FGSV-Nr. FGSV 002/132
Ort Hamburg
Datum 11.05.2022
Titel Aktuelle Entwicklungen bei BIM.Hamburg
Autoren Karolin Gersberg
Kategorien OKSTRA
Einleitung

Die Einführung von BIM in allen in Hamburg am Bau beteiligten Organisationen erfordert weitreichende Veränderungen in Prozessen, Anpassungen in Richtlinien, die Etablierung neuer Technologien und nicht zuletzt einen Kulturwandel in der Arbeitsweise. Bereits 2018 wurde die virtuelle Organisation BIM.Hamburg ins Leben gerufen, um diesen Veränderungsprozess gemeinsam organisationübergreifend zu gestalten und einheitliche und zuverlässige Vorgaben innerhalb Hamburgs zu gewährleisten. In crossfunktionalen Projektteams werden seitdem Standards als Anwendungshilfen erarbeitet und der Wissensaustausch gefördert. Die erarbeiteten operativen Hamburger Standards werden mittlerweile in über 30 BIM-Projekten in Hoch- und Infrastrukturbau angewendet. Der Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung (LGV) unterstützt aktiv die Standardisierungsprojekte von BIM.Hamburg. Als kommunaler Dienstleister erprobt und testet der LGV zudem die Anwendung der entwickelten Standards im Rahmen zahlreicher Infrastrukturprojekte u. a. bei Bestandsmodellierungen und baubegleitenden Analysen.

Der Beitrag geht auf die aktuellen Entwicklungen bei BIM.Hamburg ein, stellt die neuesten Ergebnisse aus den Standardisierungsprojekten vor und zeigt wie beim LGV die Projektbearbeitung mit der Entwicklung der BIM.Hamburg Standards Hand in Hand geht.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 BIM in der Freien und Hansestadt Hamburg

In Hamburg wird die Einführung der Methodik BIM bei den am Bau beteiligten öffentlichen Organisationen für Hoch- und Infrastrukturbau vorangetrieben. Nachdem einige öffentliche Organisationen sich bereits ab 2014 mit dem Thema beschäftigten, formte sich 2018 ein behördenübergreifender Erfahrungsaustausch bezüglich BIM. Aus diesem Erfahrungsaustausch heraus wurde ein gemeinsames Vorgehen zur Implementierung der BIM-Methode in der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) entwickelt, welches von der Runde der Staatsräte im März 2019 beschlossen wurde. Dies war der Startschuss für das strategische Kernvorhaben zur koordinierten Einführung von BIM in der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH).

Mittlerweile gibt es sechs etablierte BIM-Leitstellen mit Schwerpunktthemen in der FHH, die gemeinsam organisationsübergreifend die virtuelle Organisation BIM.Hamburg bilden. Die BIM-Leitstellen (siehe Bild 1) agieren als „BIM.Hamburg“ unter einer gemeinsamen Corporate Identity mit dem Ziel die Einführung von BIM in Hamburg bezüglich der vier strategischen Handlungsfelder Prozesse, Richtlinien, Menschen und Technologien voranzutreiben.

Bild 1: BIM-Leitstellen (Grafik: BIM.Hamburg)

Folgend auf den Staatsrätebeschluss 2019 wurde in Hamburg die BIM-Einführung in der Senatsdrucksache „Digital Strategie für Hamburg“ (Freie und Hansestadt Hamburg, 2020) und im aktuellen Regierungsprogramm verankert. Beides unterstreicht den politischen Willen in Hamburg BIM in allen am Bau beteiligten öffentlichen Organisationen Hamburgs langfristig einzuführen:

„Der Senat wird in allen am Bau beteiligten öffentlichen Organisationen Hamburgs die digitale Arbeitsmethodik Building Information Modeling (BIM) einführen, um über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks (Planen, Bauen und Betreiben) alle relevanten Bauwerksdaten in einem intelligenten Bauwerksinformationsmodell („Digitaler Zwilling“) zu vereinen.“ (Freie und Hansestadt Hamburg, 2020)

„Die Digitalisierung der Bauleitplanung, die Umsetzung von BIM und die Digitalisierung von Bauantrags- und Genehmigungsverfahren werden weiter vorangetrieben. […] Mit der Einführung der digitalen Arbeitsmethodik Building Information Modeling (BIM) in allen am Bau beteiligten öffentlichen Organisationen Hamburgs werden zum Beispiel sämtliche über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks relevanten Daten in einem intelligenten Bauwerksinformationsmodell („Digitaler Zwilling“) vereint. […]“
(SPD und Bündnis 90 /Die Grünen, 2020)

Um BIM in Hamburg einzuführen, braucht es Knowhow bei den öffentlichen Auftraggebern und deren Auftragnehmern sowie etablierte Standards und Prozesse, die gemeinsam Anwendung finden.

BIM.Hamburg treibt daher die Einführung von BIM in diesen vier Handlungsfeldern voran:

  • Prozesse: Digitalisierung der Planungs- und Bauprozesse und Entwicklung neuer BIM Prozesse unter Vermeidung von Datenverlusten und Systembrüchen.
  • Richtlinien: Schaffung neuer und Anpassung bestehender Richtlinien für eine „gemeinsame“ digitale Sprache.
  • Menschen: Weiterbildung der Projektbeteiligten hinsichtlich der BIM-Arbeitsweise sowie den dabei vorgesehenen neuen Rollen (wie z. B. BIM-Manager). Dies erfordert Qualifizierungs- und Zertifizierungskonzepte für Beschäftigte sowie die Kooperation mit der Forschung und Lehre.
  • Technologien: BIM bedarf eines standardisierten Datenmanagements und Softwareeinsatzes sowie einer Digitalen Datendurchgängigkeit über zentrale Plattformen (Common Data Environment (CDE) /Urban Data Plattform) als Voraussetzung für die umfassende Verfügbarkeit und Vernetzung der Daten.

(BIM.Hamburg, 2020; Scholz, Pfromm, 2020)

2 Die Entwicklung von BIM-Standards in Hamburg

Unter dem Dach der virtuellen Organisation „BIM.Hamburg“ wird der Veränderungsprozess in der Freien und Hansestadt Hamburg konkret mit dem Ziel gestaltet einheitliche und zuverlässige Vorgaben innerhalb Hamburgs zu schaffen. In crossfunktionalen Projektteams werden dafür bei BIM.Hamburg Standards als Anwendungshilfen im Hoch- und Infrastrukturbau erarbeitet und der Wissensaustausch gefördert.

Bild 2: Organisationsaufbau BIM.Hamburg (Grafik: BIM.Hamburg)

Wie der Organisationsaufbau zeigt (siehe Bild 2), wurden sechs Standardisierungsprojekte initiiert. Die Projektleitung liegt dabei immer in der BIM-Leitstelle mit der höchsten Fachexpertise für die jeweilige Thematik:

  • Rahmendokumente PL: Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung
  • Anwendungsfälle PL: Hamburg Port Authority AöR
  • Objektkataloge PL: Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer
  • Qualitätssicherung PL: Hamburger Hochbahn AG
  • Qualifizierung PL: HafenCity Universität Hamburg
  • Digitale Bausteine PL: Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung.

Die Ergebnisse aller Standardisierungsprojekte werden über die Webseite
www.bim.hamburg.de/download/ kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Das Bild 3 zeigt den Prozess der Entwicklung neuer BIM-Standards in Hamburg auf:

Bild 3: Entwicklungsprozess der BIM-Standards in Hamburg (Grafik: BIM.Hamburg)

Stufe 1: Pilotierung

Die BIM-Standards werden in Hamburg aus der Praxis heraus entwickelt.

Bei den in Hamburg operativ tätigen Realisierungsträgern und Landesbetrieben wurde BIM bereits in zahlreichen Projekten (> 30 Projekte) eingesetzt. Durch die Anwendung der Methodik in der Praxis wurde mehrjähriges Knowhow aufgebaut, welches die Grundlage für die Erstellung der praxistauglichen Standards ist. Die Pilotierung von BIM in weiteren Projekten wird kontinuierlich in Hamburg vorangetrieben. Die Auswahl und Anzahl der Projekte obliegen dabei den einzelnen BIM-Leitstellen.

Stufe 2: Konsolidierung

In den BIM-Leitstellen wird das BIM-Fach Knowhow aus den Pilotprojekten gebündelt und die Kernerkenntnisse werden für den erfolgreichen Einsatz von BIM konsolidiert. Die BIM-Leitstellen sind in der Regel BIM-Fachabteilungen der jeweiligen Realisierungsträger mit einem Schwerpunktthema (Beispiel BIM im Tiefbau, BIM im Hafenbau etc.).

Stufe 3: Skalierung in der Freien und Hansestadt Hamburg

In dieser Stufe werden die Erfahrungen und Lessons Learned aus den Projekten organisationsübergreifend zusammengeführt. Aus Best-Practices der BIM-Leitstellen werden im Rahmen der BIM.Hamburg Standardisierungsprojekte BIM-Anwendungsempfehlungen erarbeitet. Eine flächendeckende spätere Nutzbarkeit der Empfehlungen in der gesamten Freien und Hansestadt Hamburg steht dabei bereits bei der Erstellung der Empfehlungen im Fokus. Um dies zu erreichen, werden die Anwendungsempfehlungen organisationsübergreifend in crossfunktionalen Projektteams erarbeitet. Alle Standardisierungsprojekte sind in einem Programm gebündelt und werden über ein Programmmanagement an den strategischen Programmzielen von BIM.Hamburg ausgerichtet (siehe Bilder 1 und 2).

Stufe 4: Verfügung der BIM-Standards

Um die BIM-Anwendungsempfehlungen verbindlich in ganz Hamburg einzuführen, müssen diese hoheitlich über die etablierten ministeriellen Prozesse in die entsprechenden Verwaltungsvorschiften eingehen. Der Prozess für die Fortschreibung der betroffenen Verwaltungsvorschriften, zur Hebung der Anwendungsempfehlungen hin zu verbindlichen Standards, obliegt dabei weiterhin den zuständigen Behörden:

  • Behörde für Verkehr und Mobilitätswende (BVM)
    z. B. die Rundschreiben des Ingenieurbaus, Straßenwesens, Vertragswesens und zusätzlicher technischen Vertragsbedingungen (ZTV) und die Richtlinien für Straßenbauarbeiten in Hamburg.
  • Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) z. B. die Vorschriften und Richtlinien des Hochbaus sowie der VV Bau sowie der Digitalisierung ministerieller Prozesse, wie Beispielweise dem Digitalen Bauantrag.
  • Statische Prüfstelle Hafen B. die ZTV im Hafenbau.
  • etc.

(BIM.Hamburg, 2022)

Zusätzlich bedarf es einer Evaluation der jeweiligen Fachvorschriften infolge der BIM-Einführung durch die zuständigen Behörden. Für BIM im Landeshochbau sowie bzgl. der zentralen Grundsatzfragen des Bauwesens (Verwaltungsvorschrift Bau – VV Bau) wird dies in Hamburg zukünftig vom Baukompetenzzentrum der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen umgesetzt. (BIM.Hamburg, 2022)

3 Aktuelle Ergebnisse aus den Standardisierungsprojekten von BIM.Hamburg

Im Nachfolgenden werden die einzelnen Standardisierungsprojekte inklusive der aktuellen Ergebnisse vorgestellt.

3.1 Projekt Rahmendokumente

Im Projekt Rahmendokumente werden BIM-Grundlagendokumente erarbeitet, welche allen Beteiligten und Interessierten kostenfrei und frei zugänglich zur Verfügung gestellt werden. Zu diesen Grundlagendokumenten gehören der BIM-Leitfaden für die FHH, eine Mustervorlage für die Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AIA) sowie eine Mustervorlage für den BIM-Abwicklungsplan (BAP).

Der BIM-Leitfaden für die FHH ist dabei ein projektunabhängiges Dokument, welches für ein einheitliches BIM-Verständnis bei den Beteiligten sowie für eine einheitliche Struktur der Prozesse und Modelle über alle Gewerke hinweg sorgt. Er beschreibt Mindestanforderungen für die digitalen Modelle, enthält allg. Vorgaben bzgl. der Prozesse und Methoden sowie eindeutige Begriffs-Prozess und Funktionsbeschreibungen. Der Leitfaden verbessert damit die Kommunikation zwischen den Projektpartnern. Auf bereits im Leitfaden beschriebene Grundsätze bei Modellstruktur, Qualitätssicherung und Co. kann zudem in den Auftraggeber-Informationsanforderungen oder dem BIM Abwicklungsplan Bezug genommen werden. Somit kann und sollte der BIM-Leitfaden für die FHH ergänzend zu AIA und BAP als Vertragsbestandteil bei Hamburger BIM-Projekten genutzt werden.

Der bereits in Bauprojekten erprobte BIM-Leitfaden für die FHH wurde stetig weiterentwickelt und steht aktuell in der Version 3 zur Verfügung.

Innerhalb des BIM-Leitfadens für die FHH (BIM.Hamburg, 2021a) werden in Anlehnung an die BIM4Infra seitens BIM.Hamburg zwei Varianten für die Konstellation von AIA und BAP empfohlen:

Variante 1

„Der Auftraggeber gibt im Rahmen der Ausschreibung neben den üblichen Vertragsgrundlagen lediglich AIA vor, allerdings keinen BAP. Die Auftragnehmer werden verpflichtet, nach Beauftragung in Abstimmung mit den weiteren Projektbeteiligten einen BAP aufzusetzen, um Festlegungen zur geplanten Zusammenarbeit hinsichtlich der Umsetzung der AIA zu dokumentieren.“ (BMVI, 2019)

Bild 4: AIA/BAP-Konstellation bei der Vergabe von BIM-Leistungen – Variante 1 (Grafik: BIM.Hamburg, 2021 in Anlehnung an BMVI 2019, S.12)

Variante 2

Der Auftraggeber gibt die AIA vor und fordert von den Bietern einen Vor-BAP ab (also eine vorläufige Fassung des BAP, in welchem die Bieter ihre Umsetzungskonzepte für die Erfüllung der AIA beschreiben). Dafür stellt der Auftraggeber ein Muster für den Vor-BAP in den Ausschreibungsgrundlagen zur Verfügung, welche die Bieter dann ausfüllen (Muster-BAP). Bei dieser Variante werden dann sowohl AIA als auch Vor-BAP Vertragsanlage.

Vorteil hier: Durch Vorgabe eines Musters für den Vor-BAP durch den AG, werden die angebotenen Umsetzungskonzepte noch besser vergleichbar. Zudem hat diese Variante den Vorteil, dass die inhaltliche Tiefe des vom Bieter abzugebenden Vor-BAP damit noch klarer durch den AG kommuniziert wird. (BIM.Hamburg 2021 in Anlehnung an BMVI, 2019).

Bild 5: AIA/BAP-Konstellation bei der Vergabe von BIM-Leistungen – Variante 2 (Grafik: BIM.Hamburg, 2021 in Anlehnung an BMVI 2019, S.12)

Unter Berücksichtigung der zwei empfohlenen AIA/BAP Konstellationen wurde im Anschluss an die Erstellung des BIM-Leitfadens für die FHH eine Mustervorlage für die AIA seitens BIM. Hamburg entwickelt. Im Herbst 2021 konnte diese als unverbindliche Empfehlung und Vorlage für die Erstellung projektspezifischer AIA kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Sie dient mit Vorlagen, Beispielen und Informationen als Hilfestellung für Auftraggeber mit dem Effekt, dass Auftragnehmer zukünftig seitens der öffentlichen Organisationen Hamburgs Auftraggeber-Informations-Anforderungen bekommen, die aufgrund der Mustervorlage in ähnlicher Weise strukturiert sind und alle wesentlichen Punkte enthalten.

Der BIM-Leitfaden für die FHH (Version 3) und die AIA-Mustervorlage (Version 1) wurden aufeinander abgestimmt, so dass in der AIA mit Verweisen auf den BIM-Leitfaden gearbeitet werden kann.

Eine Mustervorlage für den BIM-Abwicklungsplan befindet sich derzeit in der Erarbeitung.

3.2 Projekt Objektkataloge

Um Modelle nicht mit Informationen zu überfrachten, automatisierte Prüfroutinen und Abfragen der Modelle zu ermöglichen und den Grad der geometrischen Ausprägung und des Informationsgehaltes für die Anwendungsfälle abzustimmen, sind Objektkataloge unabdingbar. Die Objektkataloge definieren im Detail welche semantischen Objektinformationen bei dem jeweiligen Level of Information in die Modelle einzubinden sind. Sie legen die Klassifikation der Objekte fest und listen die zur Objektklasse zugehörigen Merkmale auf (siehe Bild 6). Somit tragen die Objektkataloge entscheidend zu einer einheitlichen Struktur der BIM-Modelle bei.

Bild 6: Auszug aus dem Objektkatalog Brücken nach ASB-Ing 2013, Version 4 (Grafik: BIM.Hamburg, 2018)

Im BIM.Hamburg Projekt Objektkataloge werden die Objektkataloge zu den verschiedenen Themen des Straßen-, Ingenieur-, Hafen-, Bahn- und Hochbaus entwickelt und gepflegt (BIM.Hamburg, 2022). Dabei entstehen erste Versionen oft iterativ im Zuge der Bearbeitung von Pilotprojekten.

Um gegenläufige Entwicklungen zu vermeiden, bringen die einzelnen BIM-Leitstellen ihr Knowhow auch bei bundeweiten Normierungsvorhaben mit Bezug zu Datenmodellen und Objektinformationen ein. (Der Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung arbeitet hier u. a. in der ITKo FG OKSTRA, ITKo FG FLS sowie der buildingSmart FG „Verkehrswege“ mit.)

Bereits veröffentlichte Objektkataloge werden seitens des Standardisierungsprojektes gepflegt, indem diese stetig in den Hamburger Projekten erprobt und bei Bedarf fortgeschrieben werden. Folgende Objektkataloge wurden bereits von BIM.Hamburg veröffentlicht:

  • Brücken nach ASB-Ing 2013, V004,
  • DGM, V001,
  • Geotechnik, V002,
  • Master, V003,
  • Deich, V001.

Besonders herauszuheben ist der Objektkatalog Master. Dieser definiert die semantische Detaillierung der allgemeinen bzw. übergeordneten Projektinformationen, die keinem bauwerksrelevanten, sondern einem Informationsbauteil – dem Nullpunktobjekt – zugeordnet werden. Der Objektkatalog Master ist notwendig als Grundlage für die erfolgreiche disziplinübergreifende Koordination in BIM-Projekten.

Bild 7: Beispiel eines Nullpunktobjektes (Grafik: BIM.Hamburg, 2020)

Folgende weitere Objektkataloge befinden sich derzeit in Erarbeitung:

  • Bahnbau,
  • Gefahrenerkundung,
  • Hochbau,
  • Leitung/Entwässerung,
  • Bahnbau.

Weitere Objektkataloge sind in Planung.

3.3 Projekt Anwendungsfälle

Die vom BMDV veröffentlichten Rahmendokumente der Musterrichtlinie zum Masterplan BIM Bundesfernstraßen unterstützen die konkrete Projektarbeit mit BIM durch die Beschreibung der Anwendungsfälle. BIM.Hamburg hat seine bisherige Erfahrung aus BIM-Projekten und dem BIM.Hamburg Standardisierungsprojekt „Anwendungsfälle“ eingebracht und die inhaltliche Ausarbeitung der acht prioritären BIM-Anwendungsfälle federführend übernommen. Die Ergebnisse wurden sowohl durch das BMDV als auch durch BIM.Hamburg zur Verfügung gestellt. (BMVI, 2021; BIM.Hamburg, 2022)

Für jeden Anwendungsfall wurden vier wesentliche Dokumente erarbeitet (siehe Bild 8):

Bild 8: Aufbau der Anwendungsfallbeschreibung (Grafik: BIM.Hamburg, 2021b)

Die Steckbriefe enthalten für den jeweiligen Anwendungsfall eine kurze Definition, die Zuordnung zur Projektphase, den zu erwartenden Nutzen, die Voraussetzungen zur Umsetzung, notwendige Ein- und Ausgangsdaten sowie Praxisbeispiele.

Das Prozessdiagramm beschreibt zusammen mit der Umsetzungsempfehlung im Detail die einzelnen Arbeitsschritte zur Umsetzung eines Anwendungsfalls, grenzt die Leistungen zu anderen Anwendungsfällen ab und ordnet die Prozessschritte den BIM-Rollen zu.

Mit den „Lessons Learned“ werden hilfreiche Erfahrungen in der Umsetzung der Anwendungsfälle in Bezug zu den Handlungsfeldern Menschen, Technologien, Prozesse und Daten geteilt.

Für die folgenden acht prioritären Anwendungsfälle wurden bereits Anwendungsfallbeschreibungen erstellt:

AwF 010

Bestandserfassung- und Modellierung

AwF 030

Planungsvarianten

AwF 040

Visualisierungen

AwF 050

Koordination der Fachgewerke

AwF 080

Ableitung von Planunterlagen

AwF 100

Mengen- und Kostenermittlung

AwF 110

Leistungsverzeichnis, Ausschreibung, Vergabe

AwF 190

Projekt- und Bauwerksdokumentation

Bild 9: Prioritäre Anwendungsfälle für die bereits Beschreibungen zur Verfügung gestellt wurden (BIM.Hamburg, 2021b)

3.4 Projekt Qualitätsmanagement

Die Basis für einen verlustfreien und erfolgreichen Informationsaustausch sind qualitätsgesicherte BIM-Modelle. Ziel des Projektes Qualitätsmanagement ist die Unterstützung der Modellbearbeiter hinsichtlich der Definition der gewünschten Modellqualität und der dazugehörigen Strukturierung einer digitalen Modellprüfung. Im Projekt werden Tools und Prozesse zur Qualitätskontrolle der qualitätssichernden Regeln und Standards evaluiert, um Empfehlungen für ganz Hamburg zu entwickeln. In Vorbereitung zur Veröffentlichung ist derzeit eine Checkliste zur Modellprüfung, die Hilfestellung gibt, wie eine Modellprüfung in den Bereichen

  • AIA/BAP Konformität
  • Sichtprüfung Fachmodell
  • Level of Information (LOI) Prüfung Fachmodell
  • Geometrie Prüfung Fachmodell
  • Prüfung Koordinationsmodell
  • Fachprüfung

strukturiert werden

3.5 Projekt Qualifikation

Das Projekt Qualifikation unter der Leitung der HafenCity Universität Hamburg verfolgt das Ziel ein nachhaltiges Ausbildungskonzept für die digitalen Prozesse des Planens, Bauens und Betreibens in Hamburg zu etablieren, mit dem Wissen einheitlich, aktuell und auf die Bedürfnisse von BIM.Hamburg abgestimmt, vermittelt wird. Eine Qualitätssicherung in der Ausbildung ist neben den Ergebnissen der anderen BIM.Hamburg Standardisierungsprojekte eine zwingende Grundlage für eine erfolgreiche kooperative Zusammenarbeit in den Bauprojekten. Bei allen Projektbeteiligten muss eine einheitliche „Sprachfähigkeit“ hinsichtlich der digitalen und kooperativen Prozesse geschaffen werden.

Aktuell erarbeitet das Projekt ein konkretes Schulungs- und Kursangebot für BIM.Hamburg und bezieht dabei auch die Vermittlung der praktischen Anwendung der in Hamburg entwickelten BIM-Standards mit ein.

3.6 Projekt Digitale Bausteine

Im Projekt Digitale Bausteine wird BIM im Zusammenhang der bestehenden städtischen Systeme betrachtet. Dabei geht es insbesondere um den Informationsaustausch zwischen den Projektplattformen und der Hamburger „Datendrehscheibe“ der städtischen Daten, der Urban Data Plattform Hamburg. Mit diesem Projekt wird auf eine Verbesserung der Transparenz und Datendurchgängigkeit in den Bauprojekten hingewirkt mit dem übergeordneten Ziel den Informationsaustausch zwischen gesamtstädtischem Zwilling und BIM-Projekt bzw. Bauwerkszwilling bestmöglich zu fördern. Langfristig sollen dabei die Informationen aus der BIM-Methodik und den BIM-Modellen heraus, auch den gesamtstädtischen Zwilling – den Urban (Digital) Twin – bereichern.

Im Projekt Digitale Bausteine werden aktuell in einem ersten Schritt die Daten- bzw. Informationsanforderungen der beteiligten Stakeholder eingesammelt.

4 Rückführung der Projekterfahrung in die Standardisierung

Der Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung (LGV) unterstützt nicht nur aktiv die Standardisierungsprojekte von BIM.Hamburg, sondern erprobt und testet auch als kommunaler Dienstleister die Anwendung der entwickelten Standards im Rahmen zahlreicher Infrastrukturprojekte u. a. bei Bestandsmodellierungen und baubegleitenden Analysen. Dabei geht Erprobung und Test der Standards bei der Projektbearbeitung sowie die Weiterentwicklung der Standards oft Hand in Hand.

Ein Beispielprojekt ist das BIM-Projekt „Stadtstraße Högerdamm“. Mit diesem Projekt wird durch den Landesbetrieb Straßen Brücken und Gewässer (LSBG) die BIM-Methodik erstmals bei der Instandsetzung einer innerstädtischen Hauptverkehrsstraße angewendet. Ab Herbst diesen Jahres soll bei der 450 m langen Stadtstraße im Stadtteil Hammerbrook die Einrichtungsfahrbahn erneuert und die Nebenflächen neu geordnet und hergestellt werden (BIM. Hamburg, 2020). Dabei koordiniert der LSBG seine Arbeiten mit den weiteren Maßnahmen der Leitungsträger.

Im Rahmen des Projektes werden zwölf BIM-Anwendungsfälle erprobt. Die Schwerpunkte liegen neben der Nutzung einer gemeinsamen Datenplattform (CDE) auf der Koordination der Fachmodelle, der Bauablaufsimulation zur Maßnahmenkoordinierung sowie der Erstellung eines As-Built Modells als Bauwerksdokumentation. Das As-Built Modell soll zudem genutzt werden, um die Übergabe der relevanten Bauwerksinformationen an den Betrieb zu erproben.

Im Zuge des BIM-Projektes Högerdamm hat der Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung neben klassischen Leitungsbestandsplänen (2D) auch ein dreidimensionales Bestandsmodell der Leitungen, des Straßenkörpers und der Umgebung (Straßenbäume und Digitales Stadtmodell) im Auftrag des LSBG erstellt (siehe Bild 10).

Bild 10: Fachmodell Leitungen, Straße und Umgebung, Projekt Högerdamm (Grafik: LGV/LSBG)

Dabei wurde das Fachmodell der Leitungen durch zwei unterschiedliche Geometrien dargestellt. (siehe Bild 11). Rohrleitungen, die für den Transport von Medien (Flüssigkeiten und Gase) dienen, wurden mit den Abmaßen ihrer einzelnen Bauteile dargestellt. Kabelleitungen, die der Strom- und Telekommunikationsübertragung dienen, konnten nur als Bereiche abgebildet werden. Die Abmessungen der Querschnitte in horizontaler und vertikaler Richtung orientieren sich dabei an der möglichen Lagegenauigkeit und schwanken in der Regel zwischen 30 und 50 cm.

Bild 11: Schematischer Aufbau des Fachmodell Leitungen (Grafik: LGV/LSBG)

Als Bezugsgrenze für die Höhe dient dem Fachmodell Leitung die Oberkante des Straßenkörpers, diese ist mit dem digitalen Geländemodell (DGM) des Projektes identisch. Damit wurden alle durch die Leitungsträger übergebenen relativen Höhenangaben auf die örtliche Höhe im DGM bezogen.

Eine spätere Aufnahme der Straße mit einem Georadar hat gezeigt, dass die Lage und Anzahl der Leitungen zum Teil nicht der Auskunft der Leitungsbetreiber entsprechen. Fehlende Leitungen oder veränderte Leitungspositionen werden nun im Bestandsmodell nacherfasst.

Die gesammelten Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Projekt Högerdamm (insbesondere durch den kontinuierlichen engen Austausch mit den Projektpartnern) werden direkt in das BIM.Hamburg Projekt Objektkataloge zurückgespielt und tragen zum Aufbau weiterer BIM.Hamburg Objektkataloge (z. B. dem Objektkatalog Leitung) bei.

5 Fazit

Mit BIM.Hamburg ist es gelungen, den für die Einführung von BIM notwendigen und umfassenden, Transformationsprozess in Hamburg erfolgreich zu beginnen. In organisationsübergreifenden BIM-Standardisierungsprojekten mit crossfunktionalen Teams werden gemeinsam BIM-Anwendungsempfehlungen im Bereich der Infrastruktur und des Hochbaus für Hamburg entwickelt. Dieses gemeinsame und koordinierte Vorgehen vermeidet Doppelarbeit und spart Kosten für die BIM-Implementierung.

Für einen durchgängigen Interoperablen Informations- und Datenaustausch bei BIM sind jedoch noch weitere Anstrengungen in der Standardisierung notwendig. Die bereits durch BIM.Hamburg und auf Bundesebene zur Verfügung gestellten Anwendungsempfehlungen bilden eine erste Grundlage.

Der LGV wird sich auch zukünftig bei der Entwicklung der notwendigen Normen, Richtlinien und Standards engagieren und die Weiterentwicklung der BIM-Methodik in der Freien und Hansestadt Hamburg fördern. Der Erfolgsfaktor ist dabei eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen allen am Bau Beteiligten und ein kontinuierlicher Wissensaustausch und -Aufbau.

Literaturverzeichnis

BIM.Hamburg (2018): Bauteilkatalog Brücken nach ASB-Ing 2013, Version 4, S. 6

BIM.Hamburg (2020): Objektkatalog Master, Version 3, S. 3 BIM.Hamburg (2021a): BIM-Leitfaden für die FHH, Version 3

BIM.Hamburg (2021b): Anwendungsfallbeschreibung AWF 010, Bestandserfassung und -modellierung, Version1, S. IV-V

BIM.Hamburg (2022): Webseite BIM.Hamburg, https://bim.hamburg.de/, abgerufen am 12.04.2022

Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur, BMVI (2019): BIM4INFRA2020 Handreichung Teil 1: Grundlagen und BIM-Gesamtprozess,
https://bim4infra.de/wp-content/uploads/2019/07/BIM4IN-FRA2020_AP4_Teil1.pdf;
zuletzt abgerufen am 23.08.2021, S. 12

Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur, BMVI (2021): Masterplan für die Digitalisierung im Bundesfernstraßenbau,
https://www.bmvi.de/DE/Themen/Digitales/Building-Information-Modeling/BIM-Fernstrassen/building-information-modeling.html
zuletzt abgerufen am 11.04.2022

Freie und Hansestadt Hamburg (2020): Digitalstrategie für Hamburg. Senatskanzlei – Amt für IT und Digitalisierung (Hrsg.), Drucksache Nr. 21/19800, 2. überarbeitete Auflage, S. 33-35

Scholz, F.; Pfromm, C. (2020): Von der Digitalstrategie zum digitalen Planen und Bauen. Projektmanagement Aktuell, 31. Jahrgang, Heft 04/2020, UVK Verlag, Tübingen, S. 18-23

SPD und Bündnis 90/Die Grünen (2020): Zuversichtlich, solidarisch, nachhaltig – Hamburgs Zukunft kraftvoll gestalten, Koalitionsvertrag, 22. Legislaturperiode der Hamburgischen Bürgerschaft, S.27, S.160)