FGSV-Nr. FGSV C 12
Ort Bamberg
Datum 05.03.2013
Titel Die temperierte Straße
Autoren Dr.-Ing. Dirk Jansen, Prof. Dr.-Ing. Rainer Hess
Kategorien Erd- und Grundbau
Einleitung

Eine temperierte Straße? Bei genauerer Betrachtung weist die Vision einer temperierten Fahrbahnoberfläche überzeugende Vorteile auf und ist technisch bereits heute umsetzbar wie eine Reihe von Projekten weltweit belegen. Im Rahmen der vorgestellten Machbarkeitsstudie wurden die Möglichkeiten und Grenzen einer Fahrbahntemperierung untersucht. Unter Berücksichtigung unterschiedlicher Asphalt- und Speicherkonzepte sowie der in Deutschland vorherrschenden geologischen und klimatischen Randbedingungen erfolgte eine Auswertung der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit eines energetischen Gesamtsystems aus Fahrbahn, Speicher und Gebäude. Die Studie stellt die Rahmenbedingungen für eine Realisierung einer solchen Anlage dar. In vorangegangenen Forschungsvorhaben wurde deutlich, dass sich mit einer Fahrbahnheizung abgesehen vom volkswirtschaftlichen Nutzen aus der gesteigerten Verkehrssicherheit nur ein geringer betriebswirtschaftlicher Nutzen aus eingesparten Winterdiensteinsätzen erzielen lässt. Im nächsten Schritt wurde daher der Nutzen einer Kühlung der Fahrbahndecke im Sommer, die sich insbesondere bei Asphaltdeckschichten als vorteilhaft erweist, in die Betrachtung einbezogen. Bei den zugehörigen thermodynamischen Simulationen zeigte sich ein erheblicher Energieüberschuss in der Jahresbilanz. Daher war es nur folgerichtig für diese Energie mögliche Abnehmer zu suchen. Im Gegensatz zu den erst im Verlauf des Nutzungszeitraums entstehenden Einsparungen aus der Kühlung der Fahrbahnoberfläche können aus einem solchen Verkauf erneuerbarer Energie ganz konkret und kurzfristig Einnahmen generiert werden. Es zeigt sich, dass mit der ganzjährigen Klimatisierung angrenzender Gebäude zwar Einnahmen erzielt werden können, die Wirtschaftlichkeit aber durch die Kosten für die Speicherung bestimmt wird. Letztlich scheint die Umsetzung einer solchen Anlage immer dann wirtschaftlich darstellbar, wenn die geologischen, klimatischen und topografischen Rahmenbedingungen eine effiziente Speicherung der Energie zulassen.

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1 Einleitung

Unter der temperierten Straße wird eine Straße verstanden, deren Fahrbahnaufbau im oberflächennahen Bereich beheizt und gekühlt wird. Dadurch wird die auftretende Temperaturspanne nach oben und unten begrenzt. Die Vorteile einer solchen Temperierung sind offensichtlich:

- Ein Beheizen der Fahrbahnoberfläche im Winter verhindert die Bildung von Glätte und lässt fallenden Schnee tauen bzw. hält gefallenen Schnee zumindest räumfähig (Bild 1). Grundsätzlich können diese Effekte zwar auch durch das Ausbringen von Streusalz im Rahmen des Winterdienstes erzielt werden, aber eine Fahrbahnheizung wirkt sicher ohne zeitliche Verzögerung und ohne ökologische Nachwirkungen infolge des in die Straßenrandbereiche eingetragenen Salzes. Daraus leitet sich ein volkswirtschaftlicher Nutzen durch Erhaltung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs ab. Streckenabschnitte, die früher zur Glättebildung neigen als andere, z. B. Brücken sowie Damm- und Schattenlagen, müssen in Abhängigkeit von der Wetterlage einzeln durch den Winterdienst bedient werden. Werden solche Streckenabschnitte mit einer Fahrbahnheizung ausgestattet, können zusätzliche Kontroll- und vorbeugende Streufahrten entfallen. Dann entsteht neben dem volkswirtschaftlichen Nutzen auch ein betriebswirtschaftlicher Nutzen infolge der eingesparten Winterdienstaktivitäten.

- Ein Beheizen der Fahrbahnoberfläche im Winter und Kühlen der Fahrbahnoberfläche im Sommer begrenzt die auftretende Temperaturspanne im Fahrbahnaufbau und reduziert dadurch die kryogenen Spannungen. Nicht nur, aber besonders bei Fahrbahnbefestigungen aus Asphalt folgt daraus eine Verlängerung der technischen Nutzungsdauer der oberen Schicht bzw. Schichten. Die dadurch eingesparten Erhaltungsmaßnahmen wirken sich sowohl betriebswirtschaftlich über den Lebenszyklus als auch volkswirtschaftlich durch die vermiedenen Verkehrsbehinderungen infolge der geringeren Baustellenanzahl für Erhaltungsmaßnahmen positiv aus.

Bild 1: Beheizte Straßenbrücke im Zuge der A 8 bei Därligen, Schweiz [Eugster 2002]

Erste Überlegungen gingen von einer Ergänzung und Verbesserung des Winterdienstes aus. So finanzierte das Land Nordrhein-Westfalen eine Studie, in der unter dem Titel ,,Geothermie sorgt für Verkehrssicherheit (GeoVerSi)" die verfügbaren Informationen über Anlagen zum Beheizen von Fahrbahnen und anderen Verkehrsanlagen zusammengetragen wurden [Würtele et al. 2005]. In einem anschließend durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung finanzierten Forschungsvorhaben ,,Vermeidung von Glättebildung auf Brükken durch die Nutzung von Geothermie" wurden ­ zunächst auf Brücken fokussiert ­ die einzelnen Komponenten der Fahrbahnheizung näher untersucht [Feldmann et al. 2012]. Für die Energieübertragung waren mit einem Wärmeträgermedium durchströmte Rohrregister vorgesehen. In dem Vorhaben ging es darum, wie die Rohrregister innerhalb des Fahrbahnaufbaus anzuordnen sind, um eine gleichmäßige Erwärmung der Fahrbahnoberfläche zu erreichen. Darüber hinaus wurde untersucht, wie die Rohrregister eingebaut werden können und ob die Rohrregister die Abtragung der Verkehrslasten stören. Letzteres hätte im ungünstigsten Fall die Vorteile hinsichtlich der Verlängerung der technischen Nutzungsdauer wieder aufheben können. Auf der Grundlage der Ergebnisse wurde mit der Kanalbrücke im Zuge der B 208 in Berkenthin das erste deutsche Projekt umgesetzt (Bild 2).

Bild 2: Modell der Kanalbrücke im Zuge der B 208 in Berkenthin, Deutschland [Mackert 2012]

Da die Ergebnisse aus technischer Sicht sehr positiv ausfielen, sollte im nächsten Schritt untersucht werden, ob die Fahrbahnheizung nicht für alle, bezüglich der winterdienstlichen Betreuung kritischen Streckenabschnitte geeignet ist. Im Rahmen des Forschungsvorhabens ,,Erkundung der Potenziale der Geothermie als Beitrag für den Winterdienst" erfolgte daher eine umfangreiche Variationsrechnung zum Aufwand und Nutzen einer Fahrbahnheizung im Vergleich zu einem fahrzeuggebundenem Winterdienst sowie dem Einsatz automatischer Taumittelsprühanlagen [Hess et al. 2012]. Auch wenn der volkswirtschaftliche Nutzen einer Fahrbahnheizung nicht bezweifelt wird, waren die Ergebnisse dieser Variationsrechnung insofern ernüchternd, als sich die Integration einer Fahrbahnheizung in die Straße betriebswirtschaftlich in der Regel nicht alleine über den eingesparten Winterdienst rechtfertigen lässt. Auch unter Einbeziehung der Kühlung des Fahrbahnaufbaus in den Sommermonaten ist das Nutzen-Kosten-Verhältnis bei einer rein betriebswirtschaftlichen Betrachtung nur im Einzelfall größer als Eins. Allerdings lassen die Abschätzungen vermuten, dass die im Sommer während des Kühlens gewonnene Energiemenge den Bedarf für das Heizen im Winter erheblich übersteigt.

Ausgehend von dieser Erkenntnis wird für die Temperierung des Fahrbahnaufbaus die Einbindung in ein Gesamtsystem angestrebt. Die im Sommer über Sonneneinstrahlung auf die Fahrbahnoberfläche gewonnene Energie wird für die Nutzung im Winter gespeichert. Die überschüssige Energie aus dem Kreislauf Kühlen und Heizen des Fahrbahnaufbaus wird aus dem System entnommen und für die Klimatisierung von angrenzenden Gebäuden genutzt. Da die Wärmenutzung auf niedrigem Temperaturniveau und die Wärmeübertragung bei geringen Temperaturdifferenzen erfolgen können, entsteht ein optimales Verbundsystem aus Straße, Speicher und Gebäude, das im Rahmen der hier vorgestellten und ebenfalls durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung finanzierten Machbarkeitsstudie ,,Temperierte Straße" [FE 09.0174/2011/HRB] untersucht wurde. Neben der Durth Roos Consulting GmbH bestand das Projektteam der Auftragnehmer aus den Instituten für Straßen- und Eisenbahnwesen und Technische Thermodynamik und Kältetechnik sowie dem Fachgebiet Bauphysik und Technischer Ausbau am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), dem Institut für Straßenwesen der RWTH Aachen und der optegra Gmbh & Co. KG. Besonderer Dank gilt auch den vielen, nicht vertraglich eingebundenen Beteiligten, die das Projekt mit ihren Erfahrungen bereichert haben.

2 Gesamtsystem

2.1 Systemaufbau

Das in der Machbarkeitsstudie betrachtete Gesamtsystem besteht aus der temperierten Straße, einem Speicher und angeschlossenen Gebäuden (Bild 3). Es wird als gekoppeltes System ausgebildet, um die Wärmenutzung und -übertragung auf einem optimierten Temperaturniveau zu ermöglichen. Für die Simulation der Energiebilanz sowie die Abschätzung der Wirtschaftlichkeit werden die Verhältnisse in Deutschland als geologische, klimatische und topografische Randbedingungen zugrunde gelegt.

Bild 3: Gesamtsystem Straße-Speicher-Gebäude

Die Fahrbahnoberfläche dient als Kollektor für den Niedertemperaturspeicher. Sie produziert im Sommerbetrieb erneuerbare Energie. Für den Betrieb ist elektrische Hilfsenergie für die Mess- und Regeltechnik sowie die Pumpen erforderlich. Die Gebäude erhalten eigene Solarkollektoren für den Hochtemperaturenergiebedarf. Darüber hinaus ist ihre Klimatisierung (Heizen und Kühlen) durch den Einsatz von Wärmepumpen (WP) und Absorptionskältemaschinen (AKM) ganzjährig gewährleistet. Infolge der unterschiedlichen Anforderungen, die aus den klimatischen Einwirkungen im Winter und im Sommer resultieren, ergibt sich eine Systemsteuerung, die in einen Winter- und Sommerbetrieb gegliedert ist.

2.2 Betriebszustände

Für den Winterbetrieb muss eine ausreichend große Wärmemenge bei ausreichend hoher Temperatur durch den Wärmespeicher bereitgestellt werden. Um die Eisfreiheit der Straße zu gewährleisten, sind Anforderungswerte hinsichtlich der Fahrbahnoberflächentemperatur und der relativen Luftfeuchtigkeit festzulegen. Die Regelung im Sommerbetrieb wird so eingestellt, dass die Straßentemperierung immer dann in Betrieb ist, wenn Wärme abgeführt werden kann. Dies gilt dann, wenn die Temperatur des untersten Inkrements der Asphaltüberdeckung höher ist, als die aktuelle Speichertemperatur.

Labortechnische Untersuchungen von Baustoffen und Materialien, die bestehende Erfahrung aus bestehenden Pilotanlagen und ergänzende Erhebungen von betriebswirtschaftlichen und wärmetechnischen Daten erlauben eine Simulation des Gesamtsystems Straße-Speicher-Gebäude. Ziel der Wirksamkeitsanalyse im Rahmen der Machbarkeitsstudie ist die Gestaltung eines energieeffizienten Gesamtsystems. Bei repräsentativer Auslegung des Systems zeigt die Energiebilanz mit ca. 99 % im Sommer und ca. 97 % im Winter die deutliche Dominanz der Fahrbahnoberfläche sowohl bei der Wärmegewinnung als auch beim Wärmeverbrauch (Bild 4).

Bild 4: Energiebilanz im Sommer- und Winterbetrieb

3 Verkehrsfläche

3.1 Asphaltkonzept

Wesentliche Bedeutung in der Systemkomponente Straße hat die Fahrbahnoberfläche bzw. die oberen Schichten des Fahrbahnaufbaus. Bei der Entwicklung eines Asphaltkonzeptes werden unter Beibehaltung der Eigenschaften hinsichtlich der Aufnahme von Verkehrslasten mit mehreren Baustoffen die thermischen Eigenschaften (z. B. Wärmeleitfähigkeit sowie Reflexions- und Absorptionsvermögen) verbessert. Grundlage sind labortechnische Untersuchungen an Asphaltprobekörpern, die unter Verwendung unterschiedlicher natürlicher und künstlicher Gesteinskörnungen hergestellt werden. Die Anforderungen sind eine Oberfläche mit möglichst hohem Absorptionsvermögen und eine Schicht mit hoher Wärmeleitfähigkeit, um die absorbierte Wärme schnell in die tiefer liegenden Rohrregister abführen zu können.

Die Untersuchungen zeigen, dass durch die Verwendung von Quarzit als Gesteinskörnung im Asphalt ein schneller Abtransport der aufgenommenen Energie in tiefere Asphaltschichten begünstigt wird. Die Verwendung von Elektroofenschlacke (EOS) erweist sich aufgrund der hohen Wärmespeicherkapazität und dem damit verbundenen schlechteren Energietransport in die Tiefe als unvorteilhaft. Die Auswertungen der Temperaturleitfähigkeiten zeigen, dass die Leitfähigkeit mit zunehmender Rohdichte des Materials abnimmt. Da Quarzit die geringste Rohdichte der untersuchten Materialien besitzt, begünstigt seine Verwendung als Gesteinskörnung im Asphalt dessen Temperaturleitfähigkeit. Gleichzeitig ist Quarzit aber ein sehr helles Gestein, dessen Absorptionsvermögen nicht besonders hoch ist.

Um beiden thermischen Anforderungen gerecht zu werden, kann die Fahrbahnoberfläche mit dunklem Material abgestreut werden. Das Abstreuen mit dunklen Materialien wie Elektroofenschlacke oder Basalt bewirkt zwar eine deutlich größere Energieaufnahme an der Fahrbahnoberfläche. Da der Energietransport in die tieferen Schichten aber nicht schneller abläuft, ist der Nutzen für das Gesamtsystem begrenzt. Als weitere Optimierungsmöglichkeit der Wärmeleitfähigkeit wird die Variation des Hohlraumgehaltes untersucht. Innerhalb der im Technischen Regelwerk vorgegebenen Spanne für den Hohlraumgehalt von einem Prozent kann keine signifikante Veränderung der Wärmeleitfähigkeit festgestellt werden.

3.2 Rohrregister

Mit wenigen Ausnahmen verwenden die Anlagen zur Temperierung von Verkehrsflächen weltweit Rohrregister analog einer Fußbodenheizung. Um eine gleichmäßige Temperierung der Fahrbahnoberfläche mit möglichst geringen Vorlaufzeiten zu erreichen, müssen Abstand und Tiefe der Rohrposition optimal abgestimmt sein. Die Lage der Rohrregister beim Einbau stellt ein Optimierungsproblem dar. Energetisch gesehen sollte die Position der Rohrregister so nahe wie möglich an der Fahrbahnoberfläche liegen, damit die absorbierte Wärme schnell abgeführt werden kann bzw. beim Heizen ein geringe Vorlaufzeit erforderlich ist, um die angestrebte Temperatur an der Fahrbahnoberfläche zu erreichen. Aus bautechnischer Sicht ist eine möglichst tiefe Lage anzustreben, damit einerseits die Standfestigkeit nicht beeinträchtigt wird und andererseits das Risiko der Beschädigung während des Einbaus und gegebenenfalls bei Erhaltungsmaßnahmen so gering wie möglich ist.

In Bezug auf eine zukünftige großflächige Verlegung und Anwendung für die Temperierung von Straßen sind bei der Einbautechnik für die Rohrregister vor allem die Gesichtspunkte Praxistauglichkeit und Wirtschaftlichkeit von Bedeutung. Insbesondere der Einbauprozess an sich stellt eine Herausforderung dar, da das Material hohen Temperaturen (Gussasphalt bis 230 °C) sowie statischen und dynamischen Belastungen ausgesetzt wird (Walzasphalt bis 150 °C und Verdichtung durch Walzen). Zudem ist eine Fixierung der Rohre (Lagestabilität vertikal und horizontal) während des Einbaus vorzusehen, um eine vollständige Umhüllung und somit eine kraftschlüssige Einbindung in die entsprechende Schicht gewährleisten zu können. Untersuchungen belegen, dass die Rohre bei entsprechender Materialauswahl und beschädigungsfreiem Einbau sehr lang halten. Die umgebenden Schichten werden mit hoher Wahrscheinlichkeit früher versagen als die Rohrregister selbst.

4 Energiespeicher

4.1 Speichertypen

Zur Speicherung der Energie stehen aus technischer Sicht drei ausgereifte und für diesen Anwendungsfall zweckmäßige Systeme zur Verfügung (Bild 5).

Kies-Wasser-Speicher:

Ein künstliches, in der Regel in die Erde eingelassenes Becken, das mit Kies und Wasser gefüllt wird. Das Wasser dient dabei als Speichermedium, während der Kies eine tragfähige Deckenkonstruktion und damit die Überbauung des Speichers erlaubt.

Erdwärmesonden-Speicher:

Ein kreis- oder mehreckig angeordnetes Feld aus Erdwärmesonden. Hierbei dient das Erdreich als Speichermedium. Die Anordnung führt zu einer Minimierung der Verluste durch Wärmetransport. Das erforderliche Volumen ist größer als bei einem Kies-Wasser-Speicher, dafür ist aber das Investitionsvolumen geringer.

Aquifer-Wärmespeicher:

Geologische Bedingungen, die durch einen nicht oder sehr langsam fließenden Grundwasserleiter, der nach unten und oben durch eine wasserdichte Schicht begrenzt wird, aufweisen, lassen sich als natürlicher Speicher nutzen. In diesem Fall werden ein oder zwei Förderbrunnen gebohrt und das stehende Grundwasser als Speichermedium genutzt. Dies ist die günstigste, aus ökologischer Sicht aber bedenklichste Variante der Speicherung. Aufgrund der notwendigen geologischen Bedingungen ist das Speicherkonzept standortgebunden.

Bild 5: Speichertypen für die Wärmespeicherung [Mangold 2012]

Im Rahmen der Studie wird die Energiebilanz des Gesamtsystems anhand repräsentativer Rahmenbedingungen für Deutschland simuliert. Dabei zeigt sich einerseits, dass die für die Klimatisierung von Gebäuden benötigten Energiemengen so gering sind, dass sie für die Dimensionierung des Energiespeichers keine Rolle spielen (vgl. Abschnitt 2.2). Sie sind weiterhin so gering, dass der Energieüberschuss aus dem Sommer nur zu kleinen Teilen weitergegeben werden kann. Im Gegensatz zu der Energie, die für das Heizen im Winter genutzt wird, lassen sich für diese Weitergabe allerdings zahlende Abnehmer finden.

4.2 Speichergröße

Für die Dimensionierung des Energiespeichers folgt daraus, dass sich seine Größe aus den Bedingungen des Winterbetriebes ergibt. Bei den im Technischen Regelwerk verankerten Steuerungsparametern, Fahrbahntemperatur niedriger als +4 °C und relative Luftfeuchtigkeit größer als 75 % ist die errechnete Speichergröße für einen standortunabhängigen Kies-Wasser-Speicher sehr groß. Der Aspekt der Speichergröße ist so auffällig, dass der Vergleich verschiedener Speichertypen mit einem bestehenden europäischen Projekt [Eugster 2002] über spezifische Kennwerte (z. B. Speichergröße pro Straßenfläche und Wasseräquivalent pro Straßenfläche) erfolgt. Im Vergleich zeigt sich, dass die errechneten Ergebnisse genau den hochgerechneten Ergebnissen aus der realisierten und seit Jahrzehnten betriebenen Anlage entsprechen.

Daraus folgt, dass eine Variation der Schaltparameter für den Winterbetrieb als Kombination aus Temperatur und Luftfeuchtigkeit für die Reduzierung der Speichergröße genutzt werden muss. Schon durch eine geringe Änderung der Schaltparameter lässt sich bei den in Deutschland vorherrschenden Witterungsbedingungen die Speichergröße um Vier-Fünftel reduzieren (Bild 6). Vor dem Hintergrund, dass eine am Ort der temperierten Straße installierte Glättemeldeanlage die Risiken lokaler Kältelinsen minimiert, ist eine entsprechende Anpassung der Steuerung aus Perspektive der Verkehrssicherheit vertretbar.

Bild 6: Speichergröße bei im Vergleich zum bestehenden Regelwerk reduzierten Anforderungen

5 Ausblick

Eine temperierte Straße ist technisch möglich und bei einer Lebenszyklusbetrachtung wirtschaftlich umsetzbar. Hohe Investitionskosten für den Speicher und begrenzte Einnahmen durch die Vermarktung der Energie führen jedoch dazu, dass eine starke Beteiligung der öffentlichen Hand als Besitzer und Betreiber der Verkehrsfläche erforderlich bleibt. Die vorliegende Machbarkeitsstudie zeigt die Möglichkeiten und Grenzen der Nutzung von Energie aus der Fahrbahnoberfläche auf und stellt die Randbedingungen für die Realisierung einer temperierten Straße dar.

Die Temperierung der Straße und damit des gebundenen Fahrbahnaufbaus ermöglicht es, den Einsatz alternativer Asphaltrezepturen zu prüfen. Die Begrenzung der auftretenden Temperaturen erlaubt die Verwendung eines weicheren Bitumens, wodurch die Anfälligkeit der Asphaltkonstruktion bei Kälte verringert und ihre Lebensdauer insgesamt verlängert werden. Es ist noch zu untersuchen, ob sich die Korngröße auf die Qualität der Verdichtung auf Höhe des Rohrregisters auswirkt. Bisherige Projekte wurden zumeist mit Gussasphalt ausgeführt, der wegen seiner Gießfähigkeit die Hohlräume auf der Unterseite der Rohre ohne zusätzliche Verdichtungsarbeit ausfüllt. Andererseits ist Gussasphalt aber nur eingeschränkt für die Aufnahme der in der Binderschicht auftretenden Schubspannungen geeignet.

Die in der Machbarkeitsstudie betrachtete Lösung mit einem weitgehend ortsunabhängigen Kies-Wasser-Wärmespeicher ist aufgrund der hohen Investitionskosten bislang nicht wirtschaftlich. Das entscheidende Potenzial zur wirtschaftlichen Nutzung der Energie aus Fahrbahnoberflächen ist in der Minimierung der Speicherkosten zu sehen. Eine Realisierung wird nur erfolgen können, wenn die Nutzung eines natürlichen Speichers in Kombination mit der Standortauswahl möglich ist. Um die Umsetzung einer Pilotanlage wirtschaftlich gestalten zu können, ist es darüber hinaus sinnvoll, durch eine detaillierte Standortanalyse ein optimales Steuerungskonzept für den Winterbetrieb zu erstellen.

6 Literaturverzeichnis

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