FGSV-Nr. FGSV A 44
Ort Münster
Datum 14.05.2019
Titel Spannungsfeld Digitalisierung/BIM und Bauvertrag im Asphaltstraßenbau
Autoren Dipl.-Ing. (FH) Lars Keller
Kategorien Asphaltstraßen
Einleitung

Die Einführung von „Building Information Modeling“ (BIM) im Straßenbau stellt uns vor große Herausforderungen. Nicht nur das viele Bereiche, die dem BIM zugeordnet werden bisher nicht klar definiert sind, in vielen Bereichen sind noch Grundlagen zu schaffen. Im Asphaltstraßenbau haben sich im Zuge der Digitalisierung in den letzten Jahren viele Programme etabliert, die Arbeitsabläufe und Prozesse unterstützen. Sie werden von den Entwicklern oft als BIM-Bestandteile bezeichnet. In den meistens Fällen dokumentieren sie aber nur und haben bauvertraglich keine Relevanz. Die Einführung von BIM im Asphaltstraßenbau ist Chance und Risiko zugleich. Wir haben die Chance, alte Zöpfe abzuschneiden und neue Vertragsbestandteile in die Bauverträge zu integrieren. Es besteht aber auch das Risiko, von den bisherigen Verträgen, denen eine Zielorientierung zu Grunde liegt, in verfahrensorientierte Verträge zu gleiten. Um hier schnellstmöglich Klarheit, aber auch Sicherheit für alle Beteiligten zu generieren, ist es zwingend erforderlich, ohne Zeitverlust die vertraglichen Rahmenbedingungen für das Arbeiten mit der Methodik „Building Information Modeling“ im Asphaltstraßenbau zu schaffen.

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Einführung

Die Einführung von Building Information Modeling, kurz BIM im Straßenbau stellt uns vor grosse Herausforderungen. Nicht nur das viele Bereiche, die dem BIM zugeordnet werden bisher nicht klar definiert sind, in vielen Bereichen sind noch Grundlagen zu schaffen.

Stand der Entwicklung

Die dringend benötigten Standards für Straßenbau werden zurzeit vom BMVI, der BASt, der FGSV, von Building Smart und anderen Organisationen weiterentwickelt. Es ist aber damit zu rechnen, dass sie nicht pünktlich zum 1. 1. 2020 vorliegen werden.

Bei der FGSV wird unter Federführung des QA 3.1 „Informationstechnik“ ein Forschungsvorhaben vorangetrieben, in dem Modelle entwickelt werden sollen, die Grundlage neuer, „BIM gerechter“ technischer Regelwerke werden. Hierzu wird das bestehende Regelwerk untersucht und anschließend geprüft, welche Inhalte wieder zukünftig in die Modelle Eingang finden. Hier wird es Ende des Jahres erste Erkenntnisse geben.

Im Rahmen der Arbeit des Arbeitsausschusses 7.4 „Bautechnologie“ werden zurzeit die relevanten Punkte erarbeitet, die von einer BIM-Phase in die nächste übernommen werden müssen, zum Beispiel: Welche Informationen benötigt die Bauausführung von der Planung. Hier besteht die große Gefahr, dass Datenfriedhöfe entstehen, weil man versucht ist, alle in eine Phase oder in einem Teilprozess entstandenen Daten zu behalten oder weiterzuleiten. Dieses Grundlagenpapier wird im Laufe der zweiten Jahreshälfte vorgestellt, um es dann mit anderen Gremien abzustimmen.

Im Asphaltstraßenbau haben sich im Zuge der Digitalisierung in den letzten Jahren viele Programme etabliert, die Arbeitsabläufe und Prozesse unterstützen. Sie werden von den Entwicklern oft als BIM-Bestandteile bezeichnet. In den meistens Fällen dokumentieren sie aber nur die Abläufe. Bauvertraglich haben sie keine Relevanz.

Zielorientierte Bauverträge im Asphaltstraßenbau

Die Einführung von BIM im Asphaltstraßenbau ist Chance und Risiko zugleich. Wir haben die Chance, alte Zöpfe abzuschneiden und neue Vertragsbestandteile in die Bauverträge  zu integrieren. Es besteht aber auch das Risiko, von den bisherigen Verträgen, denen eine Zielorientierung zu Grunde liegt, in verfahrensorientierte Verträge abzugleiten.

Mit zielorientierten Verträgen, mit denen wir zurzeit arbeiten, ist das Vertragssoll über Zielanforderungen definiert, die zum Zeitpunkt der Abnahme erbracht und eingehalten werden müssen. Hierzu zählen alle, im Technischen Regelwerk benannten, Anforderungen, wie die Ebenheit, die Verdichtung, der Hohlraumgehalt, die Aspahltmischgutzusammensetzung und vieles mehr. Die Zielanforderungen werden durch Kontrollprüfungen überprüft.

Hierbei handelt es sich aber leider immer noch um Stichprobenuntersuchungen, die nur einen minimalen Teil der Leistung widerspiegeln. Es ist daher dringend erforderlich, flächendeckende Kontrollprüfungsverfahren weiterzuentwickeln und zu valuieren, damit man einen kompletten Überblick über die erbrachten Leistungen erhält. Die Entwicklung   in der FDVK im Asphaltstraßenbau ist fast soweit. Andere Methoden müssen noch weiter vorangetrieben werden, wie die Anwendung der Georadartechnologie zur Feststellung der Schichtstärke. Ist es möglich, zukünftig Oberflächen zu erfassen und hierüber Rückschlüsse auf die Asphaltmischgutzusammensetzung zu erlangen, vielleicht mit Hilfe von Laserscan- oder Sonartechnologien? Es wäre wünschenswert, wenn die Entwicklungen in diesen Richtungen zügig vorangetrieben würden.

Problematisch werden zielorientierte Verträge, wenn die Zielanforderungen nicht erreicht werden. Da ein Aus- und Neubau oft aus wirtschaftlichen Betrachtungen nicht verhältnismäßig ist, bedient man sich Einzelvertraglichen Regelungen, um die etwaigen Mängel abzugelten. Ein Nachweis über die tatsächlich erbrachte Leistung und Qualität läßt sich aber letztlich nur durch gutachterliche Untersuchungen erbringen.

Verfahrensorientierte Bauverträge

Bedingt durch die Zunahme an prozessbegleitenden Softwarelösungen, findet man in den Bauverträgen immer öfter Anforderungen, die eindeutig verfahrensorientiert sind. So werden zum Beispiel Logistikketten oder Einbauverfahren vorgegeben.

Dass Asphalt mit Thermomulden zu transportieren ist, sollte mittlerweile zur Selbstverständlichkeit geworden sein. Hiermit ist sichergestellt, dass der Asphalt beim Transport kaum an Temperatur einbüßt und mit dem richtigen Temperaturniveau auf der Baustelle ankommt. Die Messung der Asphalttemperatur in der Mulde, wie im ARS vom 13. 12. 2016 beschrieben, hat sich als nicht zielführend erwiesen und wurde sinnvollerweise aufgegeben.

Der Einsatz von Beschickern ist unstrittig und führt zu guten Ergebnissen bei der Verstetigung des Asphalteinbauprozesses. Außerdem kommt es zu positiven Effekten bei der Homogenisierung im Bereich der Asphaltzusammensetzung und der Asphaltmischguttemperatur. Ein „Nachmischen“ findet aber nicht statt.

Die meisten Fehler werden neben der Produktion von nicht prozesssicherem Asphaltmischgut immer noch bei der Einstellung des Asphaltstraßenfertigers und der Walzarbeit auf die jeweilige Einbausituation gemacht. Hier entscheidet sich, ob eine Asphaltstraßenbaumaßnahme erfolgreich ist oder nicht. Es nützt auch nichts, wenn die vorlaufende Logistikkette einwandfrei funktioniert. Wenn hier Fehler gemacht werden, kommt es zu Problemen in der Ebenheit, Entmischungen, Schäden im Körnungsgefüge, Verdichtungsproblemen, um nur einige zu nennen. Die Fehler sind in der Regel nicht mehr durch die nachfolgende Walzverdichtung zu beheben. Sie können sogar bei einem nicht optimalen Walzeinsatz verstärkt werden. Auch der Einsatz von Infrarotkameras kann hilfreich sein, wenn dieses Instrumentarium dazu eingesetzt wird, den Einbauprozess positiv zu unterstützen, um daraus Hinweise für die Einstellung  des Asphaltstraßenfertigers zu ziehen und umzusetzen. Es ist aber nicht dienlich, aus den archivierten Wärmebildern Feststellungen für ein vertragliches Soll zu definieren. Dafür gibt es keinen belastbaren Hintergrund, da mannigfaltige Randbedingungen nachträgliche Interpretationen weitgehend unmöglich machen.

Die Flächendeckende Verdichtungskontrolle im Asphaltstraßenbau ist mittlerweile weit entwickelt. Es ist möglich, mit GPS Daten ein komplettes Bewegungsprofil der Walzen zu erstellen. Es ist möglich, mit verschiedenen Systemen Rückschlüsse auf den Stand der geleisteten Verdichtungsarbeit zu schließen. Wobei hier noch das Problem der temperaturabhängigen Steifigkeiten des Asphalts im Einbauprozess weiterhin ungelöst ist. Es ist möglich, im Zuge des Walzprozesses mit Infrarotthermometern Abbilder der Oberflächentemperatur zu erstellen. Auch diese Bilder sind mit Vorsicht zu betrachten, da allein das verbleibende Walzwasser zu Temperaturdifferenzen und damit leicht zu Fehlinterpretation führt.

In Baden-Württemberg wurde im letzten Jahr das Modell „QualitätsStraßenbau Baden-Württemberg 4.0“ entwickelt. Was sehr positiv zu erwähnen ist, sind die sehr guten Voruntersuchungen der Einbaustrecke durch den Auftraggeber. Das kostet aber auch viel Geld, welches die Bauverwaltungen oft nicht bereit sind zu investieren. Denn durch umfangreiche Voruntersuchungen wird das Bauen oft sehr teuer. Alte Asphaltschichten müssen tiefer ausgebaut werden, um keine „Restschichten“ im neuen Aufbau zu erhalten und vieles mehr. Auch der finanzielle Aufwand während der Bauausführung ist nicht zu unterschätzen. Hier entstehen schnell Kosten im sechsstelligen Bereich. Es lauern aber auch weitere Gefahren bei der Bauausführung.

Wird zum Beispiel eine Vorgabe für die Dokumentation der Walzübergänge verlangt und es wird eine Mindestanzahl an Walzübergängen vorgegeben. Wie will man aber nun mit einer Situation umgehen, dass genau die Mindestanzahl an Walzübergängen zu einer Überverdichtung führt und der Mindesthohlraumgehalt unterschritten wird. Aus verfahrenstechnischer Sicht hat man alles richtig gemacht, die Mindestforderung an Walzübergängen wurde erreicht, aber … . Wie will man mit einem vorgegebenen Temperaturfenster umgehen, wenn das Asphaltmischgut vor der Bandage der Walze schiebt? Weitermachen und die daraus resultierenden Unebenheiten in Kauf nehmen? Solche Entwicklungen dürfen nicht in die Bauverträge einziehen. Die Art und Weise wie eine dauerhafte Asphaltbefestigung herzustellen ist, muss dem Auftragnehmer überlassen bleiben.

Um in solchen und ähnlichen Situationen klare vertragliche Grundlagen zu behalten, macht es absolut Sinn, von den zielorientierten Straßenbauverträgen nicht abzurücken. Nur sie lassen die Verantwortung für die Ausführung von Asphaltstraßenbaumaßnahmen dort wo sie hingehört, in den Händen verantwortungsbewusst handelnder Straßenbauunternehmen.

Ausblick, Chancen und Möglichkeiten

Je länger man sich mit den vertraglichen Grundlagen von Straßenbaumaßnahmen auseinandersetzt, desto mehr kommt man zu der Erkenntnis, dass solche Projekte primär nach einem Soll abgerechnet werden, das sich aus dem BIM-Modell ergibt. Abrechnung nach Soll heißt, dass die bisherigen aufwendigen Abrechnungsmethoden der Vergangenheit angehören werden. Die Methoden und Prozeduren der REB müssen auf einen BIM Standard angepasst werden. Wie dann das definierte Bausoll dokumentiert werden muss, ist zurzeit noch nicht geklärt. Hier könnten Methoden wie die Überfliegung mit Drohnen zum Einsatz kommen.

Es ist zu überlegen, ob es statt vieler Einzelbetrachtungen und Kontrollen nicht zielführender ist, zu einer ganzheitlichen Betrachtung für die Erfüllung der Leistung im Asphaltstraßenbau zu kommen. Hierzu könnte ein „Erfüllungsgrad“ als Hilfsmittel dienen. Man kann eine Zielspanne für das vertragliche Erfüllungssoll definieren. Wird die Spanne nicht erreicht, kommt es zu Abzügen (Malus). Wird das Erfüllungsziel im positiven Sinn überschritten, muss es zu einem Bonus für die gute Leistung kommen. Wir sollten davon abkehren, mit Verträgen zu bauen, die eine 4 als Zielgröße definieren. Ein möglicher Nachweis für eine gute Einbauleistung könnte über entsprechende Untersuchungen erbracht werden.

Die Umstellung der vertraglichen Grundlagen für die Einführung von BIM können wir auch als Chance sehen, um endlich eine leistungsgerechte Endgeltung von Asphaltstraßenbaumaßnahmen einzuführen und hiermit eine Grundlage für eine bessere Qualität zu legen.

Um hier schnellst möglich eine Klarheit, aber auch eine Sicherheitfür alle Beteiligten zu generieren, ist es zwingend erforderlich schnellst möglich die vertraglichen Rahmenbedingungen für das Arbeiten mit der Methodik Building Information Modeling, kurz BIM im Asphaltstraßenbau zu schaffen.

Bei all dem sollte aber nicht außer Acht gelassen werden, dass der Erfolg von Asphaltstraßenbaumaßnahmen letztlich an der Einbaumannschaft und deren Qualifikation hängt. Nur wenn die Einbaumannschaft ihren Job versteht, in der Lage ist die Abläufe und Prozesse sicher einzurichten und zu steuern, nur dann werden Asphaltstraßenbaumaßnahmen erfolgreich umgesetzt. Von daher ist es absolut unverständlich, dass es immer noch keine Qualifikationsanforderungen, wie ein „Gütesiegel Asphaltbau“ gibt.

Letztlich bleibt festzustellen:

BIM lebt davon, dass alle am Bau Beteiligten zusammen im Vertrauen ein Werk errichten!