FGSV-Nr. FGSV 001/22
Ort Düsseldorf
Datum 08.10.2008
Titel Kaltrecycling Ein CO2-reduzierendes Straßenbauverfahren
Autoren Dipl.-Ing. Martin Diekmann
Kategorien Kongress
Einleitung

Mit dem Kaltrecycling-Verfahren können Straßenbaustoffe ohne thermische Behandlung (kalt) aufbereitet werden. An Ort und Stelle werden die Straßenbaustoffe in einem Maschinenübergang granuliert, im Zwangsmischverfahren mit Wasser, Zement und bituminösen Bindemitteln homogenisiert und direkt profil- und lagegerecht eingebaut. Wertvoller Nebeneffekt der Bauweise ist das enorme CO2-Einsparpotenzial durch den Wegfall des Materialtransports und das große Energieeinsparpotenzial bei der Materialaufbereitung.

Das Kaltrecycling-Verfahren bietet die Möglichkeit, mit den derzeit zur Verfügung stehenden Mitteln auch zukünftig den Anforderungen bezüglich Wirtschaftlichkeit, Ressourcenschonung, Schonung der Umwelt und Verkürzung der Bauzeit gerecht zu werden. Die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens trägt zudem dazu bei, notwendige Gelder zum Ausbau des bestehenden Straßennetzes zu gewinnen. Jede Stauvermeidung sowie eine Verkürzung der Bauzeit beinhaltet ebenfalls ein enormes CO2-Einsparpotenzial.

 

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1 Einleitung

Aus straßenbautechnischer Sicht sind Straßenausbaustoffe allgemein hochwertige Baustoffe, die wiederverwertbar sind. Hochtragfähige Schichten lassen sich im Kaltrecycling-Verfahren realisieren, wenn die vorliegenden Asphaltschichten zunächst zu Asphaltfräsgut granuliert werden und anschließend mit Bitumen und/oder Zement eine homogene, gebundene Schicht bilden. Die optimale Bindemittelrezeptur und im Bedarfsfall auch die nötige Zugabe von Ergänzungsstoffen werden durch vorausgehende Eignungsprüfungen im Straßenbaulabor bestimmt (Bild 1).

Bild 1: Grundprinzip des Kaltrecyclings in sit

Die Hauptvorteile des Kaltrecycling-Verfahrens sind:

  • Hohe Wirtschaftlichkeit im Vergleich zu konventionellen Bauverfahren
  • Schonung der Ressourcen, wie Zuschlagstoffe und Bindemittel
  • Deutliche Reduzierung des CO2-Ausstoßes
  • Reduzierung des Transportaufkommens
  • Geringere Beanspruchung des bestehenden Straßennetzes
  • Reduzierung der Deponievolumina
  • Schneller Baufortschritt kürzere Bauzeit, weniger Verkehrsbehinderung.

Nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz wird zudem der Wiederverwertung gegenüber der Entsorgung eindeutig Vorrang gegeben.

2 Moderne Maschinentechnik macht es möglich

Moderne Kaltrecycler wie der WR 4200 der Fa. Wirtgen (Bilder 2 und 3) können in einem Arbeitsgang den vorhandenen bituminösen Straßenoberbau im kaltem Zustand bis zu einer Arbeitstiefe von 25 cm auffräsen, homogenisieren und gleichzeitig kaltverarbeitbare Bindemittel wie z. B. Bitumenemulsion oder Schaumbitumen im Zwangsmischverfahren einmischen. Auch das Einmischen hydraulischer Bindemittel in Kombination mit bituminösen Bindemitteln ist gängige Praxis. Unmittelbar nach dem Vermischen wird das Kaltrecyclingmischgut profil- und lagegerecht durch eine mitgeführte Fertigerbohle eingebaut sowie abschließend mit Walzenzügen endverdichtet. Eine zügig einsetzende Erhärtung lässt eine Freigabe für den Baustellenverkehr nach der abgeschlossenen Verdichtungsarbeit zu. Abschließend wird (werden) die kaltrecycelte(n) Schicht(en) beispielsweise durch eine Asphaltdeckschicht überbaut und versiegelt.

Bild 2: Darstellung eines Kaltrecyclingzuges

Bild 3: WR 4200 – Kaltrecyclingzug im Einsatz

2.1 Merkmale des Kaltrecyclers WR 4200

  • Die Arbeitsbreite kann zwischen 2,80 und 4,20 m stufenlos variiert werden. Dies hat zur Folge, dass auf veränderliche Straßenbreiten reagiert und die gesamte Breite oftmals in einem einzigen Durchgang ohne Längsnaht hergestellt werden kann.
  • Der Mischvorgang erfolgt unter Zugabe von Wasser und Bindemitteln in einem eingebauten Zweiwellen-Zwangsmischer mit einer Kapazität von 400 t/h (Bild 4).
  • Durch den zusätzlichen Zweiwellen-Zwangsmischer wird über die gesamte Einbaubreite und -höhe eine homogene Qualität erzielt, die dem Zentralmischverfahren einer Asphaltmischanlage gleichkommt.
  • Das von einer Verteilerschnecke vorgelegte KRC-Mischgut wird von der Bohle profilgerecht eingebaut. Zur Vorverdichtung ist sie sowohl mit Stampfern als auch mit einer Vibrationsvorrichtung ausgestattet.

Bild 4: Schematische Darstellung des Materialflusses im Kaltrecycler WR 4200

3 Vergleich der konventionellen Erneuerung mit dem Kaltrecycling in situ

Die „Freie Bemessung“ des Straßenoberbaues ermöglicht eine alternative Dimensionierung. Mit Hilfe von Bemessungsprogrammen können verschiedene Aufbauten unter Verwendung konventioneller, alternativer und recycelter Straßenbaustoffe gegenübergestellt werden. Ebenfalls können die Schichtstärken und deren Lagen im Oberbau variiert werden. Dies erfolgt immer mit dem Ziel, die wirtschaftlichste Lösung für einen festgelegten Nutzungszeit- raum zu finden.

In Deutschland erfolgt die Schichtdickenbemessung des Asphaltoberbaus mit Hilfe der „Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaues von Verkehrsflächen“ (RStO 01). Die Festlegung der Schichtdicken erfolgt empirisch und wird seit 1966 den steigenden Verkehrs- aufkommen angepasst. Eine Berücksichtigung von alternativen Straßenbaustoffen und Bau- verfahren fand bisher aber nicht statt. Weltweit wurden bisher sehr positive Ergebnisse mit analytischen Bemessungsmethoden gemacht. Diese können sich immer den Gegebenheiten vor Ort anpassen und sind offen für alternative und innovative Baustoffe. Nicht selten spie- gelt sich dies dann auch in der Wirtschaftlichkeit wieder.

Im folgendem Fallbeispiel soll eine 10 km lange Straße der Bauklasse II (über 3 bis 10 Mio. 10-t-Achsübergänge)) für einen Nutzungszeitraum von 30 Jahren nach den RStO 01 im Tiefeinbau erneuert werden.

Das Bild 5 stellt den Ausgangszustand und konventionellen Aufbau nach den RStO 01 da. Das Bild 6 stellt den freien analytisch bemessenen Aufbau dar und die Struktur des gebundenen Oberbaues nach der strukturellen Erhaltung im Kaltrecycling-Verfahren.

Bild 5: Asphalttragschicht auf Frost-Schutzschicht, RStO 01             

Bild 6: KRC-Bauweise, Analytische Bemessung

Die analytische Bemessung für die KRC-Schicht gemäß TG2-The Design and Use of Foamed Bitumen Treated Materials (2002) ergibt sich wie folgt:

Formeln in der PDF

Das Einsetzen der relevanten Variablen in die Gleichungen 1 und 2 liefert die Werte für die Nutzungsdauer der mit Schaumbitumen behandelten Schicht. Die Gesamtnutzungsdauer dieser Schicht beträgt 9,26 Millionen 10-t-Achsübergänge und erfüllt somit die Anforderungen der Bauklasse II, RStO 01.

Die Asphaltdeckschicht übersteigt in Simulationen und Berechnungen die zugrunde gelegten Belastungen von über 3 bis 10 Millionen 10-t-Achsübergängen.

Die Verfahrensschritte der konventionellen Erneuerung im Tiefeinbau und der strukturellen Erhaltung im Kaltrecycling-Verfahren sind im Folgenden vereinfacht dargestellt.

3.1 Konventionelle, strukturelle Erhaltung im Tiefeinbau

Es sind folgende Arbeitsschritte erforderlich:

I      Abfräsen des bestehenden Asphaltoberbaues

II       Vollständiger Ersatz des Asphaltoberbaues.

Grafik in der PDF

3.2 Strukturelle Erhaltung im Recyclingverfahren

Es sind folgende Arbeitsschritte erforderlich:

  1. Abfräsen der vorhandenen Deckschicht
  2. Vorlegen von Ergänzungsstoffen (im Bedarfsfall)
  3. Homogenisieren unter Zugabe von hydraulischen und bituminösen Bindemitteln (Recycling)
  4. Abschließender Einbau einer Asphaltdeckschicht.

Grafik in der PDF

4 CO2-Bilanzierung

Aktuell und von großem politischen Interesse ist die allgemeine CO2-Reduzierung. Auch im Straßenbau lassen sich erhebliche CO2-Einsparpotenziale aufzeigen.

Hierzu wird ein Vergleich der konventionellen und der Recyclingbauweise angestellt. Die beiden Bauweisen werden miteinander verglichen.

4.1 Konventionelle Erneuerung des gebundenen Asphaltoberbaues im Tiefeinbau

Grafik in der PDF

4.2 Recyclingverfahren zur Erneuerung des gebundenen Asphaltoberbaus im Tiefeinbau

Grafik in der PDF

4.3 Aufteilung der Prozessschritte und deren CO2-Emissionen

Für die einzelnen Prozessschritte wird nur jeweils der direkte Verbrauch bilanziert, indirekter Verbräuche (z. B. Herstellung einer Asphaltmischanlage) bleibt unberücksichtigt. Für den direkten Verbrauch werden in der folgenden CO2-Bilanzierung folgende Prozessschritte und Verbrauchsdaten festgehalten:

1 Liter Diesel/Heizöl = 2,67 kg CO2

4.3.1 Materialausbau

Der Primärenergiebedarf erfolgt ausschließlich durch die Rohölverbrennung und beträgt für Straßenfräsen durchschnittlich 0,2 kg/m².

4.3.2 Materialtransporte

Für die Materialtransporte können CO2-Emissionen in Höhe von 81,8 kg/t km angesetzt werden (Lünser 1999).

Als Wegstrecke für die Transportwege wird hier der sehr günstige Wert von nur 35 km angenommen. Er beinhaltet sowohl die Anlieferung als auch die leere Rückfahrt.

4.3.3 Materialgewinnung

Für die Gewinnung gebrochener Zuschläge werden 3 579 g/t infolge Rohölverbrennung und 2 597 g/t infolge Stromverbrauch, zusammen 6 176 g/t erzeugt (Lünser 1999).

4.3.4 Bitumenherstellung

Für die Bitumenherstellung einschließlich der Gewinnung des Rohöls, Transport nach Europa, Raffinierung und Lagerung wurde durch die Eurobitume (1999) ein CO2-Ausstoß von 277 000 g/t ermittelt.

4.3.5 Asphaltherstellung

Als Mittelwert kann auf Grundlage der VDI-Richtlinie 2283 (Emissionsminderung-Aufbereitungsanlagen für Asphaltmischgut) eine CO2-Emission von ca. 25 000 g/t für die Asphaltherstellung zugrunde gelegt werden.

4.3.6 Recyclingverfahren

Der Primärenergiebedarf erfolgt ausschließlich durch die Rohölverbrennung und beträgt für einen Recycler WR 4200 durchschnittlich 0,4 kg/m².

4.3.7 Materialeinbau

Der Primärenergiebedarf erfolgt ausschließlich durch die Rohölverbrennung und wird für den Einbau mit durchschnittlich 700 g/t angesetzt (Pohle/ Beyert 1983)

4.3 8 Aufstellung der Maschinentechnik und Massenvergleich

Die im Bild 7 dargestellten Maschinen werden für eine Straßenerhaltung benötigt.

Bild 7: Gegenüberstellung der hauptsächlichen Maschinen- und Gerätetechnik beider Bauverfahren

Im Vergleich beider Bauweisen werden zudem die Einsparpotenziale an Ausbauasphalt, Bitumen, Rohstoffe (Mineralstoffe) und Transportkilometer auf das bezogene Beispiel deutlich.

Bild 8: Massenvergleich beider Bauverfahren

4.3.9 CO2-Emissionen

Die Ermittlung der CO2-Emissionen für die konventionelle Erneuerung und die Erneuerung im Kaltrecycling-Verfahren sind einschließlich einer Vergleichsgrafik in den Bildern 9 bis 12 dargestellt.

Bild 9: Ermittlung der CO2-Emissionen für die konventionelle Erneuerung im Tiefeinbau

Bild 10: CO2-Emission der einzelnen Prozessschritte bei der konventionellen Erneuerung

Bild 11: Ermittlung der CO2-Emission für die Erneuerung im Kaltrecycling-Verfahren

Bild 12: CO2-Emission der einzelnen Prozessschritte beim Kaltrecycling

Bild 13: Vergleich beider Bauweisen in ihrer CO2-Bilanz

5 Zusammenfassung

Die CO2-Einsparpotenziale durch das Kaltrecycling-Verfahren sind enorm und der richtige Schritt in die Zukunft der Straßensanierung (Bild 14).

Bild 14: Vergleich beider Bauweisen in ihrer CO2 Bilanz insgesamt

Im Vergleich zur konventionellen Erneuerung lassen sich durch das Kaltrecycling-Verfahren ca. 68 % CO2-Ausstoß einsparen. Das Einsparpotenzial lässt sich noch besser verdeutlichen, wenn es mit der Erneuerung (konventionell) einer 10 000 m²-Straße im Tiefeinbau verglichen wird. Das CO2-Einsparpotenzial liegt dann bei 204 000 kgCO2 (20,4 kgCO2 /m²). Dies entspricht der CO2-Emission eines VW Golf (160 gCO2 /km) für ca. 32 Erdumrundungen oder der von ca. 43 000 Pkw auf ihrem täglichen Weg zum Arbeitsplatz (30 km; An- und Abfahrt).

Der dringende Bedarf einer strukturellen Erhaltung des bestehenden Straßennetzes, sowie der jetzt schon dringend erforderliche Ausbau – in Kombination mit dem steigenden Ölpreis und leeren Haushaltskassen – lässt das Kaltrecycling-Verfahren in vielen Ländern boomen. Das Kaltrecycling-Verfahren kommt in Deutschland bis jetzt nur gelegentlich zur Anwendung, weltweit und vor allem in Nachbarländern liegen positive Ergebnisse und Langzeitstudien vor.

Literaturverzeichnis

  1. EUROBITUME (1999): Partial Life Cycle Inventory or „Eco-Profile“ for Paving Grade Bitumen, Eurobitume Report 99/007,Brussels
  2. Lünser, H. (1999): Ökobilanzen im Brückenbau: Eine umweltbezogene, ganzheitliche Bewertung, Basel
  3. Pohle, G.; Beyert, J. (1983): Aufstellung einer Energiebilanz für verschiedene Oberbauarten im Straßenbau, in: Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 485, Bonn
  4. Jenkins, K. J. et al. (2002): TG2-The Design and Use of Foamed Bitumen Treated Materials, Interim Technical Guideline, Edited by Les Sampson of Asphalt Academy (publishers), SBN 0-7988-5543-6.Asphalt Academy, Pretoria South Africa