FGSV-Nr. FGSV 002/127
Ort online-Konferenz
Datum 13.04.2021
Titel Modellierung von Maßnahmen zur deutlichen Reduktion des Pkw-Verkehrs in Städten
Autoren Prof. Dr.-Ing. Johannes Schlaich, M.Sc. Nina Thomsen
Kategorien HEUREKA
Einleitung

Die Ziele der urbanen Verkehrsplanung sind vor allem von der Diskussion um Nachhaltigkeit geprägt. Dabei ist die Reduktion des Pkw-Verkehrs in Städten ein wichtiger Faktor. Dies kann erreicht werden, indem mit stadt- und verkehrsplanerischen Maßnahmen das Verkehrsverhalten beeinflusst wird. Wie stark die Wirkungen der einzelnen Maßnahmen sein können, kann mithilfe eines Verkehrsmodells bestimmt werden. In diesen Modellen wird die Verkehrsnachfrage durch die vier Stufen Verkehrserzeugung, Verkehrsverteilung, Moduswahl und Umlegung berechnet. Die Ergebnisse der Modellierung werden hinsichtlich ihrer Wirksamkeit bewertet. Dabei sind vor allem der Modal Split, die Veränderungen der Zielwahl und die Unterschiede in den Verkehrsbelastungen in einem Gebiet von entscheidender Bedeutung. Die Trends und Tendenzen aus dem Modell können dazu genutzt werden, Empfehlungen für sinnvolle Maßnahmen zur Reduzierung des Pkw-Verkehrs zu entwickeln.
Dieses Paper soll vor allem Modellanwender typischer Verkehrsmodelle ansprechen und motivieren, ihre Modelle auch für extremere Szenarien wie Maut oder Fahrverbote einzusetzen, indem es an einem konkreten Beispiel aufzeigt, wie solche Maßnahmen pragmatisch und mit vertretbarem Aufwand modelliert und ausgewertet werden können. Dabei bleibt der Grundsatz bestehen, dass Modellergebnisse – vor allem bei der Untersuchung neuer Maßnahmen – stets vom Anwender kritisch hinterfragt werden sollten.

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1 Einleitung

Verkehrsmodelle werden seit Jahrzehnten eingesetzt, um die Verkehrsentwicklungsplanung zu begleiten. Dabei wurden bislang vor allem „klassische“ verkehrliche Maßnahmen wie Änderungen am Straßen- oder ÖV-Netz untersucht. Aufgrund eines Wandels der verkehrsplanerischen und verkehrspolitischen Diskussionen (vgl. Kapitel 2) sowie gesetzlicher Vorgaben bzgl. Emissionen sollen solche Modelle nun auch immer mehr für die Untersuchung von Pkw-reduzierenden Maßnahmen wie einer Citymaut eingesetzt werden.

Verkehrsmodelle sind immer eine Abstraktion der Realität – ganz bewusst wird die Realität im Modell vereinfacht, um damit die Komplexität soweit zu reduzieren, dass Prognosen künftiger Szenarien möglich sind.
In dieser Arbeit wird aufgezeigt, inwieweit klassische Verkehrsmodelle in der Lage sind, Maßnahmen wie die Citymaut oder Parkraummanagement abzubilden. Dabei steht im Vordergrund, dem Anwender konkrete Unterstützung bei der Modellierung (Kapitel 3 bis 4) und der Bewertung (Kapitel 5) zu geben, aber auch Grenzen aufzuzeigen (Kapitel 6).

Ziel ist es, Modellanwender zu ermutigen, ihre Verkehrsmodelle für möglichst viele neue Anwendungsfälle einzusetzen, dabei aber auch die Ergebnisse realistisch zu bewerten.

Hinweis: Diese Untersuchung wurde beispielhaft am Verkehrsmodell der Stadt Regensburg durchgeführt (vgl. Kapitel 3.2), die ihr Verkehrsmodell dankenswerterweise für die Untersuchung zur Verfügung gestellt hat. Die Vorgehensweise und die Ergebnisse sind allein an der Beuth Hochschule für Technik in Berlin entstanden und sind nicht mit der Stadt Regensburg abgestimmt. Die Stadt Regensburg hat einer Veröffentlichung zugestimmt.

2 Verkehrsplanerische und verkehrspolitische Ziele

Die Diskussion um die Mobilität der Zukunft ist stark vom Ressourcenverbrauch und den Schadstoffemissionen des Kfz-Verkehrs geprägt. Neben den technologischen Zielen werden auch die Ziele der Verkehrsplanung dadurch stark beeinflusst, da für die Erreichung von Klimazielen u.a. eine Verkehrswende nötig ist. Daraus ergeben sich Zielstellungen für urbane Räume, die vorrangig die Reduzierung von Emissionen und die Schaffung eines nachhaltigen Verkehrssystems beinhalten. Hinzu kommen stadtplanerische Aspekte zur Steigerung der Aufenthalts- und Lebensqualität in Städten.

Bild 1: Modal Split in Deutschland nach MiD 2017 (nach BMVI 2019, S. 13)

Anhand des Modal Splits in Bild 1 lässt sich die Bedeutung des Kfz-Verkehrs in Deutschland erkennen. Um eine Verkehrswende einzuläuten, sollte der Anteil des motorisierten Individualverkehrs (MIV) gesenkt und der Umweltverbund, bestehend aus dem öffentlichen Verkehr (ÖV), Rad- und Fußverkehr (nicht motorisierter Individualverkehr), gefördert werden. Wesentliche Gründe dafür sind:

·    Das Auto stellt große Flächenansprüche an den öffentlichen Raum. Eine Reduzierung des Kfz-Verkehrs und damit verbundene Umwidmung von Flächen kann zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität beitragen und Städte attraktiver machen.

·    In der Diskussion um den Kfz-Verkehr stehen in der Regel die Schadstoffemissionen im Mittelpunkt. Dazu zählen klimawirksame Emissionen wie die von CO2, aber auch gesundheitsschädliche wie Stickoxide. Für die Erreichung der weltweiten Klimaschutzziele sowie gesetzlicher Vorgaben besteht daher im Verkehrsbereich ein Handlungsbedarf. Durch Technologieentwicklungen sind Kfz in den letzten Jahren zunehmend effizienter geworden. Im Gegensatz dazu sind die Emissionen im Pkw-Verkehr jedoch seit 1990 gestiegen, was laut Umweltbundesamt (2018a) durch einen Anstieg der Verkehrsleistungen insgesamt und des Pkw-Verkehrs im Speziellen zu begründen ist (Umweltbundesamt 2018b). Hierbei zeigt sich, dass Technologieentwicklungen allein zur Emissionsminderung nicht ausreichend sind.

·    Neben den schädlichen Emissionen des Kfz-Verkehrs stört ein hohes Pkw-Verkehrsaufkommen den Verkehrsfluss und führt zu Staus und damit zu Zeitverlusten.

Allerdings steht die urbane Verkehrsplanung vor einem Zielkonflikt. Die negativen Auswirkungen des Kfz-Verkehrs sollen minimiert, gleichzeitig jedoch die Mobilität von Personen und die Versorgung mit Gütern sichergestellt werden (Friedrich & Ritz 2014). Um Konzepte zu entwickeln, mit denen dieses Gleichgewicht erreicht werden kann, bietet sich die Untersuchung von Maßnahmen in einem Verkehrsmodell an.

3 Vorüberlegungen zur Modellierung von Maßnahmen

3.1 Praxis der Verkehrsmodellierung

Der klassische Ansatz des makroskopischen 4-Stufen-Modells (vgl. Bild 2 bzw. Schlaich & Koesling, 2014) ist trotz vieler Weiterentwicklungen u.a. in Richtung mikroskopischer Modellansätze immer noch dominant in der Anwendung im deutschsprachigen und internationalen Raum. Innerhalb des 4-Stufen-Modells gibt es Erweiterungen in Richtung der Integration verschiedener Modellschritte (Schlaich et al., 2016) oder der Integration neuer Verkehrsmittel wie Sharing-Angeboten (PTV AG, 2018).

Bild 2: Stufen des Vier-Stufen-Modells (eigene Abbildung)

3.2 Verwendetes Modell

Für diese Untersuchung wurde exemplarisch das Verkehrsmodell der Stadt Regensburg verwendet, welches im Jahr 2012 erstellt wurde. Es soll die Nachfragestruktur im Verkehrssystem widerspiegeln und ermöglichen, die Auswirkungen struktureller Veränderungen abzuschätzen. Die Modellierung der Nachfrage erfolgt auf Basis des in Kapitel 3.1 erläuterten 4-Stufen-Modells in der Form eines wegekettenbasierten Ansatzes mit integrierter Ziel- und Moduswahl. Die Grundlagen des Modells bilden das Verkehrsnetz der Stadt Regensburg, des Landkreises Regensburg sowie der umliegenden Landkreise, die Strukturdaten und die Daten über das Verkehrsverhalten (Schlaich 2012).

Das folgende Bild 3 zeigt einen Ausschnitt des Verkehrsmodells. Hervorgehoben ist dabei das Untersuchungsgebiet des Innenstadtbereiches, in dem im Folgenden die Maßnahmen zur Pkw-Reduktion untersucht worden sind.

Bild 3: Verkehrsmodell Regensburg (eigene Abbildung)

3.3 Vorüberlegungen

Die Veränderungen im Netzmodell zur Simulation einer verkehrsplanerischen Maßnahme betreffen v.a. die Anpassung der Netzelemente und ihrer Eigenschaften. Diese Veränderungen werden in die Berechnung der Nachfrage integriert, indem das Berechnungsverfahren ebenfalls angepasst wird. Ziel ist es, die Ergebnisse aus den Maßnahmenszenarien mit denen einer Basisversion zu vergleichen, in der keine Maßnahmen umgesetzt wurden.

Um die richtigen Methoden zur Darstellung einer Maßnahme in einem Verkehrsmodell zu finden, ist es wichtig, die Hintergründe für die Berechnung der vier Stufen zu kennen. Bilden beispielsweise die Reisezeiten die Basis für die Ziel- und Moduswahl, sollten die Maßnahmen einen Einfluss in Form einer Zeitstrafe oder Zeitverkürzung nehmen. Diese Veränderungen der Reisezeit können u.a. durch die Veränderung der Geschwindigkeit oder Anpassungen im Netzmodell, aber auch unter Verwendung von Zeitwerten für eine Anpassung der Kosten fiktiv entstehen.

3.3.1 Zeitwerte

Die Aufwände einer Ortsveränderung können in verschiedenen Einheiten bemessen werden. Um zeitliche und monetäre Aufwände miteinander vergleichbar zu machen, ist die Anwendung von Zeitwerten sinnvoll. Die Ermittlung dieses Umtauschverhältnisses zwischen Zeit und Geld ist Bestandteil wissenschaftlicher Forschung, Werte und Parameter können daher aktuellen Studien entnommen werden (z.B. Kolarova et al. 2019). Für dieses Paper wurden die Ergebnisse der Zeitwertstudie im Rahmen des Bundesverkehrswegeplanes verwendet, um die Kosten neuer Maßnahmen im Modell in Zeiten umzuwandeln (Axhausen et al. 2015). Diese Vorgehensweise wurde gewählt, da in den Modellparametern des Ausgangsmodells keine Kosten in der Nachfragemodellierung und der Widerstandsberechnung berücksichtigt wurden. Mit der Umwandlung neuer Kosten in zusätzliche Reisezeit ist die Vergleichbarkeit mit dem Basisszenario sichergestellt, ohne dass grundlegende Modellanpassungen erforderlich wären.

3.3.2 Besonderheiten bei Anwendung eines Wegeketten-Ansatzes

In einem makroskopischen Modell mit Wegekettenansatz werden für die verhaltenshomogenen Personengruppen die Wahrscheinlichkeiten angegeben, dass sie eine bestimmte Wegekette am Tag ausführen. Eine Wegekette beschreibt eine Abfolge von Aktivitäten, die eine Person außerhalb des Hauses ausführt. Sie beginnt und endet jeweils am Wohnort. Ein Beispiel für eine Wegekette ist die Aktivitätenabfolge Wohnen - Arbeit - Wohnen, aus der zwei einzelne Wege resultieren.

Die Wegeketten werden in den ersten drei Stufen des Vier-Stufen-Modells berücksichtigt, demnach wird pro Wegekette die Erzeugung, die Zielwahl und die Moduswahl berechnet. Dabei können Modi hinsichtlich ihrer Austauschbarkeit, also der Möglichkeit des Wechselns zwischen den Modi innerhalb einer Kette, unterschieden werden. Bei austauschbaren Modi kann auf den einzelnen Wegen im Verlauf der Kette jeweils der beste Modus gewählt werden, während nicht austauschbare Modi für alle Wege einer Kette gesetzt sind.

Der Pkw als Verkehrsmittel wird i.d.R. als nicht austauschbar betrachtet, was zur Folge hat, dass mit ihm begonnene Wegeketten auch mit diesem Modus fortgeführt werden müssen. Dadurch wird sichergestellt, dass die Anzahl der ausfahrenden Fahrzeuge auch der der einfahrenden entspricht. Allerdings können dadurch Beeinträchtigungen für den Pkw-Verkehr, die erst auf späteren Wegen der Kette auftreten, die Moduswahl nicht beeinflussen (vgl. Bild 4, linke Seite). Auf diesen Abschnitten kann lediglich mit der Anpassung des Ziels oder der Route reagiert werden.

Bild 4: Darstellung der Moduswahl für die Wegekette WAW (W=Wohnen; A=Arbeiten)

Vor allem bei Einschränkungen, die nur in einer Fahrtrichtung auftreten, sollten Optionen für die Behebung dieses Problems in Betracht gezogen werden. So kann beispielsweise die Beeinträchtigung bereits fiktiv auf der Gegenrichtung auftreten, indem z.B. auch hier bereits die Reisezeit verlängert wird (vgl. Bild 4, rechte Seite).

4 Modellierung der Maßnahmen

4.1 Übersicht über die Maßnahmen

Um eine Reduzierung des Pkw-Verkehrs zu erreichen, kommen Maßnahmen aus verschiedenen planerischen Bereichen infrage. Sie zielen vor allem auf die Bereiche der Netzgestaltung, Preisgestaltung, Verkehrstechnik, Fahrzeugtechnologie und Mobilitätsangebote ab. Durch unterschiedliche Ansätze und Maßnahmen werden verschiedene Parameter des Verkehrsverhaltens von der Standort- und Zielwahl bis hin zu Fahrzeugbesitz, Modus- und Routenwahl beeinflusst (Friedrich & Ritz 2014).

Im Rahmen dieser Arbeit wurden die in Tabelle 1 genannten Maßnahmen untersucht, in der auch dargestellt wird, welche Bereiche die Maßnahmen im Sinne des 4-Stufen-Modells (vgl. Kapitel 3.1) vorrangig beeinflussen könnten. Die Maßnahmen werden den Kategorien Push (Verschlechterung der Bedingungen für den Pkw) und Pull (Verbesserung der Bedingungen für andere Modi) zugeteilt.

Tabelle 1: Einflüsse der Maßnahmen

Eine detaillierte Beschreibung der Maßnahmen sowie die Erfahrungen in umgesetzten Projekten sind in Thomsen (2019) zu finden. In diesem Kapitel wird jeweils auf die modellierungsrelevanten Details der Maßnahmen eingegangen.

Dieses Paper fokussiert sich auf Maßnahmen, die vorrangig auf die Verteilung, Moduswahl und Umlegung wirken. Nicht modelliert wurden daher die Maßnahmen, die auf veränderte Strukturdaten und damit eine veränderte Verkehrserzeugung abzielen. Hier wären zusätzliche Modelle zur Vorhersage der Strukturdaten erforderlich, um verlässliche Ergebnisse zu erhalten. Beispiele dafür sind:

·   Steuern auf den Erwerb eines Kfz beeinflussen die Pkw-Verfügbarkeit, die typischerweise in einem Verkehrsmodell die Zusammensetzung der verhaltenshomogenen Gruppen beeinflusst.

·   Stadtstrukturelle Maßnahmen können zu kürzeren Wegen führen, beispielsweise bei einer Mischnutzung im Sinne der „Stadt der kurzen Wege“.

4.2 Fahrverbote

Fahrverbote sind sicherlich die extremste Maßnahme für die Reduktion des Pkw-Verkehrs in Städten und in der reinen Form schwer vorstellbar, da der Pkw-Verkehr auch eine wichtige Funktion im Sinne der Daseinsvorsorge hat (z.B. mobilitätseingeschränkte Personen, Handwerkerverkehr).

Interessanterweise führt auch die einfachste Umsetzung eines Fahrverbotes in einem Verkehrsmodell durch eine Sperrung aller Strecken im Untersuchungsbereich oft zu Schwierigkeiten. Zur schnelleren Konvergenz in der Nachfrageschleife gibt es in vielen Modellen feste Matrizen, die für eine erste Umlegung und eine erste Ermittlung der Reisezeiten verwendet werden. Außerdem können Matrizen umgelegt werden, die nicht im Nachfragemodell berechnet werden (z.B. für den Fernverkehr). Diese Matrizen müssten so auf die Maßnahme angepasst werden, dass keine Nachfrage für den Pkw in den gesperrten Zonen besteht. Andernfalls würde die Umlegung dieser Matrizen zu Problemen führen, wenn ganze Bezirke keinen Zugang mehr zum Pkw-Netz haben.

Daher wird zum einem aus Gründen der einfachen Modellierbarkeit und zum anderen zur Berücksichtigung, dass gewisse Verkehre aus Gründen der Daseinsvorsorge weiterhin mit dem Pkw gemacht werden müssen, eine massive Reduktion der Geschwindigkeit empfohlen. So kann beispielsweise die Festlegung einer Geschwindigkeit von 5 km/h erfolgen, die flächenhaft über eine geografische Verschneide-Funktion allen betroffenen Strecken zugewiesen werden kann.

Neben der Reduktion der Streckengeschwindigkeit müssen auch die Werte auf der Diagonale der für die Verteilung und Aufteilung relevanten Kenngrößenmatrizen angepasst werden. Zum Beispiel wird dort für die Reisezeit oft ein Wert von der Fläche des Bezirks und einer angenommenen Fahrgeschwindigkeit abgeleitet – letztere muss entsprechend an das Fahrverbot angepasst werden.

4.3 Temporeduzierungen

Temporeduzierungen können auf zwei Arten umgesetzt werden: die flächenhafte Festlegung einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit für alle Strecken (z.B. 30 km/h) und die abgestufte Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit abhängig vom Streckentyp und der Bedeutung im Netz.

Die flächenhafte Festlegung kann analog zur Modellierung des Fahrverbots erfolgen. Dies führt aber typischerweise dazu, dass sich unerwünschte Verkehre im untergeordneten Straßennetz ergeben. Daher kann als weitere Variante eine abgestufte Anpassung untersucht werden, bei der die Hierarchisierung des Verkehrsnetzes erhalten bleibt (vgl. Tabelle 2).

Tabelle 2: Gewählte Anpassungen der Geschwindigkeiten im IV

4.4 Parkraumbewirtschaftung

Städte wie die Stadt Regensburg erarbeiten Parkraumkonzepte vor allem vor dem Hintergrund, den ruhenden Verkehr zu regulieren und das Parken für Anwohner oder Kunden des Einzelhandels sicherzustellen (vgl. Stadt Regensburg 2017). Eine modale Verlagerung vom Pkw weg ist dabei ein erwünschter Synergieeffekt. Inwieweit sich eine Regulierung des Parkens durch Parkraumbewirtschaftung dahingehend auswirkt und ob dadurch eine effektive Reduktion des Pkw-Verkehrs erreicht werden kann, kann mit einem Modell abgeschätzt werden. Die Reduzierung der Anzahl der Parkplätze bzw. der Parkflächen kann in makroskopischen Modellen teils nur durch Zeitaufschläge für den Parksuchverkehr umgesetzt werden, weshalb die Modellierung von Zusatzkosten eher zu empfehlen ist.

Der grundlegende Ansatz für die Implementierung in einem Modell ist es, die Mehrkosten durch das Parken in die Mobilitätsentscheidung zu integrieren. Dafür kann zunächst ein Kostensatz für das Parken pro Zeiteinheit gewählt und als Eigenschaft eines Zieles, also einer Verkehrszelle, hinterlegt werden. Durch die Multiplikation mit der Parkdauer entstehen die Gesamtkosten für das Abstellen des Fahrzeuges in einem Gebiet. Für Modelle, die die Reisezeiten als Grundlage für die Berechnungen verwenden, können diese Kosten unter Verwendung von Zeitwerten in Zeitäquivalente umgewandelt werden (vgl. Kapitel 3.3.1). Dadurch entsteht eine Zeitstrafe für Verkehrsteilnehmer, die ihren Pkw im Zielgebiet abstellen wollen. Diese wird anschließend in die Berechnungsschritte der Verkehrsverteilung und Moduswahl integriert, in denen die Reisezeit als Aufwandskenngröße verwendet wird. Dazu kann eine neue Kenngrößenmatrix erstellt werden, in der die Zeitstrafe auf die eigentliche Reisezeit aufgeschlagen wird.

Die Optionen und der Detaillierungsgrad für die Ermittlung der Parkdauer sind abhängig von Modellgrundlage und Datenverfügbarkeit. So kann eine mittlere Parkdauer für jede Verkehrszelle auf Grundlage der Flächennutzung und unter Berücksichtigung von Parkraumstudien ermittelt werden. Alternativ besteht die Möglichkeit der Festlegung abhängig von der Zielaktivität eines Weges.

4.5 Maut

Eine Maut kann als Flächenmaut wie in London oder Oslo angelegt werden (Thibaut 2012; Breitinger 2013), bei der einmalig eine Maut bei der Einfahrt in ein definiertes Gebiet bezahlt werden muss. Alternativ kann eine Streckenmaut bzw. fahrleistungsabhängige Maut erhoben werden (Reuther et al. 2017).

Flächenmaut

Hierbei wird die Zahlung eines Betrages fällig, sobald eine Mautstation passiert wird. Diese Stationen können als Knoten oder Kanten (Strecken) im Netz eines Verkehrsmodells angelegt werden. Der Mautbetrag wird als Eigenschaft dieser Elemente hinterlegt.

Ähnlich wie bei der Parkraumbewirtschaftung kann auch hier der Kostensatz in eine Zeitstrafe umgewandelt werden. Dadurch erhöht sich die Reisezeit fiktiv, sobald in das Mautgebiet eingefahren wird. Hier wird diese Zeitstrafe an den Stellen der Berechnung berücksichtigt, an denen die Fahrzeit verwendet wird. Dafür ist bei dieser Maßnahme die Erstellung einer neuen Fahrzeitenmatrix sinnvoll, in der die Zeitstrafe auf die tatsächlichen Fahrzeiten addiert wird. Diese Matrix kann für die Entscheidungsfindung verwendet werden. Außerdem ist sicherzustellen, dass die Zeitstrafen in die Aufwandsberechnung der Routenwahl integriert werden.

Die Maut kann entweder nur in eine Richtung (z.B. Einfahrt in die Mautzone) oder in beide Richtungen anfallen (Ein- und Ausfahrt). Für ersteres ist es bei der Verwendung von Aktivitätenketten von Bedeutung, die für die Wiedereinfahrt in das Mautgebiet anfallenden Gebühren zu antizipieren. Dafür kommt der Ansatz aus Kapitel 3.3.2 zum Tragen. Bei der Erstellung der neuen Fahrzeitmatrix können die Zeitstrafen pro Quelle-Ziel-Beziehung daher symmetrisiert addiert werden. Somit wird die Hälfte des Mautbetrags fiktiv bereits bei der Ausfahrt fällig und kann in die Entscheidung über den ersten Wegeabschnitt einer Kette integriert werden.

Wenn in einem Modell die Kosten einer Fahrt ein Element der Nutzenermittlung sind, kann der Schritt der Umwandlung in Zeiten übersprungen und eine Matrix für die entstehenden Kosten in die Berechnung integriert werden.

Streckenmaut

Bei dieser Maut wird ein Betrag abhängig von der gefahrenen Strecke fällig mit dem Ziel, dadurch die Fahrleistung zu reduzieren und Emissionen aus dem Pkw-Verkehr einzudämmen. Im Modell wird der Betrag für alle betreffenden Strecken berechnet, indem deren Länge mit einem Kostensatz pro Längeneinheit multipliziert wird. Wenn Strecken im Modell nur an deren Anfang bzw. Ende befahren oder verlassen werden können, können mit dieser Art der Implementierung die anfallenden Mautkosten für jede mögliche Route im Modell berechnet werden. Bei der Berechnung wird aufgrund der Kosten die kürzeste Route innerhalb des Mautgebiets gewählt, sofern kein anderes Ziel oder Verkehrsmittel attraktiver ist.

Um diese Form der Mauterhebung in einem zeiten-basierten Verkehrsmodell umsetzen zu können, ist auch hier die Anwendung von Zeitwerten zu empfehlen. Die Integration in die Berechnung erfolgt analog zur Flächenmaut, d.h. es wird eine neue Matrix erstellt, in der die Strafzeiten durch die Maut für alle Quelle-Ziel-Beziehungen auf die tatsächliche Fahrzeit addiert werden. Auch hier müssen die Mautkosten den Widerstand in der Umlegung beeinflussen.

4.6 Taktverdichtung

Für die Modellierung einer Taktverdichtung im ÖV können neue Fahrpläne in einem Verkehrsmodell erarbeitet werden. Dieses Vorgehen benötigt jedoch sorgfältige Planung und ist zeitintensiv. Für eine erste Abschätzung der potenziellen Reaktion kann daher auch eine Variante angewendet werden, bei der die eigentlichen Fahrpläne bestehen bleiben und nur die für die Entscheidung herangezogenen Kenngrößen mit Faktoren angepasst werden. So ist bei einer Taktverdichtung zu erwarten, dass sich die Wartezeit verkürzt. Dafür können die Kenngrößen für die Wartezeit mit einem Faktor < 1 multipliziert werden, um eine entsprechende Reduzierung zu simulieren. In der Wahlentscheidung hat sich die Reisezeit im ÖV dadurch fiktiv verringert, wodurch die Attraktivität dieses Modus ansteigt. Es ist zu beachten, diesen Faktor in alle Berechnungsschritte zu integrieren, in denen diese Kenngröße verwendet wird sowie in die Berechnung übergeordneter Kenngrößen. So ist die Wartezeit ein Bestandteil der Reisezeit, die sich durch eine Verringerung ersterer ebenfalls verkürzt. Für eine detaillierte Untersuchung der Wirkung einer Taktverdichtung ist jedoch die tatsächliche Anpassung der Fahrpläne zu empfehlen.

4.7 Radinfrastruktur

Die Modellierung des Radverkehrs erfolgt bislang häufig nicht auf einem detaillierten Netz für den Radverkehr. Um dennoch den Einfluss von Verbesserungen der Radinfrastruktur auf das Mobilitätsverhalten untersuchen zu können, kann der gewünschte Effekt, z.B. eine Systembeschleunigung, im Modell umgesetzt werden. Dafür kann die Reisegeschwindigkeit im Radverkehr auf die zu erreichende Zielgeschwindigkeit erhöht werden. Das zieht für die Berechnung eine Verringerung der Fahrzeit im Radverkehr nach sich und steigert dadurch die Attraktivität.

5 Modellbasierte Bewertung der Maßnahmen

Der Effekt einer Maßnahme im Verkehrsmodell lässt sich durch den Vergleich mit der unveränderten Basisversion erkennen. Dafür kann zunächst anhand der Kenngrößen des Modells (z.B. Fahrzeiten oder Aufwände) eine erste Kontrolle erfolgen, um zu prüfen, inwieweit das Modell die gewünschte Reaktion gezeigt hat. Die Veränderung der Kenngrößen kann daher auch Hinweise auf mögliche Fehler in der Methodik geben. In Tabelle 3 ist beispielhaft eine Auswertung für zwei Kenngrößen abgebildet.

Tabelle 3: Auszug aus einer Bewertung der Kenngrößen

Aufschlussreich sind die Auswirkungen auf die Stufen der Nachfragemodellierung aus Kapitel 3.1. So kann anhand der Veränderung des Quell- und Zielverkehrs in Teilgebieten des Modells der Effekt auf die Zielwahl abgelesen werden. Anhand des Modal Splits wird ersichtlich, inwieweit eine Maßnahme die Moduswahl beeinflusst hat. Durch die Betrachtung von Umwegen (Verhältnis zwischen tatsächlicher Fahrweite und Luftlinienweite) ist erkennbar, ob die Routenwahl durch eine Maßnahme beeinflusst wurde. Die Veränderung des Umwegfaktors mit entsprechend steigenden Fahrleistungen kann ein Indiz für den Effekt auf die Umweltbelastungen durch den Pkw-Verkehr sein (vgl. Bild 5).

Bild 5: Vergleich der Umwegfaktoren im Untersuchungsgebiet

Eine weitere Möglichkeit der Auswertung bietet die GEH-Statistik. Der GEH-Wert wird i.d.R. angewendet, um ein Modell hinsichtlich der Streckenbelastung zu kalibrieren. Mit dem Ansatz von Friedrich & Ritz (2014) kann er jedoch auch verwendet werden, um die Veränderungen in der Verkehrsbelastung aufgrund einer Maßnahme zu quantifizieren und die Gesamtwirkung einer Maßnahme auf die Strecken in einem Gebiet zu bewerten.

Für die Zusammenfassung der Auswirkungen bietet es sich an, die Auswertungskriterien in einem Steckbrief (vgl. Bild 6 auf der folgenden Seite) zusammenzufassen. Dieser sollte vor allem die Kenngrößen und Eigenschaften umfassen, die die Verhaltensänderung implizieren. So lässt sich anhand des Modal Splits und der Fahrleistung im Vergleich mit dem Basismodell einfach eine erste Einschätzung der Maßnahme treffen. Weiterhin bietet ein Differenznetz mit den Unterschieden in den Verkehrsmengen der einzelnen Strecken die Möglichkeit, die räumliche Wirkung einer Maßnahme zu erkennen und Gebiete mit neuer Belastung oder Entlastung zu identifizieren.

Bild 6: Beispielhafter Steckbrief eines Streckenmaut-Szenarios

Die abschließende Bewertung hinsichtlich der Zielerreichung einer Maßnahme im Modell kann beispielsweise nach dem Schema in Bild 7 erfolgen. Dabei muss zunächst erörtert werden, inwieweit Modellergebnisse die Erfüllung verkehrsplanerischer Zielstellungen implizieren können. So kann die Reduzierung von Schadstoffemissionen zum Beispiel anhand der Veränderung der Pkw-Fahrleistung bewertet werden. Die Auswirkung einer Maßnahme auf die Modellergebnisse kann schließlich für einen ersten Vergleich hinsichtlich der Zielerfüllung genutzt werden.

Bild 7: Bewertung der Zielerfüllung

6 Fazit

Ein makroskopisches Verkehrsmodell eignet sich dazu, Veränderungen an einem Verkehrsnetz zu untersuchen. Auch extremere Maßnahmen können mit solch einem Modell abgebildet werden. Die Auswirkungen auf das Mobilitätsverhalten lassen sich anhand von Kenngrößen, Modal Split oder der Veränderung der Fahrleistung ablesen, auch wenn die Ergebnisse immer kritisch hinterfragt werden müssen.

Allerdings können nicht alle Effekte von einem klassischen Verkehrsmodell wie dem in dieser Arbeit verwendeten abgebildet werden. Dazu zählen vorrangig Auswirkungen auf die Strukturdaten, also Eigenschaften wie Pkw-Besitz und Veränderungen der Stadtstruktur. Veränderungen an diesen Daten hätten zur Folge, dass die Plausibilität der Ergebnisse nicht mehr gegeben ist. Daher muss abgewogen werden, welche Maßnahmen sich sinnvoll in einem Modell untersuchen lassen.

Um auch Folgen und Effekte auf die Strukturdaten mit einem Modell abschätzen zu können, kann das klassische 4-Stufen-Modell für die Nachfragemodellierung erweitert werden. Mithilfe eines Pkw-Wahlmodells ist beispielsweise die Untersuchung des Einflusses einer Maßnahme auf den Pkw-Besitz möglich.

Ein Verkehrsmodell stellt ein vereinfachtes Abbild der Realität dar, jedoch nicht die exakten realen Verhältnisse. Die Ergebnisse der Modellierung sollten daher als Trends und Tendenzen interpretiert werden, die die Potenziale verkehrsplanerischer Maßnahmen aufzeigen.

7 Literatur

[1] Axhausen, K., Ehreke, I., Glemser, A., Hess, S., Jödden, C., Nagel, K., Sauer, A., Weis, C. (2015): Ermittlung von Bewertungsansätzen für Reisezeiten und Zuverlässigkeit auf der Basis eines Modells für modale Verlagerungen im nicht-gewerblichen Personenverkehr für die Bundesverkehrswegeplanung – Online in Internet: https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/VerkehrUndMobilitaet/BVWP/bvwp-2015-zeitkosten-pv.pdf?__blob=publicationFile (Stand 18.03.19)

[2] Breitinger, M. (2013): Citymaut – „Die Deutschen gehen die Sache falsch an“ – Online in In-ternet: https://www.zeit.de/auto/2013-03/citymaut-stockholm-2#citymaut-stockholm-2-tab (Stand 18.03.19)

[3] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) (2019): Mobilität in Deutsch-land - Kurzreport - Verkehrsaufkommen - Struktur - Trends – Online in Internet: http://www.mobilitaet-in-deutschland.de/pdf/infas_Mobilitaet_in_Deutschland_2017_Kurzreport_DS.pdf (Stand: 02.03.19)

[4] Friedrich, M., Ritz, C. (2014): Was bringt wie viel? Alte und neue Verkehrs- und Mobilitätskonzepte für Städte, FGSV, Heureka ’14.

[5] Holz-Rau, C., Schreiner, J. (2017): Raum und Verkehr - Welche Interventionen können zur Reduzierung klimawirksamer Verkehrsemissionen beitragen?, FGSV, HEUREKA '17.

[6] Holz-Rau, C., Schreiner, J., Sicks, K. (2014): Travel distances in daily travel and long-distance travel: What role is played by urban form? in Environment and Planning A 46, 2, 488-507.

[7] Kolarova, V., Steck, F., Bahamonde-Birke, F. (2019): Assessing the effect of autonomous driving on value of travel time savings: A comparison between current and future preferences in Transportation Research Part A 129 (2019), 155-169.

[8] PTV AG (Hrsg.) (2018): PTV Visum 17 – Handbuch, PTV Group, Karlsruhe.

[9] Reuther, O., Müller, M., Schwarze, B., Spiekermann, K., Wegener, M., Huber, F., Brosch, K. (2017): Verkehr verlagern! Szenarioanalysen zu Modal Shift Potenzialen im Personenverkehr im Ruhrgebiet 2050, FGSV, HEUREKA '17.

[10] Schlaich, J. (2012): Verkehrsmodellierung für die Stadt Regensburg – Modellhandbuch und Schlussbericht, PTV AG, Karlsruhe (unveröffentlicht).

[11] Schlaich, J., Koesling, S. (2014): Staugefahr in der City, der gemeinderat, issue 12, pp. 68-69, pro Verlag und Service GmbH & Co. KG, Schwäbisch Hall, Germany.

[12] Stadt Regensburg (Hrsg.) (2017): Strategiekonzept Parken in der Innenstadt – Online in Internet: https://www.regensburg.de/fm/121/parkraumkonzept-strategiekonzept-parken-in-der-innenstadt.pdf (Stand 18.03.19)

[13] Thomsen, N. (2019): Bewertung von Maßnahmen zur radikalen Reduktion des Pkw-Verkehrs in Städten, Masterarbeit an der Beuth Hochschule.

[14] Thibaut, M. (2012): Londons City-Maut – Gut für die Stadtkasse, schlecht für die Umwelt – Online in Internet: https://www.handelsblatt.com/politik/international/londons-city-maut-london-das-groesste-city-maut-gebiet-der-welt/7215550-2.html?ticket=ST-2847813-v5b7pGJz9wpqu4OBDIT6-ap5 (Stand 18.03.19)

[15] Umweltbundesamt (Hrsg.) (2018a): Emissionen des Verkehrs – Online in Internet: https://www.umweltbundesamt.de/daten/verkehr/emissionen-des-verkehrs#textpart-1 (Stand 30.12.18).

[16] Umweltbundesamt (Hrsg.) (2018b): Motorisierter Personenverkehrsaufwand nach Verkehrs-trägern – Online in Internet: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/384/bilder/dateien/4_abb_motor-personenverkehrsaufwand-nach-vt_2018-05-14.pdf (Stand: 22.03.19).