FGSV-Nr. FGSV B 33
Ort Berlin
Datum 19.06.2019
Titel Alkali-Kieselsäure-Reaktion im kommunalen Straßenbau
Autoren Eberhard Eickschen, Christoph Müller
Kategorien Betonstraßen
Einleitung

Viele Verkehrsflächen im kommunalen Bereich werden unter Bezug auf das Allgemeine Rundschreiben Straßenbau Nr. 04/2013 zur Alkaliempfindlichkeit aufgrund der Einordnung in die Belastungsklassen Bk1,8 bis Bk100 der Feuchtigkeitsklasse WS zugeordnet. Die Eignung von Gesteinskörnungen bzw. Betonen für die Feuchtigkeitsklasse WS kann durch eine WS-Grundprüfung oder eine AKR-Performance-Prüfung des Betons nachgewiesen werden. Da in vielen Regionen keine entsprechenden Nachweise vorliegen, ist oftmals kein Transportbeton lieferbar. Die Einstufung WS wurde für Autobahnen (hohe dynamische Belastung und Alkalizufuhr von außen) gewählt. Bei kommunalen Flächen ist aber infolge der geringeren Geschwindigkeit die dynamische Verkehrsbelastung nicht so hoch. Zudem werden im innerstädtischen Bereich oft keine Taumittel eingesetzt, sodass die Alkalizufuhr und das Risiko einer schädigenden AKR im Vergleich zum Autobahnbau geringer ausfallen dürften. Möglicherweise ist die Feuchtigkeitsklasse WA oder eine vergleichbare Zuordnung ausreichend. In einem Forschungsvorhaben wurden daher Bohrkerne aus Flächen des kommunalen Straßenbaus und Laborbetone mit den für die Feuchtigkeitsklassen WS bzw. WA entwickelten Prüfverfahren geprüft. Aus den Versuchsergebnissen wurden Kriterien erarbeitet, um die Alkaliempfindlichkeit und eine praxisgerechte Zuordnung der Feuchtigkeitsklasse von Betonen im Bereich des kommunalen Straßenbaus zu beurteilen.

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1 Einleitung und Untersuchungsziel

Schäden durch eine Alkali-Kieselsäure-Reaktion (AKR) an Betonfahrbahndecken auf Bundesautobahnen in Deutschland führten zur Entwicklung von AKR-Performance-Prüfverfahren [1–5]. Zur Vermeidung von Schäden auf Autobahnen und Bundesfernstraßen wurde das Allgemeine Rundschreiben Straßenbau Nr. 4/2013 zur Alkaliempfindlichkeit mit entsprechenden Prüfverfahren veröffentlicht [6]. In Abhängigkeit der aus den „Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen“ (RStO) abgeleiteten Bau- bzw. Belastungsklasse [7] werden darin die Feuchtigkeitsklassen WA (Beton, der während der Nutzung häufig oder längere Zeit feucht ist und häufiger oder langzeitiger Alkalizufuhr von außen ausgesetzt ist) bzw. WS (Beton, der zusätzlich zu der Beanspruchung nach Klasse WA einer hohen dynamischen Beanspruchung ausgesetzt ist) zugewiesen (Tabelle 1). Die Eignung von Gesteinskörnungen bzw. Betonen für die Klasse WS kann durch eine WS-Grundprüfung oder eine AKR-Performance-Prüfung des Betons nachgewiesen werden.

Tabelle 1: Feuchtigkeitsklassen von Verkehrsflächen (Bundesfernstraßen) bei Anwendung des Allgemeinen Rundschreiben Straßenbau ARS 4/2013 [6]

Viele Verkehrsflächen im kommunalen Bereich werden den Belastungsklassen Bk1,8 bis Bk100 und damit in Analogie zu dem Rundschreiben der Feuchtigkeitsklasse WS zugeordnet. Hierzu zählen z. B. Bushaltestellen, Parkflächen oder Straßentypen nach den „Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen“ (RASt) [8] im innerstädtischen Bereich (Tabelle 2).

Tabelle 2: Belastungsklassen und daraus abgeleitete Feuchtigkeitsklasse für typische Entwurfssituationen im kommunalen Straßenbau [8]

Die Einstufung WS wurde für Autobahnen (Alkalizufuhr von außen und hohe dynamische Beanspruchung) gewählt. Bei kommunalen Flächen dürfte infolge der geringeren Geschwindigkeit die dynamische Verkehrsbelastung nicht so hoch sein. Zudem werden oft weniger oder keine Taumittel, sondern abstumpfende Mittel eingesetzt, sodass die Alkalizufuhr und das Risiko einer schädigenden AKR geringer ausfallen dürfte. Möglicherweise ist die Feuchtigkeitsklasse WA oder eine vergleichbare Zuordnung ausreichend. Für die Feuchtigkeitsklasse WA wären die Regelungen der Alkali-Richtlinie des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton (DAfStb) [9] anzuwenden.

Bei vielen Anwendungen des kommunalen Straßenbaus handelt es sich im Vergleich zum Autobahnbau um kleinere Baulose, für die sich der Aufbau einer eigenen Baustellenmischanlage nicht lohnt. Der Beton wird daher i. d. R. von Transportbetonwerken geliefert. Die Praxis nach Einführung des ARS hat gezeigt, dass insbesondere bei kleineren Bauvorhaben Probleme auftreten, da nunmehr infolge der Belastungsklasse die Feuchtigkeitsklasse WS gefordert wird. Da in vielen Regionen weder WS-Grundprüfungen noch Performance-Prüfungen vorliegen, ist die Anwendung der Betonbauweise im innerstädtischen Bereich vielfach nicht möglich. Transportbeton mit den notwendigen Nachweisen ist nicht lieferbar. Ziel des Forschungsvorhabens war es nunmehr, für den Bereich kommunaler Verkehrsflächen grundlegende Erkenntnisse zur praxisgerechten Zuordnung der Feuchtigkeitsklasse und der entsprechenden Bewertung des Betons z. B. durch Performance-Prüfungen zu liefern. Die praxisgerechte Wahl der Feuchtigkeitsklasse und die Bewertung durch ein geeignetes Prüfverfahren schützen vor Fehlanwendungen durch eine schädigende AKR und ermöglichen den Einsatz regional verfügbarer Ausgangsstoffe. Dauerhaftigkeit und Wirtschaftlichkeit der Betonbauweise werden damit verbessert.

2 Umfang der Untersuchungen

Das Forschungsvorhaben wurde in drei Arbeitspaketen bearbeitet. Zunächst wurden Betonflächen im kommunalen Bereich oder vergleichbarer Anwendung mit guten Praxiserfahrungen ausgewählt. Voraussetzung war eine mindestens 10-jährige Liegezeit ohne Anzeichen einer schädigenden AKR. Die Strecken wurden visuell auf AKR-spezifische Schadensmerkmale begutachtet und – falls vorhanden – folgende Daten erhoben: Ausgangsstoffe (Zementart, Alkaligehalt, Gesteinskörnungen), Betonzusammensetzung und sonstige Randbedingungen (Baujahr, Oberbau, Taumitteleinsatz). Um das Verhalten der Betone in Laborprüfungen festzustellen, wurden in einem zweiten Schritt Bohrkerne aus den Decken entnommen und mit den vom VDZ für die Feuchtigkeitsklassen WA bzw. WS entwickelten Prüfverfahren geprüft [1 bis 5]. Außerdem wurden Chloridprofile ausgewählter Betondecken bestimmt und mit den Ergebnissen von Autobahnen (WS [9]) verglichen. Schließlich wurden ausgewählte Betone im Labor nachgestellt und eine WS- bzw. WA-Performance-Prüfung unter Verwendung der Informationen der damaligen Erstprüfung sowie eine Nebelkammerprüfung der Gesteinskörnungen (Splitt und Kies) nach Alkali-Richtlinie [9] durchgeführt.

3 Versuchsergebnisse

3.1 Arbeitspaket 1: Auswahl Flächen

Um die Eignung von Betonen für kommunale Verkehrsflächen und deren praktische Bewährung nachzuweisen, wurden Beispiele mit guten Praxiserfahrungen ausgewählt (Tabelle 3). Voraussetzung war eine mindestens 10-jährige Liegezeit ohne Anzeichen einer schädigenden AKR. Einige potenziell geeignete Flächen konnten nicht in die Untersuchung einbezogen werden, da deren Eigentümer auf Nachfrage der Entnahme von Bohrkernen nicht zustimmten (z. B. ein Omnibusbahnhof bzw. eine Lkw-Stellfläche). Anstelle dieser Flächen wurde ein Autobahnabschnitt (Nr. 3) in die Untersuchung einbezogen, der mit einem in der Region verwendeten Beton gleicher Zusammensetzung hergestellt wurde. Aus einem Zementwerk wurden drei Flächen mit unterschiedlichem Schwerverkehr und Taumittelauftrag ausgewählt (Nr. 7, 8 und 9). Von der Ortsumgehung B8n in Düsseldorf (Nr. 5 und 6) wurden zwei Varianten mit unterschiedlichen Oberbetonen einbezogen. Außerdem wurden ein Busbahnhof (Nr. 4) und zwei innerstädtische Straßen in Berlin (Nr. 1) und Wiesbaden (Nr. 2) ausgewählt. Der im Straßenbereich in Wiesbaden verwendete Beton (Nr. 2) wurde auch innerhalb der im Straßenbereich gelegenen Bushaltestellen verwendet.

Die ausgewählten Flächen wurden visuell auf AKR-bedingte Schadensbilder begutachtet [10]. Dabei wurden keine AKR-spezifischen Merkmale festgestellt. Vereinzelt waren feine oberflächennahe Schwindrisse vorhanden.

Zu jedem Baulos wurden die zugänglichen Daten (z.B. Ausgangstoffe, Betonzusammensetzung, Bau- bzw. Belastungsklasse, Baujahr, Oberbau) erfasst (Tabelle 4). Außerdem wurden z. B. Informationen zu Einbauverfahren und zur Taumittelbeaufschlagung erhoben. Mit Ausnahme der Ortsumgehung B8n (2-schichtiger Beton) waren die Betone einschichtig eingebaut worden. Hinsichtlich der Verkehrsbelastung ist davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt des Baus die Flächen 1 bis 7 den Bauklassen SV und I bis III zugeordnet wurden und damit heute formal der Feuchtigkeitsklasse WS entsprechen. Die Fläche 8 ist der Klasse WA und die Fläche 9 der Klasse WS/WA zuzuordnen. Bezüglich der Taumittelbeaufschlagung während des Winterdiensts konnten nur qualitative Angaben erhoben werden. Auf die Fläche des Bauloses 8 (Abstellfläche) wurde im Winter regelmäßig Taumittel aufgebracht. Der Taumittelauftrag wurde qualitativ als gering, mittel oder stark eingestuft.

Tabelle 3: Bezeichnung und Baujahr der ausgewählten Betonflächen

Tabelle 4: Kennwerte der Betondecken

3.2 Arbeitspaket 2: Bohrkernuntersuchungen

Aus den neun Flächen wurden Bohrkerne entnommen. Aus einem Bohrkern jeder Fläche wurde eine Betonprobe entnommen und es wurden Dünnschliffe auf AKR-typische Merkmale (Risse, Gel) untersucht. Zum Entnahmezeitpunkt ergaben sich bei keiner Fläche Hinweise auf eine schädigende AKR. Außerdem wurden das Chloridprofil und die Dehnung im 60 °C-Betonversuch mit Alkali-Zufuhr bestimmt.

3.2.1 Chloridprofil

Zur Abschätzung des Eindringverhaltens von Natriumchlorid in den Beton wurde der Chloridgehalt von sechs ausgewählten Betondecken über den Querschnitt bestimmt. Das ermittelte Chloridprofil im oberflächennahen Bereich wurde mit Daten von Bohrkernen aus Autobahnen (WS [11]) verglichen. Das Bild 1 zeigt den wasserlöslichen Chloridgehalt im Beton, bezogen auf den Zementsteinanteil in Abhängigkeit vom Abstand zur Oberfläche. Die gestrichelten Linien umschließen den Wertebereich für an Autobahnproben ermittelte Werte (WS). Der lösliche Chloridgehalt im Zementstein nahm bis zu einer Tiefe von rd. 5 cm kontinuierlich ab. Dabei zeigte sich kein systematischer Unterschied zwischen den kommunalen Flächen und Autobahnen. Mit Ausnahme der nicht mit Taumitteln beaufschlagten Werksstraße (Fläche 7) lagen die anderen Flächen im Wertebereich der Autobahnen (WS). Dass bei kommunalen Fahrbahndecken grundsätzlich geringere Chloridprofile infolge eines defensiveren Tausalzeinsatzes auftreten, konnte anhand der untersuchten Proben nicht bestätigt werden.

Bild 1: Wasserlösliche Chloridgehalte in Bohrkernen von Betonfahrbahndecken aus Autobahnen (gestrichelte Linien [11]) und in Bohrkernen aus dem kommunalen Bereich, bezogen auf den Zementsteinanteil in Abhängigkeit von dem Abstand zur Oberfläche

3.2.2 Bohrkernprüfung im 60 °C-Betonversuch mit Alkalizufuhr von außen

Für die Prüfungen wurden von jedem der neun Flächen zwei Bohrkerne verwendet. Die Bohrkerne wurden in Längsrichtung halbiert und Messmarken im Abstand von 20 cm angeordnet. Bei den beiden zweischichtigen Betondecken (Nr. 5 und 6) wurden die Dehnungen der rd. 5 cm bis 7 cm dicken Oberbetone mit zusätzlichen 10-cm-Messstrecken auf der oberen Stirnfläche bzw. der Innenseite der Mantelfläche gesondert erfasst.

Das Restdehnungspotenzial des Betons wurde mit dem 60 °C-Betonversuch mit Alkalizufuhr von außen für die Feuchtigkeitsklassen WA (3 %-ige NaCl-Lösung) bzw. WS (3 %-ige und 10 %-ige NaCl-Lösung) ermittelt. Wenn die Dehnungen nach zehn Zyklen bei 3 %-iger Alkalizufuhr den Wert von 0,50 mm/m nicht überschreiten, kann der Beton der Feuchtigkeitsklasse WA zugeordnet werden.

Für die Feuchtigkeitsklasse WS darf bei 10 %-iger Alkalizufuhr ein Wert von 0,50 mm/m bzw. bei 3 %-iger Lösung ein Wert von 0,30 mm/m nicht überschritten werden. Die Prüfdauer wurde über die normalen 10 Zyklen auf 15 Zyklen verlängert.

Es zeigte sich, dass die kurze Messstrecke von 10 cm nicht geeignet war, um reproduzierbare Messwerte zu erzielen. In den Bildern ist daher jeweils nur der Unterbeton der Betone B8n_I und B8n_II (lfd. Nr. 5 und 6) dargestellt. Bei einer Konzentration von 3 % NaCl ist mit einer Ausnahme keine nennenswerte Zunahme der Dehnung nach zehn Zyklen zu verzeichnen (Bild 2). Den möglichen Ursachen der hohen Dehnungen der lfd. Nr. 8 ist nachzugehen. Die Dehnungen der Betone liegen unter dem Wert von 0,50 mm/m und können daher der Feuchtigkeitsklasse WA zugeordnet werden. Die meisten Betone wären zudem anhand der Prüfergebnisse auch für die Feuchtigkeitsklasse WS (< 0,30 mm/m) geeignet. Bei einer Konzentration von 10 % NaCl ist ein wesentlich stärkerer Anstieg der Dehnungen auch über den Wert von zehn Zyklen hinaus zu verzeichnen (Bild 3). Das Bewertungskriterium für die Feuchtigkeitsklasse WS von 0,50 mm/m nach zehn Zyklen wird von sechs von neun Varianten unterschritten. Sehr gering sind die Dehnungen des Betons 3 aus dem Seitenstreifen einer Autobahn, der in gleicher Zusammensetzung in mehreren kommunalen Flächen der Region eingebaut wurde.

Bild 2: Dehnungen von Bohrkernhälften (Mittelwert aus zwei Bohrkernhälften) aus den neun Flächen im 60 °C-Betonversuch mit Alkalizufuhr von außen durch eine 3 %-ige NaCI-Lösung

Bild 3: Dehnungen von Bohrkernhälften (Mittelwert aus zwei Bohrkernhälften) aus den neun Flächen im 60 °C-Betonversuch ≤ mit Alkalizufuhr von außen durch eine 10 %-ige NaCI-Lösung

3.3 Arbeitspaket 3: Herstellung von Laborbetonen

3.3.1 Allgemeines

Im Arbeitspaket 3 wurden die Ausgangsstoffe (Zement, Gesteinskörnungen) jener Betone beschafft, aus denen die Beton decken der Proben Nr. 1, 2, 3 und 8 bestehen, und daraus im Labor nachträglich Betone hergestellt. Unter Verwendung der Informationen der damaligen Erstprüfung wurde nachträglich eine AKRPerformance-Prüfung mit dem 60 °C Betonversuch mit 3 % und 10 % NaCl durchgeführt. Die Betone für die Performance-Prüfungen sind in Tabelle 5 zusammengestellt.

Da die damals verwendeten Zemente in drei Fällen nicht mehr verfügbar waren, wurde ein AKR-Prüfzement aufdotiert (Nr. 1 bzw. Nr. 2) bzw. ein vergleichbarer Zement (Nr. 3) verwendet (Tabelle 6). Außerdem wurde die Alkaliempfindlichkeit der Gesteinskörnung nach Alkali-Richtlinie in der 40 °C-Nebelkammerlagerung geprüft (vier Kiese und vier Splitte). Die Betonzusammensetzungen entsprachen der Alkali-Richtlinie (Tabelle 7).

Tabelle 5: Betonzusammensetzungen gemäß der jeweiligen alten Erstprüfung für die nachträgliche Performance-Prüfung

Tabelle 6: Zemente für die Performance-Prüfungen mit dem 60 °C-Betonversuch

Tabelle 7: Betonzusammensetzungen für die Prüfung in der 40 °C-Nebelkammer

3.3.2 AKR-Performance-Prüfung

Bei einer Konzentration von 3 % NaCl lagen die Dehnungen aller Betone unter dem Wert von 0,50 mm/m und könnten daher der Feuchtigkeitsklasse WA zugeordnet werden (Bilder 4a bis d). Drei Betone wären anhand der Prüfergebnisse ebenfalls für die Feuchtigkeitsklasse WS (< 0,30 mm/m) geeignet. Die im Vergleich zu anderen Flächen hohen Bohrkerndehnungen des Betons mit der Nr. 8 zeigten sich bei der (nachträglichen) Performance-Prüfung nicht mehr (Bild 4d). Bei einer Konzentration von 10 % NaCl ist ein wesentlich stärkerer Anstieg der Dehnungen auch über den Wert von zehn Zyklen hinaus zu verzeichnen. Das Beurteilungskriterium für die Feuchtigkeitsklasse WS von 0,50 mm/m nach zehn Zyklen wurde von zwei Varianten (Nr. 2 und Nr. 3, Bilder 4b und 4c) unterschritten.

Bild 4: Dehnung von Betonbalken im 60 °C-Betonversuch mit Alkali-Zufuhr von außen; a) Fläche 1; b) Fläche 2; c) Fläche 3; d) Fläche 8

3.3.3 40 °C-Nebelkammerlagerung

Von den acht untersuchten Gesteinen (Bilder 5a bis 5h) bestanden fünf die Anforderungen nach 270 Tagen: Rissbreite Würfel < 0,20 mm und Dehnung Prismen ≤ 0,60 mm/m. Folgende drei Gesteine verfehlten die Anforderungen:

– Kies aus Fläche Nr. 1: Dehnung und Rissbreite überschritten (Bild 5 a)

– Splitt aus Fläche Nr. 3: Dehnung und Rissbreite überschritten (Bild 5 f)

– Splitt aus Fläche Nr. 8: Rissbreite am letzten Messtermin überschritten (Bild 5 h).

Diese drei Gesteinskörnungen wären anhand dieser Ergebnisse der Alkaliempfindlichkeitsklasse E III-S zuzuordnen. Sie dürften dann nach Alkali-Richtlinie nicht ohne Maßnahmen für die Feuchtigkeitsklasse WA verwendet werden. Bei Zementgehalten bis einschließlich 350 kg/m3 muss ein na-Zement verwendet werden. Bei Zementgehalten > 350 kg/m3 ist die Gesteinskörnung auszutauschen oder in einer Performance-Prüfung die Eignung des Betons nachzuweisen.

4 Zusammenfassung

4.1 Allgemeines

Schäden infolge einer Alkali-Kieselsäure-Reaktion können vermieden werden, indem Betone mit einer für den jeweiligen Anwendungszweck (= Feuchtigkeitsklasse) ausreichend geringen Alkaliempfindlichkeit eingesetzt werden. Im IGF-Vorhaben IGF 18775 N wurden Kriterien erarbeitet, um die Alkaliempfindlichkeit von Betonen im Bereich des kommunalen Straßenbaus angemessen beurteilen zu können. Dabei wurden der 60 °C-Betonversuch mit unterschiedlichen Natriumchlorid-Konzentrationen und die 40 °C-Nebelkammerlagerung verwendet.

4.2 Bewertung der Betone mit den Prüfverfahren

Im 60 °C-Betonversuch zeigten alle Bohrkerne mit einer Ausnahme Dehnungen unterhalb des Bewertungskriteriums für die Feuchtigkeitsklasse WA (Bild 6 links, 3 % NaCl). In einem Fall (Fläche Nr. 8) traten Dehnungen über dem Bewertungskriterium auf. Die Fläche ist nach Angaben des Probenbereitstellers im Alter von zehn Jahren ungeschädigt. Der Beton würde aufgrund der Zuordnung der Gesteinskörnung anhand der Nebelkammerprüfung zur Klasse E III-S nicht der Alkali-Richtlinie in der Feuchtigkeitsklasse WA entsprechen. Bei der Fläche Nr. 3 aus dem Seitenstreifen einer Bundesautobahn ist der Splitt ebenfalls E III-S zuzuordnen und darf nach Alkali-Richtlinie bei einem Zementgehalt > 350 kg/m3 nicht in der Feuchtigkeitsklasse WA verwendet werden. Bei einem Zementgehalt bis 350 kg/m3 kann die Gesteinskörnung mit na-Zement verwendet werden. Der Beton der untersuchten Fläche 3 lag bei 350 kg/m3 und der verwendete Zement hatte na-Eigenschaft (Tabelle 4).

Acht von neun Bohrkernen zeigten Dehnungen unterhalb des Bewertungskriteriums für die Feuchtigkeitsklasse WA. Der eine Beton mit Dehnungen oberhalb des Bewertungskriteriums für die Feuchtigkeitsklasse WA wäre aufgrund der Nebelkammerergebnisse einer der verwendeten Gesteinskörnungen nicht WA-geeignet gewesen. Die vier Laborbetone zeigten durchgängig Dehnungen unterhalb des Bewertungskriteriums für die Feuchtigkeitsklasse WA. Fünf von neun Bohrkernen erfüllten ebenfalls die Bewertungskriterien für die Feuchtigkeitsklasse WS (Bild 6 links, 3 % NaCl). Die galt ebenfalls für zwei Laborbetone.

Bild 5: Dehnung von Betonbalken und Rissbreite von Betonwürfeln in der 40 °C-Nebelkammerlagerung; a) und b) Fläche 1; c) und d) Fläche 2; e) und f) Fläche 3; g) und h) Fläche 8 (jeweils links Kies und rechts Splitt)

Bild 6: Dehnung der Bohrkernhälften bzw. der Betonbalken nach zehn Zyklen der Wechsellagerung im 60 °C-Betonversuch mit Alkali-Zufuhr von außen durch eine 3 bzw. 10 %-ige Natriumchloridlösung

4.3 Vorschlag für die Bewertung von Betonflächen im kommunalen Bereich

In den untersuchten Fällen erscheint die Anwendung der Regeln der Alkali-Richtlinie für die Feuchtigkeitsklasse WA für Fahrbahndecken angemessen. Es wird vorgeschlagen, dass sich bei Betonfahrbahndecken im kommunalen Bereich bis einschließlich der Belastungsklasse Bk10 die AKR-vorbeugenden Maßnahmen zukünftig an der Feuchtigkeitsklasse WA orientieren (Tabelle 8). Die Betonzusammensetzungen und die Ausgangsstoffe müssen den Anforderungen der Alkali-Richtlinie entsprechen.

Die Anforderungen an Zemente nach TL Beton-StB blieben unabhängig von der Feuchtigkeitsklasse bestehen, wenn die Ausschreibung Bezug auf die TL Beton-StB nimmt. Bei Einstufung in die Feuchtigkeitsklasse WA können in bestimmten Fällen für den Zement zusätzlich die Anforderungen der DIN 1164-10 (na-Zement) gelten. Performance-Prüfungen wären dann in den in der Alkali-Richtlinie definierten Fällen oder in Zweifelsfällen durchzuführen.

Tabelle 8: Vorschlag für die Beurteilung der Feuchtigkeitsklasse von Flächen im kommunalen Bereich im Vergleich zu Bundesfernstraßen gemäß ARS

Förderhinweis

Das IGF-Vorhaben IGF 18775 N der Forschungsvereinigung VDZ gGmbH wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Literatur

1 Siebel, Eberhard; B ö h m, Matthias; Borchers, Ingmar; Müller, Christoph; Bokern, Jürgen; Schäfer, Elke: AKR-Prüfverfahren: Vergleichbarkeit und Praxis-Relevanz. beton 56 (2006) H. 12, S. 599–604; 57 (2007) H. 1–2, S. 63–71

2 Müller, Christoph; Borchers, Ingmar; Eickschen, Eberhard: AKR-Prüfverfahren: Auf dem Weg zur Performance-Prüfung. Beton- und Stahlbetonbau 102 (2007) H. 8, S. 528–538

3 Müller, Christoph; Borchers, Ingmar; Eickschen, Eberhard: Erfahrungen mit AKR-Prüfverfahren – Hinweise zur Ableitung praxisgerechter Bewertungskriterien für Performance und WS-Grundprüfungen. Beton 62 (2012) H. 10, S.397–406

4 Müller, Christoph; Borchers, Ingmar: AKR-Performance-Prüfungen: Erweiterung der Datenbasis mit dem 60 °C-Betonversuch unter besonderer Berücksichtigung von Zementen mit mehreren Hauptbestandteilen: AiF-Forschungsvorhaben Nr. 16569 N, VDZ gGmbH, Düsseldorf 2014

5 Borchers, Ingmar; Müller, Christoph: Bewertung der Alkaliempfindlichkeit von Betonen für die Feuchtigkeitsklassen WF und WA. 18. Internationale Baustofftagung ibausil, Tagungsbericht Bd. 2, Weimar 2012, S. 327–336

6 Allgemeines Rundschreiben Straßenbau Nr. 4/2013 – Sachgebiet 06.1: Straßenbaustoffe; Anforderungen, Eigenschaften – 04.4: Straßenbefestigung, Bauweisen – Vermeidung von Schäden an Fahrbahndecken aus Beton in Folge von Alkali-Kieselsäure-Reaktion (AKR)

7 Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen (RStO 12), Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Arbeitsgruppe Infrastrukturmanagement, Ausgabe 2012, Köln 2012 (FGSV 499)

8 Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06), Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Arbeitsgruppe Straßenentwurf, Ausgabe 2006, Köln 2006 (FGSV 200)

9 Vorbeugende Maßnahmen gegen schädigende Alkalireaktion im Beton: Alkali-Richtlinie. Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Berlin 2013

10 Empfehlungen für die Schadensdiagnose und die bauliche Erhaltung von AKR-geschädigten Fahrbahndecken aus Beton. Fortschreibung April 2012

11 Auswirkungen der Alkalizufuhr durch Taumittel auf Bindemittel für Beton mit alkalireaktiven Gesteinskörnungen: Schlussbericht zu Vorhaben Nr. 15977 N. Verein Deutscher Zementwerke, Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, Düsseldorf, Berlin 2011