FGSV-Nr. FGSV 001/20
Ort Berlin
Datum 13.10.2004
Titel Rechtliche Rahmenbedingungen der Nachhaltigkeit im Verkehr
Autoren Prof. Dr. jur. Michael Ronellenfitsch
Kategorien Kongress
Einleitung

Die Forderung nach einer „nachhaltigen“ Verkehrspolitik wird üblicherweise mir einer umweltverträglichen Verkehrspolitik assoziiert. Rechtliche Rahmenbedingungen laufen dann auf Verkehrsbeschränkungen hinaus: Beschränkung des Individualverkehrs, modal split, Maßnahmen im Interesse des Klimaschutzes und der Ressourcenschonung, Lärm-, Abgas-, und Erschütterungsschutzmaßnahmen und dergleichen. Solche Beschränkungen erfahren durch das Prinzip der Nachhaltigkeit eine zusätzliche Legitimation, indem zukünftige Generationen in die Betrachtung einbezogen werden. Der Umweltschutz ist aber nur einer unter vielen Belangen, zumal die Umwelt nicht vor, sondern für den Menschen zu schützen ist. Die Befriedigung der Verkehrsbedürfnisse der gegenwärtigen und künftiger Generationen ist ein zumindest gleichgewichtiger Belang von verfassungsrechtlicher Relevanz. Dies erfordert eine Verkehrspolitik, die ebenso nachhaltig den Mobilitätsbedürfnissen der Industriegesellschaften in einem zusammenwachsenden Europa gerecht wird. Die künftigen Generationen sind in gleicher Weise auf eine nachhaltig leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur angewiesen wie auf eine intakte Umwelt. Bei der im Rahmen Planung von Verkehrsprojekten durchzuführenden Abwägung folgt aus dem generellen Nachhaltigkeitsprinzip kein Vorrang von Umweltschutzbelangen. Dem verkehrlichen Nachhaltigkeitsprinzip widersprechende „suboptimale“ Lösungen sind nur in Ausnahmefällen akzeptabel.

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1 Ausgangslage

1.1       Methodische Vorbemerkung

Das Thema „Rechtliche Rahmenbedingungen der Nachhaltigkeit im Verkehr“ hat eine völlig unterschiedliche Stoßrichtung, je nachdem, wo man eine Betonungspause einlegt. Es kann um „rechtliche Rahmenbedingungen der Nachhaltigkeit .... im Verkehr gehen“ oder um „rechtliche Rahmenbedingungen der.... Nachhaltigkeit im Verkehr. Im ersten Fall stellt die Nachhaltigkeit eine externe Rahmenbedingung des Verkehrs dar. Im zweiten Fall ist zu prüfen, welche externen Rahmenbedingungen für einen nachhaltigen Verkehr bestehen. Vermutlich wurde das Thema eher im ersten Sinn konzipiert, so dass zu klären ist, wie sich der (ökologische) Nachhaltigkeitsgedanke auf den Verkehr auswirkt. Daher ist wohl nicht von Nachhaltigkeit „des“ Verkehrs, sondern „im Verkehr“ die Rede. Andererseits kann bei der Formulierung des Themas auch an die zweite Fragestellung gedacht worden sein: Welche Rahmenbedingungen bestehen für eine Verkehrspolitik, die nachhaltig den Verkehrsbelangen Rechnung trägt? Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Wenngleich die erste Sichtweise nicht ignoriert werden kann, ist es dringend geboten, die zweite Sichtweise in den Vordergrund zu rücken.

1.2       Die Argumentation mit der Nachhaltigkeit

1.2.1 Nachhaltigkeit als Alltagsfloskel

Diejenigen, die eine „nachhaltige“ Verkehrspolitik fordern, assoziieren darunter zumeist eine zukunftsgerichtete visionäre umweltverträgliche Verkehrspolitik mit der bezweckt wird, bestehende Verkehrsbedürfnisse zu gestalten und zu kanalisieren1). Gedacht ist etwa an eine Beschränkung des Individualverkehrs, an einen erzwungenen modal split, an Verkehrsbeschränkungsmaßnahmen im Interesse des Klimaschutzes und der Ressourcenschonung sowie des Lärm-, Abgas-, und Erschütterungsschutz der Verkehrsbetroffenen. Das alles sind berechtigte Anliegen, die bei jedem Verkehrsprojekt ohnehin zu berücksichtigen sind. Die Anliegen sollen allerdings durch das Attribut der Nachhaltigkeit besonders veredelt werden. So führt jeder Umweltschützer, der etwas auf sich hält, das Wort „Nachhaltigkeit“ im Munde, wenn er nicht gar von „sustainible development“ spricht. „Nachhaltigkeit“ ist somit ein positiv besetzter Begriff, der einem politisch korrekten Gutmenschen leicht von der Zunge geht. Das haben freilich auch andere erkannt. Mit der Nachhaltigkeit kann man in allen passenden und unpassenden Sachzusammenhängen nachhaltigen Eindruck schinden von der Verwaltungsreform bis hin zum Sport. Dadurch wird die „Nachhaltigkeit“ zu einer Allzweck-Floskel.

1.2.2 Nachhaltigkeit als Rechtsbegriff

Diesem Sprachgebrauch konnte sich der Gesetzgeber nicht entziehen. Dadurch wurde aus einem Allerweltsbegriff ein Rechtsbegriff. Ob das neudeutsch „Sinn macht“ spielt keine Rolle. Jedenfalls muss die Nachhaltigkeit als Rechtsbegriff einen eindeutigen Sinn haben. Denn die Vermutung spricht dafür, dass der Gesetzgeber einem von ihm gebrauchten Begriff rechtliche Relevanz beimessen will und nicht nur im Sinne schlichter Gesetzgebungsprosa eine politische Leerformel eingeführt hat. Zur Ermittlung der rechtlichen Relevanz von Rechtsbegriffen, muss deren Bedeutung geklärt werden. Die Bedeutung von Rechtsbegriffen erschließt sich aus dem jeweiligen Regelungszusammenhang. Erforderlich ist hier eine Sinnerschließung anhand der anerkannten juristischen Auslegungsmethoden. Mit der Erschließung des Rechtsgehalts eines Begriffs und der Anwendung des Begriffs im Einzelfall ist es oft nicht getan. Tauchen (vermeintlich) neue Begriffe in Gesetzen auf, entsteht namentlich für deutsche Juristen unweigerlich der Drang, die Begriffe zu Systemen zu verknüpfen und daraus Rechtsprinzipien zu entwickeln. Auch die Nachhaltigkeit wurde bereits zu einem Prinzip des Umweltrechts aufgerüstet2).

2 Der Nachhaltigkeitsgedanke im Recht

2.1        Entstehung des Nachhaltigkeitsgedankens

2.1.1 Ursprung

Der Begriff der Nachhaltigkeit entstand im Forstrecht der Waldgenossenschaften4) und wird dem Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz zugeschrieben, der um 1700 im sächsischen Freiberg tätig war5). Dieser Kontext geriet in Vergessenheit.

2.1.2 Umweltkonferenzen

Zu einer Renaissance des Nachhaltigkeitsgedankens kam es, als sich die internationale Friedens- und Umweltbewegungen verbündeten. Ausgang der durch die Stockholmer „Umweltschutzkonferenz“ der UN von 1972 angebahnten Entwicklung war der von der „Unabhängigen Kommission für Internationale Entwicklungsfragen“6) im Jahr 1980 vorgelegte „Nord-Süd-Bericht“ (Brandt-Report)7), Die Botschaft dieses Berichts traf zusammen“ mit den Kassandra-Rufen „Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome und mündete in den 1987 veröffentlichten Bericht „Unsere gemeinsame Zukunft“ der UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung8) (Brundtland-Report) ein, in dem unter „nachhaltiger Entwicklung (sustainable development) eine Entwicklung verstanden wurde, “die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen.“ Vor allem auf der Grundlage des Brundtland-Reports begannen die UN 1989 mit den Vorbereitungen zu einer weiteren Umweltkonferenz, die 1992 in Rio de Janeiro stattfand. Auf dieser Mammut-Konferenz mit 10.000 Delegierten wurden zwei internationale Abkommen, zwei Grundsatzerklärungen und ein Aktionsprogramm für eine weltweite nachhaltige Entwicklung beschlossen. Hatte bereits der Brundtland-Report erkannt, dass die Fixierung des Nachhaltigkeitsgedankens auf den Umweltschutz den Bedürfnissen der Entwicklungsländern nicht gerecht wird, setzte sich beim Erdgipfel in Rio die Einsicht durch, dass ein ökologisches Gleichgewicht nur erreicht werden kann, wenn ökonomische Sicherheit und soziale Gerechtigkeit gleichrangig angestrebt werden (Magisches Dreieck der Nachhaltigkeit). Auf internationaler Ebene war das Drei-Säulen-Konzept der Nachhaltigkeit ideologisch besetzt, d.h. es sollte einerseits weltweit die Befriedigung der Grundbedürfnisse der Armen notfalls unter Hintanstellung ökologischer Belange in den Entwicklungsländern ermöglichen, andererseits eine Beschränkung des Raubbaus an den natürlichen Ressourcen durch die reichen Industriestaaten unter Beschränkung ihrer wirtschaftlichen Belange erzwingen. Dass die drei Säulen überall Elemente des Nachhaltigkeitsprinzips darstellen, wollte und will man in Kreisen der Umweltschützer nicht wahrhaben. Unter diesen Umständen wurden die Ergebnisse des Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung vom 26. 8. 2002 bis 4. 9. 2002 in Johannesburg von den Nichtregierungsorganisationen als desillusionierend empfunden9), obwohl dort lediglich wieder die wirtschaftlichen Realitäten erkennbar wurden.

2.1.3 Nationale Nachhaltigkeitspolitik

Als deutscher Beitrag zum Weltgipfel in Johannesburg wurde im Jahr 2001 von der Bundesregierung der aus 18 Mitgliedern bestehende „Rat für Nachhaltige Entwicklung“ einberufen, der ähnlich wie die in der 13. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags eingerichtete Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt – Ziele der Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung“, zu einseitig die ökologische, neben der sozialen Dimension in den Vordergrund rückte und dadurch nicht das politische Gewicht erlangte, das sich die Protagonisten des (ökologischen) Nachhaltigkeitsgedankens erhofften. Obendrein hatten sich bereits die Akzente verlagert. Im November 2002 begann die von der Bundesministerin für Gesundheit und Soziales eingesetzte „Kommission für die Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherheitssysteme“ („Rürup-Kommission“) ihre Arbeiten10), bei denen ökologische Belange nur marginales Gewicht erlangten.

2.1.4 Aktueller Stand

Seit sich der Gedanke der Nachhaltigkeit zu einer komplexen Herausforderung entwickelt hat, ist Ernüchterung eingetreten. Nachhaltigkeit ist kein automatisch positiv besetzter Begriff mehr. „Sustainable“ heißt jetzt schlicht „fortdauernd“ oder „anhaltend bleibend“. In diesem Sinn ist „anhaltend“ nicht zwingend erwünscht. Eine anhaltende Arbeitslosigkeit ist im Gegenteil geradezu eine Schreckensvorstellung. Wenn der Bundespräsident auf die bleibenden ungleichen Lebensverhältnisse in den verschiedenen Regionen der Bundesrepublik hinweist, löst das Empörung aus11). Es kommt also nicht darauf an, dass etwas nachhaltig bleibt, sondern, was nachhaltig bleibt.

2.2   Entwicklung eines Rechtsprinzips

2.2.1 Vom „Gedanken“ zum Rechtsprinzip

Der Nachhaltigkeitsgedanke floss in die Rechtssprache ein. Er ist nicht auf den Umweltbereich beschränkt. Vielmehr wurde in den unterschiedlichsten Regelungszusammenhängen auf die Nachhaltigkeit verwiesen. Zu erwähnen aus jüngerer Zeit ist etwa das Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) vom 21. Juli 200412). Hier weckt die Nachhaltigkeit noch positive Assoziationen. Im Wirtschaftsverwaltungsrecht dient die Nachhaltigkeit wertneutral als Kriterium der Gewerbsmäßigkeit13); auch im Prozessrecht ist die „nachhaltige Betroffenheit“ durch ein Verkehrszeichen, die für die Klagebefugnis nicht erforderlich sein soll14), nur ein Synonym für „fortdauernd“. Auf derartig heterogene Regelungen lässt sich kein Rechtsprinzip stützen. Selbst im Umweltbereich ist keineswegs die Verrechtlichung eines vorgegebenen ökologischen Nachhaltigkeitsprinzips erfolgt, das per se Umweltbelangen den Vorrang einräumt. Der Nachhaltigkeitsgedanke kann auch für andere Nutzungsansprüche an die Umwelt in die Waagschale geworfen werden. Wie sich der Nachhaltigkeitsgedanke auf die jeweiligen Nutzungsansprüche an die Umwelt auswirkt, bedarf noch der Klärung. Die Entwicklung eines Rechtsprinzips der Nachhaltigkeit kann somit nur im Wege der Annäherung erfolgen15), bei der die getroffenen Einzelregelungen, daraufhin analysiert werden, ob ihnen ein gemeinsames Prinzip zu Grunde liegt.

2.2.2 Umweltrecht

Gleichwohl erfuhr der Nachhaltigkeitsgedanke die höheren Weihen eines Rechtsprinzip bislang nur im Umweltrecht, genauer im Recht des Umweltschutzes. Dort geht es vor allem um die Schonung von Ressourcen16). In diesem Sinn hat der Nachhaltigkeitsgedanke seinen Niederschlag gefunden etwa in § 1 Abs. 1 Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG) vom 25. März 200217). Auf ähnliche Weise spielt der Nachhaltigkeitsgedanke eine Rolle etwa im Wald- und Forstrecht, Bodenschutzrecht, Wasserrecht, Denkmalschutzrecht, Immissionsschutzrecht oder im Energierecht. Aber auch hier ist der Nachhaltigkeitsgedanke ambivalent. Ein Beispiel sind die erneuerbaren Energien, die aus umweltpolitischen Gründen in die Netze für die allgemeine Stromversorgung von den Netzbetreibern eingespeist werden müssen18). Erneuerbare Energien wie Wind, Biomasse, Erdwärme, Solarwärme, Fotovoltaik und zusätzliche Wasserkraft können zwar nachhaltig genutzt werden, da sie aber nicht immer verfügbar und teuer sind, benötigen sie auf absehbare Zeit Dauersubventionen19). Die Nachhaltigkeit kehrt sich hier ins Negative um. Umgekehrt zwingt das Nachhaltigkeitsprinzip dazu, die CO2-freie Energieversorgung der quasiheimischen Kernenergie weiter zu nutzen oder die Entscheidung über die Weiternutzung künftigen Parlamenten und Generationen zu überlassen20). Als Rechtsprinzip ist demzufolge die Nachhaltigkeit allenfalls ein Abwägungsbelag, der zu anderen öffentlichen oder privaten Belangen hinzutritt oder diese verstärkt. Dabei handelt es sich um ein materielles Prinzip, welches das Abwägungsergebnis unmittelbar betrifft. Anders als die Umweltverträglichkeitsprüfung wurde die Prüfung der Nachhaltigkeit bislang nicht als Verfahren zur integrativen Sonderprüfung der Umweltbelange auf Zulassungs- und Planungsverfahren aufgepfropft. (Huckepack-Konzept). Ist das Prinzip der Nachhaltigkeit ein Abwägungsbelag im Rahmen der Gewichtung von Umweltbelangen, dann liegt es nahe, dieses Prinzip auf alle Rechtsbereiche zu übertragen, die von Hause aus durch Abwägungen geprägt sind, d. h. namentlich auf das Planungsrecht.

2.2.3 Planungsrecht

Das Planungsrecht, gebildet durch die Summe der Rechtsnormen, die die raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen des Staates und sonstiger Planungsträger zum Gegenstand haben, umfasst die Gestaltung aller struktureller Verhältnisse in einem bestimmten Raum (Gesamtplanungsrecht) die Zulassung einzelner raumbeanspruchender Vorhaben (Fachplanungsrecht) und sowie deren Verknüpfung. Im Gesamtplanungsrecht, d. h. im Recht der Raumordnung, Landes- und Regionalplanung sowie der Bauleitplanung, wird das Nachhaltigkeitsprinzip schon lange diskutiert21). Durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau (EAG Bau)22) hielt es expressis verbis Einzug in das Gesamtplanungsrecht. Danach sollen die Bauleitpläne eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, welche die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern und die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln, sowie den Orts- und Landschaftsraum auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen baukulturell zu gestalten23). Daraus folgt, dass auch hier der Bezug der Nachhaltigkeit auf den Umweltschutz die Sicht der Dinge verkürzt. Die Umweltbelange sind Belange unter anderen, die nicht im Verhältnis zu den sozialen und wirtschaftlichen Belangen zu optimieren sind. Man mag dem Nachhaltigkeitsprinzip eine „Komfortabwägung“ zubilligen24), bei dem ein gehöriges Maß an Trauerarbeit über die Zurückstellung von Umweltbelangen zu leisten ist. Aber Umweltschützer lassen sich nicht mit Krokodilstränen abspeisen. Viel wichtiger ist es, das Nachhaltigkeitsprinzip von seiner einseitigen Fixierung auf den Umweltschutz zu lösen. Im Fachplanungsrecht ist der Nachhaltigkeitsgedanke ebenfalls auch auf den Fortbestand der Fachplanungskonzeption gerichtet und nicht auf deren ökologische Beschränkung. So hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Leitsatz zum Urteil vom18. November 200225) formuliert: „§ 58 Abs.4 FlurbG trägt dem Gedanken der Nachhaltigkeit der Flurbereinigung Rechnung, der auch für das Wegenetz gilt, das im Zuge der Flurbereinigung als ‚Gerippe’ für die darauf bezogene Bodenneuordnung geschaffen ist.“

In den Entscheidungsgründen wird daraus der Schluss gezogen, dass der „Gedanke“ der Nachhaltigkeit vor allem in der nach Abschluss der Flurbereinigung fortdauernden Unterhaltungspflicht Ausdruck findet26).

3 Nachhaltigkeit der Verkehrspolitik

3.1   Befund

Wer den Einfluss des Nachhaltigkeitsprinzips auf die Verkehrspolitik würdigen will, muss sich zunächst einmal die Fakten vor Augen halten: Nach statistischen Berechnungen steht jeder Deutsche 70 Stunden im Jahr im Stau27). Der Volkswirtschaft gehen nach Schätzungen des BMBF jährlich 97 Milliarden Euro durch Staus verloren, der Mehrverbrauch an Treibstoff wird auf täglich 30 Millionen Liter geschätzt. Dem kann nur durch eine nachhaltige Verkehrspolitik gegengesteuert werden, die ebenso wie der Umweltschutz rechtlich geboten ist. In diesem Zusammenhang lässt sich nicht wegdiskutieren, dass der Straßenverkehr in der Bundesrepublik auf absehbare Zeit weiter zunehmen und seine dominierende Rolle als wichtigster Fernverkehrsektor ausbauen wird28). Eine qualifizierte Erhaltung und Weiterentwicklung des Fernstraßennetzes ist daher unvermeidbar.

3.2  Rechtliche Vorgaben

3.2.1 Staatsaufgabe

Das Grundgesetz hat sich für den Staat als Organisationsform des sozialen Zusammenlebens entschieden. Der Staat definiert sich durch Zwecke und Aufgaben. Zweck des heutigen Verfassungsstaats ist in erster Linie die Garantie der individuellen Freiheit. Individuelle Freiheit erwächst nicht nur aus der Abwehr von staatlichen Eingriffen, sondern in gleicher Weise aus der Teilhabe am Gemeinschaftsleben. Garant der Freiheit kann der Staat nur sein, wenn er eine adäquate Infrastruktur für die Freiheitsausübung gewährleistet. Dem modernen Staat obliegen damit Leistungsaufgaben, die er nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen darf. So ist es eine originäre staatliche Aufgabe, die Verkehrsmobilität der Bevölkerung sicherzustellen und hierfür die für das Funktionieren der Industriegesellschaft unentbehrliche Verkehrsinfrastruktur zu gewährleisten29). Diese Aufgabenstellung besteht auch für die EU. Europa verdankt seine Identität vorrangig dem Verkehrswesen30). Nur auf der Grundlage einer entsprechenden Verkehrsinfrastruktur wuchs Europa so zusammen, dass es spezifische Gemeinsamkeiten aufweist31). Solche Gemeinsamkeiten sind unentbehrlich für die Fortentwicklung der EU von einer reinen Wirtschaftsgemeinschaft zu einem homogenen und dauerhaften europäischen Staatenverbund32).

3.2.2 Grundrecht auf Mobilität

Mobilität, räumliche Beweglichkeit, ist Grundbedingung menschlicher Existenz. Zur räumlichen Mobilität zählt die Möglichkeit, sich fortzubewegen, Entfernungen zurückzulegen sowie Personen und Güter zu transportieren (Verkehrsmobilität). Die rechtliche Relevanz der Verkehrsmobilität zeigt sich, wenn man die Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten auf den Mobilitätsgehalt ihrer Grundrechte abfragt. In allen Verfassungsordnungen der EU-Staaten ist es Hauptzweck der Grundrechte, ein Gegengewicht gegen die Staatsmacht und damit einen Freiraum der Gewaltunterworfenen zu schaffen. Auch wenn die Mobilität im Grundgesetz nicht ausdrücklich genannt wird, ist sie dennoch grundrechtlich verbürgt33). Primär erwachsen aus den Grundrechten Abwehrrechte gegen den Staat. Bei zahlreichen Grundrechten ist der Abwehrgehalt aber nur nachrangig. Sie sind obsolet, wenn der Staat nicht die Voraussetzungen für ihren Gebrauch garantiert. Hier gilt es, die Grundrechte als Leistungsrechte oder zumindest Teilhaberechte34) umzudeuten. Teilhaberechte besagen zunächst, dass der Staat, wenn er überhaupt Leistungen erbringt, niemanden willkürlich von den Leistungen ausschließen darf35). Unterhält der Staat eine Verkehrsinfrastruktur, kann er bestimmte Personenkreise nicht ohne Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz willkürlich fernhalten. In erster Linie dienen Teilhaberechte der Abwehr einer Ungleichbehandlung. Bei manchen Teilhaberechten geht es dagegen nicht um die Verteilung des Vorhandenen, sondern um Ansprüche auf neue staatliche Leistungen. Solche Leistungsgrundrechte orientieren sich an der Konzeption der „realen Freiheit“ und sind Ausprägung eines sozialstaatlichen Grundrechtsverständnisses36). Unabhängig davon, ob man solche Ansprüche bejaht, sind alle Grundrechte in unterschiedlicher Intensität einschränkbar. Die Schrankenziehung ist eine Aufgabe des Gesetzgebers, der seinerseits Schranken zu beachten und insbesondere kollidierende Grundrechte und sonstige Rechtsgüter abzuwägen hat. Bei der Abwägung ist es von ausschlaggebender Bedeutung, welches Gewicht dem einzuschränkenden Grundrecht im Rahmen der gesamten Verfassungsordnung zukommt.

3.2.3 Daseinsvorsorge

Das Gewicht der staatlichen Gewährleistung für die Verkehrsinfrastruktur und der individuellen Mobilität findet seine Ausprägung in dem ebenfalls von Ernst Forsthoff geprägten Rechtsbegriff der „Daseinsvorsorge“37). Beim Straßenwesen wird der Daseinsvorsorge mit traditionellen verwaltungsrechtlichen Kategorien Rechnung getragen; denn niemand bestreitet ernsthaft, dass Bau und Erhalt der Infrastruktur eine staatliche Aufgabe sind. Im Interesse des Straßenbaus kann im weiten Umfang enteignet werden. Das verdeutlicht, dass Straßenprojekte dem Gemeinwohl dienen. Zwar muss die Planfeststellung oder Genehmigung dem Prüfungskriterium der „Erforderlichkeit“ entsprechen. Dieses ist aber bereits erfüllt, wenn das Vorhaben „vernünftigerweise geboten ist“ oder wenn das Vorhaben in die nur verfassungsgerichtlich überprüfbare Bedarfsplanung aufgenommen wurde. Erosionserscheinungen dieses Verständnisses zeigten sich bei den Diskussionen um die Privatfinanzierung von Straßenprojekten. Hier ging es aber nur um formelle Privatisierungen, die letztlich dem Daseinsvorsorgeauftrag gerade erst entsprechen. Die Privatfinanzierung ist nämlich für besonders kostspielige Straßenteilstücke vorgesehen, die ohne diese Finanzierungsform nicht realisiert werden könnten. Subjektivrechtlich ist der Daseinvorsorgegedanke im Straßenwesen nur schwach ausgeprägt. Straßen sind nur öffentliche Sachen im Gemeingebrauch. Der Gemeingebrauch vermittelt nach h. L. nur Teilhaberechte. Ein Recht auf Erhalt oder gar Ausbau der Verkehrsinfrastruktur wird nur für die Anlieger anerkannt, die schließlich die gesicherte Erschließung ihrer baulichen Vorhaben dartun mussten und nunmehr Bestandsschutz genießen. Zur Wahrung der staatlichen Daseinsvorsorgeleistung ist hier dringend die Einführung einer Verbandsklage der Infrastrukturnutzer geboten, um Waffengleichheit zu den Naturschutzvereinen herzustellen.

4 Das Nachhaltigkeitsprinzip im Abwägungsprozess

4.1 Abwägungsgebot

Das Abwägungsgebot gilt auch ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung als konstitutives Merkmal für alle Planungen38). Im Baugesetzbuch hat es seine ausführlichste Ausgestaltung erfahren, die für andere Planungen und Abwägungsentscheidungen sinngemäß herangezogen werden kann39). Nach § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

§ 1 Abs. 5 BauGB zeigt auf, wie die Abwägung zu erfolgen hat. Wie bereits erwähnt, sollen die Bauleitpläne eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung gewährleisten. Dabei sind nach § 1 Abs. 6 u.a. insbesondere zu berücksichtigen, die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung (Nr. 3), die Belange des Umweltschutzes (Nr. 7) und die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung (Nr. 9). Das gilt nicht nur für die Bauleitplanung Die Abwägungsgrundsätze finden immer Anwendung, wenn es gilt, mehrpolige Interessenkonflikte zu gestalten. Die jeweils zutreffende Entscheidung ist dann das Ergebnis eines Abwägungsprozesses, bei dem alle Abwägungsbelange erschöpfend zu ermitteln, zu gewichten und letztlich abzuwägen sind40). Folglich kommt es im Einzelfall darauf an, alle für die Entscheidung relevanten Abwägungsbelange zusammenzutragen und zu bewerten. Eine Verabsolutierung einzelner Belange stellt keine Abwägung dar. Das gilt auch für die Umweltbelange, mögen sie nun durch das Nachhaltigkeitsprinzip bestärkt werden oder nicht.

4.2 Umweltschutz

Dass das Nachhaltigkeitsprinzip einen ökologischen Schwerpunkt hat, lässt sich angesichts seiner historischen Entwicklung nicht leugnen. Sowohl auf europäischer wie auch auf nationaler Verfassungsebene ist jedoch eine Vorzugsbehandlung des Umweltschutzes unter Berufung auf das Nachhaltigkeitsprinzip ausgeschlossen. Nach Art. 2 EG ist es Aufgabe der Gemeinschaft, durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und einer Wirtschafts- und Währungsunion sowie durch die Durchführung gemeinsamer Politiken oder Maßnahmen in der ganzen Gemeinschaft eine harmonische, ausgewogene und nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftslebens, ein hohes Beschäftigungsniveau und ein hohes Maß an sozialem Schutz, die Gleichstellung von Männern und Frauen, ein beständiges, nichtinflationäres Wachstum, einen hohen Grad von Wettbewerbsfähigkeit und Konvergenz der Wirtschaftsordnungen, ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität, die Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhang und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern. Die nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftslebens kann nicht eine ökologisch begrenzte Entwicklung des Wirtschaftslebens meinen, da sonst die zusätzliche Erwähnung des Umweltschutzes sinnlos wäre. Art. 2 EG verweis zudem auf die Politiken in Art. 3 EG, zu denen neben anderen zwar die Umweltpolitik (l), aber ebenso die Verkehrspolitik (f) und die Förderung des Auf- und Ausbaus transeuropäischer Netze zählen. Die Umweltpolitik der Gemeinschaft wird konkretisiert durch ein spezielles Umweltkapitel in den Art. 174 bis 176 EG. Aus der Formulierung: „die Umweltpolitik trägt bei“ in Art. 174 Abs. 1 EG folgt, dass der Umweltschutz auch bei anderen Politiken zu berücksichtigen ist. Ähnlich wie nach Art. 130r Abs. 2 Satz 3 EGV a. F. müssen die Erfordernisse des Umweltschutzes bei der Festlegung und Durchführung anderer Gemeinschaftspolitiken aber lediglich einbezogen, d.h. mit abgewogen werden. Auch auf der Ebene des Grundgesetzes lässt sich ein Vorrangverhältnis zwischen Umweltschutz und anderen Staatszielbestimmungen nicht begründen. Soweit Umweltschutz- und Verkehrsbelange in Konflikt geraten, ist die Konfliktlage nicht von vornherein durch die Verfassung gelöst. Vielmehr besteht die Notwendigkeit einer Abwägung aller Belange im Einzelfall mit dem Ziel, praktische Konkordanz41) herzustellen.

4.3 Verkehr

Nachhaltige Verkehrspolitik bedeutet nicht ökologisch umhegte Verkehrspolitik, sondern nachhaltige Lösung der Verkehrsprobleme. Das schließt den schonenden Umgang mit begrenzten Ressourcen nicht aus. Aber die Verwendung von Biokraftstoffen hat nicht den Ausschließlichkeitsanspruch auf das Etikett „nachhaltig mobil“42). Im Vordergrund der nachhaltigen Verkehrspolitik stehen die Anforderungen an das wachsende Verkehrsaufkommen im erweiterten europäischen Binnenmarkt. Vor allem muss eine nachhaltige Verkehrspolitik Anti-Stau-Politik sein. Ein generelles Tempolimit leistet nach allen Erfahrungen keinen Beitrag zur Stauverringerung und führt nur, weil es als Schikane empfunden wird, zur Akzeptanzverweigerung. Auch mit drakonischen Strafen lässt sich selbst in Deutschland die Akzeptanz von Vorschriften, die als unsinnig empfunden werden, nicht erzwingen. Folglich manifestiert sich eine nachhaltige Verkehrspolitik in Ausbau und Erhaltung der Verkehrsinfrastruktur43). Dass Verkehrsprojekte mit Belangen des Umweltschutzes kollidieren, liegt auf der Hand. Erforderlich wird dann ein Ausgleich im Wege der Abwägung.

4.4 Praktische Konkordanz

Praktische Konkordanz bedeutet bei der Abwägung, dass kein Abwägungsbelang andere Abwägungsbelange vollständig verdrängen darf. Im Konflikt zwischen Umwelt- und Verkehrsbelangen stützen sich die Parteigänger des Umweltschutzes gerne auf Totschlagargumente wie etwa den „horriblen“ Flächenverbrauch von ca. 130 ha täglich44). Durch das Nachhaltigkeitsprinzip wird versucht, solche Argumente rechtlich abzusichern. Es handelt sich indessen um einen untauglichen Versuch, da das Nachhaltigkeitsprinzip in gleicher Weise für eine nachhaltige Verkehrspolitik ins Feld geführt werden kann. Durch das Nachhaltigkeitsprinzip ist kein einseitiges Ziel der Abwägung vorgegeben. Im Einzelfall können zwar Umweltbelange so stark sein, dass sie die grundlegende Änderung eines Verkehrsprojekts erzwingen. In der Regel sind Verkehrsprojekte aber so dringlich, dass sie (zu kompensierende) Eingriffe in Natur und Landschaft rechtfertigen.

5 Ergebnis

Der Umweltschutz ist eine gemeinsame Politik der EU und ein Staatsziel der Bundesrepublik Deutschland. Verfassungsrechtlich verbürgt ist auch eine ökologische Nachhaltigkeit. Das Nachhaltigkeitsprinzip erfasst jedoch weiter andere Lebensbereiche, die ebenfalls verfassungsrechtlich garantiert sind. So ist die Verkehrsmobilität als Grundrecht geschützt. Die Gewährleistung der Verkehrsmobilität, namentlich der Ausbau und Erhalt der erforderlichen Verkehrsinfrastruktur ist eine notwendige Staatsaufgabe und gehört zur Daseinsvorsorge. Geboten ist damit auch eine „nachhaltig verkehrliche“ Verkehrspolitik. Ökologische Nachhaltigkeit bedeutet, dass wir den künftigen Generationen metaphorisch Luft zum Atmen, Raum zur Gestaltung lassen. Das kann aber nicht heißen, dass wir künftigen Generationen die zivilisatorischen Errungenschaften vorenthalten dürfen, auf denen wir aufbauen und die wir fortentwickeln konnten. Das zivilisatorische Nachhaltigkeitsprinzip impliziert nicht, dass wir uns selbst zum Denkmal erheben. Ewigkeitsvorstellungen sind immer illusorisch. Noch problematischer ist es, den Status quo festschreiben zu wollen und so zu tun, als hätten wir in eigener Gestalt die Krone der Schöpfung erreicht und müssten nun die Natur unangetastet lassen. Die Nachhaltigkeit ist zudem ambivalent. Nachhaltig war die Klimaveränderung im antiken Griechenland in Folge der Rodung von Wäldern für den Flottenbau. In der gleichen Epoche entstanden in Griechenland zivilisatorische Errungenschaften, die noch heute unser Leben nachhaltig beeinflussen. Verkehrlich nachhaltig sind die Bauwerke der Römer, wie Brücken und Straßen. Das Nachhaltigkeitsprinzip lässt sich jedenfalls nicht einseitig für einen Belang vereinnahmen. Der Umweltschutz ist eine rechtliche Rahmenbedingung für eine im Interesse der Verkehrsbelange nachhaltige Verkehrspolitik, mehr nicht. Ökologische und verkehrliche Nachhaltigkeit können kollidieren und müssen dann zum Ausgleich gebracht werden. Eine Vorrangstellung des einen oder anderen öffentlichen Belangs resultiert aus dem Nachhaltigkeitsprinzip nicht.

Literaturverzeichnis und Anmerkungen

1) In diesem Sinn die Beiträge in: Joachim Koch (Hrsg.), Instrumente einer dauerhaft umweltgerechten Verkehrspolitik, 2000.

2) Vgl. nur Frieder Naschold, / Werner Jann, / Christoph Reichard, Innovation, Effektivität, Nachhaltigkeit: internationale Erfahrungen zentralstaatlicher Verwaltungsreform, 1999.

3) Stellt man hier auf den Regelungszusammenhang ab, stößt man sogleich auf die Frage, welche Umwelt durch das Umweltrecht zu schützen ist. In Art. 20 a GG ist jedenfalls der anthropozentrische Umweltschutz verankert. Zu schützen ist eine menschengerechte Umwelt (streitig; vgl. Hans Jarass, in ders., Bodo Pieroth, GG, 7. Aufl., 2004, Art. 20 a Rdnr. 3). In diesem Sinn ist auch die ökologische Nachhaltigkeit zu verstehen.

4) Erstaunlicherweise spielt dieser Gesichtspunkt in der CO2-Debatte kaum eine Rolle. Bei einem Welt-Energieverbrauch von gegenwärtig 400 x 1018 Joule würden jährlich für die Energieversorgung 30 Milliarden Tonnen Holz (durchschnittlicher Energiegehalt 17 x 109 Joule / Tonne) Holz, den Energiebedarf für die Umwandlung eingerechnet, benötigt. Dazu müssten zwischen 1 und 4 Milliarden Hektar Land aufgeforstet werden. Angesichts der von der Desertifikation bedrohten 3,6 Milliarden Hektar Landfläche erscheinen die für die Aufforstung benötigten 4000 bis 6000 Milliarden Euro nicht so astronomisch, wie es zunächst den Anschein hat. Die ökologischen Vorkämpfer des Nachhaltigkeitsprinzips wären daher gut beraten, wenn sie sich seiner Wurzeln besännen.

5) Vgl. Grober, Der Erfinder der Nachhaltigkeit, DIE ZEIT, Nr. 48/25.11.1000, S. 98.

6) Die Kommission wurde angeregt vom damaligen Präsidenten der Weltbank Robert S. McNamara. Vorsitzender war Willy Brandt. Weitere Kommissionsmitglieder waren der ehemalige britische Premier Edward Heath und der ehemalige schwedische Ministerpräsident Olaf Palme.

7) „Das Überleben sichern. Gemeinsame Interessen der Industrie- und Entwicklungsländer“ vom 12.2.1980.

8) Die UN beriefen 1983 als unabhängige Sachverständigenkommission die World Commission of Environment and Development (WCED) mit Sekretariat in Genf. Vorsitzende wurde die damalige Ministerpräsidentin von Norwegen Gro Harlem Bundtland.

9) Vgl. aber auch Ulrich Grober, Konstruktives braucht Zeit. Über die langsame Entdeckung der Nachhaltigkeit, in: Politik und Zeitgeschichte B 31 – 32 / 2002, S. 3 ff.

10) Vgl. Helge Sodan, Die „Bürgerversicherung“ als Bürgerzwangsversicherung, ZRP 2004, 217 ff.

11) Auf Europa übertragen sehen die Dinge anders aus. Gleichwohl ist auch hier der Ausdruck „fortdauernder Nettobeitragszahler“ negativ besetzt.

12) BGBl. I S. 1791.

13) Vgl. § 3 Nr. 10 Telekommunikationsgesetz (TKG) vom 22.6. 2004 (BGB. I S.1190) wo das “geschäftsmäßiges Erbringen von Telekommunikationsdiensten“ als „das nachhaltige Angebot von Telekommunikation für Dritte mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht“ bezeichnet wird.

14) BVerwG, Urteil vom 21.8.2003 – 3 C 15.03 –, NZV 2004,52, 541 m. Anm. Dietmar Kettler.

15) Vgl. auch Klaus Lange (Hrsg.), Nachhaltigkeit im Recht – Eine Annäherung, 2003.

16) Nina Wolf, Erhaltung lebender Meeresressourcen im Lichte des Nachhaltigkeitsgrundsatzes: Völker- und Gemeinschaftsrechtliche Voraussetzungen, ZUR 2003, 356 ff.

17) BGBl. I S. 1193). Albert Lorz / Markus Müller / Heinz Stöckel, Naturschutzrecht, 2. Aufl. 2003, A 1 Rdnr. 3, wo der Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit freilich als „nicht mehr als eine politische Ansichtserklärung“ bezeichnet wird.

18) § 4 Abs.1 Gesetz über den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-EnergienGesetz – EEG) vom 21. 7. 2004 (BGBl. I S. 1918).

19) Vgl. Hans Petry, Auch Deutschland braucht die Kernenergie, Elektrizitätswirtschaft 103 (2004), Heft 19 – 20, S. 3.

20) Vahrenholt; Der Energiemix unserer künftigen Energieversorgung, Forum in Berlin am 24.09.2003.

21) Thomas Robers, Das Gebot der nachhaltigen Entwicklung als Leitvorstellung des Raumordnungs- und Bauplanungsrechts, 2003.

22) Gesetz vom 24.6.2004 (BGBl. I S. 1359)

23) § 1 Abs. 5 BauGB.

24) Michael Krautzberger / Bernhard Stüer, Städtebaurecht 2004: Umweltprüfung und Abwägung – Vom schlichten Wegwägen zum Grundsatz der nachhaltigen Trauerarbeit –, DVBl. 2004, 914 ff.

25) – BVerwG 9 CN 1.02 –, BVerwGE 117, 209.

26) BVerwGE 117, 209 (214).

27) Spehr, Die Physik des Staus, FAZ 214 / 14.9. 2004, T 1.

28) Wilhelm Pällmann, Perspektiven des Straßenfernverkehrs, Straße + Autobahn 10 (2004), 551 ff.(559).

29) Bei der Leistungserfüllung steht dem Staat dann ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Er kann die Wahrnehmung der Aufgabe Privaten überlassen, darf sich aber nicht aus seiner Verantwortung für die Erfüllung der Aufgabe stehlen.

30) Vgl. Ronellenfitsch, Umweltschutz und Verkehr, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Bd. II, 2. Aufl., 2004, § 84 Rdnr 4 ff.

31) Vgl. Norbert Ohler, Reisen im Mittelalter, 1986, S. 11 f.

32) Vgl BVerfG, Urteil vom 12.10.1993 – 2 BvR 2134, 2159/92, BVerfGE 89, 155.

33) Michael Ronellenfitsch, Mobilität: Vom Grundbedürfnis zum Grundrecht?, DAR 1992, 321 ff.; ders., Mobilität: Grundbedürfnis und Grundrecht, in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie (PFA 4/94), 1995, S. 25 ff.; ders., „Menschenrecht“ auf Mobilität - kann, darf gegengesteuert werden? Juristische Perspektiven, Dokumentation 11 der Herbert Quandt Stiftung, 1995, S. 49 ff.

34) Mit dem „Problem der Teilhabe ... an staatlichen Leistungen“ beschäftigte sich erstmals Ernst Forsthoff (Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938, S. 15 ff.), der auch den Begriff der Teilhaberechte in die Nachkriegsdiskussion einbrachte; vgl. Ernst Forsthoff, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, VVDStRL 12 (1954), 8 ff. (18 ff.).

35) Vgl. das obiter dictum im Urteil des BVerwG vom 7.2.1972 – IV C 49.68 –, BVerwGE 39, 235 (239).

36) Unmittelbar auf das Grundgesetz gestützte Leistungsansprüche gegen die Exekutive sind im Hinblick auf den Gewaltenteilungsgrundsatz, die Unbestimmtheit des Anspruchsobjekts und die haushaltsrechtlichen Vorgaben nur selten begründbar. Ob, selbst unter dem Vorbehalt des jeweils Möglichen und Angemessenen, ein Anspruch gegen den Staat besteht, (zusätzliche) Mobilität zu schaffen, ist daher fraglich.

37) Hierzu Michael Ronellenfitsch, Daseinsvorsorge als Rechtsbegriff – Aktuelle Entwicklungen im nationalen und europäischen Recht, in Willi Blümel (Hrsg.), Ernst Forsthoff, 2003, 53 ff.

38) BVerwG, Urteil vom 12.12.1969 – IV C 105.66 –, BVerwGE 34, 301 (304); Urteil vom 14.12. 1979 – 4 C 10.77 –, BVerwGE 59,253 (256) Urteil vom 29.1.1991 – 4 C 51.89 –, BVerwGE 87, 332 (341, 344f.)

39) Straßenplanung: BVerwG, Urteil vom 14.2.1975 – IV C 21.74 –, BVerwGE 48, 56; Entscheidungen vom 21.5.1976 – 4 C 49-52.74; 80.74; 38.74; 24.75 – BVerwGE 51, 6,1 5, 35; Urteil vom 15.4.1977 – IV C 100.74 –, BVerwGE 52,237; Beschluss vom 10.9.1981 – 4 B 114.81 –, DÖV 1982,203 –; wasserrechtliche Planung: Urteil vom 10.2.1978 – 4 C 25.75 –, BVerwGE 55, 220; eisenbahnrechtliche Planung: Urteil vom 14.12.1979 – 4 C 10.77 –, BVerwGE 59, 253 (256); Flughafenplanung: Urteil vom 22.3.1974 – IV C 42.73 –, DVBl. 1974; vom 7.7.1978 – 4 C 79,76 u.a. –, BVerwGE 56, 110; Flurbereinigung: Urteil vom 6.2.1986 – 5 C 40.80 –, BVerwGE 74,1; Fernmeldewesen: Urteil vom 18.3.1987 – 7 C 28.85 –, BVerwGE 77,128; abfallrechtliche Planung: Beschluss vom 20.7.1979 – 7 CB 21.79 –, NJW 1980, 953.

40) Vgl. hierzu nur die Beiträge in Wilfried Erbguth u.a. (Hrsg.), Abwägung im Recht, 1996.

41) Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl., 1995, Rdnr. 72.

42) So aber Petra Sprick, Nachhaltig mobil, FAZ 115 / 18.5.2004, S. B 3.

43) Vgl. die Mobilitätserklärung „Deutschland braucht Mobilität“ von 2004; abgedruckt in: Straßen- und Tiefbau 7(2004), S.38 f.

44) So André Wolf, Buchbesprechung, DVBl. 2004, 944.