FGSV-Nr. FGSV B 32
Ort Ulm
Datum 24.09.2015
Titel Betonstraßenbau in Singapur
Autoren Dr.-Ing. Jochen Eid
Kategorien Betonstraßen
Einleitung

In Singapur kommen aufgrund der innerstädtischen Situation vor allem Asphaltfahrbahnen zum Einsatz. Die wesentlichen Ausnahmen, die relativ stark genutzt werden, sind Betonfahrbahnen für Aufstellbereiche vor Lichtsignalanlagen und bei Busspuren und Bushaltestellen. Dabei kommt als Standardbauweise eine Betondecke mit einer Schichtdicke von 22,5 cm auf Schottertragschicht zum Einsatz. Der Fugenabstand beträgt bis zu 25 m. Die Fugen werden verdübelt bzw. verankert und vergossen. Teilweise werden Stahlmatten zur Reduzierung der Rissausbreitung im oberen Drittel eingelegt. Kritisch ist bei Fahrbahnen, die in Teilen Asphaltbauweisen und in Teilen Betonbauweisen verwenden, der Materialwechsel und Übergang zwischen Beton und Asphalt. Dieser ist in Singapur in der Regel in einem relativ guten Zustand. In Singapur sind im technischen Regelwerk Standardausführungen für den Übergang zwischen Beton und Asphalt für Längs- und Querfugen verankert. Dabei wird ein überlappender Übergang geschaffen, bei dem die Betonfahrbahn mit einem Höhenversatz unter der Asphaltfahrbahn angeordnet wird. Hierdurch wird ein schlagartiger Wechsel des Tragsystems vermieden. Gleichzeitig wird der Lastfall Plattenrand am Übergang zwischen Beton und Asphalt entschärft.

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1 Einleitung

Die Republik Singapur ist ein Stadtstaat mit rund 5 Millionen Einwohnern. Die Fläche des Inselstaates Singapur entspricht in etwa der Fläche der Stadt Hamburg. Dabei ist jedoch die Bevölkerungsdichte dreimal so groß. Gleichzeitig ist Singapur eine der Städte mit den weltweit höchsten Lebenshaltungskosten (Low, McCrohan 2012). Singapur liegt sehr nahe am Äquator zwischen Malaysia im Norden und Indonesien im Süden. Daher hat Singapur keine erkennbaren Jahreszeiten, die Temperatur beträgt im Laufe eines Tages und im Laufe eines Jahres fast immer knapp 30 Grad Celsius. Die wesentlichen volkswirtschaftlichen Säulen von Singapur sind ­ ­ ­ ­ der internationale Seehandel mit einem der größten Containerhäfen der Welt, das Banken- und Finanzwesen, Wissenschaft, Forschung und Entwicklung sowie der Tourismus.

Aufgrund der stabilen politischen Verhältnisse und der sehr hohen Standards bei Infrastruktur, Sicherheit und Gesundheit ist Singapur ein beliebter Brückenkopf nach Südostasien (Brockhaus 2006). So haben zahlreiche Unternehmen, Banken und Universitäten einen Standort in Singapur. Unter anderem wurde vor wenigen Jahren das Wissenschaftszentrum CREATE gegründet, an dem weltweit Universitäten wie das MIT, die ETH Zürich, UC Berkeley oder die TU München mitwirken (Nguyen Dinh 2014).

2 Verkehrspolitik

In Singapur ist die staatliche ,,Land Transport Authority" (LTA) für alle Fragen zu Planung, Betrieb und Unterhaltung der landseitigen Verkehrsinfrastruktur zuständig. Dies gilt sowohl für den öffentlichen Verkehr als auch den Individualverkehr. Die Zuständigkeit umfasst auch die Lizenzierung von Privatfahrzeugen und Taxis sowie die Erhebung von Maut (Electronic Road Pricing ­ ERP). Die Mauteinnahmen dienen nicht unmittelbar zur Finanzierung der Infrastruktur. Als allgemeine Staatseinnahme stehen sie wie Steuern für allgemeine Ausgaben zur Verfügung (Yoong Chin Chong 2014). Im Rahmen einer restriktiven Verkehrspolitik unterliegt der private Autobesitz strengen Regulierungen. Jeder potenzielle Autokäufer muss neben einer Registration Fee auch eine Lizenz für die Berechtigung zum Erwerb eines Fahrzeuges (Certificate of Entitlement ­ COE) erwerben, die aber nach zehn Jahren wieder verfällt. In der Praxis beträgt der Preis für eine solche Berechtigung 50.000 Euro und mehr. Der Import und Registrierung von Kraftfahrzeugen ist zudem massiv besteuert (100 bis 180 % des Listenpreises). In der Konsequenz ist der Erwerb von Fahrzeugen häufig mit Kosten von 200.000 Euro und mehr verbunden. Mit diesen hohen Kosten für Erwerb und Nutzung eines eigenen Autos wird die Pkw-Anzahl in Singapur relativ stark begrenzt. Entsprechend gilt ein eigener, möglichst hochpreisiger Pkw als Statussymbol (Nguyen Dinh 2014). Für die Gesellschaft insgesamt bedeutet dies: der Schwerpunkt für die Transportleistung liegt statt auf dem Individualverkehr daher auf dem öffentlichen Personennahverkehr mit U-Bahnen und Bussen, ergänzt um zahlreiche Taxis, die vergleichsweise preiswert sind. Zwar herrscht in den morgendlichen und abendlichen Spitzenzeiten eine relativ hohe Verkehrsdichte. Megastaus wie in vielen anderen asiatischen Großstädten sind jedoch wegen der Hürden für den Individualverkehr eher unbekannt.

3 Bautechnik

3.1 Betonfahrbahnen und Asphaltfahrbahnen

Im Wesentlichen kommt in Singapur Asphalt als Fahrbahnmaterial zum Einsatz. Aufgrund der innerstädtischen Situation und der damit verbundenen häufigen Notwendigkeit von Aufgrabungen hat sich die LTA bislang gegen eine stärkere Nutzung von Betonfahrbahnen entschieden (Yoong Chin Chong 2014). Die wesentlichen Ausnahmen, die relativ stark genutzt werden, sind Betonfahrbahnen im Bereich von Aufstellbereichen vor Lichtsignalanlagen sowie bei Bushaltestellen und Busspuren (Yoong Chin Chong 2014). Daneben werden Betonfahrbahnen auch in starkbelasteten Industriebereichen eingesetzt, etwa im Bereich der Hafenzufahrten. Im Folgenden werden zum einen die Standardbauweise für zementgebundene Fahrbahnen und zum anderen Entwicklungsüberlegungen für die Bauweisen in Singapur dargestellt. Ergänzend werden spezielle Lösungsansätze beschrieben, die als Standardelemente Einzug in das technische Regelwerk in Singapur gefunden haben (,,Standard Details of Road Elements").

3.2 Bauweisen für Betonstraßen

3.2.1 Standardbauweise

Für die Betonfahrbahnen kommt als Standardbauweise eine Schichtdicke von 22,5 cm Beton auf Schottertragschicht zum Einsatz (Land Transport Authority 2014). Der Fugenabstand beträgt bis zu 25 m. Die Fugen werden verdübelt bzw. verankert und vergossen. Bei Besichtigung vor Ort war allerdings festzustellen, dass sich häufig Risse in den Platten einstellen. Dies dürfte auf die relativ große Plattenlänge zurückzuführen sein. Nach der Regelbauweise werden, vor allem am Übergang zwischen Beton und Asphalt, Stahlmatten zur Reduzierung der Rissausbreitung im oberen Drittel eingelegt. Für die Texturierung der Oberfläche kommt in der Standardbauweise ein Besenstrich (Stahlbesen) zum Einsatz.

3.2.2 Versuchsstrecken mit halbstarren Belägen

In den vergangenen Jahren hat Singapur auch erste Versuchsstrecken mit halbstarren Belägen errichtet. Der Einsatzzweck waren bislang vor allem Aufstellbereiche an Lichtsignalanlagen. Die bisherigen Erfahrungen werden positiv bewertet (Yoong Chin Chong 2014). Trotz vereinzelter Risse ­ die bei einer in Augenscheinnahme vor Ort auf schlechte Verdichtung im Untergrund hindeuten ­ sind die Verformungsbeständigkeit und die Tragfähigkeit hoch (Nguyen Dinh 2014a).

3.2.3 Forschungsvorhaben mit vorgefertigten elektrifizierten Fahrbahnsystemen

Singapur strebt an, ein führender Forschungsknoten im internationalen Forschungsverbund zu werden. Im Forschungsverbund CREATE ist neben anderen namhaften Universitäten, (etwa UC Berkeley, Cambridge, MIT, ETH Zürich) auch die Technische Universität München in Singapur tätig. Ein Thema darin sind zukünftige urbane Systeme, in dem unter anderem über 120 Wissenschaftlicher, Forscher und Ingenieure an der Zukunft der Elektromobilität arbeiten. Ein Aspekt neben zahlreichen anderen ist dabei ein Forschungsvorhaben, bei dem mit vorgefertigten Fahrbahnsystemen Fahrzeuge auch unterwegs induktiv mit Energie versorgt werden können (Nguyen Dinh 2014; Nguyen Dinh, Lechner et al. 2014). Die Arbeiten hierfür greifen unter anderem die bisherigen Erkenntnisse zur Whitetopping Bauweise auf (Eid 2012).

3.3 Lösung im Aufstellbereich von Lichtsignalanlagen

Im Bereich von stark belasteten Kreuzungen werden in Singapur im Aufstellbereich von Lichtsignalanlagen Betonfahrbahnen angeordnet (Land Transport Authority 2014). Das Bild 1 zeigt die dazugehörigen Standarddetails für die Entwurfselemente (Hinweis: in Singapur herrscht aufgrund der Vergangenheit als britische Kronkolonie Linksverkehr; die Betonfahrbahnen sind entsprechend vor der Lichtsignalanlage auf der linken Fahrbahnseite angeordnet).

Bild 1: Einsatz von Betonfahrbahnen im Aufstellbereich von Lichtsignalanlagen (LTA/SDRE14/1/PAV2)

3.4 Lösungen am Übergang von Beton und Asphalt

Kritisch bei der Kombination von Asphalt und Beton ist der Materialwechsel und Übergang zwischen Beton und Asphalt im Bereich der Querfugen. Dieser ist in Singapur in der Regel in einem relativ guten Zustand. Ursache hierfür dürfte die im Regelwerk verankerte Standardausführung für den Übergang zwischen Beton und Asphalt sein, wie er im Bild 2 dargestellt ist. Anstelle einer bautechnisch einfachen Pressfuge wird die Betonfahrbahn mit einem Höhenversatz unter der Asphaltfahrbahn angeordnet (Land Transport Authority 2014).

Bild 2: Detail des Übergangs zwischen Asphalt- und Betonfahrbahn bei Querfugen (LTA/SDRE14/1/PAV3)

Durch diese Bauweise kommt es anders als bei Pressfugen nicht zu einem schlagartigen Wechsel des Tragsystems. Vielmehr findet ein gestufter Übergang statt. Gleichzeitig wird ein reiner Lastfall Plattenrand vermieden und die Belastung für das Fahrbahnsystem reduziert.

3.5 Lösung für Busbuchten und Bushaltestellen, Busspuren

Die Kombination von Beton und Asphalt findet sich in Singapur regelmäßig auch im Bereich von Busbuchten und Bushaltestellen. Das Bild 3 zeigt den typischen Querschnitt einer Aufweitung für eine Busbucht mit Unterstand.

Bild 3: Typischer Querschnitt einer Busbucht (LTA/SDRE14/11/BUS2)

Das Bild 4 zeigt ein Foto einer Busbucht in Betonbauweise in Kombination mit einer Asphaltfahrbahn.

Im technischen Regelwerk der ,,Standard Details of Road Elements" sind Busspuren nicht explizit beschrieben. Im Stadtbild fallen jedoch an den Hauptverkehrsachsen die Busspuren in Betonbauweise auf. Diese werden regelmäßig mit den Asphaltfahrbahnen kombiniert. Beispielhaft zeigt das Bild 5 eine solche Situation.

Bild 4: Busbucht in Betonbauweise neben Asphaltfahrbahnen

Bild 5: Busspur (Betonbauweise) neben Asphaltfahrbahnen

Ähnlich wie bei den Querfugen beim Übergang zwischen Beton und Asphalt ist auch bei der Längsfuge eine Bauweise im technischen Regelwerk der ,,Standard Details of Road Elements" vorgesehen. Das Bild 6 zeigt das Detail zum Übergang zwischen Asphalt- und Betonfahrbahnen bei Längsfugen. Auch bei dieser Bauweise wird der reine Lastfall Plattenrand durch Überlappung vermieden und die Belastung an der Fuge reduziert.

Bild 6: Detail zum Bild 3 ­ Übergang zwischen Asphalt- und Betonfahrbahn bei Längsfugen (LTA/SDRE14/11/BUS2)

4 Diskussion

Die Infrastruktur von Singapur ist sehr stark durch die Situation als Stadtstaat mit einer überwiegend groß- und innerstädtischen Gestaltung geprägt. Die im technischen Regelwerk der ,,Standard Details of Road Elements" von Singapur vorgesehenen Lösungen zielen daher auch sehr stark auf diese Situation mit einer Nutzung von Betonbauweisen etwa bei Aufstellbereichen, Busspuren und Busbuchten.

Interessant ist dabei die Parallelität der Fragestellungen, wie sie auch bei der FGSV etwa im Arbeitsausschuss 8.3 diskutiert werden. Insbesondere die Bauweise ,,Betondecke neben Asphaltbefestigung" sowie die Bauweisen für Stadtstraßen und besondere Verkehrsflächen weisen eine große inhaltliche Nähe zueinander auf.

Die langjährige Erfahrung in Singapur, gerade in der Kombination von Beton- und Asphaltbauweisen, ist geeignet, Beiträge zur Diskussion von Lösungen in Deutschland zu liefern. Die technischen Lösungen zur Kombination von Beton- und Asphaltbauweisen sind es sicherlich wert, im Detail genauer betrachtet zu werden. Besonders erwähnenswert ist dabei das konstruktive Neben- und Miteinander der Beton- und Asphaltbauweisen, bei denen die individuellen Vorzüge zum Tragen kommen.

5 Danksagung

Auch wenn die Randbedingungen in Singapur nicht nur klimatisch von der Situation in Deutschland abweichen, zeigt sich dennoch, dass die im Straßenbau auftretenden Fragestellungen universell sind und ein internationaler Erfahrungsaustausch unter Kollegen sinnvoll und wichtig ist. Ein besonderer Dank gilt daher der FGSV und der Otto-Graf-Stiftung, welche die fachbezogene Studienreise, die diesem Bericht zugrunde liegt, ermöglicht haben.

Literaturverzeichnis

Brockhaus (2006): Brockhaus Enzyklopädie in 30 Bänden. Singapur. In: Brockhaus Enzyklopädie in 30 Bänden, Band 25 (2006), F.A. Brockhaus GmbH, Leipzig, Mannheim, S. 291­295

E i d, J. (2012): Theoretische und experimentelle Untersuchungen dünner Betondecken auf Asphalt (Whitetopping). München. Technische Universität München, Prüfamt für Verkehrswegebau (Schriftenreihe Nr. 85) Land Transport Authority (2014): LTA Standard Detail of Road Elements No.1: Pavements of Roads.

Land Transport Authority, Singapur. LTA/SDRE14/1/PAV1 ­ PAV6; verfügbar unter http://www.lta.gov.sg/content/dam/ltaweb/corp/Industry/files/SDRE(2014)/SDRE14-1PAV1-6.pdf Land Transport Authority (2014a): LTA Standard Detail of Road Elements No.11: Bus Stops.

Land Transport Authority, Singapur. LTA/SDRE14/11/BUS1 ­ BUS4; verfügbar unter http://www.lta.gov.sg/content/dam/ltaweb/corp/Industry/files/SDRE(2014)/SDRE14-11BUS1-4.pdf

L o w, S.; M c C r o h a n, D. (2012): Lonely Planet Singapur. Lonely Planet Publications, Melbourne, Australia

N g u y e n D i n h, N. (2014): Persönliche Gespräche am 26. bis 28. 3. 2014 mit Nen Nguyen Dinh, Nanyang Technical University Singapur/Technische Universität München, TUM CREATE

N g u y e n D i n h, N. (2014a): Ortstermine am 27.3.2014 mit Nen Nguyen Dinh, Nanyang Technical University Singapur/Technische Universität München, TUM CREATE

N g u y e n D i n h, N.; L e c h n e r B.; Ya n g, E. (2014): Precast electrified roadway pavement systems using engineered cementious composite. In: 12th International Symposium on Concrete Roads Prague, Czech Republic.

Yo o n g C h i n C h o n g (2014): Persönliches Gespräch am 26. 3. 2014 mit Yoong Chin Chong und Team, Senior Manager Road Asset Regulation & Licensing, Land Transport Authority

Betonstraßentagung 2015 (FGSV B 32), © FGSV, Köln