FGSV-Nr. FGSV B 35
Ort Bochum
Datum 05.10.2021
Titel Unterschiedliche Zemente im Unter- und Oberbeton
Autoren Univ.-Prof. Dr.-Ing. Rolf Breitenbücher, Dipl.-Ing. Thomas Wolf
Kategorien Betonstraßen
Einleitung

Für die Herstellung von Betonfahrbahndecken ist gemäß den aktuellen Regelungen (TL Beton-StB) für Ober- und Unterbeton ein Zement der gleichen Art und Festigkeitsklasse zu verwenden. Durch eine flexiblere Handhabung von Bindemitteln im Ober- und Unterbeton können sich ökologische und wirtschaftliche Vorteile eröffnen. Ein sinnvoller Ansatz ist die Verwendung von Zementen mit hohem Klinkeranteil für den hochbelasteten, dünnen Oberbeton in Verbindung mit Zementen mit reduziertem Klinkeranteil für den Unterbeton. So kann die Ökobilanz der Betonstraße verbessert werden, und gleichzeitig erhöht sich die Verfügbarkeit potenzieller Lieferwerke von Gesteinskörnungen für den Unterbeton in Bezug auf die Vermeidung einer schädigenden Alkali-Kieselsäure-Reaktion (AKR).

Im Rahmen eines Forschungsvorhabens wurde im Labor nachgewiesen, dass sich unter den spezifischen Randbedingungen hinsichtlich Verbund- und Verformungsverhalten von Ober- und Unterbeton auch bei unterschiedlich rascher Festigkeitsentwicklung der beiden Betone keine Beeinträchtigungen ableiten lassen. Weiterhin konnte das AKR-Schadenspotenzial kritischer Gesteinskörnungen durch die hüttensandhaltigen Zemente deutlich gesenkt werden. Somit sind für solche Modifikationen weder bei der Herstellung noch hinsichtlich Nutzung und Dauerhaftigkeit (insbesondere Frost-Taumitteleinwirkung) Beeinträchtigungen zu erwarten. Vor einer Anpassung des Regelwerks wurde jedoch noch die Erprobung in-situ eingefordert.

Dies erfolgte im Rahmen einer Deckenerneuerung auf der BAB A7 bei Wörnitz. In einem Teilabschnitt (ca. 1300 m) wurde im Unterbeton ein CEM III/A-Zement eingesetzt, während der Oberbeton mit einem CEM I hergestellt wurde. Ziel dieser Erprobung war es, einerseits die grundsätzliche Einbaubarkeit von Betonen mit unterschiedlichen Zementen in einer zweischichtigen Betondecke nachzuweisen und andererseits die noch bestehenden Restvorbehalte z. B. in Bezug auf einen unterschiedlichen Erhärtungsverlauf, den Schichtenverbund zwischen Ober- und Unterbeton, die frühzeitige Befahrbarkeit zur Waschbetonherstellung oder das Rissverhalten der Fugen auszuräumen. Hierzu wurde im Vorfeld ein Versuchsprogramm erarbeitet und zwischen allen Beteiligten (Bauherr, BASt/BMVI, FGSV-Arbeitsausschuss 8.2 und Baufirma) abgestimmt. Um die gewonnenen Messdaten auch bewerten und vergleichen zu können, wurden die erweiterten Untersuchungen auch an einem direkt daran anschließenden CEM I-Referenzbereich von etwa gleicher Länge durchgeführt.

In der Erstprüfung wurden neben den Standardprüfungen zusätzlich das Schwindverhalten, die Hydratationswärmeentwicklung sowie die Festigkeitsentwicklung erfasst. Einbaubegleitend wurde die Temperaturentwicklung über die Deckendicke aufgezeichnet und daraus die Festigkeitsentwicklung der Betone abgeschätzt. Zudem wurde das Reißen der Fugen in den ersten Tagen dokumentiert. Abweichend von der sonst üblichen Kontrollprüfung an Bohrkernen im Alter von 60 Tagen wurden die Druck- und Spaltzugfestigkeiten im Alter von 7, 28, 56 und 180 Tagen ermittelt. Zusätzlich wurde das Verbundverhalten im Übergangsbereich zwischen Ober- und Unterbeton geprüft.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Einbau einer Betonfahrbahndecke mit unterschiedlichen Zementen im Unter- und Oberbeton mit dem Gleitschalungsfertiger problemlos und ohne nachteilige Auswirkungen auf die Qualität möglich war. Aufgrund der nachgewiesenen Eignung unter zudem pessimalen Randbedingungen (kühle Witterung, Kombination CEM III mit CEM I) ist die für das Regelwerk bereits geplante Anpassung nun auch durch eine Praxiserprobung abgesichert.

 

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln. 

1 Einleitung

Betonfahrbahndecken werden in der Regel zweischichtig betoniert. Insbesondere bei der heutigen Regelbauweise „Waschbeton“ werden unterschiedliche Unter- und Oberbetone hintereinander eingebaut (Bild 1). In dem für den Beton maßgebenden Regelwerk, den TL Beton-StB, wird hierzu festgehalten, dass „Ober- und Unterbeton mit Zement gleicher Art und Festigkeitsklasse hergestellt werden“ müssen. Diese Regelung ist bereits seit Jahrzehnten im Regelwerk zu finden, sie stammt somit aus einer Zeit, in der für Betonfahrbahndecken mehr oder weniger ausnahmslos Portlandzement (CEM I) eingesetzt wurde. Zwischenzeitlich ist jedoch im gesamten Betonbau aufgrund ökopolitischer Vorgaben (Decarbonisierung) ein eindeutiger Trend zu klinkerärmeren CEM II-/CEM III-Zementen zu verzeichnen. Dies wirkt sich auch heute bereits auf den Betonfahrbahndeckenbau aus. Zunehmend wird auch hier CEM II-Zement eingesetzt. In diesem Kontext wäre es auch wünschenswert, für Oberbetone beispielsweise CEM I oder CEM II/A zu verwenden, womit beispielsweise auch ein hinreichender Frost-Tausalzwiderstand sichergestellt werden kann, während im Unterbeton ein CEM III/A-Zement eingesetzt werden könnte. Damit würde auch hier zum einen ein Beitrag zur Verbesserung der Ökobilanz geleistet, zum andern können auch weitere technische/wirtschaftliche Vorteile wie z. B. eine Verminderung des AKR-Potenzials genutzt werden. Es versteht sich von selbst, dass im Fall einer solchen Kombination unterschiedlicher Zemente in Unter- und Oberbeton gleichzeitig alle weiteren Anforderungen aus der Nutzung, der Dauerhaftigkeit und dem Bauablauf heraus erfüllbar sein müssen. Bevor das Regelwerk entsprechend angepasst werden kann, galt es die Kompatibilität einer solchen Modifikation (Bild 2) und damit verbundene Fragen vorabzuklären. Dies erfolgte zum einen in einem gemeinsamen Forschungsprojekt an der Bauhaus-Universität Weimar und der Ruhr-Universität Bochum, zum andern wurden die dabei gewonnenen Erkenntnisse in einem Pilotprojekt verifiziert.

Bild 1: Zweischichtiger Einbau von Unter- und Oberbeton

Bild 2: Unterschiedliche Zemente in Unter- und in Unter- und Oberbeton 

2 Offene Fragen und Untersuchungsprogramm

Bei der Waschbetonbauweise muss der verzögerte Mörtel aus der Oberfläche frühzeitig maschinell ausgebürstet werden. Dazu muss die Fahrbahndecke soweit erhärtet sein, dass diese mit entsprechendem Gerät befahren werden kann. Werden im Unterbeton langsamer erhärtende Zemente eingesetzt, ist die Festigkeitsentwicklung der beiden Betone in Einklang zu bringen (Bild 3 a). Des Weiteren stellt sich die Frage, inwieweit der Verbund zwischen den beiden unterschiedlichen Betonen langfristig durch die zyklischen Verkehrsbelastungen beeinträchtigt werden kann (Bild 3 b). Und schließlich muss dieses System auch den immer wiederkehrenden Frost- und Tausalzbeanspruchungen dauerhaft standhalten (Bild 3 c).    

Bilder 3 a bis c: Zu klärende Aspekte bei einem zweischichtigen Betoneinbau mit unterschiedlichen Zementen

Dazu wurde in dem gemeinsamen Forschungsprojekt zum einen der Festigkeitsentwicklung der beiden Betone im jungen Alter nachgegangen, zum andern wurde das Verbundverhalten des Systems unter zyklischen Beanspruchungen an Großbalken (1.8 x 0.35 x 0.27 m) bis zu 5 Mio. Lastwechseln untersucht. Letztere erfolgten in einem Mehrfachprüfstand, in dem sechs solcher Großbalken gleichzeitig beansprucht werden können (Bild 4). Nach diesen zyklischen Belastungen wurden sowohl aus dem Feldbereich (mit maximaler Beanspruchung) als auch aus dem Auflagerbereich (mit praktisch keiner Biegebeanspruchung) Bohrkerne entnommen, an denen sowohl die Haftzugfestigkeit (BK 100 mm) als auch die Haftscherfestigkeit (BK 150 mm) ermittelt wurden (Bild 5).

Bild 4: Mehrfachprüfstand für zyklische Untersuchungen an Großbalken

Bild 5: Entnahmestellen der Bohrkerne zur Ermittlung des Haftverbunds zwischen den beiden Schichten nach zyklischer Beanspruchung

Die Festigkeitsentwicklung der beiden Betone wurde für verschiedene Zemente (CEM I 42,5 N, CEM II/B-S 32,5 R im Oberbeton, CEM III/A 42,5 N im Unterbeton) bei unterschied-lichen Frischbetontemperaturen (10 °C und 20 °C) zum einen jeweils an separat hergestellten Probewürfeln, zum andern im Verbundsystem untersucht. Bei Letzterem wurden Verbundplatten im Alter zwischen 8 und 24 Stunden durch ein ca. 1 t schweres Rad mehrfach überrollt (Bild 6).

Bild 6: Überrollversuch zur Simulation frühzeitiger Beanspruchungen

An daraus entnommenen Proben (wiederum aus überrollten und nicht-überrollten Bereichen) wurden ebenfalls die Haftzug- und Haftscherfestigkeiten ermittelt.

Darüber hinaus wurde der Frost-Taumittelwiderstand der Betone sowie deren AKR-Dehnverhalten unter den Prüfbedingungen der KWL am FIB, Weimar untersucht. Letztere erfolgten ausschließlich an Unterbetonen, die mit einer AKR-sensitiven Gesteinskörnung (Grauwacke) hergestellt wurden.

3 Laborergebnisse

3.1 Frühfestigkeiten

Bei einer Frischbetontemperatur von 20 °C entwickelten die Betone mit CEM I bzw. CEM II/B‑S ihre Festigkeit bis 8 bzw. 12 Stunden annähernd gleich. Nach 12h wurde die zum Ausbürsten o. Ä. notwendige Festigkeit in der Größenordnung von 7 bis 10 N/mm² erreicht. Bei den Betonen mit CEM III/A lag die Druckfestigkeit in diesem Alter erwartungsgemäß um ca. 25 % zurück (Bilder 7 a und b). Für das Befahren der jungen Betonfläche mit leichtem Gerät nach dieser Zeit reicht dies im Unterbeton jedoch auch aus, da die nahezu punktuelle Last an der Ober-fläche sich im Unterbeton bereits auf eine größere Fläche ausgebreitet hat.

Bild 7 a: Druckfestigkeiten der untersuchten Betone nach 8 Stunden bei einer Frischbetontemperatur von 20 °C

Bild 7 b: Druckfestigkeiten der untersuchten Betone nach 12 Stunden bei einer Frischbetontemperatur von 20 °C

Bei einer Frischbeton-/Erhärtungstemperatur von 10 °C entwickelte sich die Druckfestigkeit naturgemäß langsamer. Die zum Befahren mit leichtem Gerät notwendige Festigkeit wurde hier im Oberbeton mit CEM I 42,5 N erst nach ca. 24 h erreicht, während bei 20 °C dies bereits – wie oben schon dargelegt – nach ca. 12 h der Fall war (Bild 8). Für den Unterbeton mit CEM III/A gelten die obigen Ausführungen in gleicher Weise.  

Bild 8: Druckfestigkeiten der untersuchten Betone bei Frischbetontemperaturen von 20 °C bzw. 10 °C in unterschiedlichem Alter

Nach der simulierten frühzeitigen Überrollung zeigten sich auch an den entnommenen Bohrkernen praktisch keine Unterschiede im Verbundverhalten (Bilder 9 a und b). Zwischen den überrollten Bereichen und den nicht-überrollten Bereichen waren weder bei der Haftzug- noch bei der Haftscherfestigkeit systematische / signifikante Unterschiede festzustellen.

Bild 9 a: Haftzugfestigkeiten nach frühzeitiger Überrollung (8 h bzw. 24 h) an Proben aus unbelasteten (blau) und belasteten (rot) Bereichen

Bild 9 b: Haftscherfestigkeiten nach frühzeitiger Überrollung (8 h bzw. 24 h) an Proben aus unbelasteten (blau) und belasteten (rot) Bereichen

3.2 Auswirkungen zyklischer Verkehrsbeanspruchungen auf den Verbund

Ein vergleichbares Resümee kann auch für den Verbund nach zyklischer Belastung der erhärteten Betondecke gezogen werden. Die Unterschiede in den Haftzug- wie auch in den Haftscherfestigkeiten zwischen belasteten und unbelasteten Bereichen lagen mehr oder weniger in der Größenordnung der Prüfstreuung (Bilder 10 a und b). Somit kann davon ausgegangen werden, dass der Verbund zwischen Unter- und Oberbeton aufgrund der frisch-in-frisch-Bauweise durch die zyklische Verkehrsbeanspruchung nicht beeinträchtigt wird. Im Vergleich mit bisherigen zweischichtigen Bauweisen (z. B. Unterbeton-Waschbeton), bei denen diesbezüglich bislang auch keine Probleme aufgetreten sind, waren Solche auch im vorliegenden Fall nicht zu erwarten.

Bilder 10 a und b: Haftzugfestigkeiten (oben) und Haftscherfestigkeiten (unten) nach bis zu 5 Mio. Lastwechseln zyklischer Beanspruchung

3.3 Frost-Taumittelwiderstand

Wie zu erwarten nahmen die Frostabwitterungen der Betone mit abnehmenden Klinkergehalt der Zemente zu (Bild 11). Allerdings lagen die Abwitterungen auch bei dem Beton mit CEM III/A (mit 50 % Hüttensand noch deutlich unter dem zulässigen Grenzwert von 1.500 g/m². Somit sind bei einem Deckeneinbau mit unterschiedlichen Zementen in Unter- und Oberbeton auch diesbezüglich keine Beeinträchtigungen zu erwarten.

Bild 11: Frostabwitterungen der verschiedenen Betone nach 28 Frost-Tauzyklen im CDF-Versuch

3.4 AKR-Widerstand

Bei den AKR-relevanten Untersuchungen von Unterbetonen mit AKR-sensitiver Grauwacke und den in diesem Projekt einbezogenen Zementen in der KWL-Prüfung zeigte sich – wie schon bei früheren Untersuchungen – , dass die AKR-bedingten Dehnungen umso geringer ausfallen, je weniger Klinker der Zement enthält. Mit CEM II/B-S-Zement reduzierten sich diese Dehnungen nach 12 Prüfzyklen gegenüber einem CEM I um rd. 40 %, mit CEM III/A-Zement sogar um über 60 %.

Bild 12: Dehnungen bei der AKR-Untersuchungen (KWL-Prüfung) für Unterbetone mit verschiedenen Zementen

Darin liegt auch ein wesentlicher Vorteil für die Verwendung unterschiedlicher Zemente in Unter- und Oberbeton. Werden im Unterbeton CEM III/A-Zemente eingesetzt, können dort gegebenenfalls auch Gesteinskörnungen verwendet werden, die mit einem CEM I-Zement nicht eingesetzt werden können. Im Oberbeton hingegen wird mit CEM I- bzw. CEM II/A-Zementen ein hoher Frost-Taumittelwiderstand erzielt. Somit ergeben sich aus einer Aufhebung der alten Regel, im Ober- und Unterbeton Zemente gleicher Art und Festigkeitsklasse zu verwenden, ökologische und ökonomische Vorteile, ohne die notwendigen technischen Eigenschaften einschließlich der Dauerhaftigkeit zu beeinträchtigen. 

4 Erprobung in der Praxis

Wie in den vorigen Abschnitten bereits erläutert, konnten in den Laboruntersuchungen keinerlei negative Auswirkungen auf die Eigenschaften der Betondecke bei der Verwendung unterschiedlicher Zemente im Ober- und Unterbeton festgestellt werden. Die Fachleute innerhalb der FGSV-Arbeitsgruppe Betonbauweisen waren sich zudem einig, dass ein System mit unterschiedlichen Zementen auch in der Praxis funktionieren wird. Um letzte Bedenken auszuschließen, sollte vor der endgültigen Freigabe dieser Bauweise im Regelwerk jedoch eine Erprobungsstrecke hergestellt und durch die Bundesanstalt für Straßenwesen betreut werden.

4.1 Lage der Erprobungsstrecke

Die FGSV-Arbeitsgruppe Betonbauweisen dankt bereits an dieser Stelle der Autobahn GmbH, Niederlassung Nordbayern, die es möglich gemacht hat, diese wichtige Erprobung innerhalb kurzer Zeit im Rahmen eines Erneuerungsloses auf der BAB 7 Würzburg – Ulm umzusetzen. Die Erprobungsstrecke befindet sich ca. 10 km nördlich des Autobahnkreuzes Feuchtwangen/Crailsheim (Bild 14) auf der Richtungsfahrbahn Ulm und ist Teil des Loses D 272 R+L zwischen Betriebskilometer 729+165 und 736+400.

Bild 14: Lage der Erprobungsstrecke auf der BAB A7 Würzburg – Ulm in der Nähe der Anschlussstelle Wörnitz

4.2 Randbedingungen für die Erprobung

Bereits im Vorfeld der Erprobung wurden zwischen den Beteiligten (BASt, RUB, Bauherr und Einbaufirma) die wesentlichen Randbedingungen festgelegt. Die Länge der Erprobungsstrecke sollte mindestens drei Tagesleistungen betragen, zudem war eine in etwa gleich lange Referenzstrecke (CEM I-Zement im Ober- und Unterbeton) mit in das Untersuchungsprogramm aufzunehmen.

Für den Oberbeton der Erprobungsstrecke sollte ein üblicher Waschbeton 0/8 mit einem Portlandzement CEM I 42,5 (z ≥ 420 kg/m³) zur Anwendung kommen und für den Unterbeton ein Beton mit Größtkorn 22 oder 32 mm, einem Mindestzementgehalt von 340 kg/m³ sowie einem Hochofenzement CEM III/A 42,5. Die Erprobung sollte bewusst mit einem CEM III/A-Zement durchgeführt werden. Bei nachgewiesener Eignung wären dann somit auch alle gemäß TL Beton-StB zugelassenen CEM II-Zemente für den Unterbeton in Kombination mit einem CEM I im Oberbeton mit abgedeckt.

Zudem wurde angestrebt, den Betoneinbau möglichst in die kühle Jahreszeit zu legen, um für die gegebenenfalls zu erwartenden unterschiedlichen Erhärtungsverläufe der Zemente/Betone weitere nachteilige Ausgangsbedingungen zu schaffen.

Die v. g. Randbedingungen konnten bei der Erprobungsstrecke sehr gut eingehalten werden, insbesondere auch die gewünschten kühlen Temperaturen waren in dem Betonagezeitraum der Erprobungs- und Referenzstrecke (27. 10. 20 bis 04. 11. 20) mit minimalen Lufttemperaturen von 5 °C bzw. min. Betontemperaturen von 12 °C vorhanden.

4.3 Untersuchungen im Rahmen der Erstprüfungen

Zur Erprobungsstrecke wurde ein umfangreiches Untersuchungsprogramm entworfen. Bereits im Rahmen der Erstellung der Erstprüfungen für den Oberbeton und die beiden Unterbetone sollten zusätzliche Laboruntersuchungen durchgeführt werden. Hierzu gehörten beispielsweise Untersuchungen zur Hydratationswärmeentwicklung (Bild 15a), zum Frühschwindmaß (Bild 15b) sowie zur Festigkeitsentwicklung nach 2, 3, 7 und 28 Tagen. Weiterhin waren Eichkurven für die Anwendung des Reifecomputers zu bestimmen.

Bild 15 a: Bestimmung der Hydratationswärmeentwicklung an wärmegedämmten Würfel

Bild 15 b: Bestimmung des Frühschwindmaßes der Betone an drei Schwindrinnen je Betonsorte

Das Bild 16 zeigt die Ergebnisse der Temperaturaufzeichnung an den wärmegedämmten Würfeln. Erwartungsgemäß konnte beim Unterbeton mit CEM III gegenüber den beiden CEM I-Betonen eine geringere Hydratationswärmeentwicklung gemessen werden.

Bild 16: Ergebnisse der Temperaturmessungen im wärmegedämmten Würfel (Quelle: BASt/TPA)

Auch die Ergebnisse der durchgeführten Frühschwindmessungen (Bild 17) bestätigten grundsätzlich die Erwartungen und bekannten Zusammenhänge. So wies der Oberbeton aufgrund seines hohen Zementgehaltes von 420 kg/m³ bei einem Größtkorn von 8 mm nach 7 Tagen das größte Schwindmaß auf. Der Unterbeton mit CEM III zeigte anfangs ein sehr geringes Schwindmaß, welches sich aber im Laufe der Beobachtung immer mehr dem Schwindmaß des UB mit CEM I annäherte.

Bild 17: Schwindmaßes über die Dauer von 7 Tagen (Quelle: BASt/TPA)

4.4 Einbaubegleitenden Untersuchungen

Während des Betoneinbaus sollte die Temperaturentwicklung im Beton in 4 Tiefen (Oberbeton Mitte, Unterbeton oben, Mitte und unten) über mindestens 14 Tage aufgezeichnet werden. Hierzu wurden entsprechende Temperatursensoren über eine Hilfskonstruktion in den Beton eingebracht (Bilder 18a und 18b). Die Ergebnisse der Aufzeichnungen sind im Bild 19 dargestellt.

Bild 18 a: Hilfskonstruktion für die drei Sensoren im Unterbeton

Bild 18 b: Verlegung der Messkabel innerhalb der STSuB zum Messcomputer

Bild 19: Temperaturaufzeichnung im Beton an der Messstation 1 (CEM III-Bereich) in vier unterschiedlichen Höhen (Quelle: BASt/TPA)

Sehr gut zu erkennen ist der anfängliche Temperatur-Peek, welcher auf die Hydratation des Zementes zurückzuführen ist. Der Temperaturverlauf des Oberbetons (blaue Linie) folgt sehr gut der Außentemperatur (hier nicht separat dargestellt). Dies war auch so zu erwarten, da die Betonoberfläche einer Aufheizung durch Sonneneinstrahlung bzw. einer Abkühlung durch Regen und/oder Wind direkt ausgesetzt ist. Auch zu erkennen ist, dass die Temperaturen im Unterbeton der Temperaturänderung des Oberbetons zeitversetzt folgen. Mit zunehmender Tiefe im Beton nimmt der Einfluss der Außentemperatur ab, und der Einfluss der Unterlage gewinnt an Bedeutung. Dies zeigt sich insbesondere an der Kurve des Temperaturfühlers im UB unten (orange Linie). Die Temperaturschwankungen infolge der Tag- und Nachttemperaturen sind hier entsprechend weniger deutlich messbar.

Insgesamt ist festzustellen, dass Ober- und Unterbeton hier als Gesamtpaket wirken. Beim Vergleich der in situ-Temperaturaufzeichnungen der CEM III-Erprobungsstrecke mit der CEM I-Referenzstrecke konnte der im Labor an den wärmegedämmten Würfeln gemessene Einfluss der Zementart (Bild 16) nicht festgestellt werden. Auch dies war insofern zu erwarten, da der Einfluss der Zementart von der Außentemperatur und der Temperatur der Unterlage überlagert wird und die im Beton entstehende Hydratationswärme kaum messbar abfließt.

4.5 Berechnete Druckfestigkeiten aus gewichteter Reife

Die Ergebnisse der Temperaturaufzeichnungen sollten in Verbindung mit den im Rahmen der Erstprüfung und Probemischung ermittelten Eichkurven für die Berechnung der Druckfestigkeitsentwicklung der Betondecke herangezogen werden. Das Verfahren der zerstörungsfreien Festigkeitsermittlung über Reifecomputer ist nicht neu und wird im Hoch- und Ingenieurbau seit Jahren erfolgreich angewendet. Im Betonstraßenbau besteht schon seit längerem die Frage, ob sich mit diesem Verfahren gegebenenfalls die Zeitpunkte für das Auskehren des Waschbetons sowie für den Fugenschnitt zielsicher vorhersagen lassen. Im Bild 20 sind die berechneten Druckfestigkeiten für die drei Messstationen dargestellt.

Bild 20: Berechnete Druckfestigkeiten für OB und UB bei drei Messstationen (Quelle: BASt/TPA)

Es konnte nachgewiesen werden, dass das zuvor beschriebene Vorgehen grundsätzlich auch im Betonstraßenbau möglich ist, jedoch lässt sich im Bild 20 sehr gut erkennen, dass das Verfahren insbesondere im Bereich der niedrigen Festigkeiten (Betonalter < 24 h) zu unscharf ist. Gerade in diesem Zeitfenster erfolgen aber die relevanten Arbeiten wie Auskehren und Fugenschnitt. Daher ist das Verfahren hierfür nicht geeignet. Die Bestimmung des richtigen Zeitpunktes muss auch weiterhin durch erfahrenes Personal auf der Baustelle erfolgen, zumal hier noch weitere wesentliche Einflüsse (Verschattung, Regenereignisse etc.) zu beachten sind, die so durch das Reifeverfahren nicht abbildbar wären.

Im Bereich von höheren Festigkeiten, zum Beispiel im Falle einer frühzeitigen Verkehrsfreigabe (Sollwert: 26 MPa), wäre das Reifeverfahren zwar geeignet, allerdings muss hier die Frage zum Verhältnis Aufwand / Nutzen gestellt werden. Neben der Messung in situ erfordert die Bestimmung der Eichkurven bereits im Vorfeld einen hohen Zeit- und Arbeitsaufwand. Als ausreichend genau und auch für die Baustelle praktikabler hat sich daher nach wie vor das Verfahren mit neben der Einbaustelle gelagerten Erhärtungswürfeln erwiesen.

4.6 Untersuchungen an der fertigen Decke

Die Festigkeitsentwicklung der Betone wurde bis zum Alter von 180 Tagen an Bohrkernen aus der fertigen Decke verfolgt (Bild 21). Die Untersuchungen zeigen höhere Endfestigkeiten des CEM III bei niedrigeren Anfangsfestigkeiten. Sie bestätigen damit die bereits vermuteten Zusammenhänge.

Bild 21: Druckfestigkeitsentwicklung der beiden Unterbetone mit CEM I und CEM III-Zement an Bohrkernen aus der Strecke (Quelle: BASt/TPA)

Ergänzend zu den Festigkeitsuntersuchungen wurden an insgesamt 9 Bohrkernen (6 x Erprobungsstrecke CEM III, 3 x Referenzstrecke CEM I) die Scherfestigkeiten in der Verbundfuge zwischen Ober- und Unterbeton durch die Ruhr-Uni Bochum bestimmt. Die Prüfergebnisse sind im Bild 22 dargestellt.

Die Scherfestigkeiten liegen allesamt auf einem sehr hohen Niveau und lassen keine Unterschiede zwischen dem CEM III-Bereich und dem Bereich mit CEM I im Unterbeton erkennen.

Bild 22: Scherfestigkeit in der Verbundfuge OB/UB (Quelle: RUB)

4.7 Auswirkungen auf Betonherstellung und -einbau

Neben den zuvor beschriebenen messtechnischen Nachweisen im Labor bzw. am Praxisbeton stand auch die Frage im Raum, ob der Einsatz unterschiedlicher Zemente eventuell nachteilige Auswirkungen auf die Bauausführung (Mischen, Einbau, Ausbürsten, Fugenschneiden, etc.) hat. Diese Frage konnte im Rahmen der Erprobungsstrecke eindeutig mit „nein“ beantwortet werden. Die Herstellung einer Betonfahrbahndecke mit unterschiedlichen Zementen im Unter- und Oberbeton war mit dem Gleitschalungsfertiger problemlos und ohne nachteilige Auswirkungen auf die Qualität möglich.

Selbstverständlich erfordert der Umgang mit zwei Zementen einen gewissen Mehraufwand in der Planung der Logistik sowie bei der Vorbereitung und Abwicklung der Baustelle. Für den Mischplatz bedeutet das beispielsweise die eindeutige Kennzeichnung der Zementsilos (Bild 23) sowie die Überwachung der Silofahrzeuge beim Einblasen der Zemente, um Verwechselungen sicher auszuschließen.

Bild 23: Deutliche Kennzeichnung der Zementsilos

Die zuvor genannten Mehraufwendungen stehen jedoch in keinem Verhältnis zum erreichten Nutzen, wenn dadurch z. B. Ressourcen geschont und/oder Transportentfernungen verringert werden können.

5 Fazit

Die im Rahmen eines umfangreichen Forschungsvorhabens durchgeführten Laboruntersuchungen ließen die Fachleute bereits im Vorfeld von der Eignung der zweischichtigen Betonbauweise mit unterschiedlichen Zementen im Ober- und Unterbeton ausgehen.

Aufgrund der nun erfolgreichen Erprobung unter zudem pessimalen Randbedingungen (kühle Witterung, Kombination CEM III mit CEM I) ist die für das Regelwerk angedachte Anpassung nun zusätzlich durch eine Praxisstrecke abgesichert. Da die Überarbeitung der TL Beton-StB jedoch noch eine gewisse Zeit erfordert, sollten die Regelungen zu den Zementen schnellstmöglich durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) in Form eines Allgemeinen Rundschreibens Straßenbau (ARS) eingeführt werden.

Abschließend geht an dieser Stelle noch einmal der Dank der FGSV-Arbeitsgruppe Betonbauweisen an die Beteiligten Partner Autobahn GmbH, BASt, RUB, Schwenk, STRABAG und TPA, die durch eine zielorientierte und kooperative Zusammenarbeit zur Weiterentwicklung des Regelwerkes für den Betonstraßenbau beigetra