FGSV-Nr. FGSV 001/23
Ort Mannheim
Datum 15.09.2010
Titel Begrüßung durch den Vorsitzenden der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen
Autoren Dipl.-Ing. (FH) Wolfgang Paul
Kategorien Kongress
Einleitung

Sehr geehrter Herr Gerbens, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, Dr. Kurz, sehr geehrter Herr Staatssekretär Bomba, meine sehr geehrten Damen und Herren,

auch ich möchte Sie heute ganz herzlich hier in Mannheim begrüßen.

Ich tue dieses ausdrücklich im Namen der deutschen Bauwirtschaft. Alle vier Jahre fällt uns, und in diesem Falle mir, als Vertreter des mittelständischen Baugewerbes die Aufgabe zu, hier ein Grußwort zu halten; und ich habe diese Aufgabe auch in diesem Jahr außerordentlich gerne übernommen. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich bei dem Vorstand der FGSV, allen voran bei Herrn Wennemar Gerbens, für sein Engagement und die geleistete Arbeit für das deutsche Straßen- und Verkehrswesen bedanken.

Mein Dank gilt auch allen weiteren ehrenamtlich tätigen Personen, die in vielen Gremien und Arbeitsausschüssen mitarbeiten. Ohne Sie, meine Damen und Herren, wäre die FGSV nicht so erfolgreich, wie sie es zum heutigen Zeitpunkt ist. Alles ehrenamtliche Engagement würde aber nichts nutzen, gäbe es nicht die hauptamtlichen Mitstreiter, die im Hintergrund der Organisation wirken.

Auch Ihnen gilt unser aller Dank. Meine Damen und Herren,

in rund zwei Wochen jährt sich die Vereinigung Deutschlands zum 20. Mal. Die Länge unseres Autobahnnetzes ist in diesem Zeitraum um 1.950 km gewachsen, wovon 1.720 km sechs- oder mehrspurig ausgebaut wurden. Die Bundesstraßen haben um rund 3.000 km zugenommen; 570 neue Ortsumfahrungen sind dabei entstanden.

Dies ist eine Bilanz, der wir Respekt zollen müssen, insbesondere angesichts der weiteren Aufgaben, die in den vergangenen 20 Jahren bewältigt werden mussten. Respekt zollen wir auch den Verkehrspolitikern und der Administration, welche es geschafft haben, für das Jahr 2009 in einer Größenordnung von über 6 Mrd. EUR das Verkehrsbudget zu vitalisieren. Aber wie gesagt: das ist die Vergangenheit und deshalb erlaube ich mir die Bemerkung, dass nicht alles Gold ist, was glänzt.

Denn für die Budgets der Jahre 2011 und folgende, sieht es nach jetzigem Informationsstand sehr schlecht aus. Trotz des immensen Ausbaus unserer Verkehrsinfrastruktur in den vergangenen 20 Jahren, speziell in den neuen Bundesländern, sind viele Straßen, Brücken und auch Kanalsysteme immer noch in einem beklagenswerten Zustand. Nehmen wir als Beispiel die Brücken: Bei über 38.000 Brücken im Netz der Bundesautobahnen liegt das Alter der meisten Bauwerke, vor allem der großen Talbrücken in den alten Bundesländern, zwischen 30 und 50 Jahren.

Davon wurden durch die BASt rund 2.200 vordringliche Brücken identifiziert, deren Restnutzungsdauer um 10 bis 15 Jahre verlängert werden könnte, würden sie moderat instandgesetzt und verstärkt. Allein dafür bräuchten wir mind. 3,8 Mrd. Euro. Würden diese Brücken zukunftsfähig ertüchtigt, das heißt für die kommenden 50 bis 70 Jahre, läge der Investitionsbedarf bereits bei 6,7 Mrd. Euro. 

Um diese Maßnahmen auch nur annähernd umsetzen zu können, müssten die jährlichen Erhaltungsaufwendungen allein für den Brückenbau bei rund 500 bis 600 Mio. Euro liegen, anstatt der bisherigen 350 Mio.


Meine Damen und Herren,

ich will jetzt gar nicht die anderen Daten und Zahlen nochmals wieder herunterbeten, aber allein diese Auswahl zeigt, dass die Investitionen in die öffentliche Infrastruktur permanent zu niedrig angesetzt werden und wir müssen daher feststellen, unsere Verkehrsinfrastruktur ist weiterhin chronisch unterfinanziert. Zwar wurden die Verkehrsinvestitionen auf Bundesebene in 2009 und in 2010 um jährlich eine Milliarde Euro erhöht, was ich an dieser Stelle nochmals ausdrücklich lobend hervorheben möchte. Damit sind in den vergangenen beiden Jahren viele neue Projekte angeschoben worden, die aber noch nicht beendet sind und in 2011 fortgesetzt werden müssen. Das bedeutet: Weniger Neubeginne in den nächsten Jahren, so dass das Defizit gegenüber dem Bedarf weiter zunehmen wird.

Zusätzlich werden erheblich mehr Mittel für Erhaltung und Erneuerung benötigt, um die Substanz der Straßen nicht noch weiter verfallen zu lassen. 7 Mrd. Euro jährlich auf Bundesebene für Ausbau und Erhalt des Straßennetzes, dieser Betrag steht bei der Finanzierung des Bundesverkehrswegeplans immer wieder im Raum. Aber leider, wie so viele Wünsche in der Realität: Diese Investitionssumme wurde seither noch nie erreicht.

Deshalb frage ich Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wie soll es auf unseren Straßen weitergehen, angesichts weiter, oder besser gesagt, wieder zunehmender Verkehrslasten?

Zunächst schien es, als ob wir durch die Wirtschafts- und Finanzkrise deutliche Rückgänge im Transportgewerbe und damit im Verkehr zu erwarten gehabt hätten. Doch schon in diesem Jahr wird das Straßenverkehrsaufkommen wieder auf das hohe Niveau von 2008 zurückkehren. In diesem Jahr soll nach Angaben der Bundesregierung die Verkehrsleistung der Lkw um zehn Prozent zulegen. Das heißt auch hier, der durch die Wirtschaftskrise bedingte Rückgang des Straßengüterverkehrs wird in nur einem Jahr wieder kompensiert. Der Pkw-Verkehr wird voraussichtlich um ein Prozent wachsen. Er hatte allerdings auch im Krisenjahr 2009 weiter zugenommen. Angesichts dieser Perspektive sind wir der Auffassung, dass die Kürzung der Investitionen in die Verkehrswege im Etatentwurf 2011 überdacht werden muss. Es ist aus unserer Sicht nicht hinnehmbar, dass der Straßenverkehr neue Rekordzahlen erreicht, zugleich aber – trotz hoher Einnahmen aus den diversen Steuern und Mautgebühren – dieses Geld nicht eingesetzt wird um dringend benötigte neue Ausbauvorhaben zu starten. Für den Fernstraßenbau sollen in 2011 nur noch magere 4,8 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Diese Summe reicht nicht aus, um auch nur alle laufenden Neu- und Ausbauprojekte weiter zu finanzieren, von der Erhaltung des bestehenden Systems einmal ganz zu schweigen. Der Verfall der Verkehrsinfrastruktur wird also in hoher Geschwindigkeit weiter voranschreiten.

 

Vielleicht, meine Damen und Herren,

etwas polemisch bemerkt: Natürlich sind wir noch lange nicht so weit wie unsere Freunde in China, wo vor kurzem tausende Menschen über Tage in einem 100 km langen Super-Stau festsaßen, der sich dann erst nach mehr als einer Woche wieder auflöste. Aber auch für unsere Begriffe sind die grandiosen Verkehrsstaus, die aus den Engpässen im Fernstraßennetz, speziell in unseren Transitländern, entstehen, nicht hinnehmbar. Wir werden uns also weiter für höhere Investitionen in den Erhalt und Ausbau unserer Straßen einsetzen. Wir können dies mit Selbstbewusstsein tun, denn der Verkehr leistet nach wie vor einen gewaltigen Beitrag zum Bundeshaushalt: Die Mineralölsteuer bringt allein über 40 Mrd. €, die Lkw-Maut noch einmal 4,3 Mrd., und von der Kfz-Steuer, die den Ländern zufällt, ganz zu schweigen. Vor diesem Hintergrund bedauern wir sehr, dass die Bundesregierung im Etatentwurf noch keine volle Zweckbindung der Einnahmen aus der Lkw-Maut für die Fernstraßen eingeplant hat.

Wir fordern daher die Koalitionsfraktionen dringend auf, ihre eigenen Vorstellungen aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen und einen eigenen Finanzierungskreislauf für Fernstraßen im Haushaltsgesetz 2011 zu verankern. Vielleicht wird ja die heutige Diskussion um die Nutzerfinanzierung einen ersten kleinen Schnitt in den gordischen Knoten ritzen und den politischen Geist erhellen.

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

darüber hinaus gibt es noch weitere Themen, auf die ich kurz eingehen möchte. Diese Problemstellungen liegen uns nicht nur am Herzen, sondern brennen auch auf den Nägeln. In die Stoffpreisgleitklausel, welche grundsätzlich vereinbart ist, müssen speziell Bitumen und Diesel dringend mit einbezogen werden. Es ist für anbietende Bauunternehmen auch heute noch ein nicht zu vertretendes Lotteriespiel, Langzeitangebote abzugeben.

In die Verkürzung von Bauzeiten wollen wir uns positiv einbringen. Allerdings auf sachlicher Basis und unter Berücksichtigung aller Problemstellungen, die sich mit dieser Variante verbindet. Wir erhoffen uns weitere Klarheit von dem sogenannten Bauzeitenkatalog des Bundesverkehrsministeriums, der uns sicherlich in Kürze vorliegen wird. Grundsätzlich befürworten wir, Bonusregelungen verstärkt anzuwenden, denn diese stellen einen effektiven Anreiz dar, Arbeiten zu beschleunigen und nicht nur eine eventuelle Überschreitung durch Pönale zu bestrafen.

Auch in diesem Zusammenhang ist natürlich der sogenannte Bauzeitenkatalog von immenser Bedeutung. Denn Bonuszahlungen bzw. vertragliche Regelung über Laufzeiten, erfordern realistische Bauzeitvorgaben.

 

Meine Damen und Herren,

ich komme fast zum Schluss, gemäß Max Weber: „Politik ist das Bohren dicker Bretter – mit Augenmaß und Leidenschaft.“ Wir werden uns weiterhin für eine nachhaltige Infrastrukturpolitik stark machen – und setzen dabei auf Ihre Unterstützung.

Ich wünsche unserem diesjährigen FGSV-Kongress einen erfolgreichen Verlauf, viele gute Gespräche, den Verkehrspolitikern zündende Ideen für die Weiterentwicklung und den Unternehmern fröhliche Auftragsbestände.

Und weil ich aus der Region Stuttgart komme wünsche ich mir ein Ende des Gezerres um das Jahrhundertbauwerk Stuttgart 21 mit den entsprechenden Bahntrassen und mehr eindeutige klärende positive Aussagen der politisch Verantwortlichen.

In diesem Sinne gibt es den schönen Spruch des Geheimrat Goethes: „Auch aus Steinen, die im Wege liegen, kann man Schönes bauen“.

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Der Wortlaut der Ansprache ist im PDF verfügbar.