsfahrzeug in den betrachteten zehn Jahren länger, breiter und höher geworden ist (siehe Tabelle 3).

Tabelle 3: Veränderung der geometrische Kenndaten (85 % -Perzentile) der auf dem Neuwagenmarkt erhältlichen Pkw-Modelle insgesamt (ohne Berücksichtigung der Auftretenshäufigkeit) (aus Schuster, Sattler et al. 2011)

Das Bemessungsfahrzeug in dieser Studie setzt sich aus den Abmessungen aller Neuwagenzulassungen zusammen. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass beispielsweise die Verkaufszahlen der SUV (Sports Utility Vehicles) seit Jahren kontinuierlich ansteigen (siehe Bild 1).

Bild 1: Absatzzuwachs bei SUV seit 2012 (Statista, 2016)

Für den Ausschuss ,,Ruhender Verkehr" der FGSV stellt sich nun die Frage, inwieweit diese neuen Dimensionen in den EAR Berücksichtigung finden sollten. Dabei ist es nicht damit getan, die Parkstände größer zu machen. Die ganze Geometrie der Einfahrten und Ausfahrten in Parkhäuser sowie der Rangierflächen für den Parkvorgang, müssen in diesem Zusammenhang angepasst werden (siehe Bild 2).

Bild 2: Möglicher Änderungsbedarf in den EAR für neue Fahrzeugdimensionen (FGSV, 2005)

Aber der Änderungsbedarf geht über den ruhenden Verkehr hinaus. Die notwendigen veränderten Dimensionen betreffen auch den fließenden Verkehr, beispielsweise die Begegnungsfälle der RASt (vgl. RASt, 2006, Bild 17). Hinzukommen aber auch andere Richtlinien und Empfehlungen, welche Abständen zu fließendem oder ruhendem Fahrzeugverkehr beinhalten und eventuell aufgrund der breiteren Fahrzeuge angepasst werden müssten.

Die andere Möglichkeit ist, sich selbstbewusst auf den Standpunkt zu stellen, dass die Infrastruktur sich nicht an die Fahrzeuge anpassen muss, sondern umgekehrt. Städte und Kommunen, und damit auch die Arbeitsausschüsse der Richtlinien, stellen sich dann auf den Standpunkt, dass die Infrastruktur ausreichend dimensioniert ist, und Fahrzeuge mit einer größeren Breite dieses Risiko selbst tragen. Während der gemeinsamen D-A-CH-Informationstagung 2014 in Berlin, war dies Konsens der Kollegen aus der Schweiz und Österreich. Dieser Standpunkt findet sich auch in den Garagenverordnungen der Länder wieder, die an dem alten Mindestmaß von 2,30 Metern Breite festhalten, das bereits in den EAR 05 durch eine Breite von 2,50 Metern ersetzt wurde.

4 Berücksichtigung der Elektromobilität

Die Berücksichtigung der Elektromobilität stellt sich naturgemäß beim Thema Parken in besonderem Maße. Hier wird geladen und die Infrastruktur dafür muss integriert werden. Minister Dobrindt startete im Mai dieses Jahres die ,,Ladesäulen-Offensive", bei der bis zum Jahr 2020 bundesweit 15.000 neue Ladesäulen entstehen sollen (BMVI, 2016). Auch hier sind Diskussionen im Gange:

  • Wie viel Ladeinfrastruktur wird benötigt?
  • Soll das Fahrzeug am Straßenrand, auf Parkflächen oder im Parkhaus geladen werden?
  • Welche Infrastruktur ist die richtige? Ist das Kabel im Fahrzeug oder an der Ladesäule? ­
  • Was ist mit dem induktiven Laden?

Im Rahmen der Begleitforschung zur Modellregion Elektromobilität Rhein-Main wurden Nutzer von Elektrofahrzeugen auch zur Ladeinfrastruktur befragt. Für die Langzeitnutzenden (mind. sechs Monate regelmäßige Elektrofahrzeugnutzung) in der Modellregion Rhein-Main, ist die fehlende Ladeinfrastruktur im öffentlichen und halb-öffentlichen Raum ein wichtiges Hemmnis bei der Nutzung von Elektrofahrzeugen. Für vier von fünf Nutzenden besteht eine zu geringe Anzahl an Ladestationen. Knapp 36 % der Befragten bemängeln zudem, dass die Ladepunkte im öffentlichen Raum schwierig zu finden seien (Schäfer et al. 2015).

Klar ist, dass die Ladeinfrastruktur keinen Einfluss auf die Dimensionierung der eigentlichen Parkfläche hat. Wichtig wird diese Frage bei der Ausgestaltung der Seitenbereiche, in denen dann die Infrastruktur installiert werden muss (siehe Bild 3).

Auch hier betreffen die Anforderungen nicht nur den ruhenden Verkehr. Die Lage der Infrastruktur beeinflusst in besonderem, die Flächen der Rad- und Gehwege und sollte auch in diesen Richtlinien und Empfehlungen Beachtung finden.

In Zukunft wird es auch das induktive Laden mehr in den Fokus rücken. Auch hier ändert sich an den Dimensionen der Parkflächen nichts. Hier ist allerdings relevant, dass die Parkflächen so angefahren und beparkt werden können, dass der Kontakt zwischen Fahrzeug und Induktionsfläche gegeben ist. Diese Überlegung führt dazu, dass Längsparken im Straßenraum, wo die Lage des einzelnen Parkstands stark von den bereits parkenden Fahrzeugen abhängt, nicht für induktives Laden geeignet ist. Induktives Laden setzt somit Schräg- oder Senkrechtparkstände voraus.

Bild 3: Längsparken im Straßenraum mit Ladeinfrastruktur (eigene Aufnahme)

Bei der Frage nach den Kriterien, die öffentliche Ladepunkte erfüllen sollten, erscheinen eine leichte Zugänglichkeit, verknüpft mit einer guten Beschilderung, für einen Großteil der Befragten als einer der wichtigsten Faktoren (siehe Bild 4). Rund 57 % der Nutzenden platzierten die leichte Zugänglichkeit unter den drei wichtigsten Kriterien für Ladepunkte im öffentlichen Raum. Doch auch die Reservierung von Parkplätzen für Elektrofahrzeuge sowie ein diskriminierungsfreier Zugang, spielen für Nutzende von Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum eine wesentliche Rolle. Weitere wichtige Elemente sind die einfache Bedienung der Ladestationen sowie ein ausreichender Schutz vor Witterung (Schäfer et al. 2015)

Bild 4: Durchschnittsbewertung des Rankings wichtiger Kriterien für Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum (n=94, 1 entspricht der geringsten, 8 der höchsten Bedeutung, aus Schäfer et al. 2015)

5 Fazit

In diesem Beitrag wurde nur ein Schlaglicht auf Diskussionspunkte geworfen, die den Arbeitsausschuss ,,Ruhender Verkehr" zurzeit beschäftigen. Dabei wurden die Aspekte ausgewählt und angerissen, die auch andere Arbeitsausschüsse betreffen. Dieser Beitrag soll dazu führen, die Diskussion zur Parkraumpolitik, zur Fahrzeugbreite und der damit einhergehenden Dimensionierung der Straßeninfrastruktur und zur Integration der Elektromobilität in Städten und Kommunen, in die breitere Fachwelt zu tragen.

Literaturverzeichnis

BMVI ­ Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur: BMVI erstellt Förderrichtlinie zur Ladeinfrastruktur Elektrofahrzeuge, http://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Pressemitteilungen/2016/069-dobrindt-kabinettbeschluss-elektromobilitaet.html, 2016

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: EAR ­ Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs, Köln, 2005 (FGSV 283)

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: RASt ­ Richtlinien für die Anlagen von Stadtstraßen, Köln, 2006 (FGSV 200)

S c h ä f e r, P.: Comparative Research on parking policies in European cities from 2004 to 2015, Tagungsband des ,,17th EPA Congress and PARKEN" in Berlin am 23.9.2015

S c h ä f e r, P .; K n e s e, D.; H e r m a n n, A.; B l ä t t e l - M i n k, B.; D a l i c h a u, D.; B r e i t w e g, A.; L a n z e n d o r f, M.; S c h u b e r t, S.; P r i l l, T.; G r o t h, S.; H e r m e n a u, U.; Ta n d l e r, M. & Ta z i r, M.: Elektromobilität als Motor für Verhaltensänderung und neue Mobilität. Abschlussbericht des Gesamtvorhabens ,,Sozialwissenschaftliche und ökologische Begleitforschung in der Modellregion Elektromobilität Rhein-Main", 2015

S c h u s t e r, A.; S a t t l e r, J.; H o f f m a n n, S.: Bestimmen der aktuellen Abmessungen differenzierter Personen-Bemessungsfahrzeuge, FH Zwickau, Zwickau, 2011 https://www.fh-zwickau.de/fileadmin/ugroups/kt/iev/projekte/FoBemPkw.pdf

Statista: Absatzzuwachs bei SUVs aus https://de.statista.com/infografik/4699/suv-pkw-deutschland, 2016