FGSV-Nr. FGSV 001/27
Ort Erfurt
Datum 12.09.2018
Titel Mobilitätspläne und Mobilitätsmanagement für eine nachhaltige Verkehrsentwicklung
Autoren Prof. Dr.-Ing. Volker Blees
Kategorien Kongress
Einleitung

Die aktuellen Probleme in den Feldern Umwelt und Klima, aber auch Gesellschaft erfordern eine stärkere und stringentere Orientierung der Verkehrsentwicklung an Nachhaltigkeitszielen. Dabei umfasst der Nachhaltigkeitsbegriff nicht allein die prägende ökologische Dimension, sondern uneingeschränkt auch ökonomische und soziale Aspekte. Mobilitätsmanagement ist ein Handlungsansatz, der angesichts der Erfordernisse eines nachhaltigeren Verkehrs unter dem Dach der integrierten Verkehrsplanung neben Infrastrukturplanung und -betrieb sowie Verkehrsmanagement zunehmend an Bedeutung gewinnt. Mobilitätsmanagement zeichnet sich insbesondere durch einen Fokus auf Mobilitätsverhalten und Verkehrsentstehung, durch einen Zielgruppenbezug, durch den Einsatz koordinierender, informatorischer, organisatorischer und beratender Maßnahmen und durch die Einbeziehung verschiedener Akteure über die Verkehrsplanung hinaus aus. Mit den aktuell erschienenen „Empfehlungen zur Anwendung von Mobilitätsmanagement“ (EAM, 2018) wird erstmals in der Regelwerksystematik der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen umfassend und systematisch das verkehrsplanerische Handlungsfeld des Mobilitätsmanagements behandelt. Grundlegender Wirkungsansatz des Mobilitätsmanagements ist es, Änderungen des Mobilitätsverhaltens mobiler Menschen zu initiieren und zu unterstützen. Ausgangspunkt ist dabei die Erkenntnis, dass Mobilitätsverhalten in starkem Maße von Alltagsroutinen geprägt sind. Mobilitätsmanagement erschließt dabei mit seinem verhaltensbezogenen Ansatz Lösungspotenziale verkehrlicher Probleme, die dem klassischen Repertoire infrastruktureller und betrieblicher Maßnahmen nicht zugänglich sind. Es lässt sich zudem gut mit weiteren gesellschaftlichen Handlungsfeldern wie Gesundheitsvorsorge, Bildung, Integration und Kultur verknüpfen und erzeugt auf diese Weise synergetische Wirkungen. Mobilitätsmanagement kann in verschiedensten Handlungsfeldern konkret eingesetzt werden. Dazu zählt das übergeordnete Kommunale Mobilitätsmanagement ebenso wie viele verschiedene Formen zielgruppenbezogenen Mobilitätsmanagements vom Betrieblichen über das Schulische bis hin zu Mobilitätsmanagement für Veranstaltungen. In organisatorischer Hinsicht besteht beim Mobilitätsmanagement die Besonderheit, dass Zusammenarbeit und Vernetzung verschiedener Akteure über institutionelle und fachliche Grenzen hinweg einen zentralen Erfolgsfaktor bilden. Ausgesprochen hilfreich ist daher das Vorhandensein einer koordinierenden Stelle. Trotz seines vielfachen Nutzens hat Mobilitätsmanagement mit einer Reihe von Herausforderungen zu kämpfen. Dazu zählen unter anderem die Aufgaben, ein klares, in der Praxis handhabbares und gegenüber politischen Akteuren kommunizierbares Profil von Mobilitätsmanagement zu etablieren, Mobilitätsmanagement dauerhaft organisatorisch und finanziell zu verankern sowie geeigneten Fachpersonen in Aus-, Fort- und Weiterbildung die notwendigen Kompetenzen und Qualifikationen zu vermitteln. Große Gestaltungs- und Lösungspotenziale können dem Mobilitätsmanagement zukünftig zukommen, wenn im Zuge sogenannter „Neuer Mobilitätsangebote“ wie „Mobility as a Service“ zunehmend privatwirtschaftliche Anbieter am Verkehrsmarkt auftreten und Einfluss auf Verkehrsmittelverfügbarkeiten und Erreichbarkeiten nehmen.

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1 Einleitung

Mobilität und Verkehr stellen ein Grundbedürfnis des Menschen dar und bilden eine zentrale Existenzgrundlage für Gesellschaft und Wirtschaft. Ebenso wie andere Lebensbereiche entwickeln sie sich aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse, technologischer Neuerungen sowie auch gesellschaftlicher Veränderungen ständig weiter. Diese Weiterentwicklung war lange Zeit in erster Linie von einem quantitativen Wachstum des Verkehrsaufwandes geprägt, der sich in einer Zunahme der zurückgelegten Personen- und Tonnenkilometer ausdrückt. Neuere, zumindest in der Fachwelt mittlerweile etablierte wissenschaftliche Erkenntnisse, etwa zum Klimawandel, zu den Gesundheitsfolgen des Verkehrs oder zu den Erfolgsfaktoren urbanen Lebens, rücken dagegen das Leitbild eines nachhaltigen Verkehrs in den Vordergrund. Komprimiert in Schlagworten wie „Mehr Mobilität, weniger Verkehr“ wird dabei eine qualitative Entwicklung in den Blick genommen, bei der Verkehr kein Selbstzweck ist, sondern eine dienende Funktion für Teilhabe, Kontakt und Austausch, kurz: für Mobilität hat.

Wenngleich sich über die Jahrzehnte hinweg in großen Teilen von Gesellschaft, Politik und Medien das traditionelle, quantitativ geprägte Bild von Ziel und Richtung der Verkehrsentwicklung tief verfestigt hat, ist doch allerorten und aus verschiedensten Kreisen die Forderung nach einer „Verkehrswende“ im Sinne der vorgenannten nachhaltigeren Verkehrsentwicklung zu vernehmen. Einen wesentlichen Treiber bilden dabei auch die Prozesse der Digitalisierung, die vor allem notwendig erscheinen, um die Verkehrswende nicht auf eine Energiewende zu verkürzen, bei der – unter Beibehaltung aller übrigen negativen Folgen konventionellen Verkehrs – lediglich fossile durch erneuerbare Antriebe ersetzt werden, sondern um auch eine Mobilitätswende anzustoßen, die mit einer Änderung des Mobilitätsverhaltens zugunsten nachhaltigerer Fortbewegungsformen einhergeht.

Aus fachlicher Sicht der Verkehrsplanung stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, welche Handlungsansätze für eine Verkehrsentwicklung, die sich an Nachhaltigkeitszielen orientiert, verfolgt werden sollen, welche planerischen Instrumente hierfür zur Verfügung stehen und von welchen Akteuren sie wie eingesetzt werden können. Zu den erfolgversprechenden möglichen Antworten auf diese Fragen gehört der strategische Ansatz des sogenannten Mobilitätsmanagements, das sich seit Jahren zunehmend auch in der Landschaft der Verkehrssystemgestaltung in Deutschland etabliert. Knapp 20 Jahre nach den ersten Anläufen hat Mobilitätsmanagement mit der Veröffentlichung der „Empfehlungen zur Anwendung von Mobilitätsmanagement“ (EAM) (Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, 2018) nun auch einen sachgerechten Platz im Regelwerk der FGSV erhalten.

Der vorliegende Beitrag skizziert zunächst im Sinne der notwendigen Zielorientierung jeglichen Planungsprozesses die Anforderungen an eine nachhaltige Verkehrsentwicklung (Abschnitt 2). Anschließend widmet er sich auf Basis der EAM einer Begriffsbestimmung von Mobilitätsmanagement und einer Einordnung in den Instrumentarienreigen der Verkehrsplanung (Abschnitt 3) und geht dann auf Handlungsfelder (Abschnitt 4) sowie auf Akteure und Organisation (Abschnitt 5) ein. Den Abschluss bilden ein kritischer Blick auf die – vielfach noch nicht erfüllten – Erfolgsbedingungen von Mobilitätsmanagement (Abschnitt 6) sowie ein Ausblick auf seine möglichen Lösungsbeiträge bei den Herausforderungen, die mit den Ansätzen der sogenannten „Neuen Mobilität“ einhergehen (Abschnitt 7). 

2 Anforderungen an eine nachhaltige Verkehrsentwicklung

Der Nachhaltigkeitsbegriff ist in der Öffentlichkeit eng mit dem Begriff der Ökologie verknüpft. Tatsächlich hängen etliche drängende und akute, vom Verkehr mitverursachte Probleme mit ökologischen Fragestellungen zusammen:

Klimaschutz: Hier gilt der Verkehr mit einem Anteil von rund 95 % an den Treibhausgasemissionen seit Jahren als Problemfall. Anders als in den übrigen Energieverbrauchssektoren sind im Verkehr keine Rückgänge der Treibhausgasemissionen zu verzeichnen, bestenfalls eine Stagnation.

Luftreinhaltung: Anlässlich von „Dieselgate“ ist das Thema Luftqualität aktuell omnipräsent. Die öffentliche Debatte um Grenzwerte und Maßnahmen zu ihrer Einhaltung zeigt jedoch auch, wie begrenzt der Lösungsraum für kurzfristige Maßnahmen erscheint bzw. dass wirksame Lösungen das bisherige Verkehrssystem sehr grundsätzlich in Frage stellen.

Lärmminderung: Trotz verbindlicher Regelungen genießt das Thema Lärm in Öffentlichkeit und praktischer Verkehrspolitik nur vergleichsweise geringe Aufmerksamkeit. Straßenverkehrslärm in gesundheitsschädlichem Maß ist jedoch ein Problem in praktisch allen Städten.

Reduzierung der Flächeninanspruchnahme: Der aktuelle Flächenverbrauch von über 60 Hektar pro Tag, wovon allein auf Verkehrsflächen im langjährigen Mittel rund 20 Hektar entfallen, ist weit entfernt vom 30-Hektar-Ziel der Bundesregierung für 2020.

Ressourcenschonung: Derzeit entfallen 98 % des Endenergieverbrauchs im Verkehr auf fossile Energieträger, doch auch die für Elektromobilität unverzichtbaren Seltenen Erden sind endlich.

Die vorgenannten Beispiele weisen bereits über die ökologische Dimension von Nachhaltigkeit hinaus: beim Thema Ressourcenschonung geht es klar auch um ökonomische Fragestellungen, die Themen Luftreinhaltung und Lärmminderung haben aufgrund der mit ihnen verbundenen Gesundheitsschädigungen eine bedeutsame soziale Dimension. Eine an Nachhaltigkeitszielen orientierte Verkehrsentwicklung muss daher neben den mittlerweile vielfach mit Grenz- und Zielwerten belegten ökologischen Faktoren auch ökonomische und soziale Aspekte berücksichtigen, für die analoge quantitative Zielgrößen meist noch fehlen.

Im Bereich der ökonomischen Nachhaltigkeit ist das Augenmerk auf die Frage zu richten, ob und inwieweit die Trägerschaft von Kosten und Nutzen des Verkehrs adäquat verteilt ist und ob eine hinreichende Kostentransparenz und Kostenwahrheit gegeben ist, um Fehlallokationen bei verkehrsrelevanten Entscheidungen von der Standortwahl bis zu jeder einzelnen täglichen Verkehrsmittelwahl zu vermeiden.

Im Bereich der sozialen Nachhaltigkeit spielt die Sicherheit eine zentrale Rolle, aber auch die Frage der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben („soziale Exklusion“) und – wiederum verknüpft mit ökologischen Aspekten – der Qualität von Wohnumfeld und Aufenthalt im öffentlichen Raum. Während das Thema Verkehrssicherheit derzeit – vor allem als Argument für automatisiertes Fahren – wieder an Bedeutung gewinnt und mit quantitativen Zielen hinterlegt wird und sich Barrierefreiheit als Leitbild für die Überwindung physischer Mobilitätsschranken zusehends etabliert, wird sozial bedingten Ungleichheiten der Mobilitätsteilhabe noch wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

Eine nachhaltige Verkehrsentwicklung muss ökologische, ökonomische und soziale Ziele gleichermaßen verfolgen. Diese Aufgabe ist ausgesprochen komplex. Die Praxis zeigt, dass der klassische verkehrsplanerische Handlungsansatz des Ausbaus bzw. der Gestaltung von Verkehrsinfrastruktur und auch der jüngere Ansatz des Verkehrsmanagements allein nicht mehr ausreichen, um die im Verkehr bestehenden und die vom Verkehr ausgelösten Probleme wirksam zu bewältigen. Vielmehr erscheint neben der Weiterentwicklung des Verkehrssystems in technischer und infrastruktureller Hinsicht auch eine Weiterentwicklung der Mobilitätskultur insgesamt erforderlich. 

3 Mobilitätsmanagement als Instrument der Verkehrssystemgestaltung

Als Ursprung des Mobilitätsmanagements kann das US-amerikanische „Transport Demand Management“ (TDM) angesehen werden. Durch die Ölkrise Anfang der 1970er-Jahre entstand kurzfristig die Notwendigkeit, den Mineralölverbrauch drastisch zu reduzieren und zugleich notwendige Verkehre aufrecht zu erhalten. Dieses Ziel war mit den klassischen Instrumenten der Verkehrsplanung – infrastrukturellen und betrieblichen Maßnahmen – nicht zu erreichen, sondern erforderte Verhaltensänderungen bei den Verkehrsteilnehmern. Um die Bildung von Fahrgemeinschaften auf dem Arbeitsweg zu fördern, wurden mit Erfolg gezielte Öffentlichkeitskampagnen durchgeführt, Anreize gesetzt, Services angeboten und auch mit Restriktionen gearbeitet.

Seit den 1990er-Jahren wird dieser Ansatz unter dem Begriff „mobility management“ oder „Mobilitätsmanagement“ zunehmend auch in Europa verfolgt und umgesetzt. Hintergrund ist die Erfahrung, dass die vom Verkehr verursachten und die für den Verkehr bestehenden Probleme mit infrastrukturellen und betrieblichen Maßnahmen allein nicht zu bewältigen sind. Der über Jahrzehnte verfolgte Ausbau der Verkehrsinfrastruktur stieß und stößt zunehmend an Grenzen der räumlichen Verträglichkeit, der gesellschaftlichen Akzeptanz und der finanziellen Leistungsfähigkeit der öffentlichen Hand. Die betrieblichen Maßnahmen des Verkehrsmanagements, die ebenfalls seit den 1990er-Jahren zunehmend eingesetzt werden, tragen zwar erfolgreich zur Lösung von Verkehrsproblemen bei, haben aber mit ihrem Fokus auf die Optimierung verkehrlicher Abläufe nur einen begrenzten Wirkungsbereich. Auf diese Grenzen der bestehenden Ansätze reagiert Mobilitätsmanagement, indem es die Beeinflussung der Nachfrage nach Ortsveränderungen, also des Mobilitätsverhaltens, als Ausgangspunkt nimmt.

Die FGSV definiert den Begriff wie folgt: „Mobilitätsmanagement ist die zielorientierte und zielgruppenspezifische Beeinflussung des Mobilitätsverhaltens mit koordinierenden, informatorischen, organisatorischen und beratenden Maßnahmen, in der Regel unter Einbeziehung weiterer Akteure über die Verkehrsplanung hinaus“ (FGSV 2018).

Mobilitätsmanagement zeichnet sich mithin durch folgende konstitutive Eigenschaften aus:

Zielorientierung

Wie jegliche Verkehrsplanung dient Mobilitätsmanagement dazu, gegebene, meist verkehrspolitische Ziele zu erreichen. Mobilitätsmanagement ist nicht an bestimmte Ziele gebunden. In der Praxis wird es aufgrund der vorherrschenden durch und im Verkehr bestehenden Probleme meist mit dem Ziel eines nachhaltigeren Verkehrs bzw. der Reduzierung des Kfz-Verkehrs eingesetzt. Mobilitätsmanagement adressiert häufig auch nicht-verkehrliche Ziele wie Bewegungsförderung oder Gesundheitsschutz.

Bezug auf Zielgruppen

Mobilitätsmanagement richtet sich an Zielgruppen, die hinsichtlich ihres Mobilitätsverhaltens bzw. deren Rahmenbedingungen Ähnlichkeiten aufweisen. Solche Zielgruppen können durch Zugehörigkeit von Personen zu einer räumlichen Einheit (z. B. Bewohner eines Quartiers), zu einer soziodemographischen Gruppe (z. B. Senioren), zu einer Lebenssituation (z. B. Umzug) oder zu einer verkehrserzeugenden Einrichtung (z. B. Mitarbeitende in einem Unternehmen, Schüler einer Schule) abgegrenzt sein.

– Fokus auf Mobilitätsverhalten und Verkehrsentstehung

Mobilitätsmanagement nähert sich der Lösung von Problemen in den Bereichen Mobilität und Verkehr stets aus dem Blickwinkel der individuell bestimmenden Faktoren des Mobilitätsverhaltens (z. B. der Verkehrsmittelwahl) bzw. der Ursachen von Verkehr (z. B. räumliche Verteilung von Wohnen, Arbeiten, Versorgung). Es erweitert so die klassische Perspektive der Verkehrsplanung, bei der aggregierte und kollektive Faktoren wie Reisezeiten und Kosten im Mittelpunkt stehen, um die Erkenntnis, dass Mobilitätsverhalten stark auch von individuellen Präferenzen, Gewohnheiten, Möglichkeiten und Informationsständen geprägt ist, deren Beeinflussung spezifischer Maßnahmen, Konzepte und Strategien bedarf.

– Arbeit mit integrierten Maßnahmenbündeln

Mobilitätsmanagement arbeitet im Sinne der modernen Verkehrsentwicklungsplanung stets integriert unter Einbeziehung der verschiedenen Verkehrsmittel, Planungsräume, Planungsebenen usw. Mobilitätsmanagement nutzt in der Regel koordinierende, informatorische, organisatorische und beratende Maßnahmen (häufig als „weiche Maßnahmen“ bezeichnet). Anders als lange Zeit vermittelt, beschränkt es sich aber nicht auf diese, sondern bezieht zielorientiert normative, monetäre und infrastrukturelle Maßnahmen – also auch sogenannte „harte Maßnahmen“ – ein und gibt damit Impulse für die gesamte integrierte Verkehrsplanung.

Koordinierung, Zusammenarbeit verschiedener Akteure

Mobilitätsmanagement erfordert in der Regel die intensive Zusammenarbeit verschiedener Akteure aus öffentlicher Verwaltung, Verkehrsunternehmen und Anbietern von Verkehrsdienstleistungen sowie Verbänden. Kennzeichnend ist häufig die Einbeziehung von verkehrserzeugenden Einrichtungen (Verkehrserzeugern) wie Unternehmen, Schulen oder Veranstaltungsorten.

Eine zentrale und tragende Rolle kommt der Kommune zu. Grundsätzlich kann Mobilitätsmanagement aber auch ohne Beteiligung der öffentlichen Hand bei einem Verkehrserzeuger zur Anwendung kommen.

Kontinuität und Prozesscharakter

Mobilitätsmanagement ist eine prozesshaft angelegte Daueraufgabe, deren Maßnahmen kontinuierlich evaluiert und weiterentwickelt werden.

Eine Einordnung des Mobilitätsmanagements in die gesamte Verkehrsplanung lässt sich wie folgt vornehmen (Bild 1): Mobilitätsmanagement bildet neben Infrastrukturplanung und -betrieb sowie Verkehrsmanagement unter dem Dach der integrierten Verkehrsplanung die dritte wesentliche instrumentelle Säule bei der Gestaltung von Verkehrssystemen. 

Bild 1: Einordnung des Mobilitätsmanagements 

Es ergänzt und bereichert dabei die etablierten Handlungsansätze von Infrastrukturplanung bzw. -betrieb und Verkehrsmanagement. Mit diesen ist es zugleich untrennbar verbunden, indem es beispielsweise Anstöße zu Infrastrukturplanungen gibt oder Impulse aus dem Verkehrsmanagement aufnimmt. Darüber hinaus nimmt Mobilitätsmanagement die Koordination mit außerverkehrlichen Handlungsfeldern wie dem Schul- und Bildungswesen oder der Sozial- und Gesundheitsvorsorge vor, bei denen enge Wechselwirkungen zu Mobilität und Verkehr bestehen. Mobilitätsmanagement bildet so einen unverzichtbaren Baustein zur Bewältigung der Herausforderungen in den Bereichen Mobilität und Verkehr.

4 Handlungsfelder von Mobilitätsmanagement und Mobilitätsplänen

Mobilitätsmanagement kann auf unterschiedlichen Ebenen und in verschiedenen Kontexten Anwendung finden. Generell ist zu unterscheiden zwischen der übergeordneten, strategisch ausgerichteten Ebene des kommunalen Mobilitätsmanagements und der nachgeordneten, eher operativen Ebene des Mobilitätsmanagements für einzelne Zielgruppen. 

4.1 Kommunales Mobilitätsmanagement

Unter kommunalem Mobilitätsmanagement wird die Gesamtheit der systematischen Mobilitätsmanagement-Aktivitäten einer Kommune (einschließlich Landkreisen und regionalen Institutionen) verstanden. Es bildet den Rahmen des gesamten Mobilitätsmanagements und ist fördernder Faktor, vielfach auch Voraussetzung für Einzelprojekte in den operativen Handlungsfeldern des zielgruppenbezogenen Mobilitätsmanagements. Auch bei größeren verkehrserzeugenden Einrichtungen wie z. B. Großunternehmen, die umfassende Maßnahmenbündel im Bereich Verkehr und Mobilität verfolgen, ist eine solche strategische Ebene als Rahmen für Einzelaktivitäten sinnvoll.

Das kommunale Mobilitätsmanagement hat die Aufgabe, das Planen und Handeln der für Mobilität und Verkehr relevanten Fachstellen der Kommunalverwaltung zu koordinieren und auf die verkehrspolitischen Ziele – meist in Richtung eines nachhaltigeren Verkehrs – auszurichten. Dies erfordert einen strukturierten, kontinuierlichen und fachbereichsübergreifenden Abstimmungs- und Entscheidungsprozess, in dem Maßnahmen aus den Bereichen der Verkehrsplanung, des Bau- und Planungsrechts, der Informations- und Kommunikationstechnologie, der Öffentlichkeitsarbeit, des Bürgerdialogs und des Dialogmarketings an Hand einer Gesamtstrategie (kommunales Mobilitätsmanagementkonzept) zusammengeführt und realisiert werden. Für die Umsetzung, Begleitung, Evaluation und Weiterentwicklung der Mobilitätsmanagement-Strategie ist die Benennung einer koordinierenden Instanz innerhalb der Fachverwaltung empfehlenswert.

Auf dieser übergeordneten Ebene wird in Gestalt eines strategischen Mobilitätsplans der mittel- bis langfristige Rahmen für das Mobilitätsmanagement insgesamt sowie für einzelne Mobilitätsmanagement-Aktivitäten der operativen Ebene gesetzt. Insbesondere soll in einem solchen kommunalen Mobilitätsmanagement-Konzept bzw. Mobilitätsplan definiert werden,

welche Ziele mit dem Mobilitätsmanagement verfolgt/erreicht werden sollen,

welche zielgruppenbezogenen Handlungsfelder des Mobilitätsmanagements umgesetzt werden sollen,

welche konkreten Einzelaktivitäten dafür vorgesehen sind,

wer die Federführung für die einzelnen Handlungsfelder innehaben soll, welche weiteren Akteure einbezogen werden sollen und in welcher Organisationsstruktur gearbeitet werden soll,

welche personellen, finanziellen und instrumentellen Ressourcen dafür erforderlich sind.

Ein kommunales Mobilitätsmanagement-Konzept kann als eigenständiger Plan stehen, vergleichbar mit einem sektoralen Verkehrskonzept (z. B. Radverkehrskonzept). Um die Integration in die gesamte Verkehrssystemgestaltung und die Stimmigkeit mit anderen kommunalen Handlungsfeldern sicherzustellen, ist jedoch ihre Einbettung in einen Verkehrsentwicklungsplan oder Sustainable Urban Mobility Plan (SUMP) sowie in weiteren Planwerken mit Mobilitäts- und Verkehrsbezug (Nahverkehrsplan, Luftreinhalteplan, Lärmminderungsplan, …) zu empfehlen.

Ein Mobilitätsmanagement-Konzept sollte als Inhalte die Beschreibung der Handlungsfelder der operativen Ebene umfassen, die in der Kommune angepackt werden sollen (z. B. Betriebliches Mobilitätsmanagement, Schulisches Mobilitätsmanagement) sowie die Darstellung der übergreifenden Instrumente, die – wie etwa eine „Dachmarke“ für Verkehrsangebote, -dienstleistungen und -informationen, allgemeine Informationen zu Verkehrsangeboten sowie allgemeines Mobilitätsmarketing und Mobilitätskampagnen – unabhängig von konkreten Zielgruppen genutzt werden können. Weitere wesentliche Inhalte sind die Benennung einer koordinierenden Stelle sowie die Benennung von weiteren Organisationseinheiten, die in den einzelnen operativen Handlungsfeldern des Mobilitätsmanagements involviert sind; dazu können auch „verkehrsferne“ Organisationseinheiten gehören wie z. B. die Wirtschaftsförderung mit Aufgaben im Betrieblichen Mobilitätsmanagement, das Schulamt mit Aufgaben im Schulischen Mobilitätsmanagement oder das Bauplanungsamt und das Bauaufsichtsamt mit Aufgaben im Mobilitätsmanagement in der Stadtplanung. Letztlich sind auch Aussagen zur Ausstattung mit personellen, finanziellen und sächlichen Ressourcen zu treffen – aus vorliegenden Erfahrungen sollte eine kontinuierliche Finanzierung in einer Größenordnung von 1 bis 4 Euro pro Einwohner und Jahr gesichert sein – und die Prozesse bezüglich Form und Rahmen des regelmäßigen Austauschs der beteiligten Akteure sollten definiert sein. 

4.2 Mobilitätsmanagement für einzelne Zielgruppen

Das Mobilitätsmanagement für einzelne Zielgruppen bildet als operative Ebene den praktischen Kern des Mobilitätsmanagements. In den EAM (FGSV, 2018) werden neun zielgruppenbezogene Handlungsfelder erläutert, die in der Praxis bisher vorkommen und zum Teil bereits größere Verbreitung gefunden haben. Bei einigen (z. B. Betriebliches Mobilitätsmanagement) haben sich bereits stabile und erfolgreiche Prozesse herausgebildet, andere (z. B. Mobilitätsmanagement in der Stadtplanung) sind erkennbar noch in Entwicklung. Darüber hinaus sind Mobilitätsmanagement-Aktivitäten auch für weitere Zielgruppen denkbar, die bisher noch keine Berücksichtigung gefunden haben; diese können analog zu den aufgeführten Handlungsfeldern gestaltet und umgesetzt werden.

Für die Aktivitäten des zielgruppenbezogenen Mobilitätsmanagements ist ein übergeordnetes kommunales Mobilitätsmanagement-Konzept hilfreich. Es sichert die Einbettung der einzelnen Aktivitäten in ein schlüssiges Gesamtkonzept, erleichtert die Koordination verschiedener Maßnahmen und Aktivitäten untereinander und verbessert die Wahrnehmung auch in politischen Entscheidungsprozessen. Das Fehlen eines übergeordneten Konzepts steht aber eigenständigen Mobilitätsmanagement-Aktivitäten auf der operativen Ebene nicht entgegen: auch ohne übergeordneten Rahmen können beispielsweise Beratungs- und Serviceleistungen oder Verkehrsinfrastrukturen für bestimmte Zielgruppen erfolgreich und fruchtbar sein.

Charakteristisch für die operative Ebene des zielgruppenbezogenen Mobilitätsmanagements sind folgende Eigenschaften:

Ausrichtung auf eine bestimmte Zielgruppe

Die Zielgruppen können über eine räumliche („Quartier“) bzw. institutionelle Abgrenzung (z. B. „Personen, die ein bestimmtes Unternehmen, eine Schule, eine Freizeiteinrichtung aufsuchen“) definiert sein oder über ihre soziodemographischen Eigenschaften (z. B. Kinder und Jugendliche, junge Familien, Neubürger). Die Zielgruppe ist namensgebend für das jeweilige Handlungsfeld: Betriebliches Mobilitätsmanagement richtet sich an Betriebe und Behörden, Mobilitätsmanagement für Neubürger an Neubürger usw.

Zielgruppenspezifische Informationen und Angebote

Es werden zu den Bedürfnissen der Zielgruppe passende Informations-, Beratungs- oder Schnupper-Angebote, aber auch Verkehrsangebote, Mobilitätsservices, passende Tarife und – Hand in Hand mit der Infrastrukturplanung – Verkehrsinfrastrukturen entwickelt.

– Kontinuierliche Aktivität

Die Beratungs- und Serviceangebote der operativen Ebene laufen kontinuierlich über einen längeren Zeitraum. So können beispielsweise Programme zur Beratung im betrieblichen Mobilitätsmanagement auf mehrere Jahre angelegt werden. Auch Neubürgerberatungen sind in der Regel als dauerhaftes Angebot konzipiert.

Offene Akteurslandschaft

Das operative Mobilitätsmanagement ist nicht an bestimmte, z. B. öffentliche, Akteure gebunden. Vielmehr können je nach konkreter Mobilitätsmanagement-Aktivität unterschiedliche Akteure die Federführung innehaben oder beteiligt sein. Da häufig Belange öffentlicher Straßen und Verkehrsangebote berührt sind, empfiehlt sich in jedem Fall die Beteiligung der kommunalen Fachverwaltung.

Eine weitere charakteristische Eigenschaft der operativen Ebene ist die Integration der Zielgruppe in den Mobilitätsmanagement-Prozess. Dabei ist zwischen zwei Typen von Zielgruppen zu unterscheiden:

Handelt es sich um eine räumlich bzw. institutionell gefasste Zielgruppe, beispielsweise ein Unternehmen, so ist es zwingend erforderlich, dass die Institution aktiv an dem Mobilitätsmanagement-Prozess teilnimmt. In aller Regel ist zunächst eine Analyse des Verkehrsangebots vor Ort sowie des Mobilitätsverhaltens der Zielgruppe – hier beispielsweise der Beschäftigten auf ihren Arbeitswegen – erforderlich. Darauf baut dann die Erarbeitung eines raum- bzw. institutionsbezogenen Maßnahmenkonzepts, des „Mobilitätsplans“, auf, das in der Folgezeit durch die Institution umgesetzt wird. Prozess und Ergebnis kann man sich als „institutionsbezogene Verkehrsentwicklungsplanung“ vorstellen.

Handelt es sich um eine soziodemographisch oder situativ gefasste Zielgruppe, beispielsweise Neubürger bzw. Senioren, so sollte eine Institution einbezogen werden, die in Kontakt zu dieser Zielgruppe steht; in den genannten Beispielen können das die Einwohnermeldebehörde bzw. Einrichtungen der Seniorenhilfe sein. Für die Zielgruppe sollten prototypisch deren Mobilitäts-Rahmenbedingungen (Bedürfnisse/Nachfrage und Angebot) analysiert werden. Darauf aufbauend sollten geeignete Beratungs- und Serviceleistungen entwickelt werden, die dann kontinuierlich und dauerhaft zum Einsatz kommen. In den Beispielen können dies gezielte Informationen und Anreize für Neubürger bzw. Kurse zur ÖPNV-Nutzung für Senioren sein. 

5 Akteure und Organisation

Mobilitätsmanagement benötigt, um wirksam und erfolgreich sein zu können, Akteure, die es tragen und umsetzen. Während bei Straßenplanung, -bau und -betrieb oder bei der Gestaltung des ÖPNV die Akteure und ihre Aufgaben durch Gesetze und andere Rechtsnormen bestimmt sind, gibt es beim Mobilitätsmanagement ganz unterschiedliche Akteurskonstellationen. Welche Akteure im konkreten Fall erforderlich bzw. wünschenswert sind und welche Aufgaben ihnen zukommen, hängt von der jeweiligen Situation vor Ort und von den zu bearbeitenden Handlungsfeldern ab.

Im Vergleich zur klassischen Verkehrsplanung und Verkehrssystemgestaltung zeichnet sich Mobilitätsmanagement hinsichtlich der Akteure durch folgende Eigenschaften aus:

Es gibt eine Vielzahl von (potenziellen) Akteuren aus unterschiedlichen Bereichen (öffentlich/nicht-öffentlich, Verkehrsbranche/andere Branchen, …).

Private Akteure und Institutionen (z. B. verkehrserzeugende Einrichtungen, Anbieter von Verkehrsdienstleistungen, Interessenverbände/Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Verkehrsinitiativen) haben eine vergleichsweise große Bedeutung.

Die Zusammenarbeit und Vernetzung der verschiedenen Akteure bildet einen wesentlichen Erfolgsfaktor.

Die im Mobilitätsmanagement auftretenden Akteure lassen sich in vier Gruppen unterscheiden, denen jeweils spezifische Aufgaben und Rollen zukommen:

Akteure der öffentlichen Hand sind insbesondere Behörden und Einrichtungen auf allen staatlichen Ebenen (Bund, Länder, Städte, Kreise, Gemeinden). Neben den öffentlichen Verwaltungen zählen dazu beispielsweise auch ÖPNV-Aufgabenträgerorganisationen oder regionale Institutionen in öffentlicher Trägerschaft (z. B. regionale Planungsverbände oder Tourismusverbände).

Ihnen kommt im Mobilitätsmanagement in der Regel eine tragende Rolle zu, indem sie als Träger des strategischen, kommunalen Mobilitätsmanagements (Abschnitt 4.1) auftreten oder operatives, zielgruppenbezogenes Mobilitätsmanagement (Abschnitt 4.2) betreiben.

In die Gruppe der privatwirtschaftlichen Verkehrsdienstleister fällt eine große Bandbreite von Akteuren, die mobilitätsbezogene Leistungen kommerziell anbieten. Zu nennen sind beispielsweise ÖPNV-Verkehrsunternehmen, Anbieter von CarSharing und Fahrradvermietsystemen sowie Beratungsunternehmen und Planungsbüros. In einem weiten Begriffsverständnis gehören auch Institutionen wie Krankenversicherungen und Gesetzliche Unfallversicherungsträger zu dieser Gruppe: zwar gehören mobilitätsbezogene Angebote und Dienstleistungen nicht zu ihrem Kerngeschäft, doch haben sie Interesse an einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung und bringen sich mit eigenen Angeboten in Mobilitätsmanagement-Aktivitäten z. B. in der Unfallprävention ein.

Privatwirtschaftliche Verkehrsdienstleister bringen ihre jeweiligen Angebote und Dienstleistungen vorrangig auf operativer Ebene in Mobilitätsmanagement-Aktivitäten ein. Beispiele sind Neubürgerberatungen, die von Verkehrsunternehmen angeboten werden, Konzepte für effiziente Fuhrparks, wie sie von CarSharing-Anbietern in betriebliche Mobilitätsmanagement-Konzepte eingebracht werden oder auch Gesundheitskampagnen, mit denen Krankenversicherungen, gesetzliche Unfallversicherungsträger und Berufsgenossenschaften im Sinne der Bewegungsförderung für das Zufußgehen und Radfahren werben.

Zu Verbänden und NGOs zählen Akteure, die sich – z. T. auf nichtkommerzieller, ehrenamtlicher Basis – für bestimmte Interessen einsetzen. Dies sind sowohl größere, bundesweit tätige Institutionen wie Verkehrsclubs, Vertretungen bestimmter Verkehrsteilnehmergruppen sowie Industrie- und Handelskammern und vergleichbare Verbände, als auch lokal tätige Initiativen und Vereine.

Ähnlich wie die privatwirtschaftlichen Verkehrsdienstleister steuern Verbände und NGOs einzelne, konkrete Angebote aus ihrem Portfolio zu Mobilitätsmanagement-Aktivitäten der operativen Ebene bei. So engagiert sich beispielsweise eine Reihe von Verbänden wie der ADFC, der VCD, der FUSS e. V., der DVR oder die Verkehrswachten vor Ort in Projekten bei der Förderung einer sicheren Fuß- und Fahrradmobilität von Kindern und Jugendlichen.

Verkehrserzeuger schließlich sind Einrichtungen, die Verkehr auslösen und erzeugen. Dazu gehören beispielsweise Unternehmen bzw. Arbeitgeber, Bildungseinrichtungen, Freizeit- und Einkaufseinrichtungen sowie in einem weiteren Sinne auch Institutionen der Immobilien- und Wohnungswirtschaft.

Sie agieren vorrangig auf der Ebene der Zielgruppen von Mobilitätsmanagement: Sie wenden in ihrem Tätigkeitsbereich Mobilitätsmanagement an bzw. nutzen Mobilitätsmanagement-Angebote der operativen Ebene. Indem sie dabei eigene Mobilitätsmanagement-Konzepte entwickeln und Maßnahmen umsetzen, nehmen sie gegenüber den „Endnutzern“, also den Beschäftigten, den Schülern, den Besuchern usw. zugleich die Rolle der Anbieter von Mobilitätsmanagement-Services ein und bewegen sich damit auch auf der operativen Ebene. Insbesondere bei großen Verkehrserzeugern wie Großunternehmen mit mehreren Tausend Beschäftigten sind Mobilitätsmanagement-Konzepte häufig sehr umfassend und komplex und weisen damit auch eine deutliche strategische Komponente auf.

Aus den Eigenheiten des Mobilitätsmanagements resultiert, dass eine Koordination der verschiedenen Akteure und ihrer Beiträge zum Mobilitätsmanagement sinnvoll und für einen möglichst großen Erfolg sogar erforderlich ist. Hierfür bietet sich die Einrichtung einer koordinierenden Stelle (im institutionellen, nicht zwingend im personalwirtschaftlichen Sinne) an, bei der die Fäden des Mobilitätsmanagements zusammenlaufen. Sie wird häufig als Mobilitätsmanager oder Mobilitätsmanagerin bezeichnet und nimmt beispielsweise Aufgaben wahr als Kontaktstelle für interne und externe Partner, zur Koordination der operativen Tätigkeiten im Mobilitätsmanagement, zur Einbringung der Belange des Mobilitätsmanagements in kommunale Prozesse und Aufgaben und zur Steuerung des Monitorings und der Wirkungskontrolle des Mobilitätsmanagements.

Die koordinierende Stelle ist nicht an eine bestimmte Organisationsform gebunden. Die mögliche Skala reicht von Sachbearbeitern in der Fachverwaltung, die mit der Koordinationsrolle betraut werden, bis hin zu eigens geschaffenen Stabsstellen auf einer höheren Verwaltungsebene. Jede Form hat spezifische Vor- und Nachteile hinsichtlich der Hürden bei der Einrichtung, des Aufwandes an Personal- und Sachressourcen und der Wirksamkeit bzw. Durchsetzungsfähigkeit. Entscheidender als die formelle Organisationsform sind für den Erfolg erfahrungsgemäß die individuelle Rollenwahrnehmung und die Kooperationsbereitschaft der Akteure.

Ein wichtiges Instrument zur Koordination von Mobilitätsmanagement-Aktivitäten ist die Bildung von Netzwerken. Sie dienen als Rahmen für einen regel- und standardmäßigen Austausch der Akteure. Beispiele sind der „BMM-Klub“ der Unternehmen, die in München am Betrieblichen Mobilitätsmanagement teilnehmen, oder das „Netzwerk Schule + Mobilität Darmstadt“, in dem die unterschiedlichen Akteure regelmäßig ihre Aktivitäten im Schulischen Mobilitätsmanagement abstimmen und koordinieren. 

6 Herausforderungen für erfolgreiches Mobilitätsmanagement

In der Praxis lässt sich feststellen, dass der Anwendung von Mobilitätsmanagement derzeit noch eine Reihe von Hemmnissen entgegensteht:

Die Anwendung von Mobilitätsmanagement wird an keiner Stelle direkt oder indirekt gesetzlich gefordert. Sie erfolgt damit stets freiwillig, was insbesondere bei finanziell schwach gestellten Kommunen zu Problemen bei der Finanzierung führt.

Im Zusammenhang damit besteht bislang auch keine Zuordnung von Zuständigkeiten für Mobilitätsmanagement-Aktivitäten, wie sie im Straßenwesen und im Öffentlichen Verkehr seit Jahrzehnten gewachsen und definiert ist. Es ist daher häufig unklar, wer bzw. welche Institution sich des Themas annehmen soll oder muss.

Die öffentliche finanzielle Förderung von Mobilitätsmanagement beschränkt sich in Deutschland bislang faktisch ausschließlich auf sporadische Modellvorhaben begrenzter Dauer. Sie ist daher aus Sicht der Interessenten an der Anwendung von Mobilitätsmanagement nicht verlässlich und berechenbar. Hier erschwert eine stark auf Projekte und damit auf Investitionen ausgerichteten Fördertradition angesichts des auf dauerhafte Prozesse angelegten und damit konsumtive Kosten verursachenden Charakter des Mobilitätsmanagements den Zugang zu Fördermitteln.

Über die Evaluation einzelner Projekte hinaus besteht derzeit kein generalisiertes Wirkungsmodell des Mobilitätsmanagements, mit dessen Hilfe verlässliche Ex-ante-Abschätzungen der Wirkungen von Mobilitätsmanagement-Maßnahmen vorgenommen werden könnten. Dies erschwert die Argumentation für die Umsetzung geplanter Mobilitätsmanagement-Maßnahmen.

Mobilitätsmanagement-Maßnahmen sind in aller Regel deutlich weniger sichtbar und greifbar als etwa klassische Infrastrukturmaßnahmen. Sie besitzen daher häufig eine geringere Attraktivität für Entscheidungsträger, obwohl ihr Nutzen objektiv sehr hoch sein kann.

Für die Anwendung von Mobilitätsmanagement sind Fachkenntnisse erforderlich, die in die Aus- und Fortbildung von Planenden erst nach und nach Eingang finden.

Mobilitätsmanagement erfordert darüber hinaus mit seinem Verhaltensbezug Veränderungen der Denk- und Handlungskultur der Planenden, die sich – wie jeglicher Kulturwandel – nur allmählich vollziehen.

Aus diesen Hemmnissen lassen sich in mehrfacher Hinsicht Entwicklungserfordernisse ableiten, wobei zum Teil bereits auf gute Ansätze zurückgegriffen werden kann (vgl. auch Blees, Bruns, Stiewe 2017):

– Definition und Einordnung

Mit dem einleitend dargestellten Begriffsverständnis hat die langjährige Begriffsdiskussion einen vorläufigen Endstand erreicht. Nun gilt es, dieses Begriffsverständnis zu etablieren und in die Praxis zu tragen. Herausforderung wird dabei insbesondere die gedankliche wie auch die organisatorische Einordnung und Verzahnung mit den etablierten Instrumenten aus Infrastruktur und Verkehrsmanagement sein.

Wissenschaftliche Grundlagen und Methoden

Grundlage des Mobilitätsmanagements ist das Verständnis der Determinanten individueller Mobilität und deren Wirkbeziehungen, also die Mobilitätsforschung. Die Entstehung von Mobilität und die Wirkungen von Interventionsmaßnahmen sind jedoch längst nicht erschöpfend erforscht. Im Gegenteil führen grundlegende Veränderung wie die Entwicklung autonom fahrender Fahrzeuge zu einem dringenden Bedarf an grundlagenorientierter, aber auch anwendungsbezogener Forschung. Zugleich gilt es den in mehreren Förderprojekten (z. B. effizient mobil, Mobil.Profit) und in der Praxis erprobten Kanon an spezifischen Methoden und Verfahren des MM zu evaluieren, weiterzuentwickeln und für die Anwendung bereitzustellen.

Fachpersonen Mobilitätsmanagement und ihre Aus-, Weiter- und Fortbildung

Weiterhin besteht Bedarf an einer klaren Typologie von Fachpersonen des Mobilitätsmanagements, welche konkrete Rollen und zugehörige Qualifikationen beschreibt. Ausgangspunkt dieser Typologie kann die aktuell in Erarbeitung befindliche Richtlinie von DIN und VDI zu Qualifikationsprofilen im Betrieblichen Mobilitätsmanagement sein. Hiermit verbunden ist der Bedarf an spezifischen Aus-, Weiter- und Fortbildungsangeboten für alle Kategorien von Mobilitätsmanagement-Fachpersonen. Hierzu gehören im kurzfristigen Bedarf Anpassungsfortbildungen für Fachleute, die bereits über eine Ausbildung verfügen, wie z. B. das „Qualifikationskonzept Betriebliches Mobilitätsmanagement“ des DIHK. Mit längerfristiger Perspektive muss dem zunehmenden Bedarf an Fachpersonen auch durch spezifische akademische Ausbildungsangebote begegnet werden. Aktuell bieten beispielsweise die neuen Studiengänge „Mobilitätsmanagement (B.Eng.)“ an der Hochschule Rhein-Main in Wiesbaden, „Sustainable Mobilities (M.Sc.)“ an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) sowie „Sustainable Mobility Management (MBA)“ am EUREF Campus Berlin spezifische Studieninhalte.

Organisatorische Verankerung

Ein Instrument wie Mobilitätsmanagement bedarf einer organisatorischen Verankerung und klarer Zuständigkeiten. Die traditionellen Institutionen der Verkehrssystemgestaltung wie kommunale Planungsämter und Landesstraßenverwaltungen haben sich das Handlungsfeld Mobilitätsmanagement bislang allenfalls durch individuelles Engagement einzelner Mitarbeitender gesichert. Verkehrsverbünde betreten im Zwiespalt zwischen dem Wissen um die Bedeutung des Themas und ihren begrenzten Ressourcen nur zögerlich die MM-Bühne. Und so prägen bis dato Projekte (zuletzt die Bundesinitiative mobil gewinnt) statt Kontinuität das Mobilitätsmanagement-Geschehen. Hier besteht – idealerweise unterstützt durch die Normgebung etwa im Bereich der Verkehrsfinanzierung, der Planungsverfahren und der Nahverkehrsplanung – das Erfordernis, Mobilitätsmanagement als Aufgabe zu definieren und diese Aufgabe institutionellen Rollen zuzuordnen.

7 Ausblick: „Neue Mobilität“ und Mobilitätsmanagement

Der Verkehrs- und Mobilitätsmarkt ist aktuell in heftiger Bewegung. Technische Innovationen wie erneuerbare Antriebe, automatisiertes bzw. autonomes Fahren, Liefer- und Transportdrohnen sowie ganz generell Ortungs- und Kommunikationstechnologien befinden sich in unterschiedlichen Stadien der Marktreife und verheißen eine „Neue Mobilität“. Die grundlegende Neuerung liegt dabei nicht allein in den Technologien selbst, sondern darin, dass die Technologien unter dem Schlagwort „Mobility as a Service“ (MaaS) neue Verkehrsdienstleistungen ermöglichen, welche das Mobilitätsbedürfnis, von A nach B zu kommen, in den Mittelpunkt stellen und die bisherigen, meist starren Grenzen zwischen den Verkehrsträgern zu lockern oder gar aufzuheben imstande sind. Beispiele für solche Verkehrsdienstleistungen sind die bereits etablierten und im Wachsen begriffenen Angebotsformen Carsharing und Bikesharing, die derzeit noch von regulatorischen Hürden begrenzten Ridesharing- und Rideselling-Angebote sowie die Vielzahl der im Entstehen begriffenen bzw. in rudimentärem Leistungsumfang bereits im Betrieb befindlichen intermodalen Informations-, Buchungs- und Abrechnungs-Plattformen und -Apps.

Von mindestens ebenso großer Tragweite wie die inhaltliche Neuerung dieser Verkehrsdienstleistungen dürfte die damit verbundene organisatorische Neuerung sein: die Mehrzahl von ihnen wird von privatwirtschaftlichen Akteuren wie eben Carsharing-, Rideselling oder Mobilitäts-App-Anbietern getragen. Für diese Akteure stehen naturgemäß wirtschaftliche Interessen im Vordergrund und sie werden ihre Produkte nur dort und insoweit offerieren, als es rentabel erscheint. Damit bilden die Produkte der „Neuen Mobilität“ einen strukturellen Gegensatz zur bisherigen, im Wesentlichen von der öffentlichen Hand getragenen Verkehrssystemgestaltung, bei der neben (gemein-)wirtschaftlichen Erwägungen der Aspekt der Daseinsvorsorge eine zentrale Rolle spielte.

Für eine nachhaltige Verkehrsentwicklung stellt sich damit die Frage, wie die Angebote der „Neuen Mobilität“ sinnvoll und zielkonform in das gesamte Verkehrssystem integriert werden können. Hierfür fehlen derzeit noch organisatorische Strukturen, planerische Instrumente, aber auch klare inhaltliche Vorstellungen, wie sich beispielhaft bei der Umsetzung des bereits Mitte 2017 beschlossenen Carsharinggesetzes zeigt.

Die Herausforderungen, die mit der Integration neuer Mobilitätsangebote in eine nachhaltige Verkehrsentwicklung einhergehen, scheinen in vielerlei Hinsicht kongruent zu den Stärken des Mobilitätsmanagements. Ebenso wie beim Mobilitätsmanagement

spielt auch bei der „Neuen Mobilität“ die Grundidee des Zielgruppenbezugs eine zentrale Rolle,

haben die neuen Angebote eine starke Verankerung bei Mobilitätsverhalten und Verkehrsentstehung,

kommt der Koordinierung und Zusammenarbeit verschiedener Akteure eine außerordentlich hohe Bedeutung zu,

– haben die neuen Angebote als Dienstleistungen einen dauerhaft angelegten, dezidierten Prozesscharakter.

Vor diesem Hintergrund erscheint es lohnenswert, zu prüfen, ob und auf welche Weise der

gegebenenfalls weiterzuentwickelnde – Ansatz des Mobilitätsmanagements geeignet ist, die Angebote der „Neuen Mobilität“ zielführend in eine nachhaltige Verkehrsentwicklung zu integrieren. 

Literaturverzeichnis

B l e e s, V.; B r u n s, A.; S t e w e, M.: Mobilitätsmanagement – vom Mauerblümchen zum Erfolgsfaktor nachhaltiger Mobilität!? In: Planerin 5_17, S. 8–10

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2018): Empfehlungen zur Anwendung von Mobilitätsmanagement (EAM), Ausgabe 2018, Köln (FGSV 167)