FGSV-Nr. FGSV 002/116
Ort Stuttgart
Datum 22.03.2017
Titel Neue Anforderungen, Problemformulierungen und Lösungsansätze in der Erhaltungsplanung für Verkehrsinfrastrukturen
Autoren Dr.-Ing. Andreas Stadler, Prof. Dr. Christoph Walther
Kategorien HEUREKA
Einleitung

Der Beitrag beschreibt neue Anforderungen, Problemformulierungen und Lösungsansätze in der Erhaltungsplanung für Verkehrsinfrastrukturen. Ausgehend von der in vielen Fällen angemessenen Formulierung von Optimierungsaufgaben als Rucksackprobleme, werden neue Anforderungen aus der Erhaltungsplanung beschrieben, die zu anderen mathematischen Problemklassen führen und neue Lösungsverfahren erfordern. Anforderungen und Lösungsansätze werden anhand der vorläufigen Ergebnisse zweier Forschungsprojekte motiviert und veranschaulicht.

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1 Ausgangssituation

Während im Bereich des Neu- und Ausbaus von Verkehrsinfrastrukturen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen insbesondere in Form von Nutzen-Kosten-Untersuchungen eine sehr weit reichende Tradition haben, sind die Entwicklung und wirtschaftliche Beurteilung einer systematischen Erhaltungsplanung für Verkehrsinfrastrukturen und damit die gesamtwirtschaftlich fundierte Priorisierung von Erhaltungsmaßnahmen in Teilnetzen in Deutschland erst in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren Gegenstand intensiver Forschungs- und Entwicklungsarbeiten geworden.

Die Erhaltungsplanung stellt einen wesentlichen Anwendungsfall einer dynamischen Investitionsplanung dar. Zwar hat hier die Entwicklung von Rahmenbedingungen (Bevölkerungsentwicklung, Wirtschaftsentwicklung etc.) kaum die Bedeutung wie bei der Bewertung von Aus- und Neubauprojekten. Aber die Bewertungsgegenstände selbst verändern sich dynamisch über die Zeit. Ein Schaden, der heute mit einer Maßnahme kleineren Umfangs behoben wer- den könnte, kann sich über die Jahre so weiterentwickeln, dass eine andere Maßnahme oder die angedachte Maßnahme in einem ganz anderen Umfang notwendig wird. Hierbei stehen bei der Erhaltung auch nicht einzelne Maßnahmen an, sondern Maßnahmenbündel bzw. Strategien, die für einen gewissen Zeitraum zu festgelegten Zeitpunkten Einzelmaßnahmen vorsehen.

Wie im Rahmen der Entwicklung eines Management-Systems [1] für Ingenieurbauwerke gezeigt wurde, lassen sich viele Probleme der optimalen Mittelverwendung durch verschiedene Ausprägungen der im Operations Research weitverbreiteten Klasse der sogenannten Rucksack-Probleme (engl. Knapsack Problems) [2] beschreiben und in der Regel dann heuristisch lösen. Die Zielfunktion beschreibt den zu maximierenden Nutzen für die betrachteten Bau- werke in Abhängigkeit ihres Substanzwertes, der durch die Strategien mindestens erhalten oder gesteigert werden soll, und der mit den Strategien verbundenen Nutzerkosten der Verkehrsteilnehmer, die z.B. Mehrreisezeiten und erhöhte Betriebskosten in Zeiten schlechter Zustände der Infrastruktur oder während der Umsetzung der Erhaltungsmaßnahmen umfassen. Randbedingungen der Optimierung sind die jährlichen Budgets im Maßnahmenzeitraum, also dem Zeitraum der Umsetzung der Strategien, oder andere Ressourcenbegrenzungen, etwa beim Personal.

2 Anliegen des Beitrags und Projekthintergrund

Ausgehend von der Vorstellung von Grundproblemen der Erhaltungsplanung auf Netzebene [3] und der daraus abgeleiteten mathematische Formulierung der Optimierungsaufgaben als Rucksackprobleme [2] sollen diese Problemformulierungen erweitert und geeignete Lösungsansätze dargestellt werden. Damit können zwei aktuelle Fragestellungen der Erhaltungsplanung aufgegriffen werden, die im Auftrag des Bundes von den Autoren im Rahmen von Forschungsprojekten bearbeitet werden und den konkreten Projekthintergrund dieses Beitrags bilden.

Das erste Projekt [4] behandelt das Problem, dass bislang in Deutschland Neu- und Ausbauprojekte sowie Erhaltungsmaßnahmen an Brücken und Straßenbefestigungen getrennt voneinander bewertet, priorisiert und auch durchgeführt werden, obwohl durch eine entsprechende Koordinierung, z.B. durch rechtzeitigen Ausbau, Erhaltungsmaßnahmen eingespart werden könnten. Ebenso ist es wenig sinnvoll, eine Brücke, die über eine vierstreifige Autobahn führt, grundhaft instand zu setzen, wenn in engem zeitlichem Abstand ein Ausbau der Autobahn auf sechs Fahrstreifen erfolgen soll. Hier gilt es Bauprogramme aufzustellen, die diese Interdependenzen berücksichtigen und Budgetrestriktionen einhalten sowie gleichzeitig die Substanz absichern und die Nutzerkosten minimieren.

Ein zweites Projekt [5] greift ein spezielles Kollektiv der Erhaltungsanforderungen heraus, und zwar Brücken, für die über die normale Erhaltung hinaus nach Kriterien der Bundesanstalt für Straßenwesen besondere Ertüchtigungsmaßnahmen durchgeführt werden müssen. Diese Ertüchtigungsmaßnahmen betreffen große Bauwerke mit netzweiter Bedeutung und müssen da- her so geplant werden, dass es in Teilnetzen aufgrund von parallelen Arbeiten auf eigentlich sich entlastenden Alternativrouten nicht zu Zusammenbrüchen des Verkehrsflusses kommt. Auf der anderen Seite haben diese Maßnahmen eine solche Priorität, dass es weder Budgetrestriktionen noch Kapazitätsrestriktionen in der Bearbeitung auf Verwaltungsseite und bei der Baudurchführung geben wird. Dies führt zu Problemklassen, bei denen als einzig wirkliche Randbedingung kombinatorisch beliebig komplexe Konstellationen von sich ausschließenden Routen mit gleichzeitigen Erhaltungsarbeiten auftreten.

3 Darstellung von Optimierungsaufgaben im Kontext der Erhaltungsplanung als Rucksackprobleme

Im einfachsten Fall ist aus einer Menge von unabhängigen Optionen (z.B. objektbezogenen Maßnahmen) mit festen Kosten und Nutzen eine Auswahl zu treffen, bei der der Gesamtnutzen maximiert wird, ohne ein vorgegebenes Gesamtbudget zu überschreiten. Dieser Fall entspricht dem sogenannten 0-1 Rucksackproblem.
Betrachtet man ein Teilnetz mit verschiedenen Infrastrukturelementen (z.B. Brücken oder Fahrbahnabschnitte), so stehen i.A. für jedes Infrastrukturelement mehrere Optionen (inkl. „Nichts-Tun“) zur Verfügung, aus denen jeweils genau eine auszuwählen ist. Diese Variante ist als Multi-Choice Rucksackproblem bekannt.

In der Regel ist die Betrachtung eines Gesamtbudgets nicht ausreichend, sondern es müssen jährliche Budgets oder verschiedene Obergrenzen für unterschiedliche Perioden betrachtet werden, wobei in keiner Periode das jeweilige Budget überschritten werden darf. Insgesamt ergibt sich ein sogenanntes Mehrdimensionales Multi-Choice Rucksackproblem.

Ausgehend von nK Perioden (Budgets) und n Klassen (z.B. Brücken) mit je ni Optionen (alternative Maßnahmen) sowie Nutzen Nij und periodenbezogene Kosten Kijk der Optionen ergibt sich die folgende Darstellung des Optimierungsproblems:

Formel (1) bis (3) siehe PDF.

Aufgabe des Optimierungsverfahrens ist die Berechnung der Entscheidungsvariablen xij Formel (1) beinhaltet die Zielfunktion, (2) beschreibt die Bedingung, dass für jede Klasse genau eine Option auszuwählen ist, und (3) die einzuhaltenden Budgetbedingungen.
Der Ansatz ermöglicht auch die Berücksichtigung zusätzlicher Ressourcenbeschränkungen, beispielsweise bezüglich des zur Verfügung stehenden Personals, in Form weiterer Budgetbedingungen (Dimensionen).

4 Erweiterung bestehender Ansätze

4.1 Grundsätzliche Grenzen des Ansatzes / Zusätzliche Anforderungen

Die obige Formulierung von Optimierungsaufgaben als Rucksackprobleme ist immer dann angemessen, wenn Nutzen und Kosten der zur Auswahl stehenden Optionen an unterschiedlichen Infrastrukturobjekten unabhängig voneinander sind und deshalb einmalig vor Durchführung der Optimierung berechnet werden können.

Problematisch wird es hingegen, wenn Abhängigkeiten auftreten. So verändern sich die Kosten einer Kombination von Maßnahmen, wenn sich z.B. bei einer gemeinsamen Verkehrsführung für mehrere Ingenieurbauwerke oder Straßenabschnitte Kosten sparen lassen (subadditive Kostenfunktionen). Zum anderen sollten z.B. nicht gleichzeitig zwei Bauwerke von Erhaltungsmaßnahmen betroffen sein, die auf den jeweiligen besten Ausweichrouten angesiedelt sind, weil dies zu zusätzlichen Nutzerkosten führen würde, so dass die Annahme der Additivität der Nutzen zur Berechnung des Gesamtnutzens verletzt wäre (vgl. Formel (1)).

Der Rucksack-Ansatz ist auch dann weniger geeignet, wenn das Budget keine oder eine untergeordnete Rolle spielt, so dass in der Optimierung Gleichung (3) entfällt. Dieser Fall ist bei unabhängigen Maßnahmen trivial zu lösen – für jede Klasse (z.B. Brücke) wird die Option mit dem höchsten Nutzen gewählt –, bei Abhängigkeiten (siehe oben) entfällt jedoch die sich aus der Bedingung ergebene Beschränkung der Menge der im Rahmen der Optimierung zu betrachtenden Lösungen, so dass der Lösungsraum sehr groß werden kann.

Budgetbedingungen entfallen etwa dann, wenn a priori ausreichende Geldmittel zur Verfügung gestellt werden und die Optimierungsaufgabe allein darin besteht, die Nutzerkosten zu minimieren.

Da bei entfallenden oder sehr weichen Budgetbedingungen die Berechnung der Kosten keine oder eine untergeordnete Rolle spielt, ergeben sich theoretisch die folgenden beiden relevanten Fälle:

- Rucksackproblem mit nicht-additiven Kosten und/oder nicht-additiven Nutzen

- Maximierungs- oder Minimierungsproblem mit nicht-additiven Nutzen (ohne Budgetbedingungen).

4.2 Teilprobleme und Lösungsansätze

In der Praxis sind bei der Maßnahmenauswahl für die oben genannten Problemerweiterungen die folgenden Teilprobleme neu zu lösen:

1. Berechnung von Kosten für eine gegebene Kombination von Maßnahmen

2. Berechnung von Nutzen für eine gegebene Kombination von Maßnahmen

3. Ableitung geeigneter Lösungskandidaten.

4.2.1 Berechnung nicht-additiver Kosten

Die Additivitätsannahme besagt, dass sich die Gesamtkosten KI einer Menge ausgewählter Optionen für eine Teilmenge I von Infrastrukturelementen als Summe der Kosten Kij der gewählten Optionen berechnen lassen (vgl. auch Formel (3)):

Formel (4) siehe PDF.

Sie ist in der Erhaltungsplanung in der Regel dann verletzt, wenn verschiedene Maßnahmen bzw. Bauvorhaben zu größeren Einheiten zusammengefasst werden (z.B. Bildung von Baulosen) oder auch nur organisatorisch für die technische Abwicklung koordiniert werden müssen (z.B. Bildung gemeinsamer Arbeitsstellen bei zeitlichen Überlappungen und räumlicher Nähe).

Sollen die Kosten kombinierter Maßnahmen möglichst genau abgeschätzt werden, so erfordert dies prinzipiell die Aufstellung eines Modells, in welches beispielsweise Annahmen zur Ableitung gemeinsamer Verkehrsführungen und Bauzeiten auf Basis der Eigenschaften der einzelnen Maßnahmen eingehen. Relevante Eigenschaften der Einzelmaßnahmen sind etwa Informationen zur benötigten Baustelleneinrichtung und zu Verkehrsführungen sowie Umfang und Dauer der „eigentlichen“ Maßnahme. Ein solches Kostenmodell kann grundsätzlich beliebig komplex werden, etwa wenn im Zeitverlauf unterschiedliche gemeinsame Verkehrsführungen für sich ändernde Kombinationen von Einzelmaßnahmen berechnet werden müssen.

Allerdings ist es nicht sinnvoll, elaborierte Kostenmodelle aufzustellen, wenn die erreichbare Genauigkeit ohnehin durch übergeordnete Parameter wie etwa die Datenverfügbarkeit auf Netzebene oder die im Rahmen von Ausschreibungen zu erwartende Streuung der Angebotspreise beschränkt wird. In derartigen Fällen kann es besser sein, die erwartete Wirkung einer Zusammenfassung von Maßnahmen abzuschätzen, was bei der Bildung von Baulosen beispielsweise durch einen Degressionsfaktor D erfolgen kann:

Formel (5) siehe PDF.

Hierbei wird davon ausgegangen, dass die Gesamtkosten K‘I sich prinzipiell additiv verhalten, aber in Abhängigkeit von einem Gesamtumfang U gemindert werden (sub-additive Kostenfunktion), wobei als Umfang die Summe der Kosten (ohne Minderung) verwendet werden kann. Dieser Ansatz hat abgesehen von der Einfachheit, die sich bei Anwendung innerhalb eines Optimierungsverfahrens positiv auf die Laufzeit auswirkt, den Vorteil, dass keine zusätzlichen Informationen benötigt werden. Analog kann vorgegangen werden, wenn aufgrund des zusätzlichen Koordinierungsaufwands mit Zusatzkosten, also super-additiven Gesamtkosten zu rechnen ist.

Insgesamt führen nicht-additive Kostenfunktonen zwar zu einem erhöhten Modellierungsaufwand, ggf. zusätzlichen Datenanforderungen und längeren Laufzeiten, ihre Berechnung kann jedoch aufgrund der insgesamt doch vergleichsweise schnell berechenbaren Kostenfunktionen durchaus innerhalb einer Optimierung erfolgen.

4.2.2 Berechnung nicht-additiver Nutzen

Auf der Nutzenseite werden i.d.R. Veränderungen des Substanzwertes und der Nutzerkosten berücksichtigt. Während sich der aus der Anwendung einer Maßnahme ergebende Substanzwert eines Infrastrukturelementes durch die Kombination mit anderen Maßnahmen in der Regel nicht oder nur minimal ändert, stellt die Berechnung der sich ergebenden Nutzerkosten ein Problem dar.

Zunächst wird zur Berechnung der Nutzerkosten ein Verkehrsmodell benötigt, das eine ausreichend genaue Berechnung der kombinierten Wirkungen gleichzeitiger Verkehrseinschränkungen auf mehreren Netzelementen und einen Vergleich mit einem geeigneten Basisfall (beispielsweise störungsfreies Netz) ermöglicht. Diese Notwendigkeit stellt sowohl bzgl. des Netzes als auch bzgl. der Verkehrsnachfrage hohe Anforderungen an das Verkehrsmodell. Insbesondere ist die ausschließliche Betrachtung der direkt betroffenen Streckenabschnitte, die häufig zur Abschätzung der Wirkungen isolierter Maßnahmen genügt (z.B. Schätzung von Staukosten anhand von Restkapazität, DTV und Tagesganglinien), nicht ausreichend.

Steht ein ausreichend gutes Verkehrsmodell zur Verfügung, so ist die Durchführung von Verkehrssimulationen zur Wirkungsabschätzung zwar möglich, jedoch mit rechenaufwendige Operationen wie etwa Umlegungsrechnungen verbunden, da aus Änderungen im Verkehrsangebot resultierende Änderungen bei der Routenwahl abgebildet werden müssen. Damit ist es bei der heute zur Verfügung stehenden Rechentechnik nicht möglich, im Rahmen einer Optimierungsrechnung – beispielsweise innerhalb eines Branch-and-Bound-Algorithmus – eine hohe Anzahl an Kombinationen „durchzurechnen“.

Im Rahmen des Projektes zur „Entwicklung einer Methodik für eine optimierte Planung von Ertüchtigung und/oder Ersatz wichtiger Brücken und Bundesfernstraßen“ [5] wird deshalb ein Lösungsansatz verfolgt, der bereits vor der Optimierung kritische Kombinationen von Netzelementen identifiziert und für diese mittlere tägliche Nutzerkosten berechnet, welche dann innerhalb des Optimierungsverfahrens zur Abschätzung der sich insgesamt ergebenden Nutzerkosten verwendet werden.

4.2.3 Ableitung geeigneter Lösungskandidaten

Unabhängig von der gewählten Methode zur Berechnung nicht-additiver Kosten und Nutzen ist die Berechnung in jedem Fall deutlich aufwendiger als im linearen Fall, so dass grundsätzlich bei gleicher Rechenzeit nur eine deutlich kleinere Zahl von Lösungskandidaten betrachtet werden kann. Der Wegfall der Additivitäts-Voraussetzung bedeutet zudem, dass darauf auf- bauende Funktionen zur Berechnung unterer oder oberer Grenzen für den ausgehend von einer Teillösung erreichbaren Gesamtnutzen nicht mehr anwendbar sind. Damit funktionieren dann wiederum Branch-and-Bound-Verfahren, die solche Grenzen verwenden, nicht mehr oder müssen einen deutlich größeren Lösungsraum durchsuchen. Bei reinen Minimierungs- oder Maximierungsaufgaben vergrößert sich der Lösungsraum unabhängig davon durch den Wegfall der Budgetrestriktionen.

Ein Lösungsansatz, der auch in den genannten Projekten ([4], [5]) verfolgt und hier vorgestellt wird, besteht deshalb in der Entwicklung von Heuristiken zur Konstruktion vielversprechender Lösungen bzw. zur Einschränkung des Lösungsraums. Eine einfache Heuristik besteht in der Vermeidung von als kritisch identifizierten Kombinationen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht Teil einer optimalen Gesamtlösung sind. Dieses Vorgehen setzt allerdings ein quantifizierbares Kritikalitätsmaß voraus. Eine andere Vorgehensweise besteht darin, Gruppen von- einander abhängiger Maßnahmen zu isolieren, für diese möglichst gute Teillösungen zu finden, und anschließend nur noch nach Kombinationen dieser gegenseitig unabhängigen Teillösungen zu suchen, so dass sich wiederum ein Rucksackproblem ergibt.

5 Ertüchtigungsplanung für Brücken auf Netzebene

5.1 Projektziele

Mittlerweile hat ein großer Teil der Brücken des Bundesfernstraßennetzes ein Alter von mehr als 40 Jahren erreicht. Diese Bauwerke weisen neben den bauart- und altersbedingten Defiziten eine Tragfähigkeit auf, die den Anforderungen des heutigen und zukünftigen Verkehrs dauerhaft nicht mehr voll genügt, was insbesondere auf die starke Zunahme des Güterverkehrs zurückzuführen ist. Aus diesem Grund müssen in absehbarer Zeit zahlreiche Bauwerke verstärkt oder gar erneuert werden.

Dabei ist, um angesichts der zu erwartenden hohen Anzahl von Maßnahmen an wichtigen Brücken einen Kollaps des Systems Straße zu vermeiden, eine netzbezogene Planung der erforderlichen Maßnahmen unabdingbar. Im Rahmen des hier vorgestellten Forschungsprojektes 15.0616/2015/NRB „Entwicklung einer Methodik für eine optimierte Planung von Ertüchtigung und/oder Ersatz wichtiger Brücken der Bundesfernstraßen“ [5] der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) sollte deshalb eine Methodik entwickelt werden, die ausgehend von den Handlungsoptionen auf Objektebene die Ableitung optimaler Ertüchtigungspläne auf der Netzebene unterstützt. Der Fokus lag dabei auf besonders kritischen Netzelementen wie etwa Rheinquerungen.

5.2 Ansatz

Im Projekt wurden ausgehend von einer umfangreichen Literaturstudie und der Analyse vorhandener Methodiken und Ansätze zunächst die Probleme der Vorselektion, d.h. der frühzeitigen Identifikation kritischer Bauwerke mit Tragfähigkeitsdefiziten, und der Analyse von Ertüchtigungsoptionen am Objekt behandelt (siehe Bild 1). Letztere beinhaltet nicht nur die Festlegung geeigneter Ertüchtigungsoptionen wie etwa Verstärkung oder Ersatzneubau, sondern auch die gesamtwirtschaftliche Bewertung aller unterschiedlichen baulich möglichen Alternativen, die sich aus den verschiedenen Optionen in Verbindung mit den jeweils möglichen Realisierungsjahren ergeben.

Bild 1: Ertüchtigungsplanung

Bei der Bewertung der Alternativen in Form einer Nutzen-Kosten-Analyse wurden Kosten, Restwerte am Ende des Bewertungszeitraums und Nutzerkosten im Bewertungszeitraum berücksichtigt, wobei bei den Nutzerkosten sowohl zusätzliche Nutzerkosten in Folge von Baustellen während der Durchführung von Maßnahmen als auch etwaige nach der Durchführung von Maßnahmen entfallene Verkehrseinschränkungen berücksichtigt wurden. Dabei wurde als Vergleichsfall immer das Ausgangsnetz zu Beginn des Bewertungszeitraums verwendet und somit bei der Bewertung der Alternativen an einem Bauwerk implizit angenommen, dass keine sonstigen Maßnahmen an anderen Brücken durchgeführt werden. Das Ergebnis der Analyse bestand für jedes Bauwerk in Reihungen der jeweiligen Alternativen nach den Kriterien „Nutzen-Kosten-Verhältnis“ und „Nutzen-Kosten-Differenz“.

Im Anschluss an die objektbezogene Analyse von Ertüchtigungsoptionen sollte im nächsten Schritt ein Verfahren zu optimalen Auswahl der zur Verfügung stehenden Alternativen entwickelt werden. Im Gegensatz zu anderen Aufgabenstellungen der Erhaltungsplanung erwies sich hierbei die Modellierung als Rucksackproblem entsprechend Kapitel 3 als nicht angemessen, da die mit einer Kombination von Alternativen an unterschiedlichen Brücken verbundenen Nutzerkosten häufig nicht der Summe der auf Objektebene berechneten Nutzerkosten der Alternativen entsprechen. Dies gilt insbesondere auch für die im Projekt beispielhaft betrachteten Rheinquerungen, bei denen angesichts der Schwere und Dauer der mit Ertüchtigungsmaß- nahmen verbundenen Verkehrseinschränkungen bei der Bewertung auf Objektebene von Verkehrsverlagerungen auf andere Rheinbrücken ausgegangen werden muss, was bei gleichzeitigen Maßnahmen an diesen anderen Brücken grundsätzlich so nicht möglich ist und in der Folge zu weiteren, zusätzlichen Nutzerkosten führt.

Hinzu kam, dass angesichts der hohen verkehrlichen Bedeutung der im Projekt betrachteten Brücken angenommen werden konnte, dass ausreichende finanzielle und andere Ressourcen für ihre Ertüchtigung bereitgestellt werden würden, so dass in der Optimierung keine Ressourcenbeschränkungen berücksichtigt werden mussten. Weiterhin konnte davon ausgegangen werden, dass die Wirtschaftlichkeit der zur Auswahl stehenden Alternativen bereits ausreichend auf der Objektebene berücksichtigt worden war, etwa indem Alternativen, die im Widerspruch zum Grundsatz einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung stehen, bereits dort ausgeschlossen wurden.

Im Ergebnis bestand das Ziel der Optimierung in der Maximierung des Gesamtnutzens GN als Differenz zwischen den Restwerten und den mit den gewählten Alternativen verbundenen Nutzerkosten NK:

Formel (6) und (7) siehe PDF.

Dabei bezeichnet n analog zu Kapitel 3 die Anzahl der Brücken und ni die Anzahl der Alternativen an der i’ten Brücke. Die Berechnung der Nutzerkosten NK wird im folgenden Abschnitt erläutert.

5.3 Berechnung der Nutzerkosten

Wie oben beschrieben entspricht der Wert der mit einer Menge ausgewählter Alternativen verbundenen Gesamtnutzerkosten nicht unbedingt der Summe der auf der Objektebene berechneten Nutzerkosten der einzelnen Alternativen. Dabei ist für die Berücksichtigung zusätzlicher oder ggf. niedrigerer Nutzerkosten im Fall der Gleichzeitigkeit von Maßnahmen an zwei oder mehr Brücken der Zeitpunkt der Maßnahmendurchführung bzw. der damit verbundenen Verkehrseinschränkungen von entscheidender Bedeutung.

Zur Berechnung der Nutzerkosten wurde deshalb eine periodenbezogene Betrachtung gewählt, d. h. die Gesamtnutzerkosten NK wurden als Summe der in den nP-Perioden des Betrachtungszeitraums auftretenden periodenbezogenen Nutzerkosten NKP berechnet:

Formel (8) siehe PDF.

Aufgrund der unterschiedlichen Dauern der Maßnahmen können auch innerhalb einer Periode Phasen mit und ohne Überlappung der Maßnahmen an verschiedensten Bauwerken auftreten. Geht man von einer Periodendauer von nK-Tagen aus, so setzen sich die Nutzerkosten einer Periode aus den an den verschiedenen Tagen der Periode auftretenden Nutzerkosten NKpk zusammen:

Formel (9) siehe PDF.

Für jeden Tag wurden die auftretenden Maßnahmen analysiert und etwaige Konflikte, d. h. das gleichzeitige Auftreten von Maßnahmen an abhängigen Brücken, bewertet. Eine Brücke B wurde dabei als von einer Brücke A abhängig angesehen, wenn sich der Verkehr auf B bei einer Verkehrseinschränkung auf A (und ohne Einschränkung auf B) wesentlich erhöht. Ausgehend von den im Netz enthaltenen Brücken wurden die folgenden Fälle unterschieden:

- Brücke ohne Maßnahme:

Es treten keine zusätzlichen Nutzerkosten auf, d. h. die Nutzerkosten der Periode erhöhen sich nicht.

- Brücke mit Maßnahme, aber keine Maßnahme auf allen abhängigen Brücken:

Die zusätzlichen Nutzerkosten werden zu den Nutzerkosten der Periode addiert.

- Brücke mit Maßnahme und gleichzeitige Maßnahme(n) an mindestens einer von ihr abhängigen Brücke:

Es werden alle direkt oder indirekt abhängigen Brücken mit Maßnahmen ermittelt. Anschließend werden die zusätzlichen täglichen Nutzerkosten der sich so ergebenden Kombination aus der dafür zuvor durchgeführten verkehrlichen Wirkungsanalyse (siehe unten) übernommen.

Die zusätzlichen Nutzerkosten der Kombination werden zu den Nutzerkosten der Periode addiert. Dieser Schritt wird pro auftretender Kombination nur einmal durchgeführt.

Im Prinzip wurde also für jede Phase eine disjunkte Aufteilung der Bauwerksmenge B in Brücken ohne Maßnahmen BO, unabhängige Brücken mit Maßnahmen BU und ggf. mehrere Gruppen untereinander abhängiger Brücken BA vorgenommen:

Formel (10) siehe PDF.

Die Nutzerkosten ergaben sich dann aus der Summe der Beiträge der einzelnen Teilmengen:

Formel (11) siehe PDF.

Insgesamt ergab sich eine im Vergleich zum unabhängigen Fall deutlich kompliziertere und rechenzeitaufwändigere Berechnung.

5.4 Verkehrliche Wirkungsanalyse

Voraussetzung für die oben skizzierte Berechnung der Nutzerkosten war die Durchführung aufwendiger verkehrsmodellgestützter Analysen, mit denen zunächst Kombinationen verkehrlich abhängiger Brücken identifiziert und anschließend tägliche Nutzerkosten für gleichzeitige Maßnahmen an diesen Brücken berechnet wurden (siehe Bild 2).

Bild 2:Beispiele für Szenarien mit lokal begrenzten (links) und weiträumigen Verkehrsverlagerungen (rechts)

Außerdem wurden im Rahmen der verkehrlichen Analysen Kombinationen von maßnahmenbedingten Verkehrseinschränkungen identifiziert, die zu nicht akzeptablen Verkehrszuständen führen würden. Obwohl die Rechnungen zusätzlich auf maximal 3 gleichzeitige Verkehrseinschränkungen an unterschiedlichen Brücken begrenzt wurden, mussten für ein Beispiel mit 8 relevanten Brücken Nutzerkosten für mehr als 80 verkehrliche Szenarien berechnet werden, wobei auf leistungsfähiger PC-Hardware für jedes Szenario eine Rechenzeit von ca. 2 h erforderlich war.

Für größere Anzahlen von Brücken ist es deshalb unbedingt notwendig, die Anzahl der notwendigen verkehrlichen Simulationen zu begrenzen, wobei sich einfache Kriterien wie etwa die Entfernung zwischen Brücken als allein nicht ausreichend erwiesen haben.

5.5 Optimierung auf Netzebene

Für die Auswahl der Ertüchtigungsalternativen auf der Netzebene wurde ein Branch-and- Bound-Verfahren entwickelt, bei dem als Bound-Kriterium der ausgehend von einer gefundenen Teillösung (Auswahl je einer Alternative für einen Teil der Brücken) in einer davon abgeleiteten Gesamtlösung theoretisch maximal erreichbare Nutzen verwendet wird. Mit diesem Verfahren konnten in verschiedenen Validierungsrechnungen für kleinere Teilnetze mit weniger als 10 Brücken nicht nur bezüglich der Zielfunktion optimale, sondern vor allem auch fachlich plausible Ertüchtigungsprogramme abgeleitet werden.

Das Fehlen von Budget- und anderen Kapazitätsrestriktionen führte jedoch dazu, dass ein sehr großer Lösungsraum, dessen Größe exponentiell mit der Anzahl der Brücken zunimmt, durchsucht werden muss, so dass das Verfahren für die im Projekt ursprünglich anvisierte Zahl von etwa 50 Brücken nicht geeignet wäre. Für die Anwendung auf Teilnetze mit einer größeren Anzahl von Brücken müssen deshalb zusätzliche Kriterien zur Verkleinerung des Lösungs- gen, in der Optimierung der Reihenfolge der Lösungssuche und in der Entwicklung von Heuristiken zum Verwerfen von (Teil-) Lösungen.

6 Koordination von Neubau-, Ausbau- und Erhaltungsplanung

6.1 Projektziele

Im Rahmen des Forschungsprojektes 29.0328/2013/BMVI „Entwicklung von Bewertungskriterien und einer Optimierungsstrategie zur Priorisierung voneinander abhängiger Bauprojekte an Straßen- und Ingenieurbauwerken“ des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) sollte eine Vorgehensweise entwickelt werden, die eine hinsichtlich der verkehrlichen Auswirkungen optimierte Abwicklung von Baumaßnahmen auf einem einzelnen betrachteten Streckenzug ermöglicht. Das bedeutet, dass unabhängig voneinander geplante und priorisierte Maßnahmen aus den Bereichen Neu- und Ausbauplanung (Bedarfsplan), Erhaltungsplanung Strecke und Erhaltungsplanung Brücke unter Berücksichtigung der aktuell laufenden systematischen Brückenertüchtigungsplanung miteinander verknüpft und so priorisiert werden, dass sich eine insgesamt Nutzerkosten-optimale Durchführungsreihenfolge ergibt.

6.2 Ansatz

Das Ziel der Priorisierung besteht also in der Festlegung der Ausführungszeitpunkte der verschiedenen Maßnahmen und nicht in der Maßnahmenauswahl. Allerdings kann der Fall eintreten, dass Erhaltungsmaßnahmen für Fahrbahnabschnitte oder Brücken entfallen können, wenn innerhalb bestimmter Zeiträume Maßnahmen zum Streckenausbau bzw. zur Brückenerweiterung durchgeführt werden. Dadurch können nicht nur Baukosten eingespart, sondern auch zusätzliche Nutzerkosten durch unnötige Baustellen vermieden werden.
Das größte Optimierungspotenzial zur Minimierung negativer verkehrlicher Wirkungen liegt in der Bündelung von Maßnahmen, d.h. in der Bildung gemeinsamer Baustellen für Maßnahmen, die örtlich nahe zusammen liegen und deren Ausführungszeiträume sich überlappen, da so in der Summe kürzere Baustellenzeiten bzw. niedrigere zusätzliche Nutzerkosten erreicht werden können. Außerdem besteht auch hier die Möglichkeit, (Baustellen-) Kosten einzusparen.

Bild 3: Vergehensweise zur Priorisierung von Maßnahmen (vereinfacht)

Wie Bild 3 zeigt, wurde für die Priorisierung eine dreistufige Vorgehensweise gewählt.

Dazu wird der jeweils betrachtete Streckenzug in verkehrlich eigenständige Abschnitte wie etwa Bereiche zwischen Autobahnanschlussstellen eingeteilt. Für jeden dieser Bereiche wird im ersten Schritt eine Menge von Abschnittslösungen, die als „Projekte“ bezeichnet werden, erzeugt. Im zweiten Schritt werden diese Projekte bewertet, so dass im nachfolgenden Optimierungsschritt für jeden Abschnitt eine Menge von alternativen Projekten mit Kosten und Nutzen vorliegt und die im dritten Schritt zu lösende Optimierungsaufgabe in der optimalen Auswahl jeweils genau eines Projektes je Abschnitt besteht. Dabei wird vereinfachend angenommen, dass die verschiedenen Abschnitte verkehrlich weitgehend unabhängig sind, so dass das Optimierungsproblem als mehrdimensionales Multi-Choice Rucksackproblem modelliert werden kann.

6.3 Berechnung von Abschnittslösungen

Der anspruchsvollste Teil des Verfahrens besteht in der Berechnung der Projekte. Dabei sollen mit Blick auf den späteren Optimierungsschritt einerseits möglichst wenige Alternativen erzeugt werden, andererseits sollen diese auch eine hohe Qualität besitzen, d.h. niedrige Nutzerkosten und möglichst auch niedrige Baukosten aufweisen. Hinzu kommt, dass es in Hinblick auf eine gleichmäßige Kostenverteilung des Gesamtprojektes bzw. die Einhaltung jährlicher Budgetgrenzen wünschenswert ist, auf der Abschnittsebene Alternativen zu erzeugen, die sich in der Kostenverteilung unterscheiden.

Bild 4: Verfahren zur Berechnung von Abschnittslösungen

Zur Erfüllung der Anforderungen wurde ein mehrstufiges Verfahren entwickelt (siehe Bild 4), das einen heuristischen Ansatz zur Bündelung von Maßnahmen mit einer systematischen Aufzählung der möglichen Jahre für unterschiedliche Arten von Maßnahmen kombiniert.

Nach der Datenaufbereitung wird zunächst versucht, räumlich zusammenliegende und zeitlich kompatible Maßnahmen zu Bündeln zusammenzufassen. Jedes so gebildete Bündel ist durch eine räumliche Ausdehnung (Stationierungsbereich) und einen Eingreifzeitraum gekennzeichnet, wobei sich der Eingreifzeitraum aus der Schnittmenge der Eingreifzeiträume der enthaltenen Maßnahmen ergibt. Danach werden systematisch unterschiedliche Lösungen für Teilabschnitte, d.h. Streckenbereiche mit gleichem Querschnitt, gebildet, indem den zu einem Teilabschnitt gehörenden Bündeln jeweils andere, aber innerhalb jedes so gebildeten „Teilprojektes“ möglichst gleiche Ausführungsjahre zugewiesen werden. Zum Schluss werden die Teilprojekte zu Abschnittslösungen kombiniert, wobei versucht wird, jeweils Teilprojekte mit gleichen Ausführungsjahren zusammenzufassen.

Innerhalb des Verfahrens wird unter anderem sichergestellt, dass objektbezogene Vorgaben wie etwa Eingreifzeiträume für Erhaltungsmaßnahmen zwingend eingehalten werden, wenn davon nicht beispielsweise aufgrund bestimmter Randbedingungen abgewichen werden darf (z.B. Wegfall von Erhaltungsmaßnahmen bei zeitnaher Durchführung von Ausbaumaßnahmen).

6.4 Umsetzung

Die oben skizzierte allgemeine Vorgehensweise zur Priorisierung unabhängig erzeugter Maßnahmen wurde konkretisiert und prototypisch in Excel implementiert, wobei als Optimierungsverfahren ein Branch-and-Bound-Ansatz gewählt wurde, bei dem als Bound-Kriterium der aus- gehend von einer gefundenen Teillösung (Auswahl von Projekten für einen Teil der Abschnitte) in einer davon abgeleiteten Gesamtlösung maximal erreichbare Nutzen bzw. die minimalen zu erwartenden Nutzerkosten verwendet wird. Im Rahmen einer Beispielanwendung konnten für einen Autobahnabschnitt mit 28 Abschnitten, 40 Teilabschnitten und insgesamt mehr als 300 Maßnahmen erste erfolgreiche Testrechnungen durchgeführt werden.

7 Zusammenfassung und Bewertung

Im vorliegenden Beitrag wurden zwei aktuelle Problemstellungen der Erhaltungsplanung vorgestellt, die dadurch gekennzeichnet sind, dass Abhängigkeiten zwischen verschiedenen auszuwählenden Alternativen bestehen, die in der Optimierung nicht vernachlässigt werden dürfen. Dabei muss bezüglich der vorgestellten Lösungsansätze darauf hingewiesen werden, dass es sich nicht um abgestimmte, einsatzfähige Verfahren, sondern um erste Ergebnisse aus Forschungsprojekten handelt, die als Grundlagen für künftige Verfahren dienen können.

Im Projekt zur Ertüchtigungsplanung auf Netzebene wurde eine neue Methodik entwickelt, mit der ausgehend von den Optionen auf der Objektebene systematisch baulich und verkehrlich sinnvolle und gesamtwirtschaftlich optimale Ertüchtigungsprogramme abgeleitet werden können. Als problematisch erwies sich dabei die Berechnung der Nutzerkosten mit Hilfe aufwendiger verkehrlicher Simulationen für eine prinzipiell exponentiell mit der Anzahl der Brücken zunehmende Anzahl von Kombinationen von Verkehrseinschränkungen. Hier muss für größere Anzahlen von Brücken die Anzahl der Berechnungen begrenzt werden, indem nur bestimmte Kombinationen berechnet werden und künftig Nutzerkosten für andere Kombinationen inner- halb der Optimierung auf der Netzebene mit Hilfe von Näherungsverfahren aus den bekannten Kombinationen approximiert werden.

Außerdem ist es notwendig, das Problem der Größe des in diesem Anwendungsfall nicht durch Ressourcenbeschränkungen eingeschränkten Lösungsraums zu lösen. Vielversprechende Ansätze bestehen in der Reduktion der Anzahl der Alternativen auf Objektebene und in der Einbeziehung heuristischer Ansätze in das Optimierungsverfahren.

Im Rahmen des Projektes zur Priorisierung von Bauprojekten sollten erstmals verkehrliche Abhängigkeiten zwischen verschiedenen unabhängig voneinander geplanten Maßnahmen in einem systematischen übergreifenden Verfahren berücksichtigt werden. Durch die Einteilung des Streckenzugs in unabhängige Abschnitte ist es gelungen, die damit verbundenen theoretischen Probleme der Nicht-Additivität sowohl der Kosten als auch der Nutzen bzw. Nutzerkosten in die Erzeugung von Abschnittslösungen zu verlagern und so von der eigentlichen Optimierung zu trennen. Erst damit konnte das Optimierungsproblem als mit vertretbarem Aufwand lösbares Rucksackproblem modelliert werden.

Nachdem inzwischen erste Optimierungsergebnisse für praxisnahe Problemgrößen vorliegen, ist allerdings als nächstes zu untersuchen, in welchen Fällen dieses Vorgehen zu guten Ergebnissen führt und wann bzw. in welchem Maße Anhängigkeiten zwischen Abschnitten berücksichtigt werden müssen. Bereits bekannte Probleme, die durch Erweiterung des Verfahrens gelöst werden müssen, betreffen beispielsweise die Handhabung abschnittsübergreifender Baustellen und die Sicherstellung von Vorgaben für Mindestabstände („Erholungsstrecken“) zwischen Baustellen in aneinander angrenzenden Abschnitten.

8 Ausblick

Die hier dargestellten Randbedingungen und Probleme bei der Aufstellung optimierter Erhaltungspläne weisen eine Komplexität auf, die Lösungsverfahren mit in anwenderfreundlicher Rechenzeit nur für Teilnetze oder Korridore möglich erscheinen lassen. Damit ergibt sich natürlich die zusätzliche Aufgabenstellung, Teilnetze so zu schneiden, dass Abhängigkeiten zwischen Bauwerken bzw. Streckenabschnitten auf beiden Seiten einer Teilnetzgrenze durch diesen Schnitt nicht künstlich ignoriert werden, bzw. sicherzustellen, dass, wie im Beitrag angesprochen, maximale Baustellenlängen de facto nicht dadurch überschritten werden, dass ein Bauabschnitt auf zwei Teilnetze verteilt wird.
Wie unabwendbar und realistisch sind nun diese erschwerenden Randbedingungen? Vor dem Hintergrund, dass im Bundesverkehrswegplan 2030 bei Herausrechnung des Überhangs nach 2030 ca. 70% der investiven Mittel (rund 142 Mrd. Euro) für die Verkehrsinfrastrukturen für die Erhaltung bereit gestellt werden, ist die Situation fast unbeschränkter Finanzmitteln nicht ganz unrealistisch. Darüber hinaus ist die Maßnahmenklasse der Ertüchtigungen aufgrund verkehrlicher Bedeutung und baulicher Dringlichkeit so priorisiert, dass nicht von Restriktionen bei Budget oder Fachpersonal auszugehen ist. Hier ergibt sich das Wegfallen der Budgetgrenzen allein schon aus der Betrachtung einer Teilmenge aller Bauwerke, für die im Extremfall ein maximaler Anteil der gesamten Erhaltungsmittel bereitgestellt würde.

Zentraler Ansatz für die Lösung der aufgeworfenen Probleme ist also die Frage, ob sich die aus der Kombination von zeitgleich zu erhaltenden Streckenabschnitten und Bauwerken erwachsende Komplexität generell reduzieren lässt bzw. verkehrliche Abhängigkeiten mit wenig Rechenaufwand und guter Logik erkannt werden können. Ein wenig Erleichterung dürften die langwierigen Planungsprozesse auch im Bereich der Erhaltung verschaffen. Wird z.B. bei einer anstehenden Erneuerung gleichzeitig eine Erweiterung der Brücke um einen Fahrstreifen pro Richtung durchgeführt, so führt der hierfür erweiterte Bedarf an Grund und Boden bereits zu einem neuen Planfeststellungsverfahren.

Die hier geschilderten Problemerweiterungen durch die Kombination von Erhaltung mit Aus- und Neubau konzentrieren sich isoliert auf den Straßensektor. Selbstverständlich sind erweiterte Abstimmungen und Optimierungen notwendig und möglich, wenn Kreuzungsbauwerke verschiedener Verkehrsträger betrachtet werden. Der Beitrag zeigt insgesamt, dass die Erhaltungsplanung gegenüber dem reinen Aus- und Neubau ein viel interessanteres und anspruchsvolleres Betätigungsfeld darstellt. Er lädt damit ein, die diskutierten Lösungswege zügig weiterzuverfolgen und neue zu finden, um die vorhandenen umfangreichen Verkehrsnetze in ihrer Substanz für künftige Generationen zu erhalten.

9 Literatur

[1]    STADLER, A. (2006): Weiterentwicklung der Verfahren des BMS zur Optimierung der Erhaltungsplanung auf Netzebene. Schlussbericht FE-Projekt Nr. 15.399/ 2004/ HRB, Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), Bergisch Gladbach, 2006.

[2]    KELLERER, H.; PFERSCHY, U.; PISINGER, D. (2010). Knapsack Problems. Springer Verlag, Berlin-Heidelberg, 2010.

[3]    STADLER, A.; WALTHER, C. (2014). Strategien für die Projektauswahl bei beschränkten Budgets. 24. Verkehrswissenschaftliche Tage 2014, TU Dresden, Dresden, 2014.

[4]    FREITAG, N.; MAERSCHALK, G., STADLER, A. (2016). Optimierungsstrategie zur Priorisierung voneinander abhängiger Bauprojekte von Straßen- und Ingenieurbauwerken. Entwurf Schlussbericht FE-Projekt Nr. 29.0328/2013/BMVI, Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), Bonn, 2016, unveröffentlicht.

[5]    FREITAG, N.; KINDL, A.; STADLER, A.; WALTHER, C. (2016). Entwicklung einer Methodik für eine optimierte Planung von Ertüchtigung und/oder Ersatz wichtiger Brücken und Bundesfernstraßen. Schlussbericht FE-Projekt Nr. 15.0616/2015/NRB, Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), Bergisch Gladbach, 2016.