FGSV-Nr. FGSV M 12
Ort Aschaffenburg
Datum 22.11.2017
Titel Bialucha, R.: Entwicklung von Auslaugverfahren für Straßenbaustoffe
Autoren Dr.-Ing. Ruth Bialucha
Kategorien Gesteine, Mineralstoffe
Einleitung

Die Umweltverträglichkeit von Straßenbaustoffen – und damit sind im Wesentlichen Auswirkungen auf Boden, Oberflächen- und Grundwasser gemeint – wird ganz überwiegend auf Basis von auslaugbaren Konzentrationen umweltrelevanter Parameter bewertet. Ausnahmen hiervon sind lediglich z. B. organische Parameter, die in Böden oder RC-Baustoffen im Feststoff zu analysieren sind. Dieses Beurteilungsprinzip ist in Deutschland allgemein gültig, obwohl die 16 Bundesländer eigene, und zum Teil recht unterschiedliche Regelungen haben. Hintergrund für dieses Vorgehen ist, dass umweltrelevante Parameter mineralisch so fest gebunden sein können, dass sie nur in äußerst geringen Konzentrationen auslaugen, obwohl sie in höheren Gehalten vorhanden sind. Dies trifft z. B. für Chrom in Stahlwerksschlacken zu. Den Auslaugverfahren kommt somit eine sehr große Bedeutung in Hinblick auf die Beurteilung der Verwendbarkeit von Straßenbaustoffen zu – immer vor dem Hintergrund eines nachhaltig umweltverträglichen Einsatzes. Neben einem Exkurs in die „historische“ Entwicklung von Elutionsverfahren in Deutschland wird der aktuelle Stand auf nationaler Ebene sowie der Stand der Erarbeitung harmonisierter Auslaugverfahren auf EU-Ebene erläutert. Darüber hinaus werden Ergebnisse eines Forschungsprojekts zur Auslaugbarkeit schwer perkolierbarer Stoffe vorgestellt.

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1 Einleitung

Die Auslaugung von Straßenbaustoffen erfolgt in Deutschland bisher mit Hilfe eines einstufigen Schüttelverfahrens, das mit einem Wasser/Feststoff-Verhältnis (L/S) von 10 : 1 l/kg arbeitet. Auf dieses "Standardverfahren" beziehen sich demnach auch die in Regelwerken festgelegten Grenzwerte. Dies gilt sowohl für den Bereich der Verwendung (vorwiegend im Wege-, Erdund Straßenbau) als auch für den Deponiebereich (Einsatz als Deponieersatzbaustoff oder Deponierung). Im Rahmen der sich derzeit in Bearbeitung befindlichen Ersatzbaustoffverordnung, EBV (BMUB 2017) ist als Auslaugverfahren zukünftig nicht mehr das 10 : 1 Schüttelverfahren vorgesehen, sondern ein Säulenverfahren, von dem angenommen wird, dass es vom Grundsatz her praxisnäher ist, da es die Auslaugvorgänge am Einbauort besser simulieren kann. Neben dem für den Eignungsnachweis zwingend vorgeschriebenen Säulenverfahren ist trotzdem alternativ für die Fremdüberwachung und die werkseigene Produktionskontrolle auch die Durchführung eines (neuen) Schüttelverfahrens möglich. Beiden Verfahren ist gemeinsam, dass sie nicht mehr mit einem L/S-Verhältnis von 10 : 1 l/kg arbeiten, sondern mit L/S = 2 : 1 l/kg. Auf europäischer Ebene gibt es seit langem Aktivitäten, harmonisierte Auslaugverfahren für verschiedene Stoffgruppen zu erarbeiten. Begonnen hat der CEN/TC 292 "Characterisation of waste" mit der Erarbeitung von Auslaugverfahren für Abfälle, wobei es drei Kategorien gibt: Grundlegende Charakterisierungstests, Deklarationstests sowie Vor-Ort-Verifizierungstests. Bereits im Jahr 2002 erschien die Norm 12457-1 bis -4 (EN 12457:2002), die unter die Kategorie "Deklarationstests" fällt. Es handelt sich um Schüttelverfahren, wobei der Teil 4 ganz wesentlich dem deutschen DEV-S4-Verfahren entspricht. Als nächstes wurden verschiedene Charakterisierungstests erarbeitet, u. a. ein 64-Tage-Standtest für monolithische Abfälle (EN 15863, 2015) sowie ein up-flow Perkolationsverfahren für stückige Abfälle (EN 14405, 2017). Auf den beiden letztgenannten Normen basieren zwei vom CEN/TC 351 "Construction Products ­ Assessment of release of dangerous substances" für Bauprodukte erarbeitete Verfahren (CEN/TS 16637-2:2014 bzw. CEN/TS 16637-3:2017). Was bisher ­ sowohl auf nationaler als auch europäischer ­ Ebene fehlt, ist ein Auslaugverfahren, das für schwer perkolierbare Stoffe geeignet ist. Hier gibt es in Deutschland einen anderen Ansatz als in Europa, aber beide Verfahren sind noch nicht ausgereift bzw. nicht für alle Stoffe geeignet.

2 Entwicklung von Auslaugverfahren in Deutschland ­ Rückblick

Lange, bevor Fragen über das Umweltverhalten von Baustoffen in die allgemeine Diskussion gelangten, hat sich die Stahlindustrie mit dieser Thematik befasst. Beispiele für Auslaugverfahren, die von Seiten der Stahlindustrie entwickelt wurden, sind in den Stahleisen-Prüfblättern 1760-67 (Durchlaufverfahren ­ Bild 1) (VDEh 1967) und 1780-71 (Standverfahren) (VDEh 1971) beschrieben, die bereits aus den 1960er- bzw. 1970er-Jahren stammen.

Bild 1: Skizze aus Stahl-Eisen-Prüfblatt 1760-67 mit Verfahrenskennzeichen

In den 1990er Jahren hat sich dann ein Arbeitskreis der FGSV (AK 6.4.1 "Elutionsverfahren für Mineralstoffe") mit der Entwicklung verschiedener Auslaugverfahren beschäftigt, die den Einfluss von Straßenbaumaterialien auf Boden und Grundwasser erfassen sollten. Dabei wurde insbesondere Wert darauf gelegt, dass die Verfahren speziell für die Untersuchung von stückigen Gesteinskörnungen geeignet sind. Diese Verfahren (modifiziertes DEV-S4-Verfahren, Trogverfahren, down-flow-Perkolationsverfahren, pH-4-stat-Verfahren sowie Ultraschallverfahren) liegen als Technische Prüfvorschriften für Gesteinskörnungen (TP Gestein-StB 2008), Teile 7.1.1 bis 7.1.5 vor (Bilder 2 bis 6).

Bild 2: Modifiziertes DEV-S4-Verfahren mit Verfahrenskennzeichen (TP Gestein-StB, Teil 7.1.1)

Bild 3: Trogverfahren mit Verfahrenskennzeichen (TP Gestein-StB, Teil 7.1.2)

Bild 4: Perkolationsverfahren mit Verfahrenskennzeichen (TP Gestein-StB, Teil 7.1.3)

Bild 5: pH-4-stat-Verfahren mit Verfahrenskennzeichen (TP Gestein-StB, Teil 7.1.4)

Bild 6: Ultraschallverfahren mit Verfahrenskennzeichen (TP Gestein-StB, Teil 7.1.5)

Nicht alle der vorgenannten Verfahren haben sich in der Praxis durchgesetzt. Das einzige für die Untersuchung von Straßenbaustoffen in Regelwerken verankerte Verfahren ist das Schüttelverfahren mit L/S = 10 : 1. Die TP Gestein-StB, Teil 7.1.1 mit dem ursprünglichen Titel "Modifiziertes DEV-S4-Verfahren" wurde inzwischen an die EN 12457-4 angepasst und heißt jetzt: "Schüttelverfahren (L/S = 10 : 1)" (TP Gestein-StB, 2016). Die wesentlichen Verfahrenskennzeichen (s. Bild 2) haben sich aber nicht geändert.

Daneben wird derzeit noch das Trogverfahren für die Untersuchung von Wasserbausteinen genutzt. Es ist aber abzusehen, dass es zukünftig durch das vom CEN/TC 351 erarbeitete Verfahren nach CEN/TS 16637-2 ersetzt wird.

3 Neuere Entwicklungen von Auslaugverfahren in Deutschland

Im Rahmen der seit dem Jahr 2006 in Erarbeitung befindlichen Ersatzbaustoffverordnung wurden zwei Verfahren genormt, ein Schüttelverfahren (DIN 19529:2009), das ­ mit Ausnahme des geänderten L/S-Verhältnisses von nunmehr 2 : 1 statt 10 : 1 ­ von den Verfahrenskennzeichen her dem DEV-S4-Verfahren entspricht (s. Bild 2), sowie ein up-flow-Perkolationsverfahren (DIN 19528:2009). Letzteres umfasst einen Kurztest bis L/S = 2 : 1 (Bild 7) und einen ausführlichen Test, der bis zu einem L/S-Verhältnis von 4 : 1 durchgeführt wird. Beide Normen wurden Anfang 2009 veröffentlicht. Die DIN 19529, die in der Version von 2009 zunächst nur für die Untersuchung von anorganischen Stoffen vorgesehen war, wurde später überarbeitet und ist in der aktuellen Version (DIN 19529:2015) jetzt für die Untersuchung anorganischer und organischer Parameter anwendbar.

Bild 7: up-flow-Perkolationsverfahren mit Verfahrenskennzeichen (DIN 19528)

4 Aktueller Stand europäisch harmonisierter Auslaugverfahren

Wie bereits eingangs erwähnt, hat der CEN/TC 292 "Characterisation of waste" mit der Erarbeitung von harmonisierten Auslaugverfahren für Abfälle bereits vor langer Zeit begonnen. Die im Jahr 2002 veröffentlichten Normen EN 12457-1 bis -4 sind Basisverfahren für die EUDeponierichtlinie aus dem Jahr 1999 (Landfill Directive 1999). Diese enthält drei Kategorien von Auslaugverfahren:

–­ Grundlegende Charakterisierungstests ­

– Deklarationstests ­

– Vor-Ort-Verifizierungstests.

Die Normen 12457 gehören der Kategorie "Deklarations-(compliance) tests" an. Anschließend wurden vom CEN/TC 292 verschiedene grundlegende Charakterisierungsverfahren erarbeitet. Sowohl für monolithische als auch für körnige (stückige) Abfälle gibt es inzwischen genormte Auslaugverfahren. Vor-Ort-Verifizierungsverfahren gibt es derzeit noch nicht.

Die europäische Bauprodukteverordnung, die bereits am 24.4.2011 in Kraft getreten ist, ist seit Juli 2013 in Deutschland vollständig eingeführt. Im Zusammenhang mit dem "Vorgänger" dieser Verordnung, der damaligen Bauproduktenrichtlinie, wurde im Jahr 2006 der CEN/TC 351 "Bauprodukte: Bewertung der Freisetzung von gefährlichen Substanzen" gegründet. Er befasst sich seither mit der Erarbeitung "horizontaler", das heißt europäisch harmonisierter Prüfmethoden für gefährliche Stoffe in Bauprodukten, da die wesentliche Anforderung Nr. 3 "Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz" mangels solcher genormter Verfahren damals noch nicht umsetzbar war.

Im Jahr 2012 wurden vom CEN/TC 351 Entwürfe für die drei folgenden Technischen Spezifikationen (TS) vorgelegt: ­

– TS-1: Leitfaden zur Auswahl geeigneter Auslaugverfahren (CEN/TS 16637-1:2014)

­– TS-2: Verfahren zur Untersuchung des oberflächenabhängigen Auslaugverhaltens von monolithischen oder verfestigten Produkten, 16637-2 (Trogversuch)

­ – TS-3: up-flow-Perkolationsverfahren zur Untersuchung von stückigen Materialien, 16637-3

Sowohl die TS-1 als auch die TS-2 wurden Ende 2014 veröffentlicht. Bezüglich der TS-3 wurde sehr lang und intensiv über einen Kompromiss zwischen zwei unterschiedlichen Verfahren diskutiert, die der niederländischen (NEN 7373 2004) bzw. der deutschen (DIN 19528) Vorgehensweise entsprechen. Während in Deutschland die Proben möglichst in dem Zustand untersucht werden sollen, in dem sie später vermarktet werden, wird in den Niederlanden eine "worst case"-Betrachtung bevorzugt, mit der die über einen langen Zeitraum maximal verfügbaren Inhaltsstoffe erfasst werden. Anfang 2015 wurde ein Kompromiss gefunden, der nach entsprechender Überarbeitung die TC-Umfrage erfolgreich durchlaufen hat und Anfang 2017 veröffentlicht wurde. Sowohl TS-2 als auch TS-3 sind keine Normen (EN), sondern "nur" Technische Spezifikationen, da bisher keine Validierungs-versuche durchgeführt wurden. Dies erfolgt derzeit unter Federführung des in Belgien ansässigen Joint Research Center, das im September 2017 die für die Ringversuche vorgesehenen Proben verschickt hat. Die Auswertung der Versuche muss bis Ende Januar 2018 abgeschlossen sein. Nach erfolgreichem Abschluss der Validierung werden dann aller Voraussicht nach in 2018 die in TS-2 bzw. TS-3 beschriebenen Verfahren als europäische Normen vorliegen.

5 Vergleich der Auslaugverfahren in Deutschland und Europa

Damit ergibt sich dann die Situation, dass "Parallelverfahren" für den Abfallbereich auf der einen und den Produktbereich auf der anderen Seite existieren. Dabei unterscheiden sich die beiden Verfahren für monolithische Stoffe (EN 15863 für Abfälle bzw. CEN/TS 16637-2 für Produkte) nur unwesentlich voneinander. Deutlich größere Unterschiede gibt es bei den vor allem für Straßenbaustoffe wichtigen Perkolationsverfahren (EN 14405 für Abfälle bzw. CEN/TS 16637-3 für Produkte). Insbesondere die deutschen Delegierten haben sich dafür eingesetzt, dass für die Untersuchung von Produkten und Abfällen die gleichen Verfahren angewandt werden können. Dies ist besonders vor dem Hintergrund der EBV wichtig, nach der verschiedene Materialien sowohl als Produkt als auch als Abfall eingestuft werden können.

Vergleicht man die Situation in Europa mit der in Deutschland, dann gibt es derzeit drei verschiedene Versionen von Perkolationsverfahren (Tabelle 1):

Tabelle 1: Rahmenbedingungen verschiedener Perkolationsverfahren

Sie unterscheiden sich vor allem hinsichtlich der Korngröße (und hier im Wesentlichen hinsichtlich des Anteils an feinen Körnungen < 4 mm) und der Fließgeschwindigkeit des Elutionsmittels. Inzwischen wurden von einigen Instituten Vergleichsversuche mit den drei Versuchsvarianten durchgeführt. Die Ergebnisse unterscheiden sich teilweise, da unterschiedliche Materialien getestet wurden. Grundsätzlich sind Auslaugreaktionen oberflächenabhängige Vorgänge und führen bei feiner werdenden Körnungen zu steigenden Konzentrationen. Es gibt ­ wie überall ­ aber auch hier Ausnahmen von der Regel, so dass nicht durchgängig bei dem Verfahren mit dem höchsten Feinanteil (EN 14405 mit > 95 % der Körnung < 4 mm) die höchsten Konzentrationen gemessen werden. Letztlich hängen die Ergebnisse sehr individuell von dem Material und dem gemessenen Parameter ab. Die Unterschiede sind aber immerhin so groß, dass sie durchaus bewertungsrelevant für die Einsetzbarkeit eines Materials sein können. Daher ist es von großer Bedeutung, welches Verfahren für die Festlegung von Grenzwerten und damit für die Bewertung eines Materials zugrunde gelegt wird.

Ob die auf europäischer Ebene für die Bauproduktenverordnung festgelegten Verfahren zukünftig 1:1 auf nationale Verordnungen (wie die EBV) übertragen (und damit die nationalen Normen ersetzen) werden, ist nach wie vor unklar. In einem ersten Schritt wurden in den aktuellen Stand der EBV von 2017 bereits einige Änderungen bezüglich der Probenaufbereitung aufgenommen. Mit Blick auf die kurz vor der Normung stehende CEN/TS 16637-3 wurde ein Passus aufgenommen, wonach ­ statt der Untersuchung jeder in Verkehr gebrachten Körnung (mit Größtkorn 32 mm, ohne Festlegung eines Feinanteils, s. Tabelle 1) auch eine "den Ersatzbaustoff charakterisierende Prüfkörnung" mit Größtkorn 22,4 mm und einem Anteil von mindestens 45 % der Körnung < 4 mm untersucht werden kann.

6 Laufende Forschungsarbeiten zur Auslaugung feinstkörniger/ schwer perkolierbarer Stoffe

6.1 Hintergrund für die Durchführung des Projekts

In verschiedenen Industriezweigen, wie Stahlindustrie, Kohlekraftwerke oder Gießereien, entstehen außer den eigentlichen Produkten auch sogenannte industrielle Nebenprodukte. Diese können grobstückig, aber auch sehr feinkörnig bis pulverförmig sein. Voraussetzung für eine Nutzung solcher feinkörniger Materialien als Baustoff ist die Erfüllung bestimmter Anforderungen hinsichtlich der technischen Eigenschaften sowie der Umweltverträglichkeit. Bisher gibt es allerdings nur wenige Verfahren zur Prüfung der Umweltverträglichkeit, die speziell für feinkörnige Materialien geeignet sind. Dabei stellt vor allem die geringe Durchlässigkeit solcher Materialien sowie die Neigung zur Verfestigung ein Problem dar.

Grundsätzlich sind Schüttelverfahren für die Untersuchung feinkörniger Stoffe geeignet, da diese mit dem Eluenten gut und gleichmäßig durchmischt werden und keine Gefahr besteht, dass sich das Material (zum Beispiel in einer Säule) verfestigt. Zudem spielt der durch das Schütteln auftretende Abrieb und eine eventuell damit einhergehende erhöhte Auslaugung bei ohnehin feinkörnigen Materialien kaum eine Rolle. Seit Beginn der Erarbeitung einer bundeseinheitlichen Verordnung für den Einsatz von industriellen Nebenprodukten (EBV) werden jedoch Säulenverfahren bevorzugt, da diese Art der Auslaugung realitätsnähere Ergebnisse liefern soll. In dem ersten Arbeitsentwurf der EBV (BMU 2007) war ausschließlich die Durchführung eines Säulentests vorgeschrieben. Zwar ist laut aktuellem Stand der EBV (BMUB 2017) inzwischen auch die Durchführung eines Schüttelversuchs zulässig, aber nur für die Fremdüberwachung und die werkseigene Produktionskontrolle. Für den Eignungsnachweis ist zwingend ein Säulenversuch vorgeschrieben.

Die DIN 19528 enthält den Hinweis, dass "schwer perkolierbare Stoffe" mit 80 % Sand gemischt werden können, um eine Durchströmbarkeit der Probe zu gewährleisten. Mit dieser speziellen Versuchsdurchführung liegen allerdings bisher wenige Erfahrungen vor, und es ist unklar, welchen Einfluss die Sandzumischung auf die Ergebnisse hat. Darüber hinaus fehlen Hinweise, wie eine homogene Mischung von Probe und Sand zu erfolgen hat. Das nachfolgende Bild 8 zeigt, dass auch bei sehr sorgfältiger Mischung der Proben mit Sand starke Entmischungen beim Einfüllen in die Säule auftreten können.

Bild 8: Links: GRS, rechts BFA ­ jeweils mit 80 % Sandzumischung

Ein weiteres Problem besteht darin, dass auf europäischer Ebene eine Sandzumischung nicht akzeptiert wird. Ein Zitat aus der CEN/TS 16637-3 lautet: "Bauprodukte, die eine gesättigte hydraulische Leitfähigkeit von ca. 10-8 m/s oder mehr aufweisen, können für gewöhnlich mit diesem Verfahren geprüft werden. Dieses Verfahren gilt auch für Materialien, die in der Säule eine Verfestigung zeigen, wenn die endgültige hydraulische Leitfähigkeit im angegebenen Bereich liegt. Es sollten keine körnigen Inertstoffe zur Verbesserung der Permeabilität hinzugefügt werden, um ihre Prüfung zu ermöglichen".

Auf EU-Ebene gibt es einen anderen Ansatz, schwer perkolierbare Stoffe zu untersuchen. Man geht davon aus, dass sich solche Materialien wie Monolithe verhalten und von Wasser eher umströmt als durchströmt zu werden. Das Bild 9 zeigt den schematischen Aufbau einer Versuchsapparatur, die im Anhang A der CEN/TS 16637-2 beschrieben ist sowie ein Foto der für die Versuche im FEhS ­ Institut für Baustoff-Forschung e.V. verwendeten Apparatur. Es handelt sich um den sogenannten GHLC-Test (Granular Products with Low Hydraulic Conductivity), bei dem sich das Material in einem Glasgefäß befindet, das wiederum in ein äußeres Glasgefäß gestellt wird, in dem sich Wasser als Auslaugmedium befindet. Die Probe selbst ist zusätzlich mit einer Glaskugelschicht überdeckt, so dass die Auslaugung nur durch diese Fläche erfolgt.

Bild 9: Links: schematische Darstellung des Verfahrens für körnige Bauprodukte mit geringer Durchlässigkeit (GLHC), rechts: Foto einer Versuchsapparatur beim FEhS-Institut

Grundsätzlich ist bei der Untersuchung von schwer perkolierbaren Stoffen mit folgenden Problemen zu rechnen: ­

– Verdichtung/Verfestigung des Materials in der Versuchsapparatur, z. B. durch eine sehr kompakte Anordnung der Partikel oder eine plattige Struktur, ­

– chemische Reaktionen, die zur Volumenzunahme führen (z. B. Hydratation von Freikalk),

­– keine Durchströmung mehr möglich bis hin zur Zerstörung von (Glas-)apparaturen.

6.2 Ziel des Projekts

Im Rahmen des noch laufenden Forschungsprojekts, das durch die AiF gefördert wird, soll zunächst untersucht werden, welche Probleme bei Auslauguntersuchungen schwer perkolierbarer Stoffe auftreten können. Ziel ist es zu testen, welches der beiden oben beschriebenen Verfahren besser geeignet ist, um schwer perkolierbare Stoffe zu untersuchen. Weiterhin soll aufgezeigt werden, bei welchen sehr feinkörnigen Stoffen mit Problemen zu rechnen ist und auf eines der beiden Verfahren oder auf beide Verfahren verzichten werden sollte.

6.3 Auswahl der Materialien

Für die Versuche wurden jeweils mehrere verschiedene Proben der folgenden Materialgruppen ausgewählt: ­ ­ ­ ­ ­

– Sekundärmetallurgische (Gießpfannen-)schlacke (SEKS),

– Freikalkreiche LDS (LDS),

– Gießereirestsand (GRS),

– Braunkohlenflugasche (BFA),

– Steinkohlenflugasche (SFA).

Grundlage für die Auswahl der vorgenannten Materialien war, dass sie Durchlässigkeitsbeiwerte (kf), die in Triaxialzellen (DIN 18130-1:1998) bestimmt wurden, in einem Bereich von ca. 10-6 m/s bis 10-8 m/s aufweisen. Dieser Bereich wird in verschiedenen Normen als der "Grenzbereich" genannt, bei dem Probleme bei der Durchströmbarkeit der Proben auftreten können. Lediglich die untersuchten Gießereirestsande lagen außerhalb des angestrebten Durchlässigkeitsbereichs, wobei der harzgebundene GRSh eine höhere Durchlässigkeit aufwies, der bentonitgebundene GRSb deutlich niedrigere. Zur Überprüfung der Alternativverfahren wurde daher der GRSb verwendet.

6.4 Bisherige Ergebnisse

Die Bilder 10 a bis d zeigen recht eindrucksvoll, welche Probleme bei der Durchführung sowohl des Säulenversuchs nach DIN 19528 als auch des GLHC-Tests aufgetreten sind.

Bild 10 a bis d: Von links: zerbrochene bzw. nach unten undicht gewordene Säule (DIN 19528), zerbrochenes Innen(glas)gefäß, Aufwölbung der Glaskugelschicht (GLHC)

Eine abschließende Bewertung der Versuche ist derzeit noch nicht möglich, da noch einige Versuche ausstehen. Was sich bisher abzeichnet ist Folgendes:

Alle untersuchten Materialien sehen bei rein optischer Prüfung sehr feinkörnig aus, zeigen aber sehr unterschiedliche Körnungslinien, vor allem im Bereich < 0,063 mm. Zwei der untersuchten LD-Schlacken (Zerfallsschlacken) sowie eine sekundärmetallurgische Schlacke weisen geringe Anteile < 0,063 mm auf (weniger als 10-15 %). Alle drei Proben lassen sich mit dem Säulenverfahren (ohne Sandzumischung) und dem GLHC-Verfahren untersuchen. Eine weitere sekundärmetallurgische Schlacke mit einem deutlich höheren Anteil an Körnung < 0,063 mm (> 40 %) bereitete bei beiden Verfahren Probleme. Die übrigen Materialien (BFA, SFA, GRSb) haben generell sehr hohe Anteile an Feinkörnung < 0,063 mm (> 60 %) und können bei beiden Verfahren Probleme verursachen. Eine Perkolation in der Säulenapparatur war bisher mit allen Materialien, die mit 80 % Sand gemischt waren, durchführbar.

Der Effekt chemischer Reaktionen (z. B. Freikalkgehalt bei LDS und SEKS) spielt offenbar keine große Rolle. Beide LDS konnten problemlos (ohne Sandzumischung) mit beiden Verfahren untersucht werden, obwohl sie Freikalkgehalte von 9 ­ 10 % aufwiesen.

Das IGF-Vorhaben Nr. 18938 N der Forschungsvereinigung VDEh-Gesellschaft zur Förderung der Eisenforschung mbH wird über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

7 Ausblick

Um die Auslaugbarkeit von (Straßen-)baustoffen untersuchen und bewerten zu können, ist ­ schon allein aus Gründen des Wettbewerbs und eines unkomplizierten grenzüberschreitenden Handels ­ ein einheitliches Vorgehen notwendig. Bisher existieren recht unterschiedliche Verfahren nebeneinander, die einem solchen Ziel entgegenstehen.

Ein spezielles Problem, dem sich bisher nur wenige Experten gewidmet haben, ist die Untersuchung feinkörniger, schwer perkolierbarer Stoffe. Deutschland verfolgt bisher einen anderen Ansatz als der CEN/TC 351, der europäisch harmonisierte Verfahren für Bauprodukte erarbeitet. Hier ist es wichtig, sich möglichst auf ein einheitliches Verfahren zu einigen, das sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene akzeptiert wird.

Ein erster Schritt in die richtige Richtung ist, dass die aktuelle Fassung der EBV nicht mehr zwingend die Durchführung des Perkolationstests für den Eignungsnachweis fordert. Zitat (BMUB 2017): "Bei nicht perkolierbaren Gießereirestsanden ist der Schüttelversuch nach DIN 19529 zulässig."

Literaturverzeichnis

BMU 2007: Arbeitsentwurf des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit; Verordnung zur Regelung des Einbaus von mineralischen Ersatzbaustoffen in technischen Bauwerken und zur Änderung der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung, November 2007

BMUB 2017: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (Hrsg.): Verord-nung zur Einführung einer Ersatzbaustoffverordnung, zur Neufassung der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung und zur Änderung der Deponieverordnung und der Gewerbeabfallverordnung – Bundesratsfassung 2017

CEN/TS 16637-1: Bauprodukte – Bewertung der Freisetzung von gefährlichen Stoffen – Teil 1: Leitfaden für die Festlegung von Auslaugprüfungen und zusätzlichen Prüfschritten; 2014

CEN/TS 16637-2: Bauprodukte – Bewertung der Freisetzung von gefährlichen Stoffen – Teil 2: Horizon-tale dynamische Oberflächenauslaugprüfung; 2014

CEN/TS 16637-3: Bauprodukte – Bewertung der Freisetzung gefährlicher Stoffe – Teil 3: Horizontale Perkolationsprüfung im Aufwärtsstrom; 2017

DIN 18130-1:1998: Baugrund – Untersuchung von Bodenproben; Bestimmung des Wasserdurchlässigkeitsbeiwerts – Teil 1: Laborversuche

DIN 19528:2009: Elution von Feststoffen – Perkolationsverfahren zur gemeinsamen Untersuchung des Elutionsverhaltens von anorganischen und organischen Stoffen

DIN 19529:2009: Elution von Feststoffen – Schüttelverfahren zur Untersuchung des Elutionsverhaltens von anorganischen Stoffen mit einem Wasser-Feststoff-Verhältnis von 2 l/kg

DIN 19529:2015: Elution von Feststoffen – Schüttelverfahren zur Untersuchung des Elutionsverhaltens von anorganischen und organischen Stoffen mit einem Wasser/Feststoff-Verhältnis von 2 l/kg

EN 12457-1 to -4 (2002): Characterization of waste – Leaching - Compliance test for leaching of granu-lar waste materials and sludges

EN 14405:2017: Charakterisierung von Abfällen - Untersuchung des Elutionsverhaltens - Perkolations-prüfung im Aufwärtsstrom (unter festgelegten Bedingungen)

EN 15863:2015: Charakterisierung von Abfällen – Untersuchung des Elutionsverhaltens für die grundlegende Charakterisierung – Dynamisches Elutionsverfahren für monolithische Abfälle mit periodischer Erneuerung des Elutionsmittels unter festgelegten Prüfbedingungen

EU-Deponierichtlinie – Landfill Directive, Council Directive 1999/31/EC of 26 April 1999

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Prüfvorschriften für Gesteinskörnungen im Straßenbau (TP Gestein-StB), Teile 7.1.1 bis 7.1.5, Ausgabe 2008, Köln, FGSV 610

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Prüfvorschriften für Gesteinskörnungen im Straßenbau (TP Gestein-StB), Teil 7.1.1 Schüttelverfahren (L/S = 10 : 1), Ausgabe 2016, Köln, FGSV 610

NEN 7373:2004 nl: Uitloogkarakteristieken – Bepaling van de uitloging van anorganische componenten uit poederen korrelvormige materialen met een kolomproef – Vaste gronden steenachtige materialen

Verein Deutscher Eisenhüttenleute (Hrsg.): Prüfung des Auslaugungsverhaltens von stückigem und körnigem Gut über 2 mm. Stahl-Eisen-Prüfblatt 1760-67, Düsseldorf, September 1967

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