FGSV-Nr. FGSV 002/116
Ort Stuttgart
Datum 22.03.2017
Titel Schätzung von Kapazitätsbeschränkungsfunktionen anhand empirischer Verkehrsdaten
Autoren Dipl.-Ing. Robert Neuhold, Univ.-Prof. Dr. Ing. Martin Fellendorf
Kategorien HEUREKA
Einleitung

Kapazitätsbeschränkungsfunktionen (CR-Funktionen) werden in makroskopischen Verkehrsmodellen eingesetzt um die aktuelle Reisezeit einer Strecke anhand der Verkehrsstärke zu bestimmen. In der Regel werden hier Standardwerte für die Funktionsparameter verwendet. In der vorliegenden Arbeit werden neue, streckentyp-spezifische Parameter anhand empirischer Verkehrsdaten geschätzt. Dazu werden unterschiedliche Methoden hinsichtlich der verwendeten Datengrundlage (Querschnittsdaten, Floating-Car-Daten) herangezogen. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die Kapazität als wichtige Eingangsgröße einer CR-Funktion gelegt. Daher werden hier verschiedene Ansätze der Kapazitätsermittlung am Querschnitt einer Straße angewendet und diskutiert.

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1 Einleitung

In makroskopischen Verkehrsmodellen wird üblicherweise der Einfluss der aktuellen Verkehrsstärke auf die Streckenreisezeit unter Anwendung einer Widerstandsfunktion abgebildet. Diese Widerstandsfunktion ist direkt von der definierten Kapazität der Strecke abhängig, aus diesem Grund werden diese Funktionen auch Kapazitätsbeschränkungs funktionen genannt, bzw. sind die Begriffe aus dem Englischen „Volume-Delay-Functions“ und „Capacity-Restraint-Functions“ (kurz: CR-Funktionen) auch im deutschsprachigen Raum bekannt. Neben der Verkehrsstärke und der Kapazität, weisen diese CR-Funktionen als weitere Einflussgrößen noch die Streckenreisezeit im unbelasteten Netz (Nullreisezeit) sowie diverse Funktionsparameter auf. In makroskopischen Verkehrsmodellen werden üblicherweise Standard CR-Funktionen verwendet. Das heißt es werden oft nur Defaultwerte für die Funktionsparameter einer gewählten CR-Funktion herangezogen, die keinen oder nur groben Bezug auf die unterschiedlichen Straßenkategorien aufweisen.

Das Ziel in dieser Arbeit ist die Bestimmung neuer CR-Funktionen für verschiedene Straßenkategorien am hochrangigen Straßennetz. Die Schätzung der Funktionsparameter und die Ermittlung der Kapazität als Eingangswert für CR-Funktionen basieren dabei auf empirische Verkehrsdaten. Dabei werden verschiedene Methoden der Kapazitätsermittlung und Bestimmung von CR-Funktionen in Abhängigkeit von den verwendeten Daten erprobt die später in Abschnitt 2 beschrieben werden. In der Einleitung wird hier zuerst das Thema der Kapazitätsbestimmung auf hochrangigen Straßen (Autobahnen) diskutiert und anschließend wird auf die CR-Funktionen näher eingegangen und Typen davon vorgestellt.

1.1 Kapazität auf Autobahnen

Die Kapazität hat großen Einfluss auf das Ergebnis der geschätzten CR-Funktionen. Daher wird auf die Wahl der Kapazität in dieser Arbeit besonders großes Augenmerk gelegt. Die Kapazität einer Straße wird üblicherweise als die maximale Verkehrsstärke des Straßenquerschnittes definiert. Reale Untersuchungen zeigen jedoch, dass es sich bei der Kapazität einer Straße nicht um eine statische, sondern vielmehr um eine stochastische Größe (Kapazitätsverteilung) handelt, die von vielen Einflussfaktoren bzw. den Umgebungsbedingungen abhängig ist. Aus diesem Gesichtspunkt lassen sich auch unterschiedliche Methoden der Kapazitätsbestimmung ableiten, von denen je ein Verfahren zur Bestimmung einer statischen bzw. stochastischen Kapazität im Anschluss vorgestellt und später angewendet werden. Zuerst wird hier kurz auf die Kapazitätsangaben in den Richtlinien eingegangen, die in dieser Arbeit nur für Vergleichszwecke mit den ermittelten Kapazitäten an Autobahnquerschnitten herangezogen werden.

1.1.1 Angabe der Kapazität in Regelwerken

Die empirische Datenbasis umfasst Autobahnabschnitte im Ballungsraum Wien und München. Aus diesem Grund werden für den Vergleich der ermittelten Kapazitäten die entsprechenden Richtlinien aus Österreich und Deutschland betrachtet.

In Österreich finden sich dazu Angaben in der Richtlinie RVS 03.01.11 [1]. Dabei wird jedoch anstatt der Kapazität der Begriff Leistungsfähigkeit verwendet. Die Leistungsfähigkeit ist abhängig von der Anzahl der Fahrstreifen und dem Schwerverkehrsanteil und berechnet sich anhand von Formel 1 für Autobahn-Steigungsstrecken bis zu 2%. Für Strecken mit größerer Steigung werden Abminderungsfaktoren in der Richtlinie angegeben.

Formel (1) siehe PDF.

In Deutschland werden Kapazitätswerte für Autobahnen im Teil A3 des Handbuchs für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen (HBS 2015, [2]) angegeben. Folgende Einflussgrößen auf die Kapazität werden dabei im HBS 2015 berücksichtigt:

·  Anzahl der Fahrstreifen

·  Längsneigung

·  Geschwindigkeitsregelung

·  Lage in Bezug zu Ballungsräumen

·  Bemessungsrelevanter Schwerverkehrsanteil

Unter Berücksichtigung der Einflussgrößen gibt das HBS zwei Tabellen mit Kapazitätswerten gültig für 1-Stunden-Intervalle an. Die erste Tabelle bezieht sich dabei auf Steigungsstrecken bis zu 2%, wobei hier zusätzlich in Gruppen mit verschiedener Geschwindigkeits beschränkung bzw. Abschnitte mit temporärer Seitenstreifenfreigabe klassifiziert wird. Die zweite Tabelle im HBS gibt Kapazitätswerte für Autobahnstrecken mit höherer Steigung von 3%, 4% und 5% an.

Bei der Kapazitätsberechnung in den österreichischen und deutschen Richtlinien ist auf die Wahl eines repräsentativen Schwerverkehrsanteils zu achten. Der Mittelwert sollte hier nicht herangezogen werden, da hohe Verkehrsspitzen (Erreichung der Kapazität) besonders durch den Pkw-Verkehr verursacht werden. In Anlehnung an [3] wird dazu folgender Ansatz je Querschnitt gewählt: Zuerst wird der Median der Schwerverkehrsanteile der 100 höchsten stündlichen Verkehrsstärken bestimmt. Danach erfolgt die Filterung, es werden nur Datenpunkte miteinbezogen, deren Schwerverkehrsanteil um maximal 5% von dem mittleren Schwerverkehrsanteil abweichen. Der repräsentative Schwerverkehrsanteil ist schließlich der Median der Schwerverkehrsanteile der gefilterten Datenpunkte je Querschnitt.

1.1.2  Kapazität auf Basis Fundamentaldiagramm

Das Fundamentaldiagramm beschreibt grundlegend die Zusammenhänge zwischen den drei Kenngrößen Verkehrsstärke q, Verkehrsdichte k und momentaner Geschwindigkeit v. Dabei sind die unterschiedlichen Zustände des Verkehrsflusses zu beachten (freier, teilgebundener und gebundener Verkehr). Ein praktikables Modell zur Beschreibung aller drei Verkehrszustände ist von van Aerde entwickelt worden, basierend auf einem dreigliedrigen Ansatz für die Weglücke zwischen aufeinander folgenden Fahrzeugen. Dabei wird die Verkehrsdichte in Abhängigkeit der momentanen Geschwindigkeit ausgedrückt (Formel 2):

 Formel (2) siehe PDF.

Sind empirische Wertepaare von Verkehrsdichte und momentaner Geschwindigkeit verfügbar (bzw. kann die Verkehrsdichte über die fundamentale Beziehung q=v*k ermittelt werden), dann können unter Anwendung des van Aerde Modells mittels Regressionsanalyse die drei Funktionsparameter bestimmt werden und damit die Punktwolke an Daten in der k-v Ebene durch einen stetigen Kurvenverlauf repräsentiert werden. Die Kapazität auf Basis Fundamentaldiagramm tritt dann genau am Wendepunkt der Regressionskurve auf bzw. entspricht dies dem Scheitelpunkt der Kurve bei Transformation der Daten in die q-v-Ebene.

1.1.3  Kapazitätsverteilung mit der Statistik zensierter Daten

In der Realität tritt die Kapazität einer Straße nicht immer bei der gleichen Verkehrsstärke auf, sie ist eine Zufallsgröße die neben dem Querschnitt der Straße (Geschwindigkeitslimit, Anzahl Fahrstreifen, Fahrstreifenbreite, Längsneigung) auch von variablen Umgebungs-bedingungen abhängig ist (Fahrverhalten einzelner Fahrzeuge, Fahrzeugzusammensetzung, Wetter etc.). Daher ist es naheliegend die Kapazität nicht über eine fixe Größe zu definieren, sondern vielmehr über eine Verteilungsfunktion anzugeben.

Zur Ermittlung einer stochastischen Kapazität kann die Statistik zensierter Daten angewendet werden (vgl. [4], [5]). Dabei werden anfangs alle beobachteten Verkehrsstärken einer Klasse zugeordnet (fließender Verkehr, Zusammenbruch, Stau oder Rückstau). Für die Ermittlung der Kapazitätsverteilung werden nur Verkehrsstärken der Klasse des fließenden Verkehrs (zensierte Daten) und des Zusammenbruches (unzensierte Daten) herangezogen. Die Berechnung der Verteilungsfunktion kann parametrisch oder nicht parametrisch erfolgen. Eine bewährte nicht parametrische Methode für die Bestimmung der Verteilungsfunktion Fc(q) ist die sogenannte Product-Limit-Methode (PLM), die auf der Theorie der Analyse von Lebensdauerdaten (Erneuerungstheorie) beruht (Formel 3):

Formel (3) siehe PDF.

Das Ergebnis der Product-Limit-Schätzung ist die Einbruchswahrscheinlichkeit für jede Verkehrsstärke die einen Zusammenbruch nach sich geführt hatte. Für eine durchgehende Kapazitätsverteilung ist es sinnvoll eine geeignete Verteilungsfunktion vorzugeben und die Parameter dieser Funktion auf Basis der verteilungsfreien Product-Limit-Schätzung zu ermitteln (parametrische Verteilungsfunktion). Ein passender Funktionstyp mit den entsprechenden Parametern kann mit der Maximum-Likelihood-Schätzung bestimmt werden. Die Likelihood-Funktion erhält ihr Maximum bei Verwendung der Weibull-Verteilung (vgl. [4]). Daher wurde in den Auswertungen die Weibull-Funktion gewählt und dessen Parameter mit der Maximum-Likelihood Methode geschätzt.

Entscheidend bei dieser Methode ist die Definition eines Verkehrszusammenbruches (Intervall vor Entstehung eines Staus). Dies erfolgt über die Wahl einer Grenzgeschwindigkeit, das heißt Intervalle oberhalb dieser Grenze befinden sich im fließenden Verkehr. Außerdem muss für einen Zusammenbruch eine bestimmte Differenzgeschwindigkeit zum davor befindlichen Intervall gegeben sein. In den vorliegenden Auswertungen wurde die Grenzgeschwindigkeit individuell je Querschnitt auf Basis des q-v Diagrammes gewählt und bewegt sich im Bereich zwischen 65 und 90 km/h. Die Differenzgeschwindigkeit wurde pauschal mit 10 km/h definiert.

1.2  Kapazitätsbeschränkungsfunktionen (CR-Funktionen)

CR-Funktionen geben die Reisezeit einer Strecke in Abhängigkeit von der vorherrschenden Verkehrsstärke an. Eine CR-Funktion kann zerteilt werden in fixe Einflussgrößen (Nullreisezeit und Kapazität), variable Einflussgrößen (Verkehrsstärke) und Funktionsparameter. Je nach Typ der CR-Funktion ergeben sich unterschiedliche Konstellationen dieser Teile. Drei verschieden Typen an CR-Funktionen (BPR, Conical Spiess, Akcelik) werden im Folgenden vorgestellt die in der Verkehrsplanung und Verkehrstechnik häufig eingesetzt werden. Die CR-Funktion mit der vermutlich größten Verbreitung in Verkehrsmodellen ist die parabolische BPR-Funktion in der folgenden Form:

Formel (4) siehe PDF.

Die BPR-Funktion weist in der Regel zwei Funktionsparameter (α, β) auf. Seit der Veröffentlichung der Funktion 1964 wurden die ursprünglichen Parameterwerte (α = 0.15, β = 4) für diverse Anwendungen entsprechend abgeändert bzw. empirisch geschätzt (vgl. [6]).

Spiess veröffentlichte 1990 eine neue Art der CR-Funktion, die konischen Funktionen, mit dem Ziel bekannte Nachteile der BPR-Funktion zu umgehen (vgl. [7]). Geometrisch gesehen handelt es sich dabei um eine hyperbolische Kurve mit der folgenden Form:

Formel (5) siehe PDF.

Formel (6) siehe PDF.

Die Conical-Spiess Funktion weist zwei Parameter auf (α, β), jedoch kann der Parameter β durch den Parameter α ausgedrückt werden, wodurch im Endeffekt nur ein Parameter angegeben bzw. geschätzt werden muss. Die Elemente der CR-Funktion können ähnlich der BPR-Funktion in Bezug auf das Stauverhalten einer Strecke interpretiert werden, C benennt die Kapazität und α die Steigung der Kurve.

Akcelik veröffentliche im Jahr 2000 eine modifizierte, zeitabhängige Form der Davidson Funktion, um auftretende Probleme bei der Kalibrierung der originalen Davidson Funktion zu vermeiden (vgl. [8]). Akcelik verwendete dabei die Koordinaten-Transformations-Technik. Die Akcelik Funktion kann dabei sowohl für die Berechnung von Knoten als auch Streckenwiderstände (Verlustreisezeit) herangezogen werden. Eine Anwendung der Funktion ist neben Autobahnen und Freilandstraßen somit auch im städtischen Bereich mit einer hohen Anzahl und Dichte an plangleichen Knotenpunkten (z.B. Lichtsignalanlagen) denkbar (vgl. [9]). Die Akcelik Funktion hat die folgende Form (Formel 7):

Formel (7) siehe PDF.

Im Gegensatz zur BPR und Conical-Spiess Funktion ist die Akcelik Funktion zeitabhängig (Faktor T), das heißt je nach Aggregationsintervall der Eingangsdaten (Verkehrsstärke) ändert sich die Form der Kurve. Die Akcelik-Funktion beinhaltet nur einen zu schätzenden Funktionsparameter (JA).

Neben den hier vorgestellten CR-Funktionen (BPR, Conical-Spiess, Akcelik) werden noch weitere Typen in makroskopischen Verkehrsmodellen angewendet. Dabei werden zumeist Standardwerte für die jeweiligen Funktionsparameter anstatt wissenschaftlich oder empirisch belegter Eingangswerte in Abhängigkeit der Straßenkategorie verwendet. Diverse Studien setzten sich schon mit der Schätzung von CR-Funktionen für vereinzelte Streckentypen zur Anwendung in makroskopischen Verkehrsmodellen auseinander (beispielsweise in [6]).

In diesem Forschungsvorhaben werden für das hochrangige Straßennetz (Autobahnen und Schnellstraßen) neue Parameter für CR-Funktionen auf Basis empirischer Verkehrsdaten für verschiedene Streckentypen ermittelt, mit dem Ziel die Ergebnisse makroskopischer Verkehrsmodelle dadurch zu verbessern. Dabei werden vornehmlich querschnittsbezogene Verkehrsdaten von Autobahnen herangezogen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der bedachten Wahl der Kapazität als Eingangswert für die CR-Funktion. Dazu werden die zwei vorhin vorgestellten Ansätze der Kapazitätsermittlung angewendet.

2 Methodik

Die Methodik gliedert sich in mehrere Ebenen mit dem Endziel Parameter einer CR-Funktion auf Basis empirischer Daten zu schätzen. Dazu werden drei verschiedene Methoden angewendet die sich hinsichtlich der verwendeten Datenbasis unterscheiden.

2.1 Methoden zur Bestimmung von CR-Funktionen

Zur Bestimmung von CR-Funktionen werden hier drei unterschiedliche Methoden in Abhängigkeit der verwendeten Verkehrsdaten verfolgt (siehe Bild 1). In der Methode A werden nur querschnittsbezogene Daten von Autobahnen herangezogen, somit besteht das Resultat aus geschätzten CR-Funktionsparametern je Autobahnquerschnitt. Methode B nutzt aufgezeichnete Trajektorien von im Verkehr mitschwimmenden Fahrzeugen, sogenannte Floating-Car-Daten (kurz: FCD). Methode C verwendet virtuelle Floating-Car-Daten (vFCD) zur Bestimmung von CR-Funktionen. Diese vFCD werden abgeleitet aus einer vollständigen raumzeitlichen Verkehrslagerekonstruktion auf Basis von Querschnittsdaten. Methode B und C bauen demnach auf streckenbezogene Verkehrsdaten auf (reale bzw. virtuelle Fahrzeugtrajektorien), somit ist das Ergebnis auch eine CR-Funktonen je Autobahnabschnitt.

Bild 1: Methoden zur Generierung von CR-Funktionen für Autobahnen

Zuerst werden in Abschnitt 2.2 die Methode A auf Basis lokaler Querschnittsdaten und dann anschließend in Abschnitt 2.3 die Methoden B und C auf Basis streckenbezogener Verkehrsdaten vorgestellt.

2.2  CR-Funktionen auf Basis lokaler Querschnittsdaten

Die Methode A basierend auf lokalen Querschnittsdaten (QSD) gliedert sich in drei sequentielle Schritte wobei sich der 2. Schritt in die zwei Teilbereiche Ermittlung fixer bzw. variabler Eingangsgrößen für CR-Funktionen unterteilt (siehe Bild 2).

Bild 2: Ablaufschema Methode A: CR-Funktionen auf Basis lokaler Querschnittsdaten

Schritt 1: Datenquelle

Als Grundlage in der Methode A werden minutenfeine Verkehrsdaten (lokale KFZ Geschwindigkeit, KFZ-Verkehrsstärke q) von Autobahnmessquerschnitten herangezogen. Die Datengrundlage teilt sich auf zwei Untersuchungsgebiete auf (Ballungsraum Wien und München). Im Wiener Raum sind Daten von insgesamt 87 Richtungsquerschnitten vom 1.

Halbjahr 2012 aufgeteilt auf 4 Streckenabschnitte (Autobahn A2, A4, A23 und Schnellstraße S1) und beide Fahrtrichtungen verfügbar. Im Ballungsraum München stehen Daten vom 1. Halbjahr 2014 von 30 Richtungsquerschnitten vom Autobahnring A99 aufgeteilt auf beide Fahrtrichtungen zur Verfügung. Für die weitere Bearbeitung wird die lokale Geschwindigkeit anhand des in [10] (S. 56) beschriebenen Zusammenhanges mit dem Umrechnungsfaktor 0,974 in die mittlere momentane Geschwindigkeit v umgerechnet. Zur Berücksichtigung des Schwerverkehrs wird die Verkehrsstärke q in Pkw-Einheiten herangezogen (1 Lkw entspricht 2 Pkw-Einheiten). Die Größen q und v werden neben dem bestehenden Minutenintervall für die weiteren Auswertungen in weitere Intervalle aggregiert (5, 15 und 60 Minuten).

Schritt 2a: Fixe Eingangsgrößen für CR-Funktionen

Die fixen Eingangsgrößen einer CR-Funktion sind die Reisezeit im unbelasteten Netz (Nullreisezeit) und die Kapazität der Strecke. Die beiden Größen werden fix je Querschnitt und je Aggregationsintervall (1, 5, 15, 60 Minuten) definiert. Die Nullreisezeit spiegelt die Reisezeit bei freiem Verkehrsfluss wider. In den Auswertungen wird diese hier auf einen 1000m langen Abschnitt im Bereich des betrachteten Querschnittes bezogen und definiert sich als der 95%-Quantilwert der mittleren momentanen Geschwindigkeiten v am Querschnitt. Für die Kapazität werden die beiden Ansätze auf Basis des Fundamentaldiagrammes (siehe Abschnitt 1.1.2) beziehungsweise mit der Statistik zensierter Daten (siehe Abschnitt 1.1.3) angewendet und die Ergebnisse miteinander verglichen und diskutiert.

Schritt 2b: Variable Eingangsgrößen für CR-Funktionen

Die variablen Eingangsgrößen sind die aktuelle Reisezeit und die Verkehrsstärke je Querschnitt. Die Größen sind demnach variabel, das heißt pro Querschnitt existiert für jedes Aggregationsintervall ein Wertepaar aus aktueller Reisezeit takt und dazugehöriger Verkehrsstärke q in PkwE/h. Die aktuelle Reisezeit ergibt sich aus der mittleren momentanen Geschwindigkeit v bezogen auf einen 1000m langen Abschnitt. Die Verkehrsstärke kann direkt aus den empirischen Verkehrsdaten entnommen werden.

Schritt 3: Parameterschätzung mittels Regressionsanalyse

Durch die Kenntnis der fixen und variablen Eingangsgrößen je Querschnitt können die Parameter der CR-Funktion geschätzt werden. Zuerst ist ein Funktionstyp zu wählen. In den Auswertungen werden hier BPR-, Conical-Spieß und Akcelik-Funktion angewendet. Die Schätzung der Parameter erfolgt je Querschnitt über eine Regressionsanalyse mittels der Methode der kleinsten Fehlerquadrate (Least-Square-Verfahren).

2.3 CR-Funktionen auf Basis streckenbezogener Verkehrsdaten

Die Methoden B und C basieren auf streckenbezogenen Verkehrsdaten, wobei die Methode B reale FCD und die Methode C virtuelle FCD verwendet. Bild 3 demonstriert das Ablaufschema der beiden Methoden zur Generierung abschnittsbezogener CR-Funktionen.

Bild 3: Schema Methode B und C: CR-Funktionen auf Basis streckenbezogener Daten

Schritt 1: Datenquelle

Analog zur Methode A wird hier die selbe Form der Querschnittsdaten verwendet. Zusätzlich werden streckenbezogene Verkehrsdaten (FCD) herangezogen. Im Falle von Methode B sind dies reale FCD von den Fahrzeugen der Wiener Taxiflotte im Zeitbereich Juni 2012 für den etwa 7 km langen Abschnitt der Autobahn A4 in Fahrtrichtung Wien zwischen Knoten Schwechat und Knoten Prater. Die Aufzeichnungsrate ist dabei zeitlich nicht konstant und beträgt im Durchschnitt 22 Sekunden zwischen den Zeitstempeln der GPS Fahrzeugpositionen. Die Durchdringungsrate der Taxis bewegt sich auf dem betreffenden Autobahnabschnitt zwischen 1% und 2% (20-30 Fz/h) für den Betrachtungszeitraum.

Für die Methode C werden virtuelle FCD verwendet. Die Generierung von virtuellen Einzelfahrzeugtrajektorien ermöglicht sich aus einer vollständigen, rasterfeinen Information der Verkehrslage (Geschwindigkeit) über Raum (Autobahnabschnitt) und Zeit (vgl. [11]). Für diese Verkehrslagerekonstruktion wird das raumzeitliche Interpolationsverfahren „Adaptive Smoothing Method“ (ASM) von Treiber und Helbing [12] angewendet, basierend auf den verfügbaren Querschnittsdaten innerhalb des Autobahnabschnittes. Die virtuellen Einzelfahrzeugtrajektorien werden dann rasterfein gebildet, das heißt pro Raster-Zeitintervall (hier 1min) entsteht eine Trajektorie die stückweise je Raster-Raumintervall (hier 100m) weiter gezeichnet und ausgelesen wird (Zeitstempel je Position innerhalb des Abschnittes).

Schritt 2a: Fixe Eingangsgrößen für CR-Funktionen

Die fixen Eingangsgrößen der CR-Funktion sind hier bei den Methoden B und C die Nullreisezeit und die mittlere Kapazität je Abschnitt. Die Nullreisezeit t0 je Abschnitt wird hier nicht vordefiniert, sondern im Rahmen der Regressionsanalyse als zusätzlicher Parameter geschätzt. Für die mittlere Kapazität in PkwE/h wird sowohl eine Schätzung über die Regressionsanalyse (zusätzlicher Parameter) als auch eine Vordefinition versucht. Bei Vordefinition wird ein mittlerer Kapazitätswert aus den Ergebnissen der Kapazitätsanalyse der Querschnitte innerhalb des Autobahnabschnittes im Rahmen von Methode A bestimmt.

Schritt 2b: Variable Eingangsgrößen für CR-Funktionen

Die variablen Eingangsgrößen der CR-Funktion sind die aktuelle Reisezeit und Verkehrsstärke bezogen auf eine Einzelfahrzeugtrajektorie. Für ersteres wird hier die Fahrtzeit TFCi des realen bzw. virtuellen Fahrzeuges FCi für den Abschnitt genommen. Die Trajektorien-bezogene Verkehrsstärke qFCi ergibt sich aus der Verschneidung der Einzelfahrzeugtrajektorie mit den Querschnittsdaten. Dabei werden die aktuellen Verkehrsstärken je Messquerschnitt qFCi,MQj über alle betreffenden Querschnitte (∑MQj) gemittelt. Für die Berechnung der aktuellen Verkehrsstärke qFCi,MQj werden die Verkehrsstärken von fünf 1min Intervallen des jeweiligen Messquerschnittes MQj im Bereich des Schnittpunktes mit der Einzelfahrzeugtrajektorie gemittelt (aktuelles Zeitintervall der Trajektorie auf Höhe des Messquerschnittes sowie zwei Intervalle davor und danach). Die Zusammenhänge sind in Bild 4 dargestellt.

Bild 4: Verschneidung der Trajektorien (FCD) mit Querschnittsdaten bei Methode B und C

Schritt 3: Parameterschätzung mittels Regressionsanalyse

Anhand der fixen und variablen Eingangsgrößen je Autobahnabschnitt können die Parameter der CR-Funktion geschätzt werden. Analog zur Methode A werden die BPR-, Conical-Spieß und Akcelik-Funktion angewendet. Die Schätzung der Parameter erfolgt wieder über eine Regressionsanalyse mittels der Methode der kleinsten Fehlerquadrate (Least-Square Verfahren) mit dem Ergebnis abschnittsbezogener CR-Funktionen.

3 Ergebnisse der Kapazitätsanalyse auf Autobahnen

Für alle betrachteten Messquerschnitte in den Betrachtungsgebieten Wien und München wurde die Kapazität auf Basis Fundamentaldiagramm und die Kapazitätsverteilung mit der Statistik zensierter Daten für verschieden Intervalle (1, 5, 15, 60 min) bestimmt. Dabei konnten nicht für alle Querschnitte aussagekräftige Ergebnisse erzielt werden (z.B. aufgrund

fehlender Daten im instabilen Verkehrszustand). Bei allen Analysen wurde nur der Tageszeitraum von 6:00-20:00 Uhr betrachtet um Wertepaare mit niedriger Geschwindigkeit bei geringer Verkehrsstärke zu vermeiden (nächtlicher Schwerverkehr).

3.1 Ermittelte Kapazitäten auf Basis Fundamentaldiagramm

Exemplarisch wird in Bild 5 das Ergebnis der Kapazitätsanalyse auf Basis Fundamental diagramm mit 5 min Intervalle für einen Messquerschnitt auf der Autobahn A2 bei Wien in Fahrtrichtung Graz dargestellt. Dabei wird in der k-v-Ebene (Bild 5, links) die Regressionskurve (blaue Kurve) mit dem van Aerde Modell anhand Verkehrsdichtegruppen zu je 2 Fz/km (rote Punkte) bestimmt. Bei Transformation in die q-v-Ebene (Bild 5, rechts) entspricht die Kapazität C dem Scheitelpunkt der Regressionskurve (rote Kurve). Für diesen 4-streifigen Querschnitt wurde eine sehr hohe Kapazität von 8640 Pkw-E/h bei einer Freifahrgeschwindigkeit von 117 km/h ermittelt.

Bild 5: Kapazität C auf Basis Fundamentaldiagramm für den 4-streifigen Messquerschnitt MQ_A02_1_007.496 bei Wien (links k-v- bzw. rechts q-v-Diagramm, 5 min Intervalle)

Als Beispiel für das Betrachtungsgebiet München wird in Bild 6 das Ergebnis für den Querschnitt MQ99-020-Sbg (Autobahn A99 auf Höhe Feldmoching, Fahrtrichtung Salzburg) gezeigt. Für diesen 3-streifigen Querschnitt wurde eine Kapazität von 6615 PkwE/h bei einer Freifahrgeschwindigkeit von 114 km/h ermittelt. Verglichen mit dem vorigen Querschnitt bei Wien ist hier ein differenziertes Muster im Fundamentaldiagramm zu erkennen. In der k-v Ebene werden beim Münchner Querschnitt im stabilen Verkehrszustand deutlich geringere Geschwindigkeiten bei steigender Verkehrsdichte erreicht; dies führt zu einer schwächer gekrümmten Regressionskurve als beim Wiener Querschnitt. In der q-v-Ebene ist zudem im stabilen Verkehrszustand ein Absacken der Geschwindigkeiten bei einer Verkehrsstärke von etwa 4000 PkwE/h aufgrund der Schaltung der Verkehrsbeeinflussungsanlage erkennbar.

Bild 6: Kapazität C auf Basis Fundamentaldiagramm für den 3-streifigen Messquerschnitt MQ99-020-Sbg bei München (links k-v- bzw. rechts q-v-Diagramm, 5 min Intervalle)

3.2 Ermittelte Kapazitäten mit der Statistik zensierter Daten

Im Gegensatz zum Verfahren auf Basis Fundamentaldiagramm variieren die Ergebnisse mit der Statistik zensierter Daten viel stärker und die Kapazitäten werden oftmalig deutlich überschätzt. Vergleichsweise werden in Bild 7 die Kapazitätsverteilungen für dieselben Autobahnquerschnitte im Ballungsraum Wien bzw. München wie zuvor in Abschnitt 3.1 auf Basis 5 min Intervalle dargestellt. In beiden Fällen wird die Kapazität deutlich überschätzt. Als Vergleichsgröße zum vorherigen Verfahren wird bei der Kapazitätsverteilung der Erwartungswert der Kapazität (CEW) bestimmt. Dieser ist sowohl beim Wiener und Münchner Querschnitt um etwa 35% höher als die Kapazität auf Basis Fundamentaldiagramm.

Bild 7: Kapazitätsverteilung anhand der Statistik zensierter Daten (5min Intervalle) für den 4-streifigen Messquerschnitt MQ_A02_1_007.496 auf der A2 bei Wien (links) bzw. den 3-streifigen Messquerschnitt MQ99-020-Sbg auf der A99 bei München (rechts)

3.3 Vergleich der Kapazitäten hinsichtlich Methode und Betrachtungsgebiet

Für einen exakteren Vergleich der ermittelten Kapazitäten werden in Tabelle 1 die Ergebnisse von 10 Querschnitten auf der A2 in Fahrtrichtung Wien (km 1.5-10) sowie von 11 Querschnitten auf der A99 in Fahrtrichtung Stuttgart (km 23-50) zusammengefasst. Die Querschnitte weisen eine unterschiedliche Anzahl an Fahrstreifen auf, fünf Querschnitte auf der A99 befinden sich im Bereich der temporären Seitenstreifenfreigabe (Bezeichnung „3+“ in der Spalte „FS“). Bei den Kapazitäten auf Basis Fundamentaldiagramm werden 1, 5, 15 und 60 Minuten Intervalle betrachtet. Als Referenzwert für die Ergebnisse mit der Statistik zensierter Daten wird der Erwartungswert der Kapazitätsverteilung CEW herangezogen. Vor allem bei kleineren Intervallen (1 und 5min) werden mit dieser Methode die Kapazitäten hier deutlich überschätzt, daher werden in Tabelle 1 nur die Ergebnisse mit 15 und 60min Intervallen angegeben. Verglichen wurden die berechneten Kapazitäten auf der A2 mit der entsprechenden RVS [1] bzw. auf der A99 mit der HBS [2]. Dazu wurden die in der Einheit [PkwE/h] berechneten Kapazitäten mit dem repräsentativen Schwerverkehrsanteil je Messquerschnitt und dem Pkw-Einheiten Faktor für Schwerverkehr (1 LKW = 2 PkwE) auf die in den Richtlinien angegebene Einheit [Kfz/h] umgerechnet.

Tabelle 1: Ermittelte Kapazitäten für Messquerschnitte auf der A2 Fahrtrichtung Wien und der A99 Fahrtrichtung Stuttgart inkl. Vergleich mit den Richtlinien (RVS bzw. HBS)

Bei den Querschnitten auf der A2 bei Wien werden auf Basis Fundamentaldiagramm bei allen Zeitintervallen zumeist plausible Kapazitäten im Bereich der Richtlinienangaben erzielt. Mit der Statistik zensierter Daten liegen die Kapazitäten auf der A2 fast immer darüber (Überschätzung). Ein anderes Bild zeigt sich auf der A99 bei München. Auf Basis Fundamentaldiagramm werden die Kapazitäten hier etwas unterschätzt (um 12-39%). Die Kapazitäten mit der Statistik zensierter Daten liegen hier näher an den Angaben der Richtlinie (HBS 2015). Generell führte das Verfahren der Kapazitätsanalyse auf Basis Fundamentaldiagramm insgesamt zu stabileren und plausibleren Ergebnissen als die stochastische Kapazität mit der Statistik zensierter Daten. Daher werden für die Schätzung der Parameter der CR-Funktion nur die berechneten Kapazitäten auf Basis Fundamentaldiagramm herangezogen.

4 CR-Funktionen für Autobahnen

4.1 Querschnittsfeine CR-Funktionen

Für jeden Autobahnquerschnitt werden mit den fixen Eingangswerten Kapazität und Nullreisezeit sowie den variablen Eingangswerten aus den empirischen Daten (aktuelle Reisezeit und Verkehrsstärke) die Parameter der CR-Funktion für verschiedene Zeitintervalle (1, 5, 15, 60 min) im Rahmen einer Regressionsanalyse mit dem Least-Square-Verfahren geschätzt. Dabei werden vier verschiedenen CR-Funktionen angewendet, zwei Formen der BPR-Funktion (Parameter α und β), die Conical-Spiess-Funktion (Parameter α und β) und die Akcelik-Funktion (Parameter J). Die gleichzeitige Schätzung beider Parameter der BPR Funktion führte in den meisten Fällen zu unbrauchbaren Ergebnissen in Form einer viel zu flachen Kurve im Gegensatz zur Conical-Spiess bzw. Akcelik-Funktion. Aus diesem Grund wurde der Parameter α vordefiniert und nur der Parameter β geschätzt. Für α wurden die auch in Verkehrsmodellen üblichen Werte von 0,8 bzw. 1,0 gewählt (zwei Formen der BPR Funktion). Exemplarisch wird das Ergebnis für 5 und 15 min Intervalle für den bereits in Kapitel 3.1 und 3.2 gezeigten Querschnitt (Autobahn A2 bei Wien) in Bild 8 dargestellt.

Bild 8: CR-Funktionen (bzw. Volume-Delay-Funktionen) für den Autobahnquerschnitt MQ_A02_1_007.496 (links 5 min Intervall bzw. rechts 15 min Intervall)

Das Ergebnis in Bild 5 zeigt ähnliche CR-Funktionen für 5 und 15 min Intervalle für den betrachteten Querschnitt, wobei die Akcelik-Funktion am steilsten und die BPR-Funktion mit α=0,8 am flachsten ist. Bei Erreichen der Kapazität (Auslastungsgrad 1,0) weist die BPR Funktion mit α=1,0 und Conical-Spiess-Funktion etwa die doppelte Nullreisezeit auf (~62 s), die Akcelik-Funktion liegt darüber (~80 s) bzw. die BPR-Funktion mit α=0,8 darunter (~54 s).

Für eine ganzheitliche Betrachtung werden die Ergebnisse aller Autobahnquerschnitte nach Streckentypen klassifiziert (je nach Anzahl Fahrstreifen und die in der Regel vorherrschende Geschwindigkeitsbegrenzung). Querschnitte mit fehlerhaften oder unplausiblen Ergebnissen werden dabei nicht berücksichtigt. Dies sind vor Allem Bereiche von Autobahnknoten sowie Querschnitte an denen selten oder nie die Kapazitätsgrenze überschritten wird. Getrennt nach den Untersuchungsgebieten Wien und München werden je Streckentyp mittlere Werte der Freifahrgeschwindigkeit v0, der Kapazität C auf Basis Fundamentaldiagramm und der Parameter der CR-Funktion anhand der Eingangsdaten im 5 min Intervallen bestimmt (siehe Tabelle 2). Für die Konformität mit den Richtlinien werden die berechneten Kapazitäten dabei von PkwE/h in Kfz/h umgerechnet (anhand des repräsentativen Schwerverkehrsanteils und dem Pkw-Einheiten-Faktor 2 für Lkw). Zu Vergleichszwecken werden in Tabelle 2 noch die entsprechenden Kapazitäten laut geltender Richtlinie (für München HBS 2015 [2] bzw. für Wien RVS 03.01.11 [1]) sowie Standardangaben aus dem Verkehrsmodell Großraum Wien für v0, C und dem BPR-Parameter β angeführt. Die Daten der Querschnitte auf der A99 im Bereich der temporären Seitenstreifenfreigabe (TSF) werden ungefiltert (3+) sowie gefiltert hinsichtlich Sperre (3+ inaktiv) bzw. Freigabe des Seitenstreifens (3+ aktiv) ausgewertet.

Tabelle 2: Mittlere Kapazitäten und Parameter verschiedener CR-Funktionen für diverse Streckentypen auf Autobahnen auf Basis der Auswertungen mit 5 min Intervallen (rote Werte in Klammer entsprechen den Standardangaben im Verkehrsmodell)

Die unterschiedlichen Parameter der CR-Funktionen je Streckentyp in Tabelle 2 zeigen die Notwendigkeit streckentyp-spezifischer Parameter auf. Die Streckentypen von Wien sind dabei nur teilweise mit den Münchner Querschnitten aufgrund unterschiedlicher Umfeldbedingungen (Geschwindigkeitsbeschränkung, Seitenstreifenfreigabe) vergleichbar. Beispielsweise konnten in München für dreistreifige Querschnitte (ohne TSF) ähnliche Ergebnisse bei den CR-Funktionsparametern erzielt werden wie bei den dreistreifigen Querschnitten (Tempo 100 bzw. 130) in Wien.

4.2 Abschnittsbezogene CR-Funktionen

Anhand der Methoden B (reale FCD) und C (virtuelle FCD) werden hier abschnittsbezogene CR-Funktionen anhand der Reisezeiten und Verkehrsstärken je Einzelfahrzeugtrajektorie für den Abschnitt zwischen Knoten Schwechat und Knoten Prater auf der Autobahn A4 in Fahrtrichtung Wien bestimmt. Dies wurde für den Betrachtungszeitraum Juni 2012 für den Tageszeitraum 6:00-20:00 Uhr durchgeführt. Aufgrund von Lücken in den Querschnittsdaten (etwa 30% im Juni 2012) konnte nicht jeder Einzelfahrzeugtrajektorie eine Verkehrsstärke zugeordnet werden. Daraus ergibt sich eine Stichprobe von 8.850 bei den realen FCD und 17.331 bei den virtuellen FCD (Generierung einer virtuellen Trajektorie pro Minute).

Als mittlere Kapazität für den Abschnitt wurde 4800 PkwE/h festgelegt, welche sich aus dem Mittelwert der betreffenden Querschnittsergebnisse anhand Methode A errechnet. Alternativ wurde auch versucht die Kapazität als Eingangswert der CR-Funktion im Rahmen der Regressionsanalyse zu schätzen. Dabei wurden mit Ausnahme der Akcelik-Funktion (4937 PkwE/h bei Methode B, 3834 PkwE/h bei Methode C) deutlich höhere Kapazitäten (5400 7400 PkwE/h) als bei Methode A errechnet. Die Schätzung der Nullreisezeit ergab bei beiden Methoden ein ähnliches Ergebnis für alle CR-Funktionstypen (ca. 40 s/km). Die Ergebnisse der geschätzten CR-Funktionen für Methode B und C auf Basis einer vordefinierten abschnittsbezogenen Kapazität von 4800 PkwE/h sind in Bild 9 dargestellt.

Bild 9: Abschnittsbezogene CR-Funktionen (Autobahn A4, Fahrtrichtung Wien) anhand realer (links) bzw. virtueller Einzelfahrzeugtrajektorien (rechts)

Die CR-Funktionen der Methoden B und C in Bild 9 sind differenziert aufgrund einer unterschiedlichen Charakteristik der Datenpunkte. Die realen Trajektorien in Methode B weisen eine größere Streuung in der Reisezeit auf als die virtuellen Trajektorien in Methode C, die Punktwolke ist hier kompakter. Mit Ausnahme der Conical-Spiess Funktion sind alle CR-Funktionen bei Methode C flacher, das heißt die Reisezeit erhöht sich nicht so stark bei steigendem Auslastungsgrad. Am ähnlichsten sind die Ergebnisse bei der BPR-Funktion mit vorgegebenem α-Parameter von 0,8 (β= 8,91 bei Methode B, β= 5,45 bei Methode C) bzw. 1,0 (β= 10,89 bei Methode B, β= 6,41 bei Methode C), die durchaus mit den Ergebnissen der Methode A in Tabelle 2 vergleichbar sind.

5 Schlussfolgerung

In makroskopischen Verkehrsmodellen wird in der Regel nur auf Standardparameter einer Kapazitätsbeschränkungsfunktion (CR-Funktion) für die Ermittlung von aktuellen Strecken reisezeiten in Abhängigkeit der Verkehrsstärke im Rahmen einer Verkehrsumlegung im Modell zurückgegriffen. Zur Verbesserung der Modellergebnisse werden in diesem Forschungsvorhaben neue, streckentyp-spezifische Parameter von CR-Funktionen für Autobahnen auf Basis empirischer Verkehrsdaten bestimmt. Dazu werden drei verschiedene Methoden abhängig von der verwendeten Datenbasis verfolgt. Bei jeder Methode werden verschiedene CR-Funktionstypen (BPR, Conical-Spiess, Akcelik) angewendet und deren Parameter im Zuge einer Regressionsanalyse mit dem Least-Square-Verfahren geschätzt.

Die Nullreisezeit wurde bei den Auswertungen als das 95% Quantil der mittleren momentanen Geschwindigkeit festgelegt. Die Kapazität als weitere wichtige Eingangsgröße einer CR-Funktion wurde im Rahmen der Methode A für jeden Querschnitt auf Basis des Fundamentaldiagrammes mit dem van Aerde Modell berechnet. Dieses Verfahren erwies sich insgesamt als stabiler bei den betrachteten Autobahnquerschnitten im Raum Wien und München, als die alternativ angewendete Statistik zensierter Daten, die eine Kapazitätsverteilung auf Basis der Wahrscheinlichkeit eines Verkehrseinbruches ermittelt. Die ermittelten Kapazitäten und CR-Funktionsparameter je Autobahnquerschnitt wurden in Methode A danach streckentyp-spezifisch zusammengefasst und gemittelt (siehe Tabelle 2 auf Basis 5 min Datenintervalle). Querschnitte mit fehlerhaften oder unplausiblen Ergebnissen wurden nicht berücksichtigt.

Die ermittelten Kapazitäten zweistreifiger Querschnitte im Raum Wien (3553-4180 Kfz/h) liegen dabei im Bereich bzw. etwas über der Kapazität laut Richtlinie (3489-3658 Kfz/h), sind jedoch höher als die Kapazitäten im entsprechendem Verkehrsmodell (3200-3300 Kfz/h). Die berechnete Kapazität dreistreifiger Querschnitte im Raum Wien (4609-4942 Kfz/h) liegt im Bereich bzw. etwas unter der Kapazität aus dem Verkehrsmodell (5000 Kfz/h), ist jedoch geringer als in der Richtlinie (~5650 Kfz/h). Für vierstreifige Querschnitte wurden im Raum Wien sehr hohe Kapazitäten ermittelt (7841-8146 Kfz/h), die höher als in der Richtlinie (~7650 Kfz/h) bzw. deutlich höher als im Verkehrsmodell (5600-6000 Kfz/h) sind.

Die Auswertung auf der A99 bei München ergab für dreistreifige Querschnitte eine ähnliche Kapazität (4712 Kfz/h) wie in Wien, ist jedoch geringer als die Angaben im HBS (~5500 Kfz/h). Die dreistreifigen Querschnitte im Bereich der Seitenstreifenfreigabe wurden separat nach Schaltung der Anlage ausgewertet und ergab eine mittlere Kapazität von 5567 Kfz/h bei aktiver bzw. 5155 Kfz/h bei nicht aktiver Anlage. Der Vergleichswert laut HBS für dreistreifige Querschnitte mit Seitenstreifenfreigabe (3+ TSF) ist größer und beträgt hier 6673 Kfz/h im Mittel. Bei den zwei und vierstreifigen Querschnitten auf der A99 war die Stichprobe für ein aussagekräftiges Ergebnis zu gering.

Die mit der Methode A ermittelten querschnittsbezogenen CR-Funktionsparameter wurden streckentyp-spezifisch zusammengefasst (Tabelle 2). Die Parameter variieren dabei essentiell zwischen den einzelnen Streckentypen und verdeutlichen daher die Sinnhaftigkeit an streckentyp-spezifischen Parametern. Verglichen mit der im Verkehrsmodell integrierten BPR-Funktion wurde für das Betrachtungsgebiet Wien zumeist höhere Parameterwerte für den β-Parameter ermittelt. Diese höheren β-Werte führen zu steileren CR-Kurven, das bedeutet, dass die Streckenreisezeit bei hoher Auslastung derzeit im Verkehrsmodell unterschätzt wird. Eine Anwendung der unterschiedlichen CR-Funktionstypen zeigt unterschiedliche Ergebnisse je Messquerschnitt. Generell führt jedoch die Akcelik Funktion in den meisten Fällen zu einem steileren Verlauf im Bereich der Kapazitätsgrenze (Auslastung 1,0) als die übrigen CR-Funktionen, das heißt die Reisezeiten im Bereich der Kapazität sind mit der Akcelik Funktion höher als jene mit der BPR oder Conical-Spiess-Funktion.

Die in den Methoden B und C entwickelten abschnittsbezogenen CR-Funktionen erzielen nur für die BPR-Funktion mit vorgegebenem α-Parameter ein mit der Methode A vergleichbares Ergebnis. Die Methoden B und C unterscheiden sich vor Allem aufgrund der Charakteristik der Datenpunkte (Wertepaare aus Reisezeit und Verkehrsstärke pro Trajektorie). Durch die bei Methode C in der Verkehrslagerekonstruktion herbeigeführte Glättung der Verkehrslage (Geschwindigkeiten) ergibt sich bei den daraus abgeleiteten Reisezeiten der virtuellen Einzelfahrzeugtrajektorien eine geringe Streuung der Reisezeit pro Trajektorie als bei den realen Trajektorien in Methode B.

Die erzielten neuen, streckentyp-spezifischen Parameter für CR-Funktionen können angewendet werden um die Ergebnisse in Verkehrsmodellen zu verbessern (z.B. realistischere mittlere Geschwindigkeit bzw. Reisezeiten aus dem Umlegungsergebnis). Dabei muss die Wahl der Streckenkapazität im Verkehrsmodell gut bedacht werden. Die Kapazität hat vergleichsweise einen größeren Einfluss auf das Umlegungsergebnis als eine geringfügige Änderung der CR-Funktionsparameter. Für zukünftige Analysen sollte bei der Schätzung von CR-Funktionen noch der Umgang mit Datenpunkten im instabilen Verkehrszustand und die unterschiedlichen Ergebnisse je Aggregationsintervall diskutiert werden. In dieser Arbeit wurden Daten des instabilen Verkehrs gleichbedeutend mit Beobachtungen im stabilen Verkehrsfluss für die Schätzung von CR-Kurven behandelt. Hinsichtlich dem Aggregationsintervall sollte beachtet werden.

Danksagung

Die Autoren danken der ASFINAG für die Verwendung der Daten der Autobahnquerschnitte im Ballungsraum Wien aus dem Forschungsprojekt IMPAKT, der Autobahndirektion Südbayern für die Zurverfügungstellung der Querschnittsdaten von der Autobahn A99 sowie dem AIT für die Verwendung der Floating-Car Daten aus dem Forschungsprojekt REFEREE.

6 Literatur

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