FGSV-Nr. FGSV 001/27
Ort Erfurt
Datum 12.09.2018
Titel Die Hamburger Deckel - die Versöhnung von Stadt und Autobahn
Autoren Dipl.-Ing. Klaus Franke
Kategorien Kongress
Einleitung

Die A 7 in Hamburg wurde in den sechziger Jahren als weiträumige „Westliche Umfahrung Hamburg“ mit Teilortsumgehungen in den weniger dicht besiedelten Außenbereichen der Stadt gebaut. Mittlerweile ist sie einerseits eine der meist belasteten Autobahnen der Republik geworden, andererseits hat sich die Stadt aufgrund der begrenzten Flächenressourcen kontinuierlich der Straße unmittelbar genähert. Die eigentlich unverträgliche Nähe wurde u. a. durch hohe Lärmschutzwände gemildert; die hohe Trennwirkung in Stadt- und Grünräumen jedoch konnte niemals überwunden werden. Die vielleicht letzte Chance, die Belastungen nachhaltig zu mildern, bot das Ausbaukonzept des Bundesverkehrswegeplans 2003, das nördlich des Elbtunnels die Erweiterung um jeweils einen Fahrstreifen je Richtung vorsah. Die Auftragsverwaltung Hamburg hat gemeinsam mit dem Baulastträger Bund die Chance ergriffen, ab 2007 in einem modular aufgebauten Konzept passgenaue Lösungen für jeden Streckenabschnitt unterschiedlicher Typologie zu entwickeln. Hamburg hat mit hohen eigenen Finanzmitteln die Planungen erweitert und zusätzliche Lärmschutzanlagen mit dem Bund vereinbart. In einer sehr kurzen Planungszeit von ca. 6 Jahren wurden mit der Deutschen Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES), dem stadteigenen Landesbetrieb für Straßen, Brücken und Gewässer, Stadtentwicklungs- und Umweltbehörde, der Straßenverkehrsbehörde und weiteren Fachressorts die komplexen Planungen von Strecke und Bauwerken vorangetrieben, die Bürgerinnen und Bürger umfassend informiert und mitgenommen sowie die schwierigen Rechtsverfahren durchgeführt. In den Stadtteilen Schnelsen und Stellingen stehen die Bauarbeiten an der hochbelasteten Bestandsstrecke kurz vor dem Abschluss, im 3. Abschnitt Altona steht ein Planfeststellungsbeschluss unmittelbar bevor. Mit den drei sogenannten Hamburger Deckeln werden getrennte Stadtteile und ehemalige Parks wieder vereint, ein durchgehender Grünzug vom Volkspark zur Elbe geschaffen und nicht ganz zu vergessen, ein Engpass im Fernstraßennetz beseitigt. Was mit Visionen begann, wurde im Rahmen eines ganzheitlichen integrierten Verkehrs-, Stadt- und Landschaftskonzepts mittlerweile in Teilen bereits Wirklichkeit. Wer im 21. Jahrhundert Autobahnen in einer hochverdichteten Metropole aus- oder neu baut, muss das Projekt verträglich in den Stadt- und Landschaftsraum integrieren. Die A 7 in Hamburg wird zukünftig auf gesamter Länge eine der umfeldverträglichsten Schnellstraßen in Ballungsräumen sein. Die Hamburger Deckel versöhnen so nach Jahrzehnten Stadt und Autobahn.

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1 „Stadtumbau West“ – auch in Hamburg

Straßen verbinden – Straßen trennen. Dieser offensichtliche Antagonismus hat sich mit zunehmender Verkehrsentwicklung in den letzten Jahrzehnten immer mehr zum Problempunkt in der Stadt- und Verkehrspolitik entwickelt. Stand noch am Anfang der Entwicklung der Automobilität der verbindende Charakter der Wege und Straßen im Mittelpunkt, so wurde doch mit zunehmender Motorisierung in den Städten die trennende Wirkung von hoch belasteten Schneisen offensichtlich. Bahnstrecken, Schnellstraßen und Autobahnen bilden Barrieren, die nur an wenigen Stellen über- oder unterquerbar sind. Lassen Sie uns kurz zurückblicken, wie im Hamburger Westen alles begann. 

1.1 Die sechziger Jahre – Aufbruch in Stadt und Verkehr

Seit Jahren in Planung, im aktuellen Bundesverkehrswegeplan 2030 wieder durchgehend im vordringlichen Bedarf, der obersten Kategorie des Bedarfsplans, enthalten, ist die „Westliche Umfahrung Hamburg“ mit einem Elbtunnel bei Glückstadt. Diesmal allerdings als A 20. Doch man hat bereits über 50 Jahre vorher eine westliche Umfahrung projektiert und realisiert.

Hamburger Ingenieure entwarfen und bauten eine sogenannte „Westliche Umgehung Hamburg“. Hierbei skizzierte Anfang der 1970er-Jahre des letzten Jahrhunderts der damalige Oberbaudirektor i. R. Prof. Otto Sill die für Hamburg vorgesehenen Autobahnen, die einmal den Fern- wie den Regionalverkehr aufnehmen sollen. „Von dem geplanten Autobahnnetz mit einer Länge von 180 km sind jedoch bis jetzt nur 35 km in Betrieb, die im Wesentlichen in äußeren Bereichen der Stadt liegen. Weitere rund 30 km sind allerdings im Bau und zwar die Bundesautobahn „Westliche Umgehung Hamburg“ mit dem neuen über 3 km langen Autobahntunnel. Diese Bundesautobahn wird den überwiegenden Teil des Fernverkehrs und zwar sowohl den Durchgangs- als auch Ziel- und Quellverkehr aus den Richtungen Flensburg/ Kiel sowie Bremen und Hannover und einen großen Teil des Regionalverkehrs aufnehmen“, dozierte er bei einer Tagung der Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen im September 1973 in Stuttgart (2).

Hamburg hatte sich bereits frühzeitig in der Nachkriegsphase mit Aufbauplänen befasst. So entstand zum Beispiel der „Zielplan für die Verkehrsstraßen“ (vgl. Bild 1) als Teil des Aufbauplans der Freien und Hansestadt Hamburg im Jahr 1960. Ein Netz von Bundes- und Stadtautobahnen sollte nicht nur die Peripherie mit Durchgangsverkehr belasten, sondern auch weite Teile der Inneren Stadt autogerecht erschließen. Hamburg hat allerdings parallel auch ein sehr intensives Ausbaukonzept für Schnellbahnen entwickelt und sukzessive umgesetzt.

Bild 1: Planung und Entwicklung des Fernstraßennetzes über 70 Jahre (Quelle: Sill, O., 1960 und BWVI, 2018)

1.2 Bau der Westlichen Umgehung Hamburg

Auf einer Länge von 26 km (davon 17,7 km bereits 6-streifig) entstand im Zuge der Umsetzung des o. g. Ausbaukonzepts auf Hamburger Stadtgebiet eine neue Bundesfernstraße, die als A 7 den Lückenschluss zwischen Flensburg und Füssen bilden sollte. Die Baukosten beliefen sich auf ca. 1 Mrd. DM, davon ca. 70 Mio. DM für Grunderwerb und Entschädigung. Gebaut wurde in den Jahren 1968 bis 1975 (Architekten- und Ingenieurverein Hamburg e. V. (1984)). Als besondere Herausforderung ist die durchgehende Tunnel- und Hochstraßenstrecke mit einer Länge von 7,6 km hervorzuheben. Doch nicht alles musste neu errichtet werden. Der Abschnitt nördlich der Kieler Straße war bereits als Umgehung Eidelstedt seit 1963 unter Verkehr (vgl. Bild 2). Hier wurde im Zuge der Autobahnplanung auf ca. 2,4 km Länge von vier auf sechs Fahrstreifen erweitert. Nördlich angrenzend lief der Verkehr schon ab 1967 auf der Umgehung Schnelsen.

Bild 2: Umgehungsstraße Eidelstedt im Jahr 1965, Blick vom Anschluss der Kieler Straße nach Norden (Quelle: Maldfeld, K. 1965, Luftaufnahme Hamburger Aero Lloyd) 

1.3 Stadt und Autobahn: Alltag durch Nähe

Der Bau einer Umgehungsstraße an der westlichen Peripherie führte zunächst mal zur Entlastung von weiten Stadtgebieten, in dem der großräumige Verkehr gebündelt auf sicheren richtungsgetrennten Fahrbahnen geführt wurde. Lärmschutz war noch kein sehr zentrales Thema. Die Bebauung war entsprechend entfernt, Grünanlagen und Kleingartengebiete wurden durchquert. Bei einer Auswertung von Stadtplänen zeigt sich sehr deutlich, wie sich Stadt und Autobahn wieder zunehmend näher kamen (vgl. Bild 3). Trotz Bauverbotszonen und Beschränkungen wuchs die Stadt wegen zunehmender Flächenknappheit zum Teil sehr intensiv in Richtung Fernstraße. Die Verträglichkeit wurde zum Teil durch hohe Lärmschutzwände in Grenzen gewährleistet. Man arrangierte sich mit dem Leben hinter der Mauer.

Am Beispiel des Stadtteils Stellingen lässt sich diese Entwicklung zwischen der Güterumgehungsbahn im Norden und der Kieler Straße in Süden sehr eindrucksvoll nachvollziehen. Die Stadt eroberte sich den Freiraum zur Autobahn über die Jahre „schleichend“ zurück. 

Bild 3: Stadt und Autobahn nähern sich wieder an (Quelle: Freie und Hansestadt Hamburg, Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung) 

2 Die Hamburger Deckel – jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört

„Jetzt sind wir in einer Situation, in der wieder zusammenwächst, was zusammengehört“ (Willy Brandt, 10. November 1989). 

Fast 40 Jahre nach der durchgehenden Verkehrsfreigabe der A 7 nördlich und südlich des Elbtunnels entstehen im Zuge der Schaffung von weiteren durchgehenden Fahrstreifen u. a. Ingenieurbauwerke, die die seinerzeitige städtebauliche Zäsur mit einer sehr hohen Trennwirkung an den zentralen Stellen der Stadtteile Schnelsen, Stellingen, Bahrenfeld und Othmarschen in weiten Abschnitten aufheben. Das Zitat „ Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört“ ist zwar historisch bereits belegt, wäre aber auch für den Hamburger Westen durchaus zutreffend.

2.1 Ausbau im Rahmen einer integrierten Stadt- und Autobahnplanung

Die Bundesverkehrswegeplanung 2003 sah im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen einen 8-streifigen Ausbau der A 7 bis zum Dreieck HH-Nordwest und eine nördlich anschließende 6-streifige Erweiterung vor. Die werktäglichen Verkehrszahlen waren mittlerweile nördlich der Kieler Straße von ca. 90.000 Kfz/d (1983) auf ca. 150.000 Kfz/d (2004) gestiegen. Heutige Prognosen gehen für das Jahr 2030 von 165.000 Kfz/d für diesen Abschnitt aus. Schnell jedoch war allen Beteiligten klar, dass der Ausbau einer vorhandenen Autobahn im Ballungsraum nur mit intensiven Umweltschutzauflagen und städtebaulichen Reparaturen einhergehen kann. Es entwickelte sich jedoch eine jahrelange Hängepartie. Der Auftragsverwaltung Hamburg war aufgrund der knappen Finanzmittel des Bundes und der laufenden Refinanzierung der 4. Elbtunnelröhre jahrelang eine Finanzierung eines Lärmschutzdeckels in Altona nicht möglich. Weiterhin war eine mögliche Beteiligung Hamburgs an der sogenannten Hafenpassage (A 26 zwischen A 7 und A 1) in der Diskussion. Unter diesen Randbedingungen lähmten sich die Planungen weiterhin gegenseitig. Im Jahr 2007 entschied sich die Hamburger Verwaltung, die bisherigen Planungen grundlegend zu überdenken. Grundlösungen mit 15 m hohen Lärmschutzwänden, ungeklärte finanzielle Aufgabenteilungen, Fragen der gestalterischen Integration in den Stadtraum riefen nach einer Neuausrichtung. Im selben Jahr wurde Hamburg als erstes westliches Bundesland Gesellschafter der Deutschen Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES). In enger Zusammenarbeit von Verkehrsplanung, Stadtentwicklung und Umweltbereich – zu der damaligen Zeit in einer Fachbehörde vereint, gelang es, ein ganzheitliches Konzept zu entwickeln, das sowohl die Leistungsfähigkeit der Autobahn wiederherstellt als auch Stadt, Umfeld- und Umfeldverträglichkeit gewährleistet. 

2.2 Die Detailplanung – modular und doch ganzheitlich

Auf Basis dieser Grundphilosophie hat Hamburg im Jahr 2007 die DEGES mit einer Machbarkeitsstudie zum Ausbau der A 7 unter besonderer Berücksichtigung der Lärmschutzanlagen beauftragt. Als zentrales Ergebnis musste festgestellt werden, dass folgende Grenzwertüberschreitungen der nächtlichen Lärmpegel vorliegen:

Othmarschen/Bahrenfeld: 4.402 Wohneinheiten bis zu 22 dB(A)

Stellingen: 4.731 Wohneinheiten bis zu 26 dB(A)

Schnelsen: 2.977 Wohneinheiten bis zu 26 dB(A).

Entwickelt werden sollte ein Gestaltungskonzept für sämtliche konstruktive Bauwerke, wie Lärmschutzwände unterschiedlicher Lage und Höhe, Portalbauwerke und querende Brücken. Auch dieses trägt zur verträglichen Integration der hochbelasteten Verkehrsader in den verdichteten Stadtraum bei (vgl. Bild 4). 

Bild 4: Elemente des modularen Lärmschutzkonzeptes A 7 (Quelle: DEGES 2008) 

Nach Abschluss der grundlegenden Studien und positiver Zustimmung des Bundes wurde die DEGES mit der Planung einschließlich Grunderwerb und der Baudurchführung (Bauvorbereitung und Bauüberwachung) der Erweiterung der A 7 beauftragt. Die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation nimmt in ihrer Funktion als Oberste Landesstraßenbaubehörde die Auftragsverwaltung der Bundesfernstraßen für den Bund wahr. Mit dem Ausbau der A 7 inkl. der ergänzenden Lärmschutzdeckel ist eine der komplexesten Tiefbaumaßnahmen seit 2014 baulich in die Wege geleitet. In Rekordzeit wurden vorab Planunterlagen, Kosten-, Zeit- und Finanzierungspläne aufgestellt und die Genehmigung der Entwurfs- und der Ausführungsplanung eingeholt. Bereits in den Jahren 2012 und 2013 ergingen für die Abschnitte Schnelsen und Stellingen die Planfeststellungsbeschlüsse. Ergänzend wurden die städtebaulichen und landschaftsplanerischen Verfahren und die damit verbundenen Planungen zur Nutzung der drei Deckelabschnitte von der nunmehr zuständigen Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) in enger Abstimmung mit den Bezirken Eimsbüttel und Altona eingeleitet.

Neben dem bedarfsgerechten Ausbau der A 7 zur Steigerung der Leistungsfähigkeit und der Verkehrssicherheit verfolgt der Hamburger Senat ergänzende städtebauliche Zielsetzungen. Der Ausbau der A 7 bietet eine einmalige Chance für die Stadtentwicklung im Hamburger Westen. In den Abschnitten Stellingen und Altona sind bereits aus Gründen des Lärmschutzes vom Bund zu finanzierende Tunnelanlagen erforderlich. Durch ergänzende, von Hamburg zu finanzierende Tunnelabschnitte in Schnelsen und Altona gibt es nur jetzt die Möglichkeit einer umfassenden Stadtreparatur in den von der A 7 durchschnittenen Quartieren und damit die Schaffung neuer Entwicklungspotenziale im Bereich des Wohnungsbaus. Diese Potenziale ergeben sich aus den Flächen, die künftig aufgrund der Deckelrealisierung nicht mehr verlärmt sind bzw. aus Bereichen, deren bisherige Nutzungen auf die Deckelbereiche verlagert werden können. 

Bild 5: Ausbau der A 7 in 3 Teilabschnitten 

Die insgesamt fast 12 km lange Ausbaustrecke in Hamburg wird in den folgenden drei Abschnitten realisiert (vgl. Bild 5):

Schnelsen: Landesgrenze Schleswig-Holstein bis Niendorfer Gehege, ca. 5,3 km

Nach Abstimmungen zwischen dem Bund und den Auftragsverwaltungen Hamburg und Schleswig-Holstein wird auf Basis einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für den Bau und Betrieb dieses Streckenabschnittes ein Verfügbarkeitsmodell als Öffentlich-Private-Partnerschaft (ÖPP) umgesetzt. Der private Auftragnehmer Via Solutions Nord erhält neben einer Anschubfinanzierung (Abschlagzahlungen während der Bauphase) ein laufendes Verfügbarkeitsentgelt. Letzteres ist abhängig von der Verfügbarkeit der Vertragsstrecke sowie vertraglich festgeschriebenen Qualitätskriterien. Das ÖPP-Projekt umfasst über den Planungsabschnitt Schnelsen hinaus auch einen Streckenabschnitt von rund 60 km auf dem Gebiet des Landes Schleswig-Holstein. Insgesamt erstreckt sich das ÖPP-Projekt somit auf eine Länge von rund 65 km vom Autobahndreieck Bordesholm bis südlich des Autobahndreieckes HH-Nordwest (Höhe Überführung Niendorfer Gehege).

Nach dem Baubeginn im September 2014 wird fast die komplette Ausbaustrecke bis Ende 2018 freigegeben. Seit Juni 2018 läuft der komplette Verkehr in der bereits fertiggestellten Weströhre des Schnelsentunnels im Gegenverkehrsbetrieb. Im Jahr 2019 wird auch die Oströhre unter Verkehr gehen (vgl. Bild 6). 

Bild 6: Abschnitt Schnelsen – von der Idee zur Teilfreigabe 

Stellingen: Überführung Niendorfer Gehege bis AS HH-Volkspark, ca. 3,2 km

Im Abschnitt Stellingen wird die vorhandene Autobahn von 6 auf 8 Fahrstreifen erweitert. Der Bereich umfasst unter anderem den Neubau des Lärmschutztunnels Stellingen sowie den Abbruch und Neubau der Autobahnbrücke über die DB-Anlagen in Langenfelde.

Der Bau startete im Juni 2014 mit dem Abbruch des östlichen Teils der Langenfelder Brücke. Als vorbereitende Maßnahmen wurden in den Jahren 2012 und 2013 bereits diverse Arbeiten durchgeführt (Neubau der Brücke Güterumgehungsbahn im Zuge der Querung der A 7, Leitungsbau im Stadtstraßennetz und Umgestaltung des Knotenpunktes Kieler Straße/Sportplatzring).

Mit dem Bau des Tunnels Stellingen wurde 2015 begonnen. Das Lärmschutzbauwerk ist ca. 890 m lang und ca. 50 m breit und wird insgesamt zehn Fahrstreifen zuzüglich der Seitenstreifen aufnehmen. Flankierend müssen 3,9 km Lärmschutzwände, 300 m Mittelwände und 1,1 km Lärmschutzwälle errichtet werden. 2,7 km lärmarme offenporige Fahrbahnoberfläche ergänzen den aktiven Schallschutz. Im Anschluss an den Straßen- und Tunnelbau erfolgt ab dem Jahr 2020 die Gestaltung der Tunneloberfläche mit dem Anlegen von öffentlichen Grünflächen und Kleingärten (vgl. Bild 7). 

Bild 7: Abschnitt Stellingen – von der Idee zum Bau 

Altona: AS HH-Othmarschen bis AS HH-Volkspark, 3,4 km

Für den Abschnitt im Bezirk Altona liegt der Vorentwurf für die Variante „Erforderlicher Lärmschutz“ vor. Diese gesetzlich erforderliche Grundlösung enthält einen Lärmschutztunnel rund um die Anschlussstelle HH-Bahrenfeld (ca. 730 m) und ist bereits vom Bund als Baulastträger genehmigt.

Darauf basierend hat Hamburg einen ergänzenden Entwurf „Optimaler Städtebau“ entwickelt, der die für die Stadtentwicklung maßgebenden Gesichtspunkte, wie Verbindung bestehender Grünzüge, Schaffung neuer Grünanlagen sowie Wiederherstellung der städtebaulichen Beziehungen zwischen den Stadtgebieten, einbezieht. Dieses wird durch eine Verlängerung des Lärmschutztunnels zulasten Hamburgs auf ca. 2.230 m erreicht.

Die Erfahrungen aus den Planungen in den Abschnitten Schnelsen und Stellingen sind eingearbeitet worden. Wichtige fachliche Abstimmungen u. a. bezüglich Luftschadstoffen, Wasserhaltung, Straßenplanung, Gesamtsicherheitskonzept, Lärmschutz, Verkehrsführung während der Bauzeit und Tunnelausstattung sind in das laufende Planfeststellungsverfahren eingeflossen.

Nach Abschluss der Arbeiten in Stellingen ist der Baubeginn in Altona ab 2020 vorgesehen. Intensiv koordiniert wird die Baustelle mit anderen geplanten Maßnahmen wie der Erneuerung und dem Ausbau der Hochstraße Elbmarsch südlich des Elbtunnels und dem Neubau der A 26 im Süderelberaum. Parallel wird die Tunnelleitzentrale zur Aufnahme der Steuerung und Überwachung der neuen Tunnelkette unter laufendem Betrieb umgebaut (vgl. Bild 8) 

Bild 8: Abschnitt Altona – Deckelplanung inkl. Elbtunnelleitzentrale 

2.3 Neuer Freiraum für Hamburg

Die gewählten Lärmschutzlösungen schaffen in den Bezirken Eimsbüttel und Altona wertvolle zusätzliche Flächen für die Stadtentwicklung. Hamburg hat bereits auf Basis erster Machbarkeitsstudien im Jahr 2009 beschlossen, über die für den Lärmschutz notwendigen Überdeckelungen der Autobahn in Altona und Stellingen hinaus weitere Lärmschutztunnel zu schaffen. In den Fällen, wo mehr als gesetzlich erforderlicher Lärmschutz realisiert wird, beteiligt sich Hamburg an der Finanzierung der Mehrkosten. In der Bilanz ergeben sich Kompensationen durch den Verkauf von städtischen Flächen, die durch die Verlagerung von Grünanlagen und Kleingärten auf die Autobahndeckel für die Entwicklung von Wohnungsbau frei werden. Dabei entstehen insgesamt ca. 27 ha Grünflächen für Freizeit und Erholung mit Fuß- und Radwegen, Parkanlagen und Kleingärten. In den Bezirken können Wohngebiete auf einer Fläche von ca. 60 ha geschaffen werden. Ein Beitrag, der die Hamburger Wohnungsbauoffensive umfassend mitträgt. Die „Deckel-Bebauungspläne“ schaffen so die Voraussetzung für die Errichtung von fast 4.000 neuen Wohnungen. 

Bild 9: Werben für den Neuen Freiraum in Hamburg (Quelle: BSW 2016) 

2.4 „Ohne Dach ist Krach“– Bürger planen mit

Bereits Anfang der Neunziger Jahre bilden sich Bürgerinitiativen, die insbesondere einen verbesserten Lärmschutz entlang der A 7 anmahnten. Nach dem sich in Othmarschen die Initiative „Ohne Dach ist Krach“ gefunden hatte, die mit Kleingärten auf dem Lärmschutztunnel Wohnungsbau auf freiwerdenden Flächen entwickeln wollte, bildete sich auch sofort die Gegeninitiative „Apfelbaum braucht Wurzelraum“, die befürchtete, auf einem Tunnel nicht ausreichend gärtnerisch tätig werden zu können.

So befördern und begleiten kreative und engagierte Bürgerinitiativen den Ausbau der A 7 seit Jahren. Ihr vorrangiges Ziel ist es, nicht den Ausbau der A 7 zu verhindern, sondern flankierend zum Ausbau ein Höchstmaß an Umfeld- und Umweltverträglichkeit zu initiieren. Auch ihrer Ausdauer und konstruktiven Diskussionskultur ist es zu verdanken, dass das Thema Lärmschutz und Autobahndeckel Legislaturperioden-übergreifend auf der Tagesordnung geblieben ist.

Im Zuge der Planungsverdichtung von Grundlagenuntersuchung, Machbarkeitsstudien über Entwurfsplanung und Planfeststellungsverfahren bis hin zur Bauvorbereitung und Durchführung wurden unterschiedlichste Beteiligungsformen durchlaufen. Durch die regelmäßige Information in großen Bürgerversammlungen auf Stadtteilebene bis hin zu Beteiligungsformen auf Ebene von Straßenabschnitten wurde versucht, ein gewisses Vertrauensverhältnis aufzubauen.

Insgesamt dient die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit darüber hinaus der regelmäßigen Information der Hamburger Öffentlichkeit über Daten und Fakten sowie die Vorteile des Projekts. Sie schafft Transparenz, weckt Verständnis und Akzeptanz auch für Einschränkungen während der Bauphasen. Zielgruppen sind dabei insbesondere Anwohner, Autofahrer, Wirtschafts- und Logistikverbände, die Hamburger Öffentlichkeit, Medien und Veranstalter im Umfeld. Zur speziellen Information in der Bauphase siehe auch Abschnitt 2.5.

Während der gesamten Planungs- und Bauzeit wird von Verkehrsplanern und Stadtentwicklern gemeinsam die Marke „Hamburger Deckel“ www.hamburg.de/a7-deckel/ entwickelt, kommuniziert und fortgeschrieben. Regelmäßig werden Newsletter, Broschüren und Flyer herausgebracht.

Bild 10: Verkehr und Stadtentwicklung – vereint im Internetauftritt Hamburger Deckel (Quelle: www.hamburg.de/a7-deckel/) 

Die Konzeptidee während der Bauphase basiert im Wesentlichen auf drei Säulen:

Baufirmen und Baubevollmächtigte des Bauherren vor Ort im unmittelbaren Baustellenbereich zur Abdeckung der Informationsbedürfnisse in der Nachbarschaft,

umfassende Internetpräsentation zur gesamthaften aktuellen Darstellung sämtlicher Planungen und Verkehrslagedarstellungen

Betrieb eines A 7-Info-Mobils entlang der gesamten Strecke auf Wochenmärkten, bei Stadtteilfesten, in Einkaufszentren und auf Messen, auf Abend- und Fortbildungsveranstaltungen mit aktuellen Daten, Fakten und Übersichten als eine bürgernahe persönliche Informationsquelle. 

2.5 Die Bauphase – Operation am offenen Herzen

Gemeinsam mit den relevanten Hamburger Fachdienststellen, den Gebietskörperschaften im Umland, Verbänden und Initiativen wurde im Vorfeld der Bauarbeiten an der A 7 ein Verkehrsleit- und Informationskonzept entwickelt, das klein- und großräumige Strategien zur Verkehrsleitung und –lenkung vorbereitet und umsetzt. Parallel wurde ein dynamisches Informationskonzept aufgestellt, das aktuelle Informationen an alle strategischen Partner, die Öffentlichkeit und die Verkehrsteilnehmer in allen Medien liefert. 

Bild 11: Säulen des Verkehrsleit- und Informationskonzeptes (Quelle: BWVI) 

Im Rahmen der Planfeststellungsverfahren sind bereits frühzeitig Verkehrsführungs- und -lenkungskonzepte in den jeweiligen Planungsabschnitten eingebracht worden, die einzelne Verkehrs- und Bauzustände beschreiben. Übergeordnetes Ziel ist es, die Verkehre weiterhin leistungsfähig und sicher auf der Autobahn A 7 auch in den jeweiligen Baustellenbereichen zu führen. Verkehrsverlagerungen können sich großräumig, durch zeitliche Entzerrung und eingeschränkt durch großräumige Umfahrungen im Stadtnetz ergeben. Letzteres ist aus Kapazitätsgründen nur eingeschränkt möglich und nicht durchgehend erwünscht.

In den Verkehrsleitstrategien werden vorhandene Leitzentralen von Polizei, Verkehrsunternehmen und Elbtunnel umfassend eingebunden, um sämtliche Bauszenarien zwischen 2013 und 2025 mit Bauabschnitten, Rampenrestriktionen, Baustellen im Stadtnetz und Umland etc. abbilden zu können. Entwickelt werden hierzu klein- und großräumige Strategien, die u. a. Prognosen, Simulationen, Alternativroutensteuerung einbeziehen.

Weiterhin wurde als wichtige flankierende Maßnahme ein Informationskonzept entwickelt, das sämtliche Verkehrsinformationen der Region bündelt und konzentriert zum Korridormanagement und zur Reiseinformation aufbereitet. Für intensive regionale Informationen ist insbesondere im Rahmen der Baustellenorganisation gesorgt, sodass Bewohner, Anlieger und Betroffene jederzeit direkte Ansprechpartner vor Ort haben.

Ein von Hamburg eingesetzter Verkehrskoordinator für den A 7-Ausbau hat ein Netzwerk von begleitenden Partnern geschaffen, in das u. a. ADAC, HVV, NDR, Verkehrsbetriebe, Kammern, Fachbehörden, Politik und Umlandvertreter einbezogen sind. Mit dem ehemaligen Staatsrat Gerhard Fuchs ist es gelungen, ein Bild des Kümmerers vor Ort zu entwickeln, das mit Kompetenz, Fingerspitzengefühl und viel Engagement Maßstäbe gesetzt hat. Sein Nachfolger, Christian Merl, führt das Geschäft mit einem erweiterten Auftrag erfolgreich fort. Die Idee, den mathematischen Simulationsergebnissen der Baustellenkoordinierung ein sympathisches menschliches Antlitz zu geben, hat bei allen Beteiligten, Betroffenen und Staugeplagten höchste Anerkennung erfahren.

Hamburg ist es somit insgesamt gelungen, mit den oben beschriebenen Maßnahmen die Lage im Straßennetz verträglich zu halten. Griffig, merkbar und nachvollziehbar sind die Grundlagen im sogenannten Fünf-Säulen-Konzept beschrieben:

leistungsfähige und sichere Führung des Verkehrs im Baustellenbereich,

im Einzelfall bedarfsgerechte groß- und kleinräumige Umleitungsstrategien,

Verkehrsverlagerung zu alternativen Verkehrsmitteln (ÖPNV, P+R, B+R, Radverkehr)

aktuelle valide Verkehrsinformationen im Rahmen einer umfassenden Informationspolitik und

Schaffung eines Verkehrskoordinators für den A 7-Ausbau.

Damit wurde ein Klima erreicht, dass die Mobilität im Hamburger Westen in den nächsten Jahren verträglich für den Nah- und Fernverkehr und die angrenzenden Stadträume gestaltet. Staus sind nicht vermeidbar, aber es wird informiert, erklärt und geworben. 

3 Eine Zwischenbilanz – Straßen verbinden, ohne zu trennen

Hamburg hat bereits frühzeitig nach dem 2. Weltkrieg in Aufbauplänen die wesentlichen Grundlagen für die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur gelegt. Neben dem massiven Ausbau des Schnellbahnnetzes wurden die Weichenstellungen für ein leistungsfähiges Fern- und Stadtstraßennetz gelegt. Auch unter Berücksichtigung des Achsenkonzeptes von Oberbaudirektor Fritz Schumacher aus den zwanziger Jahren, das ein Wachstum der Region im Wesentlichen entlang der radialen Achsen vorsah, war es z. B. mit der Nord-Süd-Magistrale A 7 unvermeidlich, Achsen und Achsenzwischenräume zu zerschneiden und damit gewachsene Funktionen zu trennen.

Die A 7 in Hamburg wurde in den sechziger Jahren als weiträumige „Westliche Umfahrung Hamburg“ mit Teilortsumgehungen in den weniger dicht besiedelten Außenbereichen der Stadt gebaut. Mittlerweile ist sie einerseits eine der meist belasteten Autobahnen der Republik geworden, andererseits hat sich die Stadt aufgrund der begrenzten Flächenressourcen kontinuierlich der Straße unmittelbar genähert. Die eigentlich unverträgliche Nähe wurde u. a. durch hohe Lärmschutzwände gemildert; die hohe Trennwirkung in Stadt- und Grünräumen jedoch konnte niemals überwunden werden.

Die vielleicht letzte Chance, die Belastungen nachhaltig zu mildern, bot das Ausbaukonzept des Bundesverkehrswegeplans 2003, das nördlich des Elbtunnels die Erweiterung um jeweils einen Fahrstreifen je Richtung vorsah. Die Auftragsverwaltung Hamburg hat gemeinsam mit dem Baulastträger Bund die Chance ergriffen, ab 2007 in einem modular aufgebauten Konzept passgenaue Lösungen für jeden Streckenabschnitt unterschiedlicher Typologie zu entwickeln. Hamburg hat mit hohen eigenen Finanzmitteln die Planungen erweitert und zusätzliche Lärmschutzanlagen mit dem Bund vereinbart. In einer sehr kurzen Planungszeit von ca. sechs Jahren wurden mit der Deutschen Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES), dem stadteigenen Landesbetrieb für Straßen, Brücken und Gewässer, Stadtentwicklungs- und Umweltbehörde, der Straßenverkehrsbehörde und weiteren Fachressorts die komplexen Planungen von Strecke und Bauwerken vorangetrieben, die Bürgerinnen und Bürger umfassend informiert und mitgenommen sowie die schwierigen Rechtsverfahren durchgeführt. In den Stadtteilen Schnelsen und Stellingen stehen die Bauarbeiten an der hochbelasteten Bestandsstrecke kurz vor dem Abschluss, im 3. Abschnitt Altona steht ein Planfeststellungsbeschluss unmittelbar bevor.

Bild 12: Erste Berichte vom neuen Lebensgefühl an der A 7 (Quelle: Hamburger Abendblatt, 28. Juli 2018)

Mit den drei sogenannten Hamburger Deckeln werden getrennte Stadtteile und ehemalige Parks wieder vereint, ein durchgehender Grünzug vom Volkspark zur Elbe geschaffen und, nicht ganz zu vergessen, ein Engpass im Fernstraßennetz beseitigt. Was mit Visionen begann, wurde im Rahmen eines ganzheitlichen integrierten Verkehrs-, Stadt- und Landschaftskonzept mittlerweile in Teilen bereits Wirklichkeit. Wer im 21. Jahrhundert Autobahnen in einer hochverdichteten Metropole aus- oder neu baut, muss das Projekt verträglich in den Stadt- und Landschaftsraum integrieren. Die A 7 in Hamburg wird zukünftig auf gesamter Länge eine der umfeldverträglichsten Schnellstraßen in Ballungsräumen sein.

Die Hamburger Deckel versöhnen so nach Jahrzehnten Stadt und Autobahn. 

Literaturverzeichnis

1 S i l l, O. (1960): Probleme des kommunalen Straßenbaus dargestellt am Beispiel Hamburg, Sonderdruck aus der Zeitschrift Bitumen, Heft 8/9, 1960

2 Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen, Köln, Tagung der Arbeitsgruppe Planung und Verkehr im September 1973 in Stuttgart

3 M a l d f e l d, K. (1965): Planung und Bau von Autobahnen in Hamburg – Sonderdruck aus Straße und Autobahn, Heft 2/1965

4 Architekten- und Ingenieurverein Hamburg e. V. (1984): Hamburg und seine Bauten 1969 – 1984, Christians Verlag, Hamburg

5 Freie und Hansestadt Hamburg, Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung (2016): Historische Karten 1: 5000 – Auswahl 10.10. 2016

6 DEGES (2008): Studie zu Immissionsschutz, Kosten und Gestaltung im Auftrag der Freien und Hansestadt Hamburg

7 Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, BSW (2016) Überdeckelung der A 7 – neuer Freiraum für Hamburg, Broschüre, Dezember 2016

8 F r a n k e, K. (2014): Ausbau der A 7 in Hamburg – alles gut bedacht; in Beratende Ingenieure VBI, Heft 1/2, 2014

9 Internet-Präsentation www.hamburg.de/a7-deckel/ 10 Hamburger Abendblatt, 28. Juli 2018