FGSV-Nr. FGSV 002/94
Ort Karlsruhe
Datum 15.09.2009
Titel Verkehrliche Aspekte winterlicher Fahrbahnzustände auf Autobahnen
Autoren Dr.-Ing. Matthias Zimmermann, Dipl.-Ing. Susanne Schulz
Kategorien Straßenbetrieb, Winterdienst
Einleitung

Aufgrund einer Vielzahl von Untersuchungen aus den letzten Jahrzehnten wird dem Winterdienst in Deutschland eine große Bedeutung beigemessen, insbesondere begründet durch seine positiven Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit und damit letztendlich den volkswirtschaftlichen Nutzen. In den letzten Jahren gewinnt zunehmend auch die Betrachtung von Nutzen für den Verkehrsablauf an Bedeutung, unter anderen dadurch hervorgerufen, dass sich vor allem der Wirtschaftsverkehr auf ein jederzeit funktionierendes System Straße eingestellt hat.

Dies macht es in gewissem Umfang notwendig, das Verkehrsflussverhalten auf winterlichen Fahrbahnen und gegebenenfalls auch das Verhalten der Verkehrsteilnehmer während des Winterdienstes sowie die Verkehrsnachfrage bei winterlichen Ereignissen zu untersuchen. Dazu gehören vor allem bei ohnehin schon hochbelasteten Systemen Kapazitätsfragen auf winterlichen Fahrbahnen, aber auch die Betrachtung von verkehrslenkenden Maßnahmen, die sowohl die Arbeit des Winterdienstes erleichtern als auch die Folgen von Störungen mindern können. Am Beispiel von Autobahnknotenpunkten lässt sich an den verkehrlichen Parametern auch direkt der Nutzen eines funktionierenden Winterdienstes darstellen.

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1  Einleitung

Das Institut für Straßen- und Eisenbahnwesen der Universität Karlsruhe (TH) ist derzeit seitens des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in Vertretung durch die Bundesanstalt für Straßenwesen mit zwei FE-Vorhaben betraut, in denen verkehrliche Aspekte winterlicher Fahrbahnbedingungen im Vordergrund stehen. Dabei handelt es sich um die Vorhaben 3.414 „Bewältigung großer Verkehrsmengen auf Bundesautobahnen im Winter“ sowie 3.417 „Optimierung des Winterdiensteinsatzes in BAB-Knotenpunkten“.

Im erstgenannten Projekt steht die Ermittlung der Kapazität winterlicher Fahrbahnbedingungen im Vordergrund, außerdem werden Pilotmaßnahmen begleitet, die verkehrslenkende Maßnahmen zur Unterstützung des Winterdienstes zum Inhalt haben.

Im Vorhaben 3.417 werden vor dem Hintergrund der Diskussion um eine eventuell erforderliche technische Unterstützung des fahrzeuggebundenen Winterdienstes z. B. durch Taumittelsprühanlagen in Autobahnknotenpunkten aktuell die Auswirkungen von Winterdiensteinsätzen auf den Verkehrsablauf untersucht.

Beide Vorhaben sind aktuell noch nicht abgeschlossen, da sie entweder die Beobachtung weiterer Winterperioden beinhalten bzw. wegen Schwierigkeiten in der Datenbeschaffung noch nicht abgeschlossen werden konnten. Daher können an dieser Stelle Ergebnisse nur schlaglichtartig angedeutet werden sowie die zugrundeliegende Methodik dargelegt werden.

2  Kapazität winterlicher Fahrbahnen

Winterliche Fahrbahnbedingungen haben einen erheblichen Einfluss auf die Verkehrssicherheit, den Verkehrsablauf und die Kapazität. Im Allgemeinen sinkt das Geschwindigkeitsniveau, die Fahrzeugabstände zueinander werden vergrößert. Somit werden die Qualität des Verkehrsablaufes und die Kapazität des Verkehrsstromes stark herabgesetzt. Die Untersuchungen von [1] zeigen, dass die Kapazität von winterlichen Fahrbahnen um 10 bis 60 % gegenüber der trockenen Fahrbahn bei Helligkeit sinken kann. Diese Bandbreite an Kapazitätsrückgängen lässt sich durch die verschiedenen Intensitäten der Schneefälle im Winter, unterschiedliche Schwerverkehrsanteile und Streckeneinflüsse erklären. In der aktuellen Untersuchung wurden nicht nur Schneefallereignisse ausgewertet, sondern zusätzlich die Daten von Glättemeldeanlagen über den Fahrbahnzustand herangezogen, um eine noch detailliertere Aussage über die Kapazität bei bestimmten Fahrbahnzuständen geben zu können.

2.1   Datengrundlage

Als Datengrundlage für die Erfassung der Kapazität dienen Verkehrsdaten aus Dauerzählstellen von Autobahnabschnitten in mehreren Bundesländern in 1-Minuten-Intervallen, welche zu 5-Minuten-Intervallen aggregiert wurden. Überlagert wurden GMA-Daten aus nahe liegenden Messstellen, um eine möglichst genaue Aussage über den Fahrbahnzustand am Messquerschnitt zu erhalten. Folgende Wetterszenarien wurden dabei definiert:

Tabelle 1: Definition der Wetterszenarien zur Kapazitätsermittlung

Desgleichen wurden die Winterdiensteinsatzberichte ausgewertet und weitgehend in die Untersuchung integriert. Die detailliertesten Ergebnisse sind in Bayern auf der BAB A 8 Ost zu erwarten, da dort die Erfassung des Winterdienstes auf einer automatischen Streu- und Wegedatenerfassung mittels Georeferenzierung basiert. So können alle verfügbaren Daten miteinander abgeglichen werden und eine Aussage über den durch den Winterdienst entstandenen Fahrbahnzustand gemacht werden (gestreut-geräumt).

An anderen Strecken ist dies wegen manuell erfasster Einsatzberichte nicht möglich, da diese zwangsläufig einen geringeren Detaillierungsgrad aufweisen.

Eine weitere Einteilung der Strecken erfolgte nach Fahrstreifenanzahl sowie in Steigungsklassen, da große Längsneigungen einen erheblichen Einfluss auf den Verkehrsfluss haben, besonders bei hohen SV-Anteilen. Die Unterteilung wurde wie folgt vorgenommen:

Steigungsklasse 1: < 2 %,

Steigungsklasse 2: 2 % ≤ s ≤ 4 %.

Steigungsklasse 3: > 4 %.

2.2   Methodik der Auswertung

Die Winterdiensteinsatzberichte der einzelnen Meistereien sind ausschlaggebend für die Auswahl der Tage zur Stauuntersuchung. Nach der Zusammenstellung der Tage erfolgt der Abgleich mit Staudaten (entweder aus einer Staudatenbank oder TMC-Meldungen des entsprechenden Streckenabschnittes). Wesentliche Randbedingung der Untersuchung ist, dass nur Staus aufgrund hohen Verkehrsaufkommens bzw. winterlicher Witterungsbedingungen herangezogen werden.

Für die entsprechenden Zeiträume und Staulagen werden die von den entsprechenden Zählstellen vorliegenden Verkehrsdaten ausgewertet. Die oben genannten Stauinformationen zur Auswahl der Untersuchungstage können nur als Anhaltspunkt dienen, weshalb eine Untersuchung der Geschwindigkeitsganglinie zur genauen Feststellung von Lage und Uhrzeit der Stauungen trotzdem vorgenommen werden muss.

Für die weiterführende Untersuchung zur Kapazität wird der Zeitraum so gewählt, dass sowohl Verkehr im Bereich des freien als auch des gebundenen Verkehrs liegt. Nach der Erstellung der Geschwindigkeitsganglinie wird ein lineares k-v-Diagramm des gewählten Zeitraumes erstellt, um die maximale Verkehrsstärke zu erhalten. Dieses Verfahren hat sich bei der Untersuchung von [1] bereits bewährt. Die k-v-Diagramme von winterlichen Tagen werden mit Vergleichs-Stautagen ohne winterlichen Einfluss verglichen, um Rückgänge der Kapazität feststellen zu können.

Durch die schleppende Datenüberlieferung sind zu diesem Zeitpunkt noch keine konkreten Ergebnisse vorhanden. Jedoch ist abzusehen, dass sich der Trend aus früheren Untersuchungen bestätigt.

Der vorgenommene Abgleich der Stautage mit den Winterdiensteinsatzberichten zeigt allerdings auch, dass es nur eine begrenzte Zahl entsprechender Stautage aufgrund winterlicher Fahrbahnverhältnisse gibt und somit in manchen Fällen auf die Aussage von Einzelergebnissen zurückgegriffen werden muss, da eine statistische Auswertung kaum möglich ist. Das Bild 1 zeigt das Ereignis Eisglätte auf der BAB A 6 in Rheinland-Pfalz am Messquerschnitt Rotenberg. Der SV-Anteil betrug im ausgewerteten Zeitbereich 19 %, die abgeleitete Kapazität qmax lag bei 2389 Kfz/h.

Bild 1: k-v-Diagramm MQ Rotenberg, BAB A 6, Rheinland-Pfalz

3  Verkehrlicher Nutzen des Winterdienstes in Autobahnknotenpunkten

3.1  Vorgehensweise der Auswertung

Beispielhaft sollen hier Ergebnisse aus der Überlagerung von Winterdiensteinsätzen, Witterungsinformationen und Verkehrsdaten aus Bayern vorgestellt werden, da dort die Detaillierung der vorliegenden Daten am größten ist.

Nach erfolgreicher Verknüpfung aller Daten aus Bayern wird die im Folgenden dargestellte Systematik soweit möglich auch auf die betrachteten Autobahnkreuze in Nordrhein-Westfalen übertragen. Insbesondere über die Wirkungsweise der im AK Münster-Süd installierten Taumittelsprühanlage werden daraus Erkenntnisse erwartet.

Im ersten Schritt wurden die GMA-Daten analysiert und die relevanten Zeiträume der Winterereignisse identifiziert. Als Kontrollzeiträume wurden auszugsweise Zeiten mit Normalbedingungen ermittelt.

Im zweiten Schritt wurden auf Basis der GMA-Daten die Verkehrsdaten (5-Minutenintervalle) für die relevanten Zeiträume abgefragt, um den Aufwand auf Seiten der Länder so gering wie möglich zu halten.

Die Überlagerung der Streu- und Wegedaten mit den GMA- und Verkehrsdaten stellt den dritten Schritt dar. Durch die Betrachtung und den Vergleich der Winterereignisse, der Einsatzzeitpunkte des Winterdienstes und der erfassten Verkehrsdaten (q, V) soll die Frage der Häufigkeit theoretisch vermeidbarer Störungen einerseits und der Intensität derzeitiger Winterdienststrategien andererseits beantwortet werden.

Die Zuordnung von Winterdiensteinsätzen, verkehrlichen Kennwerten (q, V) und Informationen über die Witterungsbedingungen (abgleitet aus GMA-Informationen benachbarter Erfassungsstellen) erfolgt über eine Verschneidung dieser Informationen zunächst vor allem aus Informationen der Bayerischen Straßenbauverwaltung, da diese Quelle die höchste Informationsdichte erwarten ließ. Da insbesondere in Rampen der Streckenbezug der Streu- und Wegedatenerfassung nicht immer eindeutig in den Daten vorliegt, wurden Rampen-Querschnittslagen definiert, die mit den GPS-Wegeketten der Winterdienstfahrzeuge verschnitten wurden, so dass jede Durchfahrt dieser Rampen mit Zeit und Geräteeinstellungen zugeordnet werden kann. Anzumerken ist, dass die Verkehrsmessquerschnitte und Winterdienstinformationen querschnittsbezogen für die jeweilige Rampe zugeordnet werden können, die GMA-Informationen beziehen sich in der Regel nur auf eine Rampe bzw. durchgehende Fahrbahn eines Autobahnkreuzes, so dass z. B. die Fahrbahntemperatur nicht unbedingt exakt übertragbar ist, die Informationen zu Niederschlag und Lufttemperatur sollten jedoch hinreichend genau verfügbar sein.

Ansatzpunkt bei der Auswertung war, dass sich Winterdiensteinsätze in positiver Weise auf verkehrliche Kennwerte niederschlagen müssten.

Die aus den Betrachtungen der freien Strecke erwarteten Veränderungen der Kapazitäten von Rampen können nicht nachgewiesen werden, da die Auslastungsgrade der Rampen in der Regel so gering waren, dass auch mögliche Kapazitätsreduzierungen in den Rampen nicht zu Stauungen führten. Demgegenüber war erkennbar, dass sich – in unterschiedlichem Umfang – die mittleren Pkw-Geschwindigkeiten bei verschiedenen Fahrbahn- und Witterungszuständen unterscheiden; gleiches gilt für die Zeiten vor und nach Winterdienstereignissen gegenüber Zeiten ohne Winterdienst.

Daher wurde die Analyse der Daten zunächst an drei der ausgewählten Autobahnknotenpunkte vor allem unter zwei Gesichtspunkten durchgeführt: Zum einen wurden die mittleren Geschwindigkeiten der 5-Minuten-Intervalle statistisch ausgewertet (siehe Abschnitt 3.1.1); vor allem vor dem Hintergrund, dass die verkehrlichen Randbedingungen vor und nach den Winterdiensteinsätzen nur selten signifikante Zusammenhänge aufzeigen, wurden andererseits in einem zweiten Schritt qualitativ und beispielhaft konkrete Einzelsituationen betrachtet (siehe Abschnitt 3.1.2).

3.1.1 Statistische Betrachtung der mittleren Geschwindigkeiten von 5-Minuten-Intervallen

Insbesondere wurden die mittleren Geschwindigkeiten bezüglich des Fahrbahnzustandes ausgewertet sowie ihrer zeitlichen Zuordnung zu Winterdiensteinsätzen. Die Analyse einer Vielzahl von querschnittsbezogenen Winterdiensteinsätzen und zugehöriger Messdaten in 5-Minuten-Intervallen konnte bislang nur unter statistischen Gesichtspunkten erfolgen. Diese weist vor allem eine Reduzierung der Fahrgeschwindigkeiten bei Schneeglätte auf, diese geht einher mit einer deutlichen Erhöhung der Streuungen zwischen den 5-Minuten-Intervallen bei formal gleichen bzw. vergleichbaren Randbedingungen. So geht der 50 %-Percentilwert der mittleren Geschwindigkeiten bei Schneeglätte gegenüber dem Vergleichswert bei trockener Fahrbahn um ca. 15 % zurück, der 10 %-Percentilwert jedoch um ca. 25 %.

Insgesamt ist zu erkennen, dass über alle betrachteten Rampen hinweg relativ ähnliche Einflüsse der Fahrbahnzustände und Winterdiensteinsätze vorliegen. Aufschlussreich ist dabei die Erkenntnis, dass die Reduzierung gegenüber dem Vergleichswert bei Schneeglätte deutlich höher ist als bei anderen Glättearten. Diese Unterschiede lassen sich damit begründen, dass die Risiken von glatten Fahrbahnen und deren mangelnde Griffigkeit z. B. bei Eisglätte für den Kraftfahrer deutlich schlechter erkennbar sind als bei Schneeglätte. Es ist bei allen Straßenzustandsinformationen weiterhin zu bedenken, dass sie auf GMA-Informationen beruhen, die in der Regel nicht aus Messungen an der gleichen Rampe abgeleitet sind.

Bild 2: Auswirkungen des Fahrbahnzustandes auf die mittleren Geschwindigkeiten der 5-Min-Intervalle, Beispieldarstellung direkte Rampe (links), indirekte Rampe (rechts)

Beispielhaft ist im Bild 2 zu erkennen, dass die Geschwindigkeitsreduzierungen bei Schneeglätte deutlich höher sind als bei Eisglätte. Gleichzeitig ist bei allen relativ schnell befahrenen Rampen erkennbar, dass auch die Geschwindigkeiten bei regennasser Fahrbahn deutlich zurückgehen.

Bei dieser Analyse konnte der erwartete positive Einfluss von Winterdiensteinsätzen auf den Verkehrsablauf aus dem Vergleich der mittleren Geschwindigkeiten vor und nach den Winterdiensteinsätzen zumindest statistisch signifikant nicht nachgewiesen werden. Zwar zeigt sich bei einzelnen Rampen ein Rückgang der Geschwindigkeiten vor den Einsätzen mit einem entsprechenden Wiederanstieg nach den Winterdiensteinsätzen, was tendenziell für eine relativ späte Bedienung der Rampen sprechen könnte. Die insgesamt indifferenten Beobachtungen lassen vor allem den Schluss zu, dass die Bedingungen bei Winterdiensteinsätzen so inhomogen sind, dass nur eine Einzelbetrachtung von Ereignissen auswertbare Aufschlüsse erwarten lässt.

Im Rahmen der Auswertung wurden jeweils die mittleren Pkw-Geschwindigkeiten betrachtet, da sich im Allgemeinen bei Pkw wegen ihrer prinzipiell freieren Geschwindigkeitswahl Schwankungen z. B. durch ungünstige Umfeldbedingungen deutlicher abbilden lassen als bei Lkw.

3.1.2 Qualitative Betrachtung einzelner Situationen winterlicher Fahrbahnbedingungen

Im nächsten Schritt wurde die Betrachtungsweise weg von der statistischen Auswertung der Messquerschnitte auf die einzelnen Winterdiensteinsätze verschoben sowie der Fokus auf den Verlauf der mittleren Pkw-Geschwindigkeiten gerichtet.

Um den Nutzen bzw. die Durchführung des Winterdienstes in Rampen aufzuzeigen, werden hier beispielhaft Ergebnisse von Einzelereignissen diskutiert. So ist es für definierte Zustände möglich, anhand der gefahrenen Geschwindigkeiten Aussagen über die Wirksamkeit konkreter Winterdiensteinsätze zu treffen.

Mit dieser Auswertungsmethode soll hier beispielhaft auf Basis einzelner Einsätze abgebildet werden, in welchen Fällen die verkehrlichen Auswirkungen den Winterdienst optimal erscheinen lassen oder – anderenfalls – welche Verbesserungsvorschläge hieraus abgeleitet werden können.

Diese Auswertungsmöglichkeit bietet sich ebenfalls, wenn auch wegen der weniger detaillierten Winterdienstaufzeichnungen nicht so zeitdiskret wie in Bayern, in den Autobahnkreuzen in NRW an. Ebenso ist das Vorgehen auf das AK Münster-Süd übertragbar, in dem bereits eine TMS installiert ist, deren Schaltzustände vorliegen.

Zunächst soll auf die zu erwartenden Ergebnisse der Untersuchungsmethode eingegangen werden: Allgemein ist davon auszugehen, dass sich der Winterdienst nicht negativ auf den Verkehrsfluss auswirkt. Vielmehr ist eine Aufrechterhaltung oder im besten Fall eine Verbesserung des Verkehrsflusses zu erwarten. Dies bedeutet auch, dass der Winterdiensteinsatz (z. B. Räumen der Fahrbahn) eine Erhöhung der mittleren Geschwindigkeiten oder zumindest einen konstanten Verlauf mit sich bringen sollte. Dies gilt vor allem auch für die für den Verkehrsteilnehmer sichtbaren Veränderungen nach dem Einsatz, wie z. B. nach dem Räumen. Das heißt ist eine Absenkung der Geschwindigkeit vor dem Einsatz sichtbar, so kann davon ausgegangen werden, dass diese durch ein Glätteereigniss hervorgerufen wird, es sein denn, Auffälligkeiten in der aufgezeichneten Verkehrsbelastung würde z. B. einen Unfall vermuten lassen. Nach dem Winterdiensteinsatz und wegen der begrenzten Geschwindigkeit der Winterdienstfahrzeuge verbleibt das Niveau zunächst auf deren Geschwindigkeit. Nach gewisser Zeit (aufgrund der positiven Auswirkungen der gestreuten bzw. geräumten Fahrbahn, eventuell auch wegen einer Verbesserung der Witterungssituation) steigen dann die mittleren Geschwindigkeiten wieder auf das Niveau vor dem Glätteereignis an.

Sind Glätteereignisse vorhanden, die vom Verkehrsteilnehmer visuell nicht wahrgenommen werden (können), muss das nicht unbedingt ein Herabsinken der Geschwindigkeiten zur Folge haben, da die Fahrweise von Verkehrsteilnehmern stark subjektiv beeinflusst wird: „Ist die Straße schwarz, besteht keine Gefahr“. Das heißt der Verkehrsfluss kommt nicht zwingend ins Stocken und wird von den Verkehrsteilnehmern versucht aufrecht zu erhalten. Sobald ein Winterdienstfahrzeug den Streckenabschnitt bedient, nehmen dann die Geschwindigkeiten auf das Einsatztempo wieder ab. Dies ist in Rampen jedoch nicht so stark ausgeprägt wie z.B. auf der freien Strecke, da hier geringere Geschwindigkeiten vorliegen.

In den folgenden Beispielen wird auf diese Aspekte eingegangen. Um die relevanten Zeiträume für die Untersuchung darzustellen, sind zunächst nur die Zeiträume dargestellt, in denen ein Glätteereignis und/oder Winterdienst stattgefunden hat (+/– ca. 2 Stunden).

Auf diese Weise ist es nicht nur möglich, die einzelnen Winterdienstereignisse anhand der gefahrenen Geschwindigkeiten der Verkehrsteilnehmer zu bewerten (bzw. die mittlere Geschwindigkeit anhand der Winterdiensteinsätze), sondern auch um systematische Fehler zu entdecken, vor allem bei den gemessenen Verkehrs- oder GMA-Daten.

Bild 3 Glätteereignis im AK Neufahrn am 11./12. 12. 2008 (Do/Fr)

Beispielhaft für die weitere Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Witterungsbedingungen, Winterdienst und Geschwindigkeitsverhalten zeigt das Bild 3 die Überlagerung aller Informationen für das Glätteereignis „Glätte durch Schneefall“ am 11./12. 12. 2008 in einem der betrachteten Autobahnkreuze. In den Rampen ist ersichtlich, dass die Geschwindigkeiten vor dem Schneefall in etwa denen entsprechen, die im Durchschnitt bei trockenem Wetter ohne Glätteereignis gefahren werden. Sobald der Schneefall einsetzt bzw. eine schneebedeckte Fahrbahn vorhanden ist, sinken die Geschwindigkeiten ab. In der Rampe AF (oben) findet im gezeigten Zeitraum regelmäßig Winterdienst statt mit dem Resultat, dass die Geschwindigkeit auf diesem Niveau verbleibt. Demgegenüber ist aus den Aufzeichnungen der Rampe HL nach dem ersten nicht wirksamen Streueinsatz ein deutlicher Geschwindigkeitseinbruch erkennbar, die Situation stabilisiert sich erst nach mehreren Stunden. Wie auch an anderen Ereignissen erkennbar, ist bei konkreten Situationen auch quantitativ nachweisbar, dass der Verkehrsfluss umso stabiler bleibt, je früher das Räumen begonnen hat.

Aus diesen Beispielen ist weder abzuleiten, dass die zuständigen Meistereien bei absinkenden Geschwindigkeitsniveaus einen unzureichenden Winterdienst durchführen, noch ist zunächst eine Systematik zu erkennen, mit welcher Priorisierung die Winterdiensteinsätze gefahren werden. Vielmehr zeigen Einzelereignisse vor allem bei sehr ungünstigen Witterungslagen, dass eine hohe Einsatzintensität herrscht. Die Auswertungen können allerdings Aufschluss darüber geben, ob die Priorisierung von Rampen unter verkehrlichen Aspekten optimiert werden sollte bzw. eventuell systematisch mehr Fahrzeuge eingesetzt werden müssten.

Da die diskutierten Ergebnisse nur auf Einzelereignissen beruhen, kann von diesen nicht ausschließlich auf den gesamten Winterdienst geschlossen werden. Hierzu sollten die Hintergründe wie z. B. bei einer Verspätung des Räumdienstes näher beleuchtet werden.

Im weiteren Vorgehen wird unter anderen geprüft werden, welchen Einfluss z. B. das präventive Streuen auf den Verkehrsfluss hat und ob z. B. einem negativer Einfluss von Eisglätte auf die Verkehrssicherheit durch Präventivstreuung vorgebeugt werden kann, insofern dies anhand der Geschwindigkeitsganglinien detektiert werden kann.

4  Verkehrslenkende Maßnahmen zur Unterstützung des Winterdienstes

Auch wenn aufgrund der Witterungslagen bzw. organisatorischer Randbedingungen die untersuchten Pilotanwendungen im zurückliegenden Winter nicht vollständig durchgeführt werden konnten, lassen sich doch einige insbesondere organisatorische Erkenntnisse ableiten, die im Folgenden wiedergegeben werden sollen.

4.1  Blockabfertigung für Lkw

Eine Blockabfertigung für den Schwerverkehr, wie sie z. B. in der Schweiz durchgeführt wird, soll auch auf deutschen Autobahnen insbesondere in Fällen extremer Witterung mit der Gefahr von Vollsperrungen durch liegengebliebene Lkw zu einer Staureduzierung bzw. Stauvermeidung führen. Dabei werden Lkw so lange angehalten, bis der vor ihnen liegende neuralgische Streckenabschnitt so präpariert ist, dass sie diesen relativ gefahrlos befahren können. Die genaue Untersuchung der Streckencharakteristik ist bei der Blockabfertigung unumgänglich. Verschiedene Randbedingungen sind bei der Durchführung der Blockabfertigung zu beachten. Für die Vorbereitung und Durchführung der Maßnahme haben sich zwei Bundesländer zur Verfügung gestellt: Zum einen Baden-Württemberg, wo die Blockabfertigung auf der BAB A 8 am Albaufstieg vor dem Aichelberg stattfinden soll, zum anderen Bayern mit der BAB A 8 Ost zwischen Chiemsee und der Bundesgrenze zu. Die Vorbereitungen haben bereits im Herbst 2007 begonnen, aufgrund der komplexen Organisation waren die Vorbereitungen zum Winter 2008/2009 abgeschlossen. Für beide Bundesländer wurde ein Beschilderungskonzept erstellt, das seitdem einsatzbereit ist und zum Teil bereits Anwendung gefunden hat. Es beinhaltet hauptsächlich Prismenwender mit dem VZ 253 der StVO, das den Lkw-Fahrern das Befahren der Überholfahrstreifen untersagt. Hinzu kommen eigens für die Maßnahme programmierte LED-Vorwarner. Das Bild 4 zeigt eine solche Programmierung für den dreistreifigen Abschnitt in Baden-Württemberg.

Bild 4: LED-Vorwarner zur Blockabfertigung für Lkw

Es ist beabsichtigt, dass die Lkw kurz vor einer Anschlussstelle oder Betriebsumfahrt im Vorfeld eines Steigungsbereiches von der Autobahnpolizei angehalten werden. Zum einen ermöglicht dies eine Zufahrt für Winterdienstfahrzeuge auf der Autobahn ohne eine Behinderung durch den Schwerverkehr. Zum anderen kann der Schwerverkehr unmittelbar nach den Winterdiensteinsatzfahrzeugen bei relativ guten Fahrbahnverhältnissen wieder anfahren.

Das Bild 5 zeigt das Konzept zur Beschilderung in Baden-Württemberg. Die Maßnahme selbst wurde im Winter 2008/2009 sowohl in Bayern als auch in Baden-Württemberg noch nicht durchgeführt. Allerdings wurden teilweise „Vorstufen“ geschaltet, wie z. B. das Ausbringen der LED-Vorwarner und die Schaltung der Prismenwender, um den Verkehr zu regeln. Der Verkehrsfluss konnte jedoch auch ohne die eigentliche Maßnahme aufrecht erhalten werden. Im kommenden Winter 2009/2010 soll die Maßnahme mit teils modifiziertem Vorgehen, welches erst durch die Erfahrungen im vergangenen Winter abgeleitet werden konnte, weiterhin durchgeführt werden, sobald die Witterungsbedingungen und die verkehrliche Situation vor Ort dies erfordern.

Bild 5: Beschilderungskonzept zur Blockabfertigung, BAB A 8 in Baden-Württemberg

4.2   Einsatz von dWiSta-Tafeln zur Verkehrslenkung bei winterlichen Fahrbahnbedingungen

Momentan sind bei dWiSta-Tafeln (dynamische Wegweiser mit integrierter Stauinformation) keine Informationen über Witterungsverhältnisse oder andere Gefahren vorgesehen, sondern lediglich eine Stauinformation mit möglichen Umfahrungsmöglichkeiten. In [2] wurden aber für die Planung und Ausführung der dWiSta-Tafeln bereits weitergehende theoretische Überlegungen angestellt.

Ziel der hier untersuchten regionalen Umfahrung für Lkw ist es, diese systematisch bei schlechten winterlichen Fahrbahnbedingungen weiträumig umzuleiten und so durch eine gezielte Nachfragesteuerung Problemen an maßgeblichen Steigungsstrecken im Winter vorzubeugen.

In Baden-Württemberg wurde eigens hierfür eine Schaltung in den dWiSta-Tafeln des nördlichen und westlichen Zulaufs am Walldorfer Kreuz programmiert, die zu Testzwecken zunächst im Zuge der Blockabfertigung geschaltet werden soll. Diese zeigt eine Umfahrung der BAB A 8 im Winter für Lkw über die A 6/A 7 für den Verkehr nach Ulm bzw. München an. Das Bild 6 gibt sinngemäß die Anzeige der dWiSta-Tafel wieder, die im Dezember 2008 verkehrsrechtlich angeordnet wurde.

Bild 6: Anzeige der dWiSta-Tafel am Walldorfer Kreuz aufgrund winterlicher Bedingungen am Albaufstieg

5  Zusammenfassung

Die Methodik zur Ermittlung von Kapazitäten in Abhängigkeit von verschiedenen Fahrbahnzuständen ist auch in Verbindung mit Informationen über verschiedene Fahrbahnzustände zielführend, bislang ergeben sich noch Einschränkungen durch teilweise geringe Kollektive und eine Vielzahl unterschiedlicher Randbedingungen.

Ein verkehrlicher Nutzen von Winterdiensteinsätzen ist vorhanden, allerdings häufig konkret nur im Einzelfall nachweisbar. Insbesondere sind die Intensität von Winterdiensteinsätzen und die auftretenden Fahrbahnzustände nur schwer statistisch greifbar.

Die praktische Erprobung und Begleitung verkehrslenkender Maßnahmen erweist sich teilweise als schwierig, da sie an viele Randbedingungen geknüpft ist. Der Erfolg von verkehrslenkenden Maßnahmen hängt tendenziell vor allem davon ab, ob die gewählten Maßnahmen für die Betroffenen nachvollziehbar und zielgerichtet erscheinen.

Literaturverzeichnis

  1. Cypra, T.; Roos, R.; Zimmermann, M.: Optimierung des Winterdienstes auf hoch belasteten Autobahnen, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Heft V 135, Bergisch Gladbach, 2006
  2. Hartz, B.; Schmidt, M.: Dynamische Wegweiser mit integrierten Stauinformationen (dWista), Zusammenfassung bisheriger Erfahrungen, Empfehlungen zur Gestaltung und Anwendung, Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 924, Bonn, 2005