FGSV-Nr. FGSV 001/21
Ort Karlsruhe
Datum 11.10.2006
Titel Mobilität braucht Wege – Neue Herausforderungen für den Straßenbau
Autoren Dipl.-Ing. (FH) Wolfgang Paul
Kategorien Kongress
Einleitung

Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank, dass ich die Gelegenheit habe, zum Thema: „Mobilität braucht Wege – Neue Herausforderungen für den Straßenbau“ zu referieren. Ich weiß aber auch, dass dieses Thema nicht so viele neue Akzente hergibt, wie der Titel es suggeriert. Aber dieses Thema bleibt neu und leider weiterhin sehr aktuell.

Besonders schmerzhaft habe ich das beim Studium meines ähnlichen Vortrages von vor 4 Jahren in München festgestellt. Die Probleme sind nicht gelöst, sondern im Gegenteil, sie sind in vielen Fällen noch nicht einmal angegangen worden und die Lage hat sich weiter verschärft.

Das Zitat eines französischen Schriftstellers lautet: „Wer in der Zukunft lesen will, muss in der Vergangenheit blättern.“ Als Lehre aus der Vergangenheit wissen wir, welche Bedeutung Wege für die Mobilität von Menschen und Gütern haben. Unsere frühen Vorfahren mussten sich noch auf Pfaden von Dorf zu Dorf bewegen. Erst mit dem Beginn der Landwirtschaft wurden die Wege so weit verbessert, dass Güter auch über längere Strecken transportiert werden konnten.

Nach der Erfindung des Rades um 5.000 v. Chr. wurden aus Wegen allmählich gepflasterte Straßen. Der Grundstein für ein modernes Verkehrswegenetz war damit gelegt. Entlang von Straßen und Handelswegen entstanden Gasthöfe und Märkte, Dörfer und Städte. Damit wurden die Voraussetzungen für Wohlstand und Prosperität geschaffen. Die Straße als Sinnbild für Mobilität stand immer auch für wirtschaftlichen wie kulturellen Austausch. Erinnert sei deshalb an drei berühmte Straßen:

Erstens an die Seidenstraße, den ältesten Handelsweg. Sie diente seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. Händlern, Forschenden und Reisenden als Verbindungsweg von China bis an die Küsten des Mittelmeers. Zweitens an die Via Appia, die berühmte Römerstraße, mit deren Bau im Jahr 312 v. Chr. begonnen wurde. Und drittens sei erinnert an die Route 66, die Roadmovie-Straße, die Straße der Hoffnung auf bessere Zeiten. Und ich nenne sie nicht aus nostalgischen Gründen, weil man sie heute teilweise so schön mit einer Harley Davidson befahren kann, sondern weil sie für Hunderttausende der Weg in den vermeintlichen Goldenen Westen von Amerika war. Sie war die erste durchgehende Straße von Chicago bis nach Los Angeles und entlang dieser Route 66 machten Tankstellen, Motels und Geschäfte auf. Neue Städte entstanden an dem viel befahrenen Highway.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

Alle drei Beispiele machen deutlich, dass gut ausgebaute Verkehrswege wirtschaftliches Wachstum nach sich ziehen. An dieser Symbiose zwischen vernünftiger Infrastruktur, Mobilität und Investitionen hat sich bis heute nichts geändert. Investoren entscheiden sich nach wie vor für Standorte mit Anbindung an Straße, Bahn, Flughafen oder Wasserstraße und damit aufgrund der vorhandenen Wege, die die Mobilität von Menschen und Wirtschaftsgütern sichern.

Aber wie sieht es mit der Mobilität auf Deutschlands Wegen tatsächlich aus? Deutschland einig Stauland – so könnte man die Situation beschreiben. Laut einer BMW-Studie verbringt jeder Bundesbürger im Jahr durchschnittlich 60 Stunden im Stau. Damit verbunden sind Stress, Zeitverluste und gigantische Kosten. Staus bedeuten Kraftstoffvergeudung und Umweltverschmutzung. 12 Mrd. Liter Treibstoffe werden unnötig in die Umwelt geblasen. Das Stauaufkommen verursacht jedes Jahr einen volkswirtschaftlichen Schaden von ca. 100 Mrd. Euro. Dieses ist volkswirtschaftlicher Wahnwitz und darf so, meine Damen und Herren, nicht länger andauern.

Nach wie vor trägt die Hauptlast unserer Mobilität die Straße, dieses ist auch bei kritischer Betrachtung unbestritten. 40 % des Personenverkehrs und ungefähr die Hälfte des Güterverkehrs werden über Bundesfernstraßen abgewickelt, dagegen werden nur 8 % des Personen- und 16 % des Güterverkehrs über die Schiene befördert. Die ideologische Vergewaltigung der Verkehrssteuerung ist eindeutig fehlgeschlagen. Aus dem Wettbewerb der Wege für die Mobilität ist die Straße eindeutig als Sieger hervorgegangen. Die Menschen wollen frei entscheiden, welcher Verkehrsträger ihnen am angenehmsten und am wirtschaftlichsten erscheint und sie wollen die Flexibilität und andere Vorteile des Pkw, des Lkw oder auch den ÖPNV auf der Straße nutzen.

Ich betone nochmals: die Politik der Verkehrsverteuerung in Richtung einer Verkehrsvermeidung oder -verlagerung ist an der Realität gescheitert. Dieses müssen die verantwortlichen Politiker endlich respektieren und die richtigen Schlussfolgerungen daraus ziehen. Zumindest auf der Ebene der Europäischen Union ist festzustellen, dass derzeit Abschied von einer verfehlten Politik der Verkehrsverlagerung genommen wird. Besonders umstritten in diesem Zusammenhang war die sogenannte „modal split policy“, die ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Verkehrsträgern zwangsweise herstellen und somit den Anteil des Straßenverkehrs senken sollte.

Bisher war es das erklärte politische Ziel, die Nachfrage im Straßengüterverkehr über Infrastrukturgebühren und über die Einbeziehung externer Kosten zu regulieren und die Nachfrage auf die Verkehrsträger Schiene und Wasserstraße umzulenken. Stattdessen soll jetzt auf derartige politische, unrealistische Vorgaben verzichtet und die Auslastung jedes einzelnen Verkehrsträgers nachfrageorientiert optimiert und nach seiner Leistungsfähigkeit finanziell dotiert werden. Diese Vorgehensweise, meine Damen und Herren, halten wir für richtig, denn der allgemeine Trend weist weiter in Richtung Zunahme des Straßenverkehrs in allen Bereichen.

Die EU-Kommission prognostiziert auf europäischen Wegen ein erhebliches Verkehrswachstum vom Jahr 2000 bis 2020. Danach wird der Straßen-Güterverkehr um ca. 55 %, der private Pkw-Verkehr um ca. 36 %, der Schienen-Personenverkehr um 19 % und der Schienen-Güterverkehr um 13 % Prozent zunehmen.

An dieser Prognose wird sich auch die gravierende Verteuerung der Treibstoffe nichts nachhaltig verändern. Der grenzüberschreitende Verkehr wird jährlich um mehr als drei Prozent positiv, beeinflusst durch unsere hohen Außenhandelszahlen, zunehmen. Noch dynamischer ist die Entwicklung der Seehäfen. Zwei Drittel des Containerverkehrs von und nach Hamburg und Bremerhaven werden per Lkw bewältigt.

Das Wachstum im Güterverkehr findet vorrangig auf den Autobahnen statt. Seit 1995 sind hier die Fahrleistungen von Lkw um 33 % gestiegen. Die Spitzenbelastungen betreffen immer wieder die gleichen Strecken. Jeder kennt die Bilder, auf denen Lkw im Kolonnenverkehr einen und zum Teil sogar zwei Fahrstreifen belegen. Bleibt es bei den geplanten Investitionsansätzen für die nächsten Jahre, wird die Durchschnittsgeschwindigkeit auf einigen Strecken der deutschen Autobahnen bald nur noch 65 km/h betragen.

Unsere Investitionspolitik muss die uneingeschränkte Mobilität von Personen und Gütern gewährleisten. Dies gelingt nur, wenn die Hauptachsen des internationalen Verkehrs durch einen beschleunigten Neu- und Ausbau gestärkt werden. Deutschland kann seine Rolle als führender internationaler Logistikstandort nur durch gezielte Investitionen in die Infrastruktur, speziell in die Fernstraßen richtig ausspielen. Nur dann kann unser Land seine Chance wahren, sich mit dem Masterplan der Regierung für Logistik und Güterverkehr dem internationalen Wettbewerb um den weltbesten Logistikstandort zu stellen. Nach heutigem Stand aber gehen wir aufgrund des Zustandes unserer Verkehrswege und der fehlenden Budgetmittel angeschlagen in diesen Wettbewerb.

Aber, meine Damen und Herren, nicht nur unser Fernstraßennetz wird zukünftig unter dem zunehmenden Verkehr kollabieren. Auch im ländlichen Raum bestimmen Pkw, Lkw und Bus die Zukunft der Mobilität.

Die Bahn hat sich schon sehr weit aus der Fläche zurückgezogen und sehr viele unrentable Strecken vernünftigerweise stillgelegt. Wir halten diesen Vorgang für nicht reversibel; ganz im Gegenteil: der geplante Börsengang zwingt die Deutsche Bahn AG zu noch höherer Rentabilität; und das bedeutet im Zweifelsfall die Stilllegung weiterer Strecken. Im Personenverkehr ist damit zu rechnen, dass schon allein aufgrund der demografischen Entwicklung nur Pkw und Busse die Mobilität der Menschen im ländlichen Raum garantieren können. Im Güterverkehr gibt es in diesem Bereich ohnehin keine Alternative zum Lkw. Will man also auch dort zukünftig Handel und Gewerbe aufrechterhalten, so bleibt nichts anderes übrig, als für ein vernünftig ausgebautes Straßennetz zu sorgen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Deutschland verfügt immer noch über das am dichtesten geknüpfte Verkehrsnetz in Europa, wenn nicht sogar weltweit. Und deshalb bedarf dieses auch unserer ganz besonderen Aufmerksamkeit.

Im Gegensatz zu dieser pfleglichen Aufmerksamkeit wird das äußere Bild unserer Verkehrswege allerdings durch fehlende Autobahnschlüsse, baufällige Brücken und städtische und ländliche Holperpisten mit Schlaglöchern bestimmt.

Unsere Politiker dürfen jetzt sagen, dass ich die Lage etwas überzeichne, aber lassen Sie mich die realistischen Haushaltszahlen daneben stellen, um die ganze Misere der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung deutlich zu machen.

Der Lichtblick, das gute Investitionsniveau der Jahre 2004 bis 2006 mit jeweils ca. 5 Mrd. Euro wird ab 2007 nicht länger andauern. Diese Summen waren nach 10 Dürrejahren auch für die Bauwirtschaft sehr wichtig. Aber dieser Lichtblick war dann doch nur eine verglühende Sternschnuppe und ob dann unsere heimlichen Wünsche in Erfüllung gehen, wage ich zu bezweifeln. Für 2007 sollen im Fernstraßenbau ca. 4,54 Mrd. Euro bereitgestellt werden. In den Folgejahren werden es jeweils wohl nur noch 4,45 Mrd. sein. Damit wurde im Vergleich zur Planung vom Februar dieses Jahres jeder Jahresansatz um ca. 50 bis 60 Mio. Euro gekürzt. Damit haben wir zwar eine Verstetigung der Investitionen erreicht, allerdings auf einem viel zu niedrigen Niveau.

Der Finanzierungspegel verharrt nun dauerhaft auf dem Level vor dem Start der Lkw-Maut, deren Investitionsimpuls damit vollständig verpufft wäre. Dabei wurde bei Einführung der Lkw-Maut vollmundig versprochen, dass diese Einnahmen on top in die Verkehrsinfrastruktur investiert werden würden, ein trauriger Trugschluss, wie wir heute wissen. Die Bundesregierung verabschiedet sich mit dieser Investitionspolitik faktisch auch von der Umsetzung des Bundesverkehrswegeplans, ohne dies jedoch zuzugeben. Während von 2001 bis 2005 die Ansätze zumindest annähernd erreicht wurden, gerät die Investitionsplanung der Zukunft jetzt trotz Einführung der Lkw-Maut sehr stark ins Hintertreffen. Allein bei den Fernstraßen fehlen jährlich ca. 700 Mio. Euro. Damit lassen sich viele Vorhaben nicht wie geplant und wie dringend benötigt umsetzen.

Wobei, wenn Sie mir eine persönliche Anmerkung gestatten, nach der letzten Neuwahl habe ich nicht so richtig verstanden, welche großen Hoffnungen und Erwartungen mit der Großen Koalition verbunden waren. Es war für mich klar, dass es immer nur Einigungen auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner geben würde. Dass aber unter der großen Koalition deutlich weniger Geld für Fernstraßenbau und die Verkehrswege insgesamt zur Verfügung stehen wird, als dies zuvor unter der rot-grünen Vorgängerregierung der Fall war, gehört auch für mich zu den eigentlichen negativen Überraschungen. Dabei hatte man zum Regierungsantritt unter großem öffentlichen Getöse ein 25 Mrd. Euro schweres Investitionsprogramm angekündigt. Wenn man jedoch dieses Programm genauer analysiert, stellt man sehr schnell fest, dass, wie z. B. mit der Einführung des Elterngeldes keine volkswirtschaftliche Investition, sondern eine neue soziale Wohltat aus diesem Topf gespeist wird. Trotzdem sollten immerhin 4,3 Mrd. Euro über die Legislaturperiode verteilt, zusätzlich in die Verkehrsinfrastruktur investiert werden. Gebracht hat aber dieser zusätzliche Geldsegen nichts, denn zuvor hatte der Finanzminister Eichel die Etatansätze nochmals drastisch gekürzt.

Die Investitionslücke bei den Fernstraßen steigt daher ab dem nächsten Jahr wieder auf 2,5 Mrd. Euro pro Jahr an, immer bezogen auf die Forderungen aus dem Bundesverkehrswegeplan 2003. Im Gegensatz dazu steigen das Güterverkehrsaufkommen und der Ausbau- und Sanierungsbedarf des Straßennetzes sehr stark an. Im Übrigen wesentlich dynamischer als dies 2003 noch angenommen worden war.

Dabei stünden bei ehrlicher Betrachtung genügend Mittel zur Infrastrukturfinanzierung zur Verfügung. Die Gebietskörperschaften nehmen durch den Kraftverkehr jährlich insgesamt mehr als 53 Mrd. Euro ein. Die sprudelnden Quellen kennen Sie alle: Kraftfahrzeugsteuer, Mineralölsteuer, Ökosteuer, Mehrwertsteuer auf Mineralöl- und Ökosteuer und die Straßengebühr für schwere Nutzfahrzeuge. Nach wie vor sind die Autofahrer die Zahlmeister der Nation. Die Gegenleistung ist miserabel und unangemessen; sie beträgt nicht einmal ein Drittel, weil Bund, Länder und Gemeinden für das Straßenwesen insgesamt nur noch 16 Mrd. Euro ausgeben – Tendenz sinkend. Mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer, der Belastung von Biokraftstoffen und der beschlossenen Kürzung der Pendlerpauschale kommen im nächsten Jahr noch weitere Kosten auf die Autofahrer hinzu.

Auch das Thema Pkw-Maut, meine Damen und Herren, ist wie das Ungeheuer von Loch Ness durch das politische Sommerloch gegeistert; immer wieder kam es an die Oberfläche, richtig packen konnte man es allerdings nicht. Aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass wir spätestens in der nächsten Legislaturperiode eine solche Pkw-Maut bekommen werden. Zu begehrlich werden die Hände ausgestreckt, zu groß sind die Lücken, die im Bundeshaushalt klaffen, trotz höherer Steuereinnahmen. Vor diesem Hintergrund wäre der richtige Weg die Umstellung der Verkehrsfinanzierung von einer Haushalts- zu einer Nutzerfinanzierung. Auch der Einführung einer Pkw-Maut würden wir uns nicht verschließen, wenn gewährleistet wäre, dass erstens die Autofahrer nicht über Gebühr noch mehr belastet würden, und dass zweitens die eingenommenen Mittel auch tatsächlich on top, in den Straßenbau fließen würden.

Unsere bisherigen Erfahrungen lehrten uns stets das Gegenteil von politischen Fensterreden. Fast zwei Drittel der Lkw-Maut verschwinden im Haushalt, das letzte Drittel fließt tatsächlich in den Verkehrshaushalt, tatsächlich auch on top – aber erst nachdem man die Investitionen vorher kräftig gekürzt hat, so dass am Ende dennoch weniger Geld für die notwendigen Investitionen da ist.

Meine Damen und Herren, als erstes muss dieser Etikettenschwindel aufhören: Die Lkw-Maut muss voll zur Finanzierung der Straßenbauinvestitionen zur Verfügung stehen. Hier bedarf es dringend weitergehender Konzepte und wir wiederholen an dieser Stelle unseren mittlerweile auch schon historischen Vorschlag, sämtliche Mittel, die zur Finanzierung der Verkehrswege notwendig sind, in eine Gesellschaft zu geben: z. B. in die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG), damit Erhalt und Ausbau unserer Verkehrsinfrastruktur unabhängig von politischen Ideologien und Begehrlichkeiten gemäß dem Bundesverkehrswegeplan erfolgen können.

Dazu bedarf es neben den Einnahmen aus der Lkw-Maut eines bestimmten Anteils der Mineralölsteuer, der in einer Größenordnung von 20 bis 25 Cent je Liter Kraftstoff liegen könnte. Der Staat behielte auf diese Weise seine volle Verantwortung für die öffentliche Infrastruktur, gleichzeitig müsste nicht bei jeder Haushaltsdebatte und Finanzplanung von neuem gebangt werden, ob die Investitionsmittel wieder einmal gekürzt werden. Die VIFG hätte auch die Möglichkeit, neue Instrumente der Finanzierung zu entwickeln, zu überprüfen und in die Praxis einzuführen, insbesondere auch dann, wenn sie Kredite für Infrastrukturprojekte aufnehmen dürfte.

Mit den sogenannten A- und F-Modellen stehen im Bundesfernstraßenbau privatwirtschaftliche Instrumente zur Verfügung, die es zur Praxisreife zu entwickeln gilt. Noch lösen die fünf A-Modelle, die als ÖPP ausgeschrieben sind oder dafür anstehen, keine zusätzliche Investitionen aus. Aufgrund der Verteilung dieser Investitionen auf mehrere Jahre und den haushaltswirksamen Anschubfinanzierungen durch den Bund wird es nicht zu einer starken Erhöhung des gesamten Fernstraßenbaues kommen.

Zukünftig muss es aber auch für mittelständische Unternehmen bzw. Konsortien aus mittelständischen Unternehmen möglich sein, sich an Ausschreibungen von A- und F-Modellen zu beteiligen. Wenn als Voraussetzung für den Teilnahmewettbewerb schon gefordert wird, dass das teilnehmende Unternehmen Erfahrungen im Bereich „Betrieb einer Mautstrecke“ nachweisen muss, so können diese Mittelständler, die bisher nur auf dem deutschen Markt tätig waren, nicht leisten. Diese Forderung ist ein k.o.-Kriterium, welches wir so nicht akzeptieren können.

Aber wir gehen einen Schritt weiter: Wir brauchen Instrumente, die es möglich machen, auch im Bereich Landes- und Kreisstraßen privatwirtschaftliches Know how einzusetzen, denn die Bundesfernstraßen sind zwar das Flaggschiff, die Masse der Straßen stellen jedoch die Landes- und Kreisstraßen dar. Derzeit sind in Deutschland die ersten vorsichtigen Schritte in diese Richtung zu beobachten. Der Landkreis Lippe in Nordrhein-Westfalen hat gerade damit begonnen, PPP im kommunalen Straßenbau umzusetzen. Ungefähr 460 km Kreisstraßen und Radwege umfasst das Projekt, dessen Ausschreibungen bereits laufen. Und gerade die große Planungssicherheit – das Projekt ist auf 20 Jahre angelegt – macht PPP für Unternehmen attraktiv.

Neben den Straßenbauprojekten des Kreises Lippe wird auch das Land Thüringen mit Praxisbeispielen an den Start gehen. Ungefähr 20 km der Landesstraßen im Saale-Holzland-Kreis sind zu erneuern und sollen erhalten und betrieben werden. Der Vertragszeitraum beträgt 30 Jahre. Das Vergabeverfahren soll noch im Herbst dieses Jahres beginnen. Die Task Force PPP beim Bund ist gerade dabei, gemeinsam mit der VIFG ein Pilotprojekt in diesem Bereich zu entwickeln.

Dies meine Damen und Herren, sind ermutigende Beispiele, aber es sind eben nur Beispiele. Und noch machen diese Beispiele nicht Schule. Wenn es dann in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein sollte, privatwirtschaftliche Instrumente für Bau und Unterhaltung auch von Landes- und Kreisstraßen einzusetzen, dann könnten die Verkehrsinfrastrukturinvestitionen einen regelrechten Wachstumsschub erhalten. Aber Deutschlands bürokratische Mühlen mahlen eben langsam, so dass noch viel Wasser den Rhein hinunterfließen wird, bevor wir so weit sein werden. Wie heißt es doch in einem Zitat aus Frankreich so schön: „Bei der nächsten Sintflut wird Gott nicht Wasser sondern Papier verwenden.“

Meine Damen und Herren, auch um den ökologischen Ansprüchen unserer modernen Gesellschaft gerecht zu werden, brauchen wir eine nachhaltige Infrastrukturpolitik, die eine zusätzliche Flächeninanspruchnahme auf das Notwendigste beschränkt, aber gleichzeitig ein hohes Maß an Mobilität gewährleistet. Das heißt: es muss gezielt dort investiert werden, wo Verkehrszuwächse erwartet werden und nicht dort, wo Politiker in ihren Wahlkreisen ihre Wiederwahl sichern wollen. Daher geht an einem weiteren Ausbau der Autobahnen kein Weg vorbei. Dazu bräuchten wir jedoch vordringlich ein Investitionsbeschleunigungsgesetz für ganz Deutschland. In keinem anderen Land braucht man so lange, um neue Straßen zu planen. Von der Idee bis zum Beginn eines Fernstraßenneubaus vergehen in Deutschland oft Jahrzehnte. Ein Paradebeispiel dafür ist der Ausbau der A 44 bei Kassel. Er beschäftigt Planer und Politiker mittlerweile seit 20 Jahren, ohne dass auch nur eine Erdkrume bewegt worden ist. Wie es auch gehen kann, zeigt die A 20, die Ostseeautobahn: 1993 wurde mit der Planung begonnen, 2005 ist sie dem Verkehr komplett fertig übergeben worden. Planungsverfahren müssen in ihrer Dauer und vor allen Dingen in ihren Kosten kalkulierbarer werden. Die Bürokratie verschlingt nämlich über die Hälfte der Autobahnbaukosten. Das hat der CDU-Wirtschaftsrat jetzt kürzlich errechnet. Von den ermittelten 27 Mio. Euro pro Kilometer Autobahn entfällt nur ein Viertel der Kosten auf die Fahrbahn. Der größte Anteil sind die Verwaltungskosten, die während der Genehmigungsphase anfallen; das sind 35 %, bzw. 9,4 Mio. Euro. Die Kosten für sonstige Verwaltung und Gutachten schlagen mit 21 % zu Buche.

Meine Damen und Herren,
es gibt aber auch positive Aspekte, falls Sie in dem ersten Teil meines Vortrages den Mut verloren haben sollten. Erstmals seit vielen Jahren stützt die Bauwirtschaft wieder das Wirtschaftswachstum in Deutschland. Die Lokomotive, oder besser die Dampfwalze, ist langsam wieder in Schwung gekommen. Darauf haben wir viele Jahre warten müssen. Aber damit wird auch unsere seit langem vertretene Auffassung gestützt. Wenn sich die Bauwirtschaft durch stetige Investitionsflüsse erholt, erzeugt diese Dynamik gravierende Impulse für die Konjunktur und die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen. Das Baujahr 2006 scheint zumindest diese Erwartungen zu erfüllen.

Damit aus dem zart aufblühenden Pflänzchen der Baukonjunktur eine strahlende Schönheit wird, brauchen wir jedoch Rahmenbedingungen, die eine solche Entwicklung unterstützen und sie nicht behindern. Aber da scheinen wir eher auf einem Irrweg als auf einem gut gepflasterten Weg zu sein. Das ist auch daran zu erkennen, dass die Prioritätenliste hin und wieder durcheinander gerät. Da wird jahrelang über eine Rechtschreibereform, über ein unsägliches Gleichbehandlungsgesetz diskutiert, da wird ernsthaft erwogen, unsere Nationalhymne ins Türkische zu übersetzen, um der besseren Integration willen – ich frage Sie, welches andere Land dieser Erde käme auf solch absurde Ideen?

Dabei geraten dann die wirklichen Probleme deutlich ins Hintertreffen. Die Gesundheitsreform gerät zum Desaster, zumindest zum oberfaulen Kompromiss zwischen zwei Konzepten, die nicht vereinbar sind; am Ende zahlen die Bürger und die Unternehmen die Zeche. Momentan ist zwar der Starttermin verschoben, ob daraus aber ein Begräbnis zweiter Klasse wird, bleibt abzuwarten. Die Lohnzusatzkosten werden trotz massiver Steuererhöhung nur geringfügig gesenkt. Bei der Unternehmensteuerreform sollen zukünftig auch Zinsen und Leasinggebühren der Steuerberechnung zugrunde gelegt werden. So einfach werden aus Kosten dann Gewinne. Die Entbürokratisierung wird nur halbherzig angegangen. Dabei leiden gerade die mittelständischen Unternehmen ganz besonders unter diesen Lasten. Je kleiner das Unternehmen, desto höher ist die relative zeitliche und finanzielle Belastung durch Bürokratie; hinzukommt, dass gerade im Mittelstand die Arbeitszeit der Unternehmerinnen und Unternehmer vergleichsweise stark durch bürokratiebedingte Leistungen beansprucht wird.

Dabei gäbe es viele einfache Beispiele, auch aus unserem Bereich. Der Schilderwald, der unsere Straßen schmückt, müsste dringend gelichtet werden. Das spart Geld und bringt in vielen Fällen überdies mehr Sicherheit. Die Verkehrswegeplanungen des Bundes und der Länder müssten dringend den realistischen Gegebenheiten angeglichen werden. Dennoch, meine Damen und Herren, sind wir optimistisch, dass die Bauwirtschaft auch im kommenden Jahr die Konjunktur weiter nach vorne bringen wird.

Und lassen Sie mich bitte zum positiven Schluss kommen.

Mobilität braucht Wege, Mobilität braucht neue Wege und vor allen Dingen: Mobilität braucht mehr Wege, damit der Wirtschaftsstandort Deutschland wieder ganz vorne mitspielen kann. Damit unsere Straßen den zunehmenden Verkehr bewältigen können, müssen Planungs- und Genehmigungszeiten drastisch verkürzt, wie auch die Finanzierung deutlich verbessert werden. Dazu brauchen wir dauerhaft höhere Investitionen, die aus dem Bundeshaushalt allerdings nicht zur Verfügung stehen werden. Daher bedarf es einer zusätzlichen Säule zur Finanzierung der Infrastrukturinvestitionen.

Die Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch: ob es der Vorschlag der Pällmann-Kommission, der für mich immer noch uneingeschränkt gilt, ob es der Vorschlag des ADAC oder die Vorschläge von ZDB und HDB sind, wir müssen in der Frage der Finanzierung der Verkehrsinvestitionen neue Wege gehen; mit der Lkw-Maut haben wir die richtige Richtung gewählt, das Tempo muss allerdings deutlich beschleunigt werden. Mit Perikles, dem athenischenStaatsmann, gesprochen: „Es ist nicht unsere Aufgabe, die Zukunft vorauszusagen, sondern gut auf sie vorbereitet zu sein.“

Die deutschen Straßenbauer, in deren Namen ich heute hier sprechen kann, stehen bereit die neuen Herausforderungen anzunehmen – zum Nutzen und zum Wohle der Menschen und der Wirtschaft unseres Landes.