FGSV-Nr. FGSV 002/133
Ort online
Datum 29.10.2020
Titel Planungsansätze auf höheren Skalen
Autoren Marie Grimm
Kategorien Landschaftstagung
Einleitung

G: Innovative nichttechnische Erfassungen

G.3 Planungsansätze auf höheren Skalen

Marie Grimm, M.A., Berlin

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1. Einführung

Dieser Beitrag stellt strategische (‚landscape-scale‘) Planungsansätze für Eingriffe und Kompensation im Artenschutz vor. Diese Ansätze verfolgen das Ziel Konflikte auf höheren Skalen zu lösen, um diese auf Projektebene zu vermeiden. Um dieses Ziel zu erreichen, wird die Maßnahmenhierarchie mithilfe von übergreifenden Naturschutzplänen angewandt (vgl. Kiesecker et al. 2009, Tallis et al. 2016, Grimm et al. 2019). Dabei sollen künftigen Vorhaben frühzeitig und strategisch geplant werden und auch frühzeitig auf Basis übergeordneter Naturschutzziele identifiziert werden, wo vergleichsweise gut geeignete Artenschutz-, Eingriffs- und Kompensationsflächen liegen. In den USA wird ‚landscape-scale mitigation‘ im Falle artenschutzrechtlicher Ausnahmegenehmigungen unter dem Endangered Species Act angewandt. Dabei können diese Planungen von einem einzelnen Vorhabenträger oder von mehreren Vorhabenträgern gemeinsam vorgenommen werden. Erwartete Vorteile sind bspw. beschleunigte Planungsprozesse auf Projektebene, vorgezogene und gebündelte Maßnahmen und verbesserte Habitatkonnektivität (vgl. Sciara et al. 2015, 2017, Kiesecker et al. 2010, Saenz et al. 2013).

Abbildung 1 Planung auf höheren Skalen (eigene Abbildung)
Zu erfolgreichen Umsetzung dieser strategischen Planungsansätze stellen Grimm et al. (2019) folgende Anforderungen zusammen:

Tabelle 1 Anforderungen an strategische Planungsansätze (Grimm et al. 2019)

Im Folgenden werden einige U.S. amerikanische Instrumente mit Hinblick auf Ihre Erreichung der o.g. kompensationsspezifischen Anforderungen erläutert.

2. Instrumente zur Umsetzung strategischer Planungsansätze

Regional Habitat Conservation Plans[1] (RHCPs) fungieren im US-amerikanischen Artenschutz als ein Dokument zum Erhalt einer Ausnahmegenehmigung. Voraussetzung ist dabei keine Gefährdung der weiteren Existenz geschützter Arten (‚no jeopardy of continued existence‘). Entwickelt werden sie auf regionaler Ebene von einem oder mehreren Vorhabenträger für 20-50 Jahre und haben dabei eine

mehrere Arten im Fokus (‚multi-species‘ Plan). Die oft langwierige Planung soll zu Planungsbeschleunigung durch vorgezogene Maßnahmen und Ausnahmegenehmigungen führen. Ein RHCP identifiziert Gebiete mit Arten-/Naturschutz- und Entwicklungsfokus und beschreibt die voraussichtliche Wirkung des Verbotstatbestandes, wie diese Wirkungen vermindert und kompensiert werden und wie strategisch geplanten Maßnahmen finanziert werden. Einige RHCPs werden durch eigens eingesetzte Behörde umgesetzt, die u.a. die Maßnahmen vorgezogen und gebündelt umsetzen und dafür von Vorhabenträgern innerhalb des Plans eine Gebühr für deren Projektzulassung verlangen. Ein Beispiel hierfür ist der von der Santa Clara Valley Habitat Agency[1] umgesetzte RHCP: Dieser Plan hat 50 Jahre Gültigkeit und beinhaltet Ausnahmegenehmigung für bspw. Wohngebiete, Transportinfrastruktur (Straße, Schiene) und Freizeiteinrichtungen. An der Planung waren zahlreiche Kommunen sowie Verkehrs- und Wasserbehörden beteiligt. Die Umsetzung der Maßnahmen durch die RHCP-Behörde erfüllt die Anforderungen der strategischen Flächenwahl, Maßnahmenbündelung und vorgezogenen Wirksamkeit. Für RHCPs ohne eigene Behörde zur Umsetzung von Maßnahmen bieten ‚Conservation Banks[2] ein vielversprechendes Instrument. Diese existieren auch in Regionen ohne RHCPs und basieren dort ihre Flächenwahl für Kompensationsmaßnahmen auf Artenschutzplänen (‚recovery plans‘). ‚Conservation Banks‘ sind eine Art Maßnahmenpool im Artenschutz (vgl. Geißler & Köppel 2012): Sie gehören in den USA oft privaten Unternehmen, die Flächen dauerhaft schützen und für bestimmte Zielarten instandhalten oder aufwerten. Dabei gibt es (besonders im Bundesstaat Kalifornien) sehr strikte Auflagen[3] für den Bank-Genehmigungsprozess und die langfristige Finanzierung. Auch ‚Conservation Banks‘ bieten meist strategisch platzierte, vorgezogene und gebündelte Kompensationsmaßnahmen an, für die sie von der Naturschutzbehörde ‚Credits‘ erhalten, die sie dann in einem festgelegten Verbreitungsgebiet der Zielart(en) an Vorhabenträger verkauft (Grimm 2020).

3. Ausblick

Strategische Planungsansätze bringen einige Vorteile, wie standardisierte Prozesse, klare Anforderungen an Vorhabenträger, Möglichkeit der Betrachtung kumulativer Effekte und möglicherweise verbesserte Naturschutzplanung, mit sich. Doch bilden die Komplexität, Rahmensetzung, Datenverfügbarkeit, Kosten sowie die Anforderung an Kooperation und transparentes Monitoring auch Hürden. Nichtdestotrotz wäre eine Erprobung solcher Ansätze auch in Deutschland spannend: Artenschutzkonflikte auf Projektebene könnten möglicherweise vorweggenommen werden. Die Vorschläge der Umwelt- und Energieverbände für Artenschutzprogramme[4] bieten erste Anreize zu diesem Thema. Des Weiteren könnte zur Maßnahmenumsetzung an Poollösungen und Erfahrungen aus der Eingriffsregelung angeknüpft werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es zur Umsetzung vorgezogener, gebündelter FCS-Maßnahmen durch Pools oder auch durch ‚große‘ Vorhabenträger selbst Ausnahmegenehmigungen bedarf. Diese Ansätze gilt es weiter zu diskutieren und in ersten Pilotprojekten zu erproben.

[1] https://scv-habitatagency.org/

[2] https://www.fws.gov/endangered/esa-library/pdf/conservation_banking.pdf

[3] https://www.fws.gov/sacramento/es/Conservation-Banking/

[4] https://www.bdew.de/media/documents/Stn_20190903_10-Punktefuer-Ausbau-Windenergie-Verbaende.pdf und https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/energie/wind/200130-thesenpapier-windenergieausbau.pdf

 

Literatur

Geißler, G., Köppel. J. (2012): Upside down – Weiterentwicklung von US-amerikanischen Konzepten zur naturhaushaltlichen Kompensation: Wetland Mitigation und Conservation Banking. Naturschutz und Landschaftsplanung 44(12), 364–370.

Grimm, M. (2020). Conserving Biodiversity through Offsets? Findings from an Empirical Study on Conservation Banking. Journal for Nature Conservation, 125871.

Grimm, M., Köppel, J., Geißler, G. (2019): A Shift Towards Landscape-Scale Approaches in Compensation - Suitable Mechanisms and Open Questions. Impact Assess Project Appraisal. 37(6), 491-502. 

Kiesecker, J.M., Copeland, H., Pocewicz, A., McKenney, B. (2010): Development by design: Blending land-scape-level planning with the mitigation hierarchy. Front Ecol Environ. 8(5), 261–266.

Kiesecker, J.M., Copeland, H., Pocewicz, A., Nibbelink, N., McKenney, B., Dahlke, J., Holloran, M., Stroud, D. (2009): A framework for implementing biodiversity offsets: Selecting sites and determining scale. BioScience. 59(1), 77–84.

Saenz, S., Walschburger, T., González, J., León, J., McKenney, B., Kiesecker, J. (2013): A framework for implementing and valuing biodiversity offsets in Colombia: A landscape scale perspective. Sustainability 5(12), 4961–4987.

Sciara, G.C., Bjorkman, J., Stryjewski, E., Thorne, J.H. (2017): Mitigating environmental impacts in advance: Evidence of cost and time savings for transportation projects. Transportation Research Part D: Transport and Environment. 50, 316–326.

Sciara, G.C., Stryjewski, E. (2015): Saving money when safeguarding species and habitats: Conventional vs. advance land acquisition for transportation mitigation. Research in Transportation Economics 52, 100–110.

Tallis, H., Kennedy, C.M., Ruckelshaus, M., Goldstein, J., Kiesecker, J.M. (2016): Mitigation for the people: an ecosystem services framework. In: Geneletti D., (Hrsg., 2016): Handbook on biodiversity and ecosystem services in impact assessment. Edward Elgar Publishing, Cheltenham (UK), 397–427.