FGSV-Nr. FGSV 002/103
Ort Erfurt
Datum 15.04.2013
Titel Luftreinhaltung und ihre Auswirkungen auf den Verkehr
Autoren Dr.-Ing. Ulrich Reuter
Kategorien Kommunal
Einleitung

Die EU weit gültigen Luftschadstoffgrenzwerte sind im Bereich stark befahrener Straßen in vielen Städten überschritten. Feinstaub und Stickstoffdioxid sind die kritischen Luftschadstoffe. Die Überschreitungen betreffen sowohl Jahresmittelwerte als auch die Grenzwerte für Kurzfristbelastungen. Entsprechend dem Verursacheranteil müssen insbesondere Maßnahmen im Verkehrsbereich getroffen werden, um die Belastung zu senken. An stark befahrenen Straßen können etwa 60 % der Feinstaubbelastung und ca. 75 % der Stickstoffdioxidkonzentrationen vom Verkehr verursacht sein. Luftreinhalteplanung hat somit große Auswirkungen auf den Verkehr. Zu den wirkungsvollen Maßnahmen gehören Durchfahrtsverbote für Lkw ebenso wie die Einrichtung von Umweltzonen, in denen nur schadstoffarme Fahrzeuge fahren dürfen. Geschwindigkeitsreduzierungen sind dann besonders wirksam, wenn sie gleichzeitig zur Verstetigung des Verkehrsflusses beitragen. Auch spezielle Straßenbeläge mit photokatalytischer Wirkung können einen Beitrag zur Luftschadstoffreduktion leisten. Mit diesen und weiteren verkehrlichen Maßnahmen können erhebliche Schadstoffminderungen erzielt werden, wie insbesondere am Beispiel der Landeshauptstadt Stuttgart erläutert wird, die bislang in Deutschland an stark befahrenen Straßen mit die höchsten Belastungen aufweist. Da die Grenzwerte nicht eingehalten werden, sind weitere Maßnahmen erforderlich. Ein Ausblick zeigt Möglichkeiten.

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1 Einleitung

Das europäische Luftqualitätsrecht ist derzeit u. a. geregelt in der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Luftqualität und saubere Luft für Europa vom 21.05.2008 (RL 2008/50/EG, 2008). Durch die 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen) (39. BImSchV, 2010) erfolgte die Umsetzung in nationales Recht. Die auf dieses Recht zurückgehenden Luftschadstoffgrenzwerte sind für die Luftschadstoffe Feinstaub (PM10) und Stickstoffdioxid (NO2) in vielen deutschen Städten an Hauptverkehrsstraßen überschritten. Die Tabelle 1 listet die Grenzwerte auf. So gilt für beide Komponenten ein Jahresgrenzwert von 40 μg/m3. Für Feinstaub darf ein Tageswert von 50 μg/m3 maximal an 35 Tagen im Jahr überschritten werden. Bei NO2 darf der Stundenwert von 200 μg/m3 maximal 18-mal im Jahr überschritten werden.

Als Konsequenz dieser Überschreitungen wurden entsprechend der Rechtslage für die betroffenen Städte Luftreinhalte- und Aktionspläne aufgestellt mit dem Ziel, die Gefahr der Grenzwertüberschreitung zu verringern.

Der Beitrag befasst sich zunächst mit der Entwicklung der Luftbelastung in deutschen Städten und mit der heutigen Situation. Es wird dann dargestellt, was mit den Maßnahmen der Luftreinhalte- und Aktionspläne erreicht wurde. In einem Fazit wird den Fragen nachgegangen, ob die bisherigen Maßnahmen ausreichen, die Grenzwerte einzuhalten, bzw. was zu tun ist, um dieses zu erreichen.

Tabelle 1: Luftschadstoffgrenzwerte nach der 39. BImSchV

Ein Schwerpunkt in der Darstellung liegt dabei auf der Situation in Stuttgart. Stuttgart ist aufgrund der topografischen Situation besonders anfällig gegen hohe Luftschadstoffbelastung und zählt bundesweit vielfach als die Stadt mit den höchsten Luftschadstoffkonzentrationen.

2 Entwicklung der Luftbelastung und heutige Situation

Durch technische Maßnahmen auf nationaler Ebene und durch kommunale Maßnahmen wie die Optimierung des öffentlichen Personennahverkehrs, den Ausbaus des Radverkehrs und durch Verkehrsmanagement hat sich die Luftsituation in der Vergangenheit kontinuierlich verbessert. Dies gilt insbesondere für Schadstoffkomponenten, die primär nicht vom Verkehr emittiert werden, z. B. Schwefeldioxid (SO2). Aber auch bei den vom Verkehr verursachten Luftbelastungen zeigt sich ein leichter Rückgang. Im Bild 1 ist die Entwicklung der Luftbelastung in Stuttgart dargestellt, wobei die SO2-Messungen bis ins Jahr 1965 zurückreichen.

Trotz dieser rückläufigen Entwicklung werden in zahlreichen Städten straßennah Schadstoffkonzentrationen über den Grenzwerten gemessen. Das gilt sowohl für die Jahreswerte für NO2 und PM10 als auch für den Stundenwert bei NO2 und den Tageswert bei PM10. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Grenzwerte durch EU-Recht verschärft wurden und gleichzeitig Grenzwerte für neue Schadstoffkomponenten, z. B. PM10, festgelegt wurden. Das Bild 2 fasst die Situation zusammen.

Bild 1: Entwicklung der Luftbelastung in Stuttgart

Bild 2: Feinstaub- (oben) und NO2-Belastung (unten) in deutschen Städten (Quelle: Daten des Umweltbundesamts (UBA) und der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW))

So wird inzwischen – zumindest in den Jahren 2011 und 2012 der Jahresgrenzwert für PM10 eingehalten. Der Tageswert von 50 μg/m3 Feinstaub wird an einigen Stationen, darunter auch Stuttgart, mit mehr als 35 Überschreitungstagen weiterhin überschritten.

Viele Messstationen überschreiten den Jahresgrenzwert bei NO2 von 40 μg/m3. Nur wenige Stationen überschreiten mehr als 18-mal im Jahr den Stundenwert von 200 μg/m3 NO2. Hier zeichnet sich aber zurzeit – zumindest in Stuttgart – derzeit ein deutlicher Rückgang ab.

Die Problematik hoher NO2-Konzentrationen ist auch dadurch verursacht, dass die modernen Dieselmotoren ab Euro 3 Norm wesentlich höhere NO2-Direktemissionen haben als ältere Dieselmotoren.

Es darf nicht unbeachtet bleiben, dass jedoch abseits der Hauptverkehrsstraßen in vielen Wohngebieten heute in der Regel gute Luftverhältnisse herrschen und die Luftmesswerte dort weit unterhalb der Grenzwerte liegen. So haben in der Bürgerumfrage 2011 in Stuttgart 54 % der Befragten die Luftqualität in ihrem Wohnumfeld als gut bis sehr gut und nur 12 % als schlecht bis sehr schlecht bewertet.

Andererseits kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden, dass die Luftqualität in den Städten nicht nur an den wenigen existierenden Messpunkten schlecht ist, sondern an vielen anderen stark befahrenen Straßenabschnitten auch. Dies wird oft verdrängt, weil dort nicht gemessen wird. Handlungskonzepte müssen sich daher immer auch auf solche vergleichbaren Straßenabschnitte beziehen.

3 Maßnahmen zur Reduzierung der Luftbelastung

Als Konsequenz der im Abschnitt 2 beschriebenen Überschreitungen wurden entsprechend der Rechtslage für die betroffenen Städte Luftreinhalte- und Aktionspläne aufgestellt mit dem Ziel, die Gefahr der Grenzwertüberschreitung zu vermeiden bzw. zu verringern. Schwerpunktmäßig am Beispiel Stuttgart werden einige wesentliche Maßnahmen und die damit verbundenen Erfolge und Erfahrungen vorgestellt (Regierungspräsidium Stuttgart, 2005, 2010).

Hauptquelle der Schadstoffbelastung ist sowohl bei Feinstaub als auch bei NO2 vielfach der Verkehr. In Stuttgart resultieren ca. 2/3 der Emissionen bei Feinstaub und ca. 3/4 der Emissionen bei NO2 (Bild 3) aus dem Verkehrsbereich. Entsprechend müssen Maßnahmen insbesondere diese Quellengruppe betreffen.

Bild 3: Ursachenanalyse für die Schadstoffemission in Stuttgart, Station Am Neckartor (Quelle: LUBW)

Zu den wesentlichen Maßnahmen zur Reduzierung der Luftbelastung gehören Lkw-Durchfahrtsverbote (Anlieferung frei) sowie die Ausweisung von Gebieten als Umweltzone mit stufenweise verschärften Fahrverboten für Fahrzeuge mit hohen Schadstoffemissionen. Dazu gehören aber auch z. B. die Bemühungen, Feinstaub mit Calcium-Magnesium-Acetat auf der Straße „festzukleben“ und Überlegungen von Geschwindigkeitsreduktionen in den Städten. Es gibt auch die Möglichkeit, mit photokatalytisch wirksamen Oberflächen Erfolge zu erzielen.

Darüber hinaus gibt es in den unterschiedlichen Luftreinhalteplänen ein Bündel weiterer Maßnahmen, auf die an dieser Stelle verwiesen wird. Zu den Aktivitäten gehören Verbesserungen im ÖPNV, Förderung des Fußgänger- und Radverkehrs, Parkraummanagement, Staubminderungsmaßnahmen auf Baustellen, Satzungen zum Verbot von Festbrennstoffen, verstärkte Öffentlichkeitsarbeit und viele Maßnahmen mehr. Nachfolgend werden einige wichtige Maßnahmen näher beleuchtet.

3.1 Lkw-Durchfahrtsverbot durch Stuttgart und angrenzende Gebiete

Als eine wirksame Maßnahme wurde in Stuttgart zum 1. März 2010 ein Lkw-Durchfahrtsverbot (ab 3.5 t; Lieferverkehr frei) eingeführt. Die Abgrenzung des Gebietes schließt dabei insbesondere östlich von Stuttgart weitere Gebiete und Orte mit ein, um Verdrängungsverkehre durch benachbarte Stadtgebiete weitgehend auszuschließen. Die lufthygienische Wirkung der Maßnahme wurde zuvor ermittelt. Nach Verkehrszählungen in Stuttgart im Jahr 2011 hat das Lkw-Aufkommen am Stuttgarter Kesselrand um etwa 9 % deutlich abgenommen. Auf der mitten durch die Stadt führenden Bundesstraße nahm der Lkw-Verkehr gar um 17 % ab, während der Lkw-Verkehr auf den Autobahnen um Stuttgart stark zugenommen hat.

Nachteil der großzügig ausgelegten Verbotszone mit Einbeziehung von Nachbargemeinden Stuttgarts ist die komplizierte Beschilderung. So gleichen die weit außerhalb der Verbotszone angebrachten Vorwegweiser eher Kunstwerken, die von fremden Fahrern sicher nur schwer zu verstehen sind (Bild 4).

Bild 4: Vorwegweiser zum Lkw-Durchfahrtsverbot durch Stuttgart und angrenzende Gebiete

3.2 Umweltzone Stuttgart

Eine Kernmaßnahme in Stuttgart ist die Einrichtung einer Umweltzone, die im Gegensatz zu vielen anderen Städten das gesamte Stadtgebiet umfasst. Grund dafür ist das Fehlen von Umfahrungsstraßen im Sinne eines inneren Ringes innerhalb des Stadtgebietes. Bereits seit März 2008 sind Fahrzeuge der Schadstoffgruppe 1 nach der 35. BImSchV mit einem Fahrverbot belegt. Zum 1. Juli 2010 wurde die rote Plakette verboten und seit 1.1.2012 dürfen in Stuttgart nur noch Fahrzeuge mit der grünen Plakette fahren.

In Deutschland gibt es mittlerweile viele Umweltzonen in zahlreichen Bundesländern. Nachteil ist, dass die Termine zu ihrer Einführung und auch die Regelungen für Ausnahmetatbestände nicht einheitlich geregelt sind. So ist in einem Teil Berlins z. B. bereits seit 2010 nur noch das Fahren mit grüner Plakette erlaubt. In anderen Städten ist weiterhin auch das Fahren mit gelber Plakette zulässig (s. Bild 5). Für auswärtige Fahrer ist die Regelung daher unübersichtlich. Es wäre zu überlegen, ob es nicht einfacher wäre, statt der auch mit hohem personellem Aufwand verbundenen einzelnen Umweltzonen eine „Umweltzone Deutschland“ zu schaffen, in der Fahrzeuge mit bestimmter veralteter Technik nicht mehr fahren dürfen. Eine Kontrolle wäre über die regelmäßigen technischen Hauptuntersuchungen möglich.

Bild 5: Umweltzonen in Deutschland (Quelle: Umweltbundesamt)

3.3 Geschwindigkeitsreduktionen (insbesondere Tempo 40)

In zahlreichen Städten werden zur Reduzierung der Luftschadstoffbelastung Geschwindigkeitsbeschränkungen angeordnet. Zur Wirksamkeit gibt es unterschiedliche Erkenntnisse. In Stuttgart gibt es zum einen ein ganz pragmatisches Erfolgsbeispiel. Zum anderen wurde eine umfangreiche Untersuchung zur Einführung von Tempo 40 durchgeführt.

Zunächst zum Erfolgsbeispiel: Auf der sechsspurigen Bundesstraße B 14 in Stuttgart im Bereich des Neckartors wurde die Geschwindigkeit von nicht kontrollierten 60 km/h auf 50 km/h reduziert und diese Reduktion mit 2 modernen Blitzanlagen kontrolliert. Im Ergebnis führte diese Maßnahme zu einer deutlichen Reduktion der Stunden mit Überschreitung des NO2-Stundenwertes von 200 μg/m³. Mit Einführung der Überwachung im September 2010 flacht die Kurve der Summenhäufigkeit der Überschreitungsstunden im Vergleich zu den Vorjahren markant ab. Dies lässt sich sicher zu einem guten Teil auf die überwachte Temporeduktion zurückführen.

Das Regierungspräsidium Stuttgart und die Landeshauptstadt Stuttgart haben gemeinsam ein Gutachten zu Tempo 40 in Stuttgart beauftragt (Universität Stuttgart, 2011). In drei Szenarien für unterschiedlich große Gebiete wurden die Auswirkungen auf den Verkehr, den Lärm und die Luftsituation untersucht. Ein Problem war, dass es für Tempo 40 im Handbuch für Emissionsfaktoren keine Emissionsangaben gibt. Deshalb wurden in Stuttgart zunächst von der LUBW-Messfahrten durchgeführt und anschließend Emissionsfaktoren für Tempo 40 ermittelt. Dabei zeigt sich über das Emissionsverhalten bei Tempo 40 statt Tempo 50 kein einheitliches Bild. Während sich beispielsweise auf ebenen Straßen Emissionserhöhungen ergeben können, ist auf Straßen mit Längsneigung auch von Emissionsabnahmen auszugehen. Die Änderung der Emissionsfaktoren für Tempo 40 statt Tempo 50 ist im Bild 6a und 6b dargestellt.

Bild 6: Änderung der Emissionsfaktoren bei Tempo 40 gegenüber Tempo 50; 6a: NOX, 6b: Partikel

Ergebnis des Gutachtens ist, dass es in allen drei Szenarien zu Verdrängungsverkehren kommt, weg von den Straßen mit Tempolimit in umgebende nicht betroffene Straßen. Die Reduktion der Luftbelastung auf den limitierten Straßen rührt in erster Linie vom verdrängten Verkehr und nicht von der fahrzeugbedingten Emissionsminderung. Das Regierungspräsidium Stuttgart hat daher beschlossen, keines der 3 untersuchten Szenarien umzusetzen, da die Verdrängungseffekte unverhältnismäßig sind. Auf einem Streckenabschnitt mit Steigung in Stuttgart wird seit Dezember 2012 in einem Testversuch das Gutachten verifiziert. Verdrängungseffekte und die Minderung der Belastung werden untersucht.

3.4 Straßenbeläge mit photokatalytischer Wirkung

Die Firma HeidelbergCement AG hat den Zement TioCem® entwickelt, der photokatalytisch aktives Titandioxid enthält. In einem Projekt (Flassak, Th. et al., 2013) wurde die mögliche Wirksamkeit von photokatalytisch aktivem Belag in der Hohenheimer Straße in Stuttgart simuliert. Es wurde davon ausgegangen, dass alle Fahrbahnen sowie die Parkplätze und die Gehwege mit dem photokatalytisch aktiven Material versehen werden. Der Straßenbahnbereich sowie kleinere in die Gehwege eingelassene Grünflächen wurden in der Simulation nicht verändert.

Im Jahresmittel kann entsprechend der Berechnungsergebnisse an der Messstelle Hohenheimer Straße eine Reduktion des NOx-Jahresmittelwertes um ca. 4 % erreicht werden. In der gesamten Straßenschlucht sind im Jahresmittel Reduktionen bis zu 6 % möglich. Die höchsten Reduktionen treten an der Straßenrandbebauung auf.

Es wurde des Weiteren gezeigt, dass die prozentuale NOx-Minderungswirkung mit abnehmender Windgeschwindigkeit zunimmt. Niedrige Windgeschwindigkeiten sind in der Regel korreliert mit hohen Schadstoffkonzentrationen. Das heißt photokatalytisch aktive Betonoberflächen können dazu beitragen, Immissionsspitzen zu „kappen“. Dies bedeutet, dass photokatalytisch aktive Betonoberflächen durch die Eigenschaft speziell Immissionsspitzen zu

„kappen“, effektiv helfen können, zum Beispiel die Anzahl der Überschreitungen des Stickstoffdioxid-Einstundenmittelwertes über 200 μg/m3 zu reduzieren. Dies stellt eine zusätzliche effektive Maßnahme dar, um z. B. die Überschreitungshäufigkeit des Stickstoffdioxid-Kurzzeitgrenzwertes zu reduzieren.

4 Wirkung der umgesetzten Maßnahmen

Die genannten und weitere Maßnahmen zeigen lufthygienische Wirkung. Das wird aus dem Bild 7 deutlich. Die Teilbilder zeigen die Entwicklung der Luftbelastung an den beiden Stuttgarter Hotspots Am Neckartor und Hohenheimer Straße im Verlauf der vergangenen Jahre. Es sind zum Teil deutliche Minderungen erkennbar, wenn auch die Grenzwerte vielfach noch deutlich überschritten sind. Während vor Jahren Am Neckartor noch über 800 Überschreitungsstunden bei NO2 jährlich festgestellt wurden, liegt dieser Wert 2012 bei 69 Überschreitungen. Auch am 2. Hotspot zeichnet sich ein deutlicher Rückgang ab. Auch die Überschreitungstage des Wertes von 50 μg/m3 bei Feinstaub sind dank der Maßnahmen deutlich rückläufig. Das gilt auch für die Jahreswerte von PM10. Das Jahr 2013 zeigt im bisherigen Verlauf einen weiteren deutlichen Rückgang.

Bild 7: Entwicklung der NO2- und PM10-Belastung an zwei Messstationen in Stuttgart

5 Ausblick und Fazit

Die geschilderten Maßnahmen und die heutige Luftschadstoffsituation zeigen, dass das Ziel der Grenzwerteinhaltung bei NO2 und PM10 in Stuttgart wie in zahlreichen anderen Städten noch nicht erreicht ist. Weitere Maßnahmen sind gefragt, wobei es schwer sein dürfte, überhaupt noch „herkömmliche“ Maßnahmen zu finden, mit denen die Zielerreichung möglich ist.

Die Städte können das Ziel der Grenzwerteinhaltung jedoch kaum alleine schaffen. Hier sind auch der Bund und die EU gefordert. So klaffen offenbar die Anforderungen an die EU-Normen und die immissionsseitigen Anforderungen auseinander. Die Einhaltung strenger Immissionsgrenzwerte erfordert auch strenge EU-Normen. Die hohen NO2-Direktemissionen bei den modernen Fahrzeugen passen nicht zu den ehrgeizigen Immissionsgrenzwerten bei NO2. Eine Studie des IFEU-Institutes, Heidelberg, hat ermittelt, dass z. B. an der Station Stuttgart-Neckartor auch mit einer Fahrzeugflotte mit ausschließlich Euro-6 Fahrzeugen bei gleichbleibendem Verkehr auch bis 2020 der NO2-Jahresgrenzwert nicht einzuhalten ist.

Vor diesem Hintergrund ist die Frage gerechtfertigt, ob zur nachhaltigen Reduzierung der Schadstoffbelastung in den Städten ein Umdenken erforderlich ist. Eine Studie der TU Dresden (Becker, U. et al., 2010) im Auftrag der großen deutschen Städte zeigt dazu Ansätze (Bild 8). So werden mit Strategien nach dem Motto „weiter so, wie gewohnt“ auch im engagierten Fall – beide Fälle verzichten auf Verbotsrestriktionen – nur begrenzte Reduktionen zu erreichen sein. Mehr kann mit einer Umweltzone (Blaue Zone) erreicht werden, in der jeweils nur die Fahrzeuge der saubersten Fahrzeugnorm fahren dürfen. Wirksam, aber wohl nicht mehr verhältnismäßig wäre eine Umweltzone, in der keine Dieselfahrzeuge fahren dürfen. Doch das legt den Wirtschaftsverkehr lahm. Erst wenn man eine Umweltzone mit nur den saubersten Fahrzeugen kombiniert mit der Bedingung an sogenannte Stadtautos mit sehr geringem Kraftstoffverbrauch lassen sich neben NO2 und PM10 auch die klimawirksamen CO2-Emissionen in größerem Umfang mindern.

Bild 8: Auswirkungen verschiedener Strategien auf die Luftbelastung

Hoffnungen ruhen auch auf der Elektromobilität, die sich jedoch sicher auch nur langsam durchsetzen wird. In Stuttgart gibt es zahlreiche Bemühungen zur Elektromobilität, dazu gehören eine flächendeckende Ladeinfrastruktur, das kostenlose Parken vollelektrischer Fahrzeuge auf allen öffentlich bewirtschafteten Parkplätzen, ein Rad-Mietsystem mit Rädern und Pedelecs sowie eine Fahrzeugflotte von 300 e-Smarts im Carsharing System E-Car2Go. Mit dem Mobilpass des Verkehrsverbundes gibt es zudem eine Karte für Bus, Bahn, Carsharing und Fahrrad, die weiter ausgebaut wird.

Als Gesamtfazit lässt sich festhalten, dass die Luftqualität in den Städten in Straßennähe noch nicht die Einhaltung der Grenzwerte bei NO2 und PM10 sicherstellt. Mit den Maßnahmen der Luftreinhaltepläne ist ein richtiger Weg eingeschlagen. Doch bis überall die Grenzwerte eingehalten sind, vergeht noch eine geraume Zeit. Die Städte sind hier auf die Hilfe des Bundes und der EU angewiesen. Angebracht ist auch ein Umdenken in der Verkehrspolitik.

Literaturverzeichnis

Becker, U.; Clarus, E.; Schmidt, W.; Winter, M. (2010): Technische Universität Dresden, Stickoxide, Partikel und Kohlendioxid: Grenzwerte, Konflikte und Handlungsmöglichkeiten kommunaler Luftreinhaltung im Verkehrsbereich, Download unter http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/vkw/ivs/oeko/Bericht_final_luftreinhaltung_UB_20091126.pdf

Flassak, Th.; Riffel, S.; Reuter, U. (2013): Photokatalyse konkret – Modellierung und Messung im Modellprojekt „Hohenheimer Straße“ der Stadt Stuttgart, In: 57. Betontage, 5. bis 7. Februar 2013, Neu-Ulm, Download unter www.bft-international.com/bft-downloads/2013-02_57-betontage-ulm.pdf

Regierungspräsidium Stuttgart (Hrsg.) 2005: Luftreinhalte-/Aktionsplan für den Regierungsbezirk Stuttgart, Download unter www.rp-stuttgart.de

Regierungspräsidium Stuttgart (Hrsg.) 2010: Luftreinhalte-/Aktionsplan für den Regierungsbezirk Stuttgart – Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart – Fortschreibung des Aktionsplanes zur Minderung der PM10- und NO2-Belastungen, Download unter www.rp-stuttgart.de

Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa, Abl L 152 vom 11. 6. 2008, 1–44

Universität Stuttgart, Institut für Straßen- und Verkehrswesen (2011): Untersuchung der Wirksamkeit von Geschwindigkeitsbeschränkungen in Stuttgart auf die verkehrsbedingten Lärm- und Schadstoffbelastungen, Download unter www.rp-stuttgart.de

39. BImSchV, 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen, 5. August 2010, BGBl I, 1065–1104