FGSV-Nr. FGSV 001/24
Ort Leipzig
Datum 16.10.2012
Titel Strategieanwendung im dynamischen Verkehrsmanagement
Autoren Dr.-Ing. Stefan Grahl
Kategorien Kongress
Einleitung

Die Anwendung von dynamischen Verkehrsmanagementstrategien für die Verkehrsbeeinflussung und Verkehrsinformation in städtischen, regionalen und überregionalen  Straßennetzen hat in den vergangenen Jahren spürbar an Bedeutung gewonnen. Mit dem Ziel, die vielfältigen Erfahrungen zu verallgemeinern und Grundlagen für eine systematische Herangehensweise zu schaffen, wurde ein gleichnamiges FGSV-Hinweispapier erarbeitet. Darin werden die mehrstufige Strategieplanung und die Strategieumsetzung behandelt. Die Strategien beinhalten vor allem kurzfristige ereignis- bzw. problembezogene Maßnahmen im straßengebundenen Verkehr in Städten und Ballungsräumen. Für die Wirksamkeit der Strategien spielt das Qualitätsmanagement bei der Planung und Umsetzung eine wesentliche Rolle.

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1 Einführung

1.1 Veranlassung für das Thema

Die Überschrift des Beitrags ist der Titel eines Hinweispapiers, das die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) im Juli 2011 veröffentlicht hat (FGSV, 2011).

Dieses Wissensdokument wurde in den Jahren 2007 bis 2011 von einem FGSV- Arbeitskreis erstellt. Es knüpft an die „Hinweise zur Strategieentwicklung im dynamischen  Verkehrsmanagement“ an, die im Jahre 2003 erschienen sind (FGSV, 2003). Die darin vorgestellte und überwiegend auf den Ergebnissen von Pilotprojekten beruhende Methodik wurde unter Einschluss umfänglicher und vielschichtiger praktischer Erfahrungen sowie von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu einem mehrstufigen Planungs- und  Umsetzungsprozess weiterentwickelt. Im Mittelpunkt stehen Strategien für den straßengebundenen Verkehr in Städten und Ballungsräumen.

Veranlassung hierfür war, dass zum einen die Anwendung von dynamischen Verkehrsmanagementstrategien für die Verkehrsbeeinflussung und Verkehrsinformation in städtischen, regionalen und überregionalen Straßennetzen in den vergangenen Jahren spürbar an Bedeutung gewonnen hat. Zum anderen galt es, die Vielzahl von unterschiedlichen verkehrlichen, technischen und betrieblichen Lösungen zu analysieren, die Erfahrungen zu verallgemeinern und Grundlagen für eine systematische Herangehensweise zu schaffen.

1.2 Begriffe

Die wissenschaftliche und praktische Beschäftigung mit dem Thema Verkehrsmanagement hat zu einer Reihe von Begriffsdefinitionen geführt. Nachstehend werden die für das weitere Verständnis notwendigen Begriffe kurz aufgeführt.

Das Verkehrsmanagement als „Beeinflussung des Verkehrsgeschehens durch ein Bündel von Maßnahmen mit dem Ziel, die Verkehrsnachfrage und das Angebot an Verkehrssystemen optimal aufeinander abzustimmen“ (FGSV, 2012) lässt sich in unterschiedlichen Betrachtungsweisen weiter differenzieren. In einer prozessbezogenen Sicht sind strategisches, taktisches und operatives Verkehrsmanagement zu unterscheiden (FGSV 2008). Aus der maßnahmenorientierten Sicht wird nach dem statischen und dem dynamischen Verkehrsmanagement unterschieden (FGSV, 2003).

Das dynamische Verkehrsmanagement als Gegenstand dieses Vortrags ist begrenzt auf kurzfristige und spezifische Maßnahmen bei bestimmten Verkehrssituationen. Es beinhaltet folglich das Beeinflussen der aktuellen Verkehrsnachfrage und des vorhandenen Verkehrsangebots durch Abstimmung situationsgerechter Maßnahmen mit dem Ziel, die für diesen Zeitbereich bestmögliche Mobilität zu sichern.

Das dynamische Verkehrsmanagement setzt auf einem planerisch definierten Regelzustand des Verkehrsablaufs auf. Bei diesem sollten sich Angebot und Nachfrage in weitgehender Übereinstimmung befinden. Dazu gehören u. a. Linien- und Fahrpläne des öffentlichen Verkehrs und definierte Betriebszustände für Verkehrsbeeinflussungsanlagen (z. B. Lichtsignalanlagen-Programme, Inhalte von dynamischen Anzeigetafeln).

Bei absehbaren oder erkannten Abweichungen vom Regelzustand soll situationsgerecht reagiert werden. Dafür werden Strategien entwickelt und für den Einsatz anwendungsreif vorgehalten. Eine Strategie ist ein vorab festgelegtes Handlungskonzept für das Ergreifen von Maßnahmen(-bündeln) zur Verbesserung einer definierten (Ausgangs-)Situation.

Eine spezifische Situation ergibt sich aus örtlich definierten Ereignissen, Problemen und weiteren relevanten Zuständen in Verbindung mit dem Verkehrsablauf einschließlich deren (Aus-)Wirkungen.

Das Strategiemanagement schließlich ist die Auswahl, Abstimmung, Aktivierung, Überwachung und Aufhebung vorab entwickelter Verkehrsmanagementstrategien. Es dient der vorausschauenden Bewertung des Verkehrszustandes, der möglichen Vermeidung und Minderung von erwarteten Verkehrsproblemen (Prävention) und der Beseitigung eingetretener Störungen in kooperativer Vorgehensweise.

1.3 Verkehrsmanagementplanung und Strategieanwendung

Nach mehrjährigen Erfahrungen mit dem vorwiegend einzelprojektbezogenen Auf- und Ausbau von Verkehrsmanagementsystemen werden die Aufgaben, Ziele und Maßnahmen des Verkehrsmanagements zunehmend auch in übergeordnete Planungen eingebunden. Beispiele hierfür sind der „Rahmenplan Verkehrsmanagement 2015“ des Freistaats Bayern, die Stadtentwicklungspläne, Teil Verkehr von Berlin und Leipzig oder das Verkehrsentwicklungskonzept der Landeshauptstadt Stuttgart.

Es stellte sich die Frage, wie die Planung des dynamischen Verkehrsmanagements in eine adäquate Form zu diesen generellen Planungen gebracht werden kann. Als Schlüssel zur Lösung dieser Aufgabe erwies sich die Unterteilung der Strategieanwendung in eine mehrstufige Strategieplanung und in die Strategieumsetzung. Es handelt sich dabei um den Ansatz, verkehrliche, betriebliche und technische Aufgaben zusammenzuführen und mittels Qualitätsmanagement deren optimale Erfüllung zu sichern.

Dabei stehen Notwendigkeit und Zeitpunkt, den Prozess der Planung und Umsetzung von Verkehrsmanagementstrategien zu initiieren, oft im Zusammenhang mit (verkehrs-)politischen Entscheidungen für den Auf- bzw. Ausbau eines Verkehrsmanagementsystems, das bestehende oder geplante Einzelsysteme des öffentlichen Verkehrs und des motorisierten Individualverkehrs verknüpfen soll. Hierfür wird der Begriff Prozessinitiierung verwendet.

Das Bild 1 zeigt den Zusammenhang von Strategieplanung/-umsetzung im dynamischen Verkehrsmanagement und genereller Verkehrsplanung nach (FGSV, 2001).

Bild 1: Gegenüberstellung der Prozesse in der Verkehrsplanung und in der Strategieanwendung

2 Strategieplanung

2.1 Einleitung

Die Strategieplanung ist ein iterativer Prozess, bei dem verkehrliche, technische sowie betrieblich-organisatorische Inhalte erarbeitet und zusammengeführt werden. Der Planungsprozess wird in fünf Planungsstufen gegliedert (Tabelle 1).

Tabelle 1: Strategieplanungsstufen und Arbeitsschritte

2.2 Planungsstufen

2.2.1 Grundlagenermittlung

Basierend auf den Grundsatzentscheidungen zum Verkehrsmanagement werden zuerst die konkreten Planungsgrundlagen ermittelt.

Die Eingrenzung des Untersuchungsgebiets bestimmt sich aus Art und Umfang der auslösenden Ereignisse bzw. Probleme und aus dem zu erwarteten Wirkungsbereich der Maßnahmen. Vor allem bei Maßnahmen, die das (über-)regionale Verkehrsnetz betreffen, können die Auswirkungen weiträumig sein und müssen mit untersucht werden. Größere Untersuchungsgebiete sollten in Sektoren unterteilt werden.

Zur wirksamen Verkehrsbeeinflussung und Verkehrsinformation durch Maßnahmen des dynamischen Verkehrsmanagements ist es erforderlich, aus der vorhandenen bzw. kurz- bis mittelfristig geplanten Verkehrsinfrastruktur die jeweiligen strategischen Netze der einzelnen Verkehrsarten zu bestimmen. In der Regel umfasst das den Öffentlichen Verkehr (ÖV) und den motorisierten Individualverkehr (MIV). Auch das Radwegenetz und Fußwege können Bestandteil des strategischen Netzes sein, z. B. im Umfeld von Veranstaltungszentren. Dabei sind auch verkehrsrelevante Punkte, die sich aus Stadt(teil-)zentren, Points of Interest (POI) und Parkmöglichkeiten etc. definieren können, und straßenseitige Erfassungs-, Leit-, Steuerungsund Informationssysteme Bestandteil des strategischen Netzes.

Für die Strategieplanung und die Strategieumsetzung ist eine Analyse bestehender Zuständigkeiten erforderlich. Es sollten nicht nur die unmittelbar im Untersuchungsraum agierenden Akteure, sondern auch die in angrenzenden Räumen berücksichtigt werden.

Basierend auf den vorher festgelegten strategischen Netzen und unter Einschluss aller beteiligten Akteure wird eine Bestandsaufnahme der Infrastruktur vorgenommen. Dabei sollten sowohl die vorhandenen Verkehrswege und verkehrstechnischen Ausrüstungen als auch die kurz- bis mittelfristig in Nutzung gehenden einbezogen werden.

Die Ermittlung der Verkehrsnachfrage (punktuell und/oder Quelle-Ziel-Beziehungen) erfolgt für die strategierelevanten Netze im Untersuchungsgebiet und knüpft in der Regel an verkehrsplanerische Grundlagen an. Je nach Größe des Untersuchungsgebietes kann es zweckmäßig sein, sich bei der Aufbereitung oder Erfassung von Daten auf Abschnitte mit bekannten oder zu erwartenden verkehrlichen Problemen zu konzentrieren.

Bei der Erfassung von Verkehrsmanagement-relevanten Situationen (Ereignisse, Probleme) ist zwischen der Analyse für vorbereitende Planungsaufgaben und der Echtzeit-Erfassung von Problemen im Verkehrs- bzw. Betriebsablauf zu unterscheiden. Erstere dient der Strategieplanung, die zweite dem Strategiemanagement.

Ausgangslage für die Situationsanalyse ist der geplante Regelzustand. Er kann im Rahmen der Grundlagenermittlung für mehrere Standardsituationen im Verkehrsablauf definiert werden. Beispiele hierfür sind der „übliche“ Berufs-, Freizeit-, Wochenendverkehr im Rahmen seiner regelmäßigen Verkehrsbelastungen.

Die Erfassung von Ereignissen und Problemen, die vom Regelzustand abweichen, erfolgt zunächst unabhängig davon, ob und welche Möglichkeiten es für ihre Bewältigung gibt. Dabei sind zwei Vorgehensweisen möglich:

– die Situationsanalyse lokalisierter singulärer Probleme und

– die systematische Analyse im gesamten strategierelevanten Netz.

Verkehrsmanagement-relevante Situationen im MIV und ÖV lassen sich grob in folgende Kategorien unterteilen:

– Netzüberlastung, das heißt die Verkehrsnachfrage übersteigt die Straßen-/Schienenkapazität bei Vorhandensein der vollen Kapazität;

– Reduzierung der Kapazität in Folge von Verkehrsraumeinschränkungen;

– Vollsperrung;

– Andere Restriktionen (z. B. hohe Umweltbelastungen, nicht verkehrliche Gründe).

2.2.2 Vorplanung

Für die sich aus der Grundlagenermittlung ergebenden Verkehrsmanagement-relevanten Situationen werden alle generell möglichen Lösungen ausgewählt und auf ihre Realisierbarkeit hin geprüft. Dafür wird im Verkehrsmanagement zunächst nach Maßnahmen in den drei Handlungsfeldern Verkehrsvermeidung, Verkehrsverlagerung und Verkehrsbeeinflussung unterschieden. An dieser Stelle wird davon ausgegangen, dass mögliche Maßnahmen zur Verkehrsvermeidung bzw. zu umfänglicheren Verkehrsverlagerungen als Bestandteil des statischen Verkehrsmanagements bereits geprüft wurden. Die hier weiter zu betrachtenden Strategien des dynamischen Verkehrsmanagements betreffen die Verkehrsbeeinflussung und die Verkehrsinformation und die dazugehörigen Maßnahmen.

Für jede Situation ist eine breite Sammlung aller möglichen Maßnahmen durchzuführen und zu dokumentieren. Dabei umfasst das Spektrum modale Maßnahmen des öffentlichen Personenverkehrs, des Individualverkehrs sowie multimodale und intermodale Maßnahmen.

Die Zuordnung der einzelnen Maßnahmen bezogen auf eine Situation ergibt einen Strategievorschlag. Werden verschiedene Lösungsansätze erwogen, so ist für die weitere Bearbeitung die Bildung von Szenarien zweckmäßig. Ausgehend von den gewählten Szenarien sind für die betroffenen Abschnitte der strategischen Netze die vorhandenen verkehrstechnischen Infrastrukturen zu erfassen. Hierbei kann auf die in der Grundlagenermittlung durchgeführte Bestandsaufnahme der Verkehrswege mit zurückgegriffen werden.

Anschließend kann mit der Überprüfung der Umsetzbarkeit möglicher Maßnahmen(-bündel) begonnen werden. Dafür sind die für ihre Anwendung notwendigen Ausrüstungen qualitativ und wenn möglich grob quantitativ zu beschreiben. Die Auswahl von durchführbaren Maßnahmen erfolgt schrittweise. Zuerst werden die Maßnahmen ausgewählt, die mit bestehenden bzw. in Planung befindlichen Ressourcen realisiert werden können.

Werden die Anforderungen mit den vorgenannten Ressourcen nicht erfüllt, müssen entweder andere Maßnahmen(-bündel) ausgewählt werden oder es ist der Handlungsbedarf zu ermitteln, um die zuerst ausgewählten Maßnahmen kurz- bis mittelfristig einsetzen zu können.

Innerhalb der Vorplanung sollte die Ermittlung der notwendigen Infrastrukturen ergebnisoffen durchgeführt werden. Erst bei der Entwurfsplanung erfolgt dann eine Nutzen-Kosten-Ermittlung. Das Bild 2 veranschaulicht die Maßnahmenauswahl am Beispiel der Integrierten Gesamtleitzentrale (IGLZ) in Frankfurt am Main.

Bild 2: Beispiel einer Maßnahmenauswahl (Quelle: Stadt Frankfurt am Main)

2.2.3 Entwurfsplanung

In der Entwurfsplanung werden die in der Vorplanung als kurz- bis mittelfristig durchführbar eingeschätzten Strategievorschläge detailliert zu verorteten Strategieentwürfen weiterentwickelt. Diese sind nach verkehrlichen, wirtschaftlichen und Umweltkriterien zu bewerten.

Zur Erarbeitung verorteter Strategieentwürfe gehört der klare Ortsbezug im Hinblick auf die auslösenden Ereignisse bzw. Probleme und die zu realisierenden Maßnahmen. Diese Verortung bezieht sich auf konkrete Angaben bzw. Bezeichnungen der Verkehrswege, Verkehrsmittel sowie der verkehrssystemtechnischen bzw. verkehrsorganisatorischen Ausrüstungen.

Nach diesen verkehrlichen Festlegungen ist der erforderliche Strategieablauf zu bestimmen. Dazu gehören für alle Maßnahmen die zeitliche Reihenfolge der erforderlichen Handlungen und die Benennung der zu beteiligenden Akteure. Entsprechend den in der Grundlagenermittlung festgelegten Indikatoren zur Problem- bzw. Ereignisdetektion sind örtlich genaue Kriterien zur Auslösung und Deaktivierung für jeden Strategieentwurf festzulegen. Die Dokumentation des geplanten Strategieablaufs in Form von Fluss-, Ablaufdiagrammen oder Listenform hat sich bewährt.

Für Strategieentwürfe mit mehreren Partnern ist festzustellen, wo die jeweiligen technischen, organisatorischen und informellen Übergabepunkte sind und wie die Strategieumsetzung in den jeweils benachbarten strategischen Netzen erfolgen soll bzw. kann.

Begleitend zum Entwurf der Verkehrsmanagementstrategien sollten auch flankierende Maßnahmen geprüft und geplant werden, z. B. verkehrsorganisatorische Maßnahmen wie temporäre statische Beschilderungen oder die ereignisbezogene Öffentlichkeitsarbeit.

Zur Lösung der vorgenannten betrieblichen-organisatorischen und technischen Aufgaben und als Grundlage für die nächsten Planungsstufen eignen sich Betriebskonzepte, die neben den funktionalen Strategiebeschreibungen erstellt werden sollten. Ein Betriebskonzept verknüpft prozessorientiert die funktionalen Komponenten und die Abläufe.

Die Strategieentwürfe werden nach verschiedenen Kriterien bewertet. An erster Stelle ist zu prüfen, ob sie tatsächlich den übergeordneten Zielen des Verkehrsmanagements und deren spezifischer örtlicher Konkretisierung entsprechen. Anschließend wird eine verkehrliche Bewertung durchgeführt. Es ist abzuschätzen, welchen Beitrag die einzelnen Maßnahmen und die Strategie insgesamt zur Reduktion bzw. Beseitigung der verkehrlichen Auswirkungen eines Ereignisses oder Problems leisten (können).

Die Anforderungen an Umfang und Tiefe der Bewertung richten sich u. a. danach, welcher Handlungsbedarf für Ausrüstungen, Personal und Organisation zuvor ermittelt wurde. Je höher dieser ausfällt, desto wichtiger ist es auch aus wirtschaftlichen Gründen, eine Bewertung der verkehrlichen Wirksamkeit der Strategie vorzunehmen.

Im Ergebnis dieser Planungsstufe liegen anwendbare Strategien (im Entwurf) vor.

2.2.4 Genehmigungsplanung

In der Genehmigungsplanung werden die im Ergebnis der Entwurfsplanung positiv bewerteten Strategien und die Betriebskonzepte zwischen den Verkehrsmanagement-Akteuren abgestimmt und bestätigt.

Bei partnerübergreifenden Strategien müssen verbindliche Vereinbarungen (z. B in Form einer Verwaltungsvereinbarung) getroffen werden. Gegenstand solcher Vereinbarungen sind die betrieblichen-organisatorischen Abläufe beim Strategiemanagement, regelmäßige Grundsatzabstimmungen zur Weiterentwicklung des Verkehrsmanagement-Systems und der Strategien. Zu regeln sind die gegenseitigen finanziellen Verpflichtungen in der Entwicklungs-, Aufbau- und Betriebsphase.

Bereits in der Phase der Genehmigungsplanung müssen Beschlüsse hinsichtlich Finanzierung der organisatorischen Voraussetzungen (Personal, Räumlichkeiten, Soft- und Hardware etc.) bei den einzelnen Partnern getroffen werden.

2.2.5 Ausführungsplanung

In der Ausführungsplanung werden die in den Strategieentwürfen erarbeiteten verkehrlichen, technischen und organisatorischen Strukturen und Abläufe sowie flankierende Maßnahmen detailliert geplant.

Aufbauend auf der funktionalen Strategiebeschreibung werden alle Aktivitäten detailliert beschrieben. Bestandteil jeder Strategie sind Situationsüberwachung, Strategieauslösung, Maßnahmeneinleitung, Maßnahmenüberwachung, Maßnahmenauflösung und Strategieauflösung. Die Darstellung kann in Form von sehr detaillierten Ablaufdiagrammen bzw. Listen mit Beschreibung aller einzelnen Aktionen und Aktoren erfolgen. Sie ist eine entscheidende Grundlage für die Strategieumsetzung.

Das Betriebskonzept ist unter Einschluss der Ergebnisse der Genehmigungsplanung anzupassen und fertig zu stellen. Auf dieser Grundlage werden dann die zur Strategieumsetzung erforderlichen betrieblichen Dokumente erstellt.

In der Ausführungsplanung werden die systemtechnischen Ausrüstungen (Hardware, Software) detailliert geplant, Ausschreibungsunterlagen erstellt und das Ausschreibungsverfahren eingeleitet.

Auch bei den systemtechnischen Voraussetzungen hängt die Wirksamkeit des dynamischen Verkehrsmanagements nicht von einer a priori umfassenden Lösung ab. Schrittweise Entwicklungen, die vorhandene Teilsysteme integrieren, Überschaubarkeit und Beherrschbarkeit der Abläufe gewährleisten und zugleich den angestrebten Endzustand unterstützen, dürften für die Mehrzahl der Anwender sinnvoll sein.

3 Strategieumsetzung

3.1 Strategieimplementierung

Nachdem die Strategien geplant und von den beteiligten Partnern bestätigt worden sind, können sie implementiert und nach erfolgreichem Test bzw. Probebetrieb im Dauerbetrieb angewendet werden. Die Implementierung bezieht sich hier vorrangig auf Softwarelösungen für die Managementebene, wofür systemtechnisch auch der Begriff Strategieversorgung verwendet wird.

Bei Strategieplanungen, die mit dem Aufbau oder der Erweiterung eines Verkehrsmanagement-Systems einhergehen, sind während der Implementierung Offline- und Online-Tests durchzuführen. Inhalt und Umfang richten sich nach den jeweiligen verkehrlichen Aufgabenstellungen und Systemkonfigurationen.

3.2 Strategiemanagement

Das Strategiemanagement umfasst folgende Prozessschritte:

– Auswahl einer Verkehrsmanagementstrategie für das erkannte Problem oder Ereignis aus einer Strategiebibliothek,

– Überprüfung der Bedingungen zur Strategieaktivierung anhand der aktuellen Verkehrslage, der Betriebszustände der erforderlichen Aktorik und der Verträglichkeit mit gegebenenfalls weiteren aktivierten Strategien, gegebenenfalls Abstimmung mit anderen beteiligten Institutionen,

– Auslösen der in der Strategie festgelegten Maßnahmen (Umsetzung von Verkehrsbeeinflussungsmaßnahmen, Ausgabe von Verkehrsinformationen),

– (Online-)Überwachung und gegebenenfalls Wirkungskontrolle (Erfolgskontrolle der eingeleiteten Maßnahmen),

– Aufhebung der Strategie (gegebenenfalls durch andere beteiligten Institutionen), wenn die auslösenden Bedingungen nicht mehr gegeben sind bzw. die aktuelle Verkehrslage die Durchführung der Strategie nicht mehr zulässt.

Das Strategiemanagement wird in der Praxis in zwei Anwendungsformen durchgeführt:

– rechnergestützt mittels eines Teilsystems Strategiemanagement oder

– manuell auf Grundlage von Strategiehandbüchern.

Die rechnergestützte Durchführung mittels eines Teilsystems Strategiemanagement unterstützt den Operator durch voll- bzw. teilautomatische Prozessabläufe bzw. Prozessunterstützung. So können die Störfallerkennung, die Strategieauswahl und bei partnerübergreifenden Strategien auch die Strategieanfragen übernommen werden. Bei vollautomatischen Systemen wird außerdem die Strategieaktivierung, -überwachung und Rücknahme vom System ausgeführt.

Sollte (noch) kein Verkehrsmanagementsystem vorhanden sein, das die Strategien teil- oder vollautomatisch umsetzt, so erfolgt die manuelle Umsetzung anhand eines Strategiehandbuchs. Dieses beinhaltet detaillierte Arbeitsanweisungen für den Operator, z. B. die Nummer eines zu schaltenden LSA-Programms oder Texte für Informationsweitergaben an verschiedenen Medien (Informationstafeln, Radio, Internet). Es kann auch für eine partnerübergreifende Strategieabstimmung genutzt werden, indem es Handlungsanweisungen für den Strategieabstimmungsprozess gibt.

Neben der verkehrs- und systemtechnischen Lösung für das Strategiemanagement sind die organisatorischen Voraussetzungen (z. B. qualifiziertes Personal, entsprechende Räumlichkeiten) sicherzustellen. Einen Schwerpunkt bildet die Realisierung der internen und externen Ablauf- und Abstimmungsorganisation entsprechend dem geplanten Betriebskonzept.

3.3 Funktionale Gestaltung von Verkehrsmanagementsystemen

Für die technische Gestaltung eines Verkehrsmanagementsystems als Grundlage der Strategieumsetzung bestehen keine umfassenden normativen Vorgaben, jedoch vielfältige Möglichkeiten, die hinsichtlich der jeweiligen Situation zu planen und zu realisieren sind. Aus der Analyse realisierter Projekte haben sich Strukturen ergeben, die grundsätzlich übertragbar sind und in (FGSV 2011) ausführlich beschrieben werden. Weitere Hinweise zu Aufbau vom Verkehrsmanagementzentralen finden sich z. B. im Arbeitspapier „Materialien und Erfahrungsberichte zur Gestaltung von Verkehrsmanagementstrukturen“ (FGSV 2009).

4 Qualitätsmanagement

Die Erfahrungen bei der Planung und Anwendung von Strategien für das dynamische Verkehrsmanagement haben gezeigt, dass die Qualitätssicherung eine wichtige Rolle spielt.
Das bedeutet, die Qualität der jeweiligen Planungs-, Umsetzungs- und Betriebsprozesse kontinuierlich zu überwachen und Mängel zu beseitigen. Ob man hierfür eine Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001:2008 anstrebt oder individuelle Ansätze entwickelt, hängt von den jeweiligen örtlichen Bedingungen ab.

4.1 Qualitätsmanagement bei der Strategieplanung

Das Qualitätsmanagement erstreckt sich über alle Planungsstufen. Die verkehrliche Bewertung der Strategien ist ein wesentlicher Bestandteil der Qualitätssicherung im Rahmen der Strategieplanung. Dazu gehört auch die Beurteilung der gewollten bzw. nicht gewollten Wirkungen einer Strategie.

Bei der Bewertung von Strategien darf der Zusammenhang zur erreichbaren bzw. erreichten Qualität des Verkehrsablaufs im Regelzustand nicht außer Acht gelassen werden. Verkehrsmanagementstrategien erreichen eine hohe Wirksamkeit vor allem dann, wenn der Verkehr im „Normalzustand“ optimal abgewickelt wird. Bestehen bereits dort Defizite, so verstärken sich diese in der Regel beim Auftreten strategierelevanter Situationen. Die erreichbare Qualität von Strategien bleibt dann meist niedrig.

Die für das spätere Strategiemanagement benötigten Strategiehandbücher oder automatisierten Workflows bauen auf einer vollständigen und aktuellen Dokumentation der Strategien bereits im Planungsprozess auf. Die Dokumentation stellt eine Prozessbeschreibung dar und muss für alle Strategien einheitlich sein.

4.2 Qualitätsmanagement bei der Strategieumsetzung

Für das Qualitätsmanagement im Betrieb sind in Anlehnung an (Kirschfink, Aretz 2009) verkehrliche, umweltbezogene, prozessbezogene und potenzialbezogene Qualitätskriterien zu definieren, zu erfassen und zu beurteilen. Die Ermittlung und Bewertung dieser Kenngrößen dient der kontinuierlichen Wirkungs- und Erfolgskontrolle der eingesetzten Verkehrsmanagement-Strategien, ihrer Anpassung oder Weiterentwicklung.

Für die Beurteilung verkehrlicher und umweltbezogener Qualitätskriterien muss bei ausgelösten Strategien überprüft werden, ob das gewünschte Ziel erreicht wurde. Dazu ist auch ein Vergleich mit den planerischen Wirkungsberechnungen/-abschätzungen durchzuführen.

Bei der Beurteilung prozessbezogener Qualitätskriterien wird für ausgelöste Strategien überprüft, ob sie entsprechend der Planung bzw. Versorgung (z. B. Schwellwerterreichung, Meldungseingang, Zeitplan) gestartet, durchgeführt und beendet worden sind. Weitere prozessbezogene Kenngrößen sind u. a. die Bearbeitungszeit zwischen Ereignisdetektion und Strategiestart, die Häufigkeit manueller Eingriffe, die Sicherheit und Verlässlichkeit einer Strategie, ihre Anwenderfreundlichkeit und Flexibilität.

Die Überprüfung der Strategien sollte so weit wie möglich automatisiert werden. Andererseits kann bei den verkehrlichen Wirkungen auch eine Überprüfung vor Ort zielführend sein. Eine umfassende Auswertung im Sinne einer Evaluierung sollte nach Einführung der Strategie, in Abhängigkeit von der Art der zugehörigen Maßnahmen der  Verkehrsbeeinflussung/-information, zu einem Zeitpunkt beginnen, zu dem man davon ausgehen kann, dass diese den Verkehrsteilnehmern ausreichend bekannt und nachvollziehbar sind.

Die Beurteilung potenzialbezogener Qualitätskriterien bezieht sich auf die Verkehrsteilnehmer und auf die Mitarbeiter von Verkehrsmanagementzentralen. Auf Seiten der Verkehrsteilnehmer ist die Akzeptanz der Verkehrsmanagement-Maßnahmen ein wesentlicher Indikator für den verkehrlichen und wirtschaftlichen Nutzen einer Strategie. Eine mögliche Kenngröße ist der Befolgungsgrad der verschiedenen Maßnahmen, z. B. die Einhaltung von Geschwindigkeitsbegrenzungen oder die Annahme von Alternativroutenempfehlungen.

Die tatsächlich erreichbare Qualität einer Verkehrsmanagement-Strategie hängt wesentlich davon ab, über welche Kenntnisse und Fähigkeiten die Mitarbeiter der Verkehrsmanagement-Zentralen verfügen. Dabei ist nicht nur die Anzahl der Mitarbeiter wichtig, sondern auch deren Qualifikation und Motivation. Aus diesem Grunde hat es sich bewährt, Anforderungsprofile zu erstellen und anzuwenden. Diese sollten neben der fachlichen Beschreibung der Arbeitsaufgaben auch subjektive Fähigkeiten wie Belastbarkeit, Entscheidungsfreudigkeit, Reaktionsschnelligkeit und Teamfähigkeit beinhalten.

5 Resümee

Auch wenn die Erfahrungen im dynamischen Verkehrsmanagement in den letzten Jahren gewachsen sind, bestehen zum Teil noch erhebliche Verbesserungspotenziale in den Systemen und Abläufen. Technische Entwicklungen können dabei unterstützend wirken, ersetzen jedoch nicht das konstruktive, partnerschaftliche Handeln der beteiligten Akteure. Zielkonflikte sind aufzudecken, objektiv zu beurteilen und Lösungsmöglichkeiten zu suchen.

Neben den in (FGSV, 2011) schwerpunktmäßig behandelten Verkehrsmanagementstrategien für Städte und Ballungsräume wurden in der Praxis weitergehende Maßnahmen zur Verkehrsbeeinflussung und Verkehrsinformation in Korridoren und Megaregionen entwickelt und umgesetzt, z. B. in den Projekten „Long Distance Corridor Demonstration Project (LDC)“ oder „Ruhrpilot“. Sie bedürfen der künftigen Aufbereitung auch im Rahmen der FGSV. Hierbei sollte es auch um die Verknüpfung des städtischen bzw. regionalen mit dem überregionalen Verkehrsmanagement gehen.

Einen weiteren Schwerpunkt bildet das Thema Konformität von Verkehrsmanagementstrategien und individueller Zielführung mittels fahrzeuggebundener Systeme. Der rasch zunehmende Ausstattungsgrad von Fahrzeugen mit intelligenten Bordsystemen schafft neue Möglichkeiten der Interaktion mit straßenseitigen Ausrüstungen des  Verkehrsmanagements, wofür der Begriff kooperative Systeme geprägt wurde.

Verkehrsmanagement gehört zum Leben im öffentlichen Raum. Damit hängt es auch von nicht ausschließlich verkehrlichen Entwicklungen ab, deren Wirkungen sich in Städten und Ballungsräumen besonders deutlich manifestieren können. Dazu gehören u. a. klimatische Veränderungen, Energieknappheit und höhere Energiekosten sowie demografische Veränderungen. Erfahrungen mit diesen Bedingungen in anderen Ländern sollten in geeigneter Weise analysiert, aufbereitet und soweit zutreffend auf die hiesigen Verhältnisse übertragen und verbreitet werden.

In diesem Sinne stellen die vorgestellten „Hinweise zur Strategieanwendung im dynamischen Verkehrsmanagement“ einen aktuellen Zwischenstand dar. Die genannten Entwicklungen werden zukünftige Fortschreibungen erforderlich machen.

Literaturverzeichnis

DIN EN ISO 9000:2005 (Qualitätsmanagementsysteme – Grundlagen und Begriffe), DIN EN ISO 9001:2008 (Qualitätsmanagementsysteme. Anforderungen), DIN EN ISO 9004:2000 (Qualitätsmanagementsysteme. Leitfaden zur Qualitätsverbesserung)

Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen: Leitfaden für Verkehrsplanungen, Ausgabe 2001, Köln, FGSV 116

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Hinweise zur Strategieentwicklung im dynamischen Verkehrsmanagement, Ausgabe 2003, Köln, FGSV 381

Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen: Hinweise zu Planung und Betrieb von betreiberübergreifenden Netzsteuerungen in der Verkehrsbeeinflussung, Ausgabe 2008, Köln, FGSV 310

Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen: Arbeitspapier Materialien zur Gestaltung von Verkehrsmanagementstrukturen, Ausgabe 2009, Köln, FGSV 307

Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen: Begriffsbestimmungen, Teil: Verkehrsplanung, Straßenentwurf, Straßenbetrieb, Ausgabe 2012, Köln, FGSV 220

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Hinweise zur Strategieanwendung im dynamischen Verkehrsmanagement, Ausgabe 2011, Köln, FGSV 381/1

K i r s c h f i n k, H.; A r e t z, C. (2009): Qualitätsmanagementkonzept für den Betrieb der Verkehrsrechnerzentralen des Bundes, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen,
Verkehrstechnik V 187, Wirtschaftsverlag NW, Bremerhaven