FGSV-Nr. FGSV 002/119
Ort Bergisch Gladbach
Datum 29.03.2017
Titel Trends von kraftfahrzeugbedingten Emissionen anhand von Luftqualitätsmessungen an Referenzstationen und in Deutschen Kurorten
Autoren Dr. Stefan Gilge, Volker Dietze, Mathieu Fricker
Kategorien Luftqualität
Einleitung

Der Deutsche Wetterdienst, Zentrum für Medizin-Meteorologische Forschung, Freiburg, Referat Lufthygiene führt kontinuierlich an 12 Referenzstationen und an Sondermessstellen in Deutschland sowie für jeweils ein Jahr in Deutschen Kurorten Luftqualitätsmessungen durch. Dabei werden die Schlüsselparameter Stickstoffdioxid (NO2), Feinstaub (PM2.5), Ruß im Feinstaub, und Grobstaub (2,5- 40 µm) zur Begutachtung der Luftqualität gemessen.

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Der Deutsche Wetterdienst, Zentrum für Medizin-Meteorologische Forschung, Freiburg, Referat Lufthygiene führt kontinuierlich an 12 Referenzstationen und an Sondermessstellen in Deutschland sowie für jeweils ein Jahr in Deutschen Kurorten Luftqualitätsmessungen durch. Dabei werden die Schlüsselparameter Stickstoffdioxid (NO2), Feinstaub (PM2.5), Ruß im Feinstaub, und Grobstaub (2,5- 40 µm) zur Begutachtung der Luftqualität gemessen.

Die Messergebnisse liegen seit ca. 2008 vor und eignen sich, um eine erste Trendaussage bezüglich der o.g. Parameter durchzuführen. Zunächst wird der Trend der einzelnen Parameter an den Referenzstationen gezeigt:

Abbildung 1: Wöchentlicher Median der NO2-Konzentrationen in [µg/m³] an den 12 Stationen des lufthygienischen Referenzmessnetzes des DWD (blau) und linearer Trend (schwarz).

Beim NO2 zeigt sich neben dem deutlichen Jahresgang mit erhöhten Werten im Winter aufgrund der längeren atmosphärischen Verweildauer des NO2, verstärkten Quellen und schlechteren Austauschbedingungen auch ein leicht negativer Trend von etwa 0.25 µg/m³ (Abb.1). Das entspricht einer Abnahme von etwa 2% pro Jahr und ist wahrscheinlich Emissionsminderungsmaßnahmen zuzuschreiben. Dieser Trend stimmt mit dem vom UBA für ländliche Regionen bestimmten (0.25 µg/m³·a; 1.7%, http://www.umweltbundesamt.de/daten/ luftbelastung/stickstoffdioxid-belastung#textpart-1) gut überein.

Der zeitliche Verlauf beim Feinstaub (PM2.5) zeigt aufgrund der vornehmlich gasförmigen Vorläufer und z.T. dem NO2 ähnlichen Quellen des Feinstaubs einen ähnlichen Verlauf mit maximalen Werten im Winter (Abb.2). Allerdings ist der negative Trend von etwa 0.8 µg/m³ und etwa 6% pro Jahr höher als der von NO2. Er ist auch wesentlich größer als der vom UBA für ländliche Stationen angegebene (ca. 2%/a), wobei sich dieser allerdings auf PM10 bezieht.

Abbildung 2: Wöchentlicher Median der PM 2.5-Konzentrationen in [µg/m³] an den 12 Stationen des lufthygienischen Referenzmessnetzes des DWD (blau) und linearer Trend (schwarz)

Abbildung 3: Wöchentlicher Median der PM2.5-10 -Konzentrationen in [µg/m³] an den 12 Stationen des lufthygienischen Referenzmessnetzes des DWD (blau) und linearer Trend (schwarz).

Bei der Staub-Größenfraktion von 2.5 bis 10 µm (PM2.5-10, Abb.3), dem sogenannten „coarse mode“, ist kein Jahresgang erkennbar. Dies deutet darauf hin, dass es sich bei dieser Fraktion entweder um Substanzen handelt, deren Quellen und Senken nicht von den Jahreszeiten abhängen oder um ein Gemisch, mit unterschiedlichen Jahresgängen, die sich gegenseitig mehr oder weniger kompensieren. Es ist ein leicht negativer Trend von ca. 3%/a vorhanden. Insgesamt wird der PM10 Trend an den DWD-Referenzstationen damit kleiner, aber immer noch deutlich größer als der vom UBA angegebene.

Bei der Grobstaubfraktion mit geometrischen Durchmessern im Bereich von etwa 3 bis 48 µm handelt es sich vornehmlich um Partikel, die - im Gegensatz zu der Feinstaubfraktion (Partikel ≤ 2,5 µm) - nicht aus gasförmigen Vorläufern stammen, sondern direkt in die Atmosphäre emittiert werden. Dabei spielen neben unzureichender Filterung bei Verbrennungsprozessen auch die mechanische Erzeugung (z.B. Reifen-, Bremsabrieb) und Re-Suspension bereits sedimentierter Partikel (z.B. Aufwirbelung durch Wind) eine bedeutende Rolle. Dementsprechend wird erwartet, dass die Grobstaubkonzentration eine starke Abhängigkeit zu den meteorologischen Faktoren Niederschlag / Feuchtigkeit und Wärme / Lufttemperatur zeigt. So zeigt sich ein Jahresgang mit den höchsten Konzentrationen im Sommer, wenn durch Trockenheit und Turbulenz Staub aufgewirbelt werden kann. Die niedrigsten Konzentrationen treten im Winter auf, wenn der Boden durch Regen / Schnee quasi versiegelt ist (Abb.4).

Bei dieser Staubfraktion greifen die üblichen Emissionsminderungsmaßnahmen nicht, da sie z.T. natürlich sind, zum andern aber auch aus nicht motorischen anthropogenen Quellen stammen. Reifen-, Brems- und Fahrbahnabrieb standen bisher nicht im Fokus der Minderungsmaßnahmen. Das könnte ein Grund dafür sein, dass sich kein Trend erkennen lässt.

Da verschiedene Quellen zur Immissionsbelastung einer jeweiligen Luftbeimengung beitragen, ist es meist schwierig, einen Trend einer ganz bestimmten Quelländerung zuzuordnen. Des Weiteren handelt es sich bei bodengebundenen Messungen üblicherweise um Punktmessungen, die, je nach Auswahl und Messintention, für ein mehr oder weniger großes Gebiet repräsentativ sind. Satellitenbeobachtungen und / oder Modellrechnungen haben da Vorteile, sind aber i.d.R. in der Genauigkeit begrenzt oder spiegeln die Realität nur bedingt wider.

Abbildung 4: Wöchentlicher Median der PM2.5-40 -Konzentrationen in [µg/m³] an den 12 Stationen des lufthygienischen Referenzmessnetzes des DWD (blau) und linearer Trend (schwarz).

Der Deutsche Wetterdienst, Referat Lufthygiene, misst im Rahmen der Kurortprädikatisierung bestimmte Luftqualitätsparameter für jeweils ein Jahr in den zu überprüfenden Kurorten. Das dabei angewendete INMEKO-II-Verfahren sieht zwei Messstellen vor: Im Kurgebiet (KG), in dem der Kurgast üblicherweise „therapiert“ wird. Das Kurgebiet charakterisiert somit die Hintergrundbelastung. Die zweite Messstelle befindet sich im Verkehrszentrum (VZ) des jeweiligen Ortes, an dem sich der Kurgast gelegentlich aufhält (Einkaufsmöglichkeiten, Dienstleistungen) und eine vergleichsweise hohe Verkehrsbelastung aufweist. Da die Messstellen nach bestimmten Kriterien und in nicht zu großer räumlicher Distanz aufgestellt werden, mit der gleichen Analytik und in gleichen Zeitintervallen gemessen wird, werden großräumige Beeinflussungen und flächenhafte Quellen von beiden Messstellen gleichermaßen detektiert. Die Differenz der Messergebnisse (VZ-KG) gibt demnach – in erster Näherung – sehr gut den durch den Verkehr in Kurorten verursachten zusätzlichen Anteil an der Konzentration der jeweiligen Luftbeimengung wieder. Diese Differenz ist jedoch von Ort zu Ort unterschiedlich und der absolute Wert somit standortabhängig.

Zudem dauern die Messungen in den jeweiligen Kurorten nur 1 Jahr an. Somit zeigt ein langjähriger Datensatz einen „Flickenteppich“ der Immissionskonzentrationen über Deutschland. Da aber die Kurorte insgesamt ähnlich sind (i.d.R. Klein- bis Mittelzentren, 15 – 30 Tsd. Einwohner) und immer eine größere Anzahl von Orten (ca. 30-60) pro Jahr untersucht wird, sollten Median und Mittelwert belastbare Größen sein, mit denen sich ein repräsentatives Bild und ein robuster Trend der Immissionsbedingungen an den kurortbezogenen Stationen in Deutschland darstellen lassen.

Die kurortbezogenen Messungen und Auswertungen stehen keinesfalls in Konkurrenz zu den Luftqualitätsmessungen des UBAs (überwiegend Hintergrundstationen) und der Landesämter (häufig „hot spots“ in Ballungsgebieten), sondern stellen einen neuen Ansatz und damit eine Ergänzung mit Informationen über Klein- und Mittelzentren in Deutschland dar.

In Abb. 5 sind die Mediane der NO2-Konzentrationen jeweils für die Verkehrszentren, Kurgebiete und die Differenz aus VZ und KG aufgetragen. Der negative Trend im VZ mit etwa -2%/a ist vergleichbar mit dem der Referenzstationen. Im KG ist nahezu kein Trend vorhanden; demzufolge ist der Trend der Differenz,

d.h. der den lokalen Verkehrsquellen zuzuordnenden NO2-Belastung, nahezu identisch. Aufgrund der relativ kurzen Lebenszeit des NO2 (wenige Stunden tagsüber im Sommer bis wenige Tage im Winter) ist die „Hintergrundbelastung“ im Kurgebiet weniger dem Ferntransport sondern eher flächenhaften Quellen wie z.B. Hausbrand zuzuordnen. Dieser Ansatz muss natürlich noch genauer untersucht werden, gibt aber Hinweise darauf, dass Stickoxid-Emissionsminderungen hauptsächlich durch die Kraftfahrzeuge erbracht werden.

Die Feinstaubkonzentration (PM2.5) wird nur im VZ gemessen; insofern ist eine dem NO2 analoge Auswertung leider nicht möglich.

Abbildung 5: Wöchentlicher Median der NO2-Konzentrationen in [µg/m³] an Verkehrszentren (VZ, orange), den Kurgebieten (KG, grün) und der Differenz (VZ-KG, blau) an deutschen Kurorten mit den entsprechenden linearen Trends.

Abbildung 6: Wöchentlicher Median der PM2.5-10 -Konzentrationen in [µg/m³] an Verkehrszentren (VZ, orange), den Kurgebieten (KG, grün) und der Differenz (VZ-KG, blau) an deutschen Kurorten mit den entsprechenden linearen Trends.

Einer der NO2-Konzentrationen analoge Auswertung der „coarse mode“-Konzentrationen ergibt folgendes Bild (Abb. 6): Die Standorte VZ und KG sind sowohl hinsichtlich des Konzentrationsniveaus als auch des Trends (VZ: ca. - 3%/a) ziemlich ähnlich. Die Differenz (VZ-KG) weist somit niedrige Werte und keinen Trend auf. Daraus könnte gefolgert werden, dass Emissionen aus dem Kfz-Verkehr nicht die dominante Quelle für diese Staubklasse sind und der Trend in Emissionsminderungen in anderen Quellbereichen gesucht werden muss. Der in der Differenz zu erkennende Jahresgang mit maximalen Werten im Winter gibt einen Hinweis darauf, dass es sich hierbei um sekundäre Partikel handeln muss, die sich ähnlich verhalten wie die der Feinstaubfraktion (PM2.5). 

Abbildung 7: Wöchentlicher Median der Grobstaub PM2.5-40 -Konzentrationen in [µg/m³] an Verkehrszentren (VZ, orange), den Kurgebieten (KG, grün) und der Differenz (VZ-KG, blau) an deutschen Kurorten mit den entsprechenden linearen Trends.

Die analoge Auftragung der Grobstaubfraktion zeigt ein ähnliches Verhalten wie das soeben beschriebene. Allerdings sind die Konzentrationen im VZ merklich höher als im KG, so dass der durch den Verkehr verursachte Anteil etwa 30 bis 50% ausmacht. Einen Hinweis auf die Quellzusammensetzung gibt eventuell der in der Differenz sichtbare Jahresgang mit im Sommer geringeren, im beginnenden Frühjahr erhöhten Werten: Das könnte darauf hindeuten, dass der Anteil der Re-Suspension von zuvor gebundenen Teilchen (z.B. Streusalz) eine wichtige Rolle bei der Verkehrsquelle ist.

All die hier gezeigten Auswertungen sind als vorläufig anzusehen. Der Datensatz wird nochmals auf eventuelle Inkonsistenzen überprüft und die Zeitreihen und Trends einer Signifikanzanalyse unterzogen.