FGSV-Nr. FGSV 002/113
Ort Karlsruhe
Datum 22.09.2015
Titel Präventiver Winterdienst auf Hochleistungsstraßen in der Schweiz
Autoren Ruedi Hofer, Thomas Leuzinger
Kategorien Straßenbetrieb, Winterdienst
Einleitung

Heutige Verkehrsteilnehmende erwarten eine jederzeit sichere und ständig verfügbare Hochleistungsstrasse – auch im Winter. Der integrale Ansatz mit den Elementen Technologie, Logistik-, Einsatz, und Verkehrsmanagement scheint erfolgsversprechend zu sein. Mit der neuzeitigen Flüssigstreuung wird Sole mit einer Fahrgeschwindigkeit von bis zu 80 km/h auf die Strasse gesprüht. Dieser präventive Einsatz ist vor dem Ereignis und auch unter starkem Verkehr ohne Behinderung möglich. Das Management der Logistikkette von Auftaumitteln wird nicht mehr auf einen durchschnittlichen Winterbedarf, sondern auf die Durchhaltefähigkeit von mehreren Tagen ausgerichtet. Das Einsatzmanagement ist das zentrale Steuerungselement. Mit modernsten Modellen wird eine ständige Wetterbeobachtung sichergestellt. Dies erlaubt einen Führungsrhythmus «72–24–3/1» Stunden im Voraus (Ressourcen anpassen – Einsatz vorbereiten – Einsatzleiter/Chauffeure aufbieten). Die übergeordnete Führung der Einsätze erfolgt durch eine Betriebsleitzentrale, die 250 bis 500 km Autobahn betreut. Mit dem Verkehrsmanagement wird erreicht, dass die Verkehrsteilnehmenden sich präventiv auf die besonderen Umstände einstellen können. Mittels Auswertungen werden die Massnahmen für die ständige Verbesserung initialisiert. Mit dem Ansatz «Präventiver Winterdienst» können die Strassenbetreiber den hohen Anforderungen heutiger Verkehrssteilnehmenden auch im Winter wieder gerecht werden.

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1 Ausgangslage

Wieso kommt es trotz des heutigen Winterdienstes bei den Hochleistungsstrassen zu Verkehrszusammenbrüchen? Und was sind die aktuellen Anforderungen an einen modernen Winterdienst?

1.1 Versagen des Unterhaltsdienstes

Am 14. Dezember 2010 kam es in der Region Basel zu einem vollständigen Verkehrszusammenbruch infolge geringer Schneefälle während der Morgenverkehrsspitze. Was ist vorgefallen und wie können solche Ereignisse verhindert werden?

Mehrere Tage lang waren keine Niederschläge zu verzeichnen. Auf der Fahrbahn befand sich kein Restsalzgehalt von vorgängigen Winterdiensteinsätzen. Es waren höchstens ganz leichte Schneefälle vorhergesagt. Die Fahrbahnen waren bis 06.00 Uhr morgens vollständig trocken und die Boden- und Lufttemperatur betrug ca. -2°C. Anschliessend waren leichte Niederschläge in Form von trockenem Schnee zu verzeichnen. Infolge der kurzen Dauer der Niederschläge erfolgte keine Schneealarmierung durch die Bodensonden. Der Strassendienst wurde somit nicht automatisch aufgeboten und die Taumittelsprühanlagen an neuralgischen Stellen lösten ebenfalls nicht aus.

Abbildung 1: Versagen Winterdienst (Basel H18, 14.12.2010)

Mit über 120‘000 Fahrzeugen pro Tag (DTV, durchschnittlicher Tagesverkehr) war ein extrem hohes Verkehrsaufkommen in den Morgenstunden zu verzeichnen. Durch die Fahrgeschwindigkeit der Autos von 80 bis 120 km/h wirbelte der trockene leichte Schnee auf. Dabei wurde der Teil unter den Pneus durch die Wärmebildung in Wasser umgewandelt, welches infolge der kalten Fahrbahnoberfläche unmittelbar zu einer feinen Eisschicht führte. Die bis anhin trockene Strassenoberfläche wurde schlagartig zu einer Eisbahn. Die Verkehrsteilnehmenden erkannten die gefährliche Situation nicht und verloren bei geringsten Brems- oder Steuervorgängen die Kontrolle über das Fahrzeug. Innert kürzester Zeit wurden auf dem gesamten Autobahnnetz zahlreiche Schleuderunfälle verzeichnet (vgl. Abbildung 1) und führte zu einem vollständigen Verkehrszusammenbruch. Die Winterdienstfahrzeuge des Strassendienstes blieben im Stau stecken oder konnten teilweise nicht einmal mehr die Werkhöfe verlassen. Die Situation entschärfte sich erst ab 08.00 Uhr morgens mit der ansteigenden Temperatur. Die Verkehrslage normalisierte sich gegen die Mittagszeit. 

Die Strassenbetreiberin NSNW musste erkennen, dass eine solche Verkehrssituation vom Strasseneigentümer und den Verkehrsteilnehmenden in der heutigen Zeit nicht mehr akzeptiert wird. Sofern es nicht gelingt, auch im Winter die Strasse sicher und verfügbar zu halten, kann dies zu einem katastrophalen Imageschaden und damit zu einer unternehmensbedrohenden Situation führen. Es gilt also, die aktuellen Anforderungen an den Winterdienst bei Hochleistungsstrassen besser zu erfassen und die Dienstleistungen entsprechend auszurichten.

1.2 Aktuelle Anforderungen an den Winterdienst

Die Aufgabe des Winterdienstes ist die Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit und der Leistungsfähigkeit der Strasse bei winterlichen Verhältnissen [13]. In mehreren Forschungsberichten ist der volkswirtschaftliche Nutzen eines rechtzeitigen Winterdienstes nachgewiesen worden [13]. Kalkulationen zeigen, dass auf Landstrassen im Durchschnitt etwa eine halbe Stunde nach dem Streuvorgang die Kosten des Winterdienstes durch die eingesparten volkswirtschaftlichen Kosten (Unfallkosten, Kraftfahrzeugbetriebskosten, Zeitkosten) ausgeglichen sind [6].

Angesichts der Diskussionen um die schädlichen Auswirkungen hat sich der sogenannte „differenzierte Winterdienst“ entwickelt. Differenziert bedeutet, dass der Streustoffeinsatz in Abhängigkeit der Verkehrsbedeutung sowie der örtlichen und klimatischen Verhältnisse abgestuft auf den jeweiligen konkreten Einsatzfall erfolgt [5]. Es handelt sich um ein den Verhältnissen und Ansprüchen an Strassensicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz angepassten Winterdienst [15]. Unter einer präventiven Streuung versteht man das Ausbringen von Streumitteln vor Eintreten eines Niederschlagsereignisses. Dies dient einerseits dazu, eine potentielle Strassenglätte (z.B. Reifbildung) zu verzögern und andererseits der Erleichterung der späteren Räumung. Daher ist vor jedem Niederschlag eine Präventivstreuung dringend zu empfehlen [10]. Bei Schneefall gilt für Autobahnen und Autostrassen immer Schwarzräumung [14].

2 Technologie-Einsatz

Für eine verfügbare und sichere Strasse ist ein «präventiver Winterdienst» erforderlich. Gibt es überhaupt diese Technologien? Dabei steht die Streutechnologie im Fokus des Interesses, da eine Schneeräumung bekanntlich erst nach dem Schneefall erfolgen kann.

Mit der zunehmenden Motorisierung und der Notwendigkeit der Bekämpfung der Winterglätte auf den Strassen hat sich auch die Streutechnik im Winterdienst entwickelt. Bereits 1938 wurde der Streuteller entwickelt, mit dessen Hilfe das Streugut gleichmässig und auf eine grössere Streubreite dosiert verteilt werden konnte. Eine wesentliche Weiterentwicklung waren dann die sogenannten „Streuautomaten“, bei denen der Streuteller während der Fahrt automatisch mit Streustoffen versorgt wurde. Ab 1960 wurde das sogenannte „wegabhängige Streuen“ eingeführt, bei dem das Streugerät automatisch geschwindigkeitsabhängig dosierte [3]. 

Die Einführung der Feuchtsalztechnik, die in der Schweiz ab ca. 1960 unter dem Begriff Haftsalz erforscht wurde, war ein weiterer Meilenstein. In den Siebzigerjahren wurde die Forschung in Österreich und Deutschland weitergeführt und ab den Achtzigerjahren die Feuchtsalztechnik eingeführt. Hierbei wird das Salz mit Salzlösung befeuchtet. Die Winterdienstfahrzeuge müssen das trockene Salz und die Salzlösung getrennt befördern, gemischt werden sie erst unmittelbar vor der Ausbringung auf den Streuteller. Weniger Salzverluste sowie eine deutlich schnellere und bessere Tauwirkung machen diese Technik sowohl verkehrstechnisch und wirtschaftlich als auch ökologisch dem Trockensalz überlegen. Diese Technik ist heute Standard [3].

2.1 Flüssigstreuung

Zur Optimierung der vorbeugenden Streuung ist nun ein weiterer Schritt in der Entwicklung der Streutechnik erforderlich, da die Feuchtsalztechnik hierfür zwar geeignet, aber noch nicht optimal ist. Aufgrund der jetzigen Erfahrungen ist davon auszugehen, dass die Streutechnik im Winterdienst durch die reine Lösungsaufbringung (Flüssigstreuer vgl. Abbildung 2) für präventive Streuung sinnvoll ergänzt werden kann und damit einen weiteren Meilenstein der Entwicklung nehmen wird [3]. 

Das Feuchtsalzverfahren wird allerdings auch weiterhin seinen Stellenwert behalten, da es für kurative Streuungen (Intervention nach erfolgter Glättebildung), grössere Streumengen sowie sehr niedrige Temperaturen keine Alternative gibt. Dies ist und bleibt der grösste Teil der Anwendungsfälle [3]. 

Die Forschung und Praxis haben die Effektivität und Effizienz des Flüssigstreuens im Winterdienst aufgezeigt. Die wesentlichen Vorteile sind längere Liegezeit, Taustoffeinsparungen von bis zu 60%, schnelle Flächenwirkung und hohe Wirksicherheit sowie Aufbringung bei hohen Einsatzgeschwindigkeiten [12]. Die Flüssigstreuung (Feuchtsalz FS 100) kann mit Einsatzgeschwindigkeiten von bis zu 80 km/h erfolgen [1]. Der Salzrestgehalt und somit die Wirkung sind bei FS 100 mit 3 g/m2 gegenüber FS 30 mit 8 g/m2 auf Hochleistungsstrassen nach bereits ca. einer Stunde höher [11]. Dabei hält die Wirkung von FS 100 gesamthaft bis zurzeit gemessenen sechs Stunden ähnlich gut an [5]. Das Streusalz FS 30 wird hingegen sehr schnell aus den Rollspuren verdrängt [12]. Die Restsalzmenge in der Rollspur beträgt nach 150 Fahrzeugen lediglich noch ca. 30% [11]. Bei präventiver Streuung mit FS 30 auf trockenen oder leicht feuchten Fahrbahnen liegt der Wirkanteil sogar nur bei ca. 15% [12].

Abbildung 2: Flüssigstreuer (NSNW Beschaffung 2013) [1]

Das vorbeugende Streuen ist wichtiger denn je. Das Klima in der Schweiz ist im Winter oft durch Temperaturen um den Gefrierpunkt geprägt, häufige Frost-Tau-Wechsel sind die Folge. Dementsprechend sind Eisglätte („überfrierende Nässe“) und Reifglätte sehr häufige Formen der Winterglätte. Studien zur Verkehrssicherheit im Winter zeigen gleichzeitig, dass diese Formen der Glätte besonders gefährlich sind, da sie oft unerwartet und punktuell auftreten und von den Verkehrsteilnehmenden nicht leicht erkannt werden können [3]. Eine präventive Streuung ist deswegen schon vor dem Niederschlag notwendig. Durch das Vorhandensein eines dünnen Solefilms auf der Fahrbahn wird die Eisbildung verhindert [10].

3 Logistikmanagement der Auftaumittel

Infolge der höheren Verkehrsaufkommen und der wirtschaftlichen Bedeutung der Mobilität sind die Hochleistungsstrassen 24 Stunden am Tag und während 365 Tage im Jahr sicher und verfügbar zu halten. Dies führt zu erhöhten Ansprüchen an das Logistikmanagement der Auftaumittel. Wie kann erreicht werden, dass beim präventiven Winterdienst jederzeit die richtige Art und die erforderlichen Mengen an Auftaumitteln für die Winterdienstfahrzeuge auch bei Extremereignissen, welche infolge des Klimawandels voraussichtlich öfters eintreten werden, zur Verfügung stehen?

3.1 Logistikkette

Damit der Winterdienst und somit die Möglichkeit des präventiven Winterdienstes jederzeit möglich ist, kommt der Logistikkette eine grössere Bedeutung zu.

Abbildung 3: Logistikkette Auftaumittel

Die Logistikkette wird für Siedesalz beschrieben und kann auch für die anderen Salzarten angewendet werden (vgl. Abbildung 3). Aus wirtschaftlichen Überlegungen sind zentrale Gross-Lager sinnvoller als dezentrale Klein-Lager. Zentrale Grosslager in Form von Salzdomen können bis zu 100‘000 t umfassen. Die dezentralen Klein-Lager der Strassendienste sind heute in Form von Salzsilos von bis zu 500 t ausgebildet, welche eine effiziente Beschickung der Winterdienstfahrzeuge ermöglichen. Die Salzsole ist beim präventiven Winterdienst von entscheidender Bedeutung, womit deren Bedarf auch stark zunimmt. Die Beschickung der Winterdienstfahrzeuge erfolgt aus Soletanks von bis zu 50‘000 l mit leistungsfähigen Pumpen, damit die Flüssigstreuer mit über 20‘000 l Fassungsvermögen rasch betankt werden können. Die Beschickung der Soletanks kann dabei durch Tankfahrzeuge direkt ab der Siedesalzgewinnung oder mittels Soleaufbereitung aus den Salzsilos vor Ort erfolgen. Bis zu einer Transportdistanz von ca. 100 km ab der Siedesalzgewinnung mittels Tankfahrzeugen sind die Kosten gegenüber der Soleaufbereitung ab Salzsilos vor Ort etwa identisch, hingegen ist der Energieverbrauch etwa dreimal geringer [17]. Aus wirtschaftlichen Gründen sind die dezentralen Soletanks zu beschränken. Bedingt durch die erforderliche Durchhaltefähigkeit ist jedoch eine Soleaufbereitungsmöglichkeit ab Salzsilos beim dezentralen Strassenbetreiber für die Flüssigstreuer zwingend. Der Nachschub von Auftaumitteln durch Tankfahrzeuge sicherzustellen.

4 Einsatzmanagement

Die Streutechnologie und das Logistikmanagement der Auftaumittel sind technische Voraussetzungen für einen präventiven Winterdienst. Der effektive Einsatz im Winterdienst ist durch Menschen zu planen, auszulösen und durchzuführen. Mit welchem Führungsrhythmus kann ein präventiver Einsatz überhaupt erst möglich werden und mit welchen Ansätzen eine lernende Organisation entstehen, damit die Strasse effektiv auch im Winter ständig sicher und verfügbar ist?

4.1 Einsatzkreislauf

Der Einsatzkreislauf dient als Prozessvorgabe für die Planung, Durchführung, Kontrolle und Optimierung des Winterdienstes (vgl. Abbildung 4). Der Führungsrhythmus «72-24-3/1» ist dabei das Kernelement für den präventiven Winterdienst. 

Die Planung umfasst dabei nachfolgende Prozess-Schritte. Zuerst gilt es, die Ressourcen vorzubereiten, d.h. die Bereitstellung der Winterdienstgeräte, der Auftaumittel und des Personals in erforderlicher Menge und Qualität sicherzustellen. Das Personal ist periodisch durch Instruktionen und Trainings auszubilden. Mit einer permanenten Wetter- und Strassenbeobachtung ist die Vorhersage der Winterereignisse zu ermöglichen. Die Wetterbeobachtung erfolgt mit modernen Wetterprognose-Systemen. Die Strassenbeobachtung wird durch Mess-Stationen bei der Strasse, Videobildern und punktuellen Kontrollfahrten ermöglicht. Diese Beobachtung erfolgt durch Fachpersonal der Betriebsleitzentrale [7]. 

Die Durchführung der Winterdiensteinsätze erfolgt nach dem Führungsrhythmus «72-24-3/1» [8]. Dies bedeutet, dass 72 Stunden vor dem Ereignis die Ressourcen bedarfsgerecht angepasst werden. Bei sich abzeichnenden extremen Wetterentwicklungen – beispielsweise Gefahr von Eisregen – mittels Zusatzbereitschaft wird die Durchhaltefähigkeit sichergestellt. Der beabsichtigte Einsatz wird 24 Stunden im Voraus vorbereitet und mit den Winterdienst-Chauffeuren besprochen. Für den effektiven Einsatz bietet die Betriebsleitzentrale die regionalen Einsatzleiter 3 Stunden und die Winterdienstchauffeure 1 Stunde im Voraus auf. Der regionale Einsatzleiter kann sich somit vorgängig ein detailliertes Bild der örtlichen Verhältnisse verschaffen. Dies ermöglicht eine geordnete Anfahrt der Mitarbeitenden zu den Werkhöfen sowie die letzten Vorbereitungen der Winterdienstgeräte und die Detailabsprachen für die Einsätze. Diese können dank der Flüssigstreutechnologie bis zu 24 Stunden vor dem Wettereignis erfolgen. Somit steht genügend Zeit zur Verfügung, um alle betroffenen Strassenabschnitte präventiv und falls erforderlich vor den Verkehrsspitzen zu behandeln. Zudem kann der Winterdienst durch Verkehrsbeeinflussung unterstützt werden (vgl. Kapitel 5). Bei Extremverhältnissen sind die Abschleppdienste für evtl. blockierte Lastwagen vorgängig zu dezentralisieren [9].

Abbildung 4: Einsatzkreislauf Winterdienst (72-24-3/1)

Die Kontrolle erfolgt sowohl während als auch nach dem Einsatz. Dies indem während des Einsatzes die Entwicklung der Strassenzustände mittels Strassenbeobachtung erfolgt und der Einsatz der Winterdienstfahrzeuge durch dynamische Standortbestimmung verfolgt wird. Zudem ist je nach Wetterverhältnissen und bei Unfällen das Verkehrsmanagement unterstützend einzusetzen (vgl. Kapitel 5).

Die Optimierung der nächsten Einsätze erfolgt basierend auf Team-Besprechungen unmittelbar nach erfolgtem Einsatz. Die Optimierung des Gesamt-Systems erfolgt basierend auf systematischen Zyklusauswertungen der jeweiligen Winterperioden.

4.2 Ereignisauswertung

Die ständige Verbesserung basiert neben den einzelnen Einsatzbesprechungen und der jährlichen Zyklusauswertung auf der Ereignisauswertung. Sobald Ereignisse mit grösseren Auswirkungen auftreten, beispielsweise längere Rückstaus oder viele Verkehrsunfälle infolge des Winterdienstes, werden systematische Ereignisberichte erstellt. Dabei wird die Wetter- und Strassenentwicklung, das Verhalten der Einsatzkräfte, die eingetretenen Unfälle und Rückstaus sowie die Beurteilung durch die Beteiligten festgehalten. Dies bedingt eine laufende Dokumentation der erforderlichen Daten. Diese Dokumentation dient zusätzlich auch noch dem Nachweis der Leistungsfähigkeit des Winterdienstes und liefert bei Haftungsfragen entsprechende Grundlagen zur Klärung. 

Die Ergebnisse der Ereignisberichte werden durch die Spezialisten analysiert und Massnahmen vorgeschlagen. Das Management beschliesst evtl. Sofortmassnahmen, die noch im laufenden Winter umgesetzt werden oder ordentliche Massnahmen, die für die nächste Winterperiode aufzunehmen sind. So wurde durch den Ereignisbericht gemäss Kapitel 1.1 des vorliegenden Berichtes „Versagen des Unterhaltsdienstes“ die Notwendigkeit des präventiven Winterdienstes Anfangs 2011 erkannt und seither schrittweise umgesetzt.

5 Verkehrsmanagement

Damit der präventive Winterdienst seine volle Wirkung entfalten kann, sind die Verkehrsteilnehmenden in den Prozess zu integrieren. Es muss gelingen, dass sie auf die Strassenverhältnisse vorbereitet sind und ihr Fahrverhalten entsprechend anpassen können. Zudem ist bei extremen Wetterverhältnissen und bei Unfällen die Verkehrsbeeinflussung unterstützend einzusetzen. Die Federführung bei den Winterdiensteinsätzen bis hin zu den Anweisungen an das Verkehrsmanagement liegt dabei beim Strassenbetreiber und wird in der Betriebsleitzentrale koordiniert [7].

5.1 Verkehrsinformation

Die Verkehrsteilnehmenden sind auf die Besonderheiten bei der Strasse im Winter aufmerksam zu machen. Grundsätzlich sollte ein Obligatorium für Winterdienstausrüstung aller Fahrzeuge für Regionen mit regelmässigen Winterereignissen während der Wintermonate erlassen werden (zurzeit in der Schweiz noch nicht vorhanden). Des Weitern sind tagesaktuelle Hinweise betreffend der zu erwartenden Strassenverhältnisse und evtl. eingetroffener besonderer Zustände den Verkehrsteilnehmenden zuzutragen (Radio, SMS, Apps, GPS etc.). Diese Informationen werden durch die bestehenden Verkehrsinformationsdienste aufbereitet und abgesetzt.

Mittels der variablen Strassensignalisation können die Verkehrsteilnehmenden zudem auf den betroffenen Strassenabschnitten auf die lokalen Verhältnisse aufmerksam gemacht werden. Diese umfasst allgemeine Gefahren- und Winterhinweise sowie Geschwindigkeitsbegrenzungen. Die Auslösung dieser Informationen erfolgt durch die jeweiligen Winterdienst-Eisatzleiter. Als Basis dient der Verkehrsmanagementplan Winterdienst.

5.2 Verkehrsbeeinflussung

Durch die vorgängig beschriebene Information erfolgt bereits eine erste Verkehrsbeeinflussung, indem die Verkehrsteilnehmenden ihr Fahrverhalten den Strassenverhältnissen anpassen. Bei ausserordentlichen Ereignissen kommt zusätzlich der Einsatzplan Winterdienst und das Bergekonzept zum Einsatz [9]. Die verkehrstechnischen Massnahmen können dabei auf dem Verkehrsmanagementplan Winterdienst festgehalten werden. Dabei geht es darum, bei sich abzeichnenden Wettereignissen, beispielsweise starker Schneefall, den Schwerverkehr vorsorglich umzuleiten, zu dosieren oder im Extremfall anzuhalten, mit der Absicht, dass die Winterdienstfahrzeuge bei Schneefall ständig zirkulieren können und nicht durch liegen gebliebene Lastwagen blockiert werden. 

Bei eintretenden Unfällen oder blockierten Fahrzeugen sind die Fahrbahnen sofort zu räumen. Dies ist in der Regel möglich, da glücklicherweise beim präventiven Winterdienst kaum schwere Personenschäden zu verzeichnen sind und dank der vorsorglich dezentralisierten Abschleppdienste auch Lastwagen rasch weggebracht werden können.

6 Entwicklungen

Der integrale Ansatz «präventiver Winterdienst» bedingt weitere Entwicklungen. Der Gedanke, dass die Winterdienstereignisse planbar sind und die Massnahmen vorbeugend erfolgen können, muss in alle Belange implementiert werden. Dadurch wird erkannt werden, wo weitere Verbesserungen möglich und welche technischen Entwicklungen dazu erforderlich sind.

Im technischen Bereich sind einige Entwicklungen bereits im Gange. Im Bereich Wetter- und Strassenvorhersage wird intensiv gearbeitet, um den Einsatzleitern Vorhersagen mit Einsatzempfehlungen abgeben zu können. Diese basieren auf Mikroklima-Modellen und Einsatzszenarien. Die Möglichkeit der Verarbeitung von grossen Datenmengen und die Vorhersage basierend auf Algorithmen wird diese Entwicklung in den nächsten Jahren vorantreiben. Dabei stellt sich die Frage der Finanzierung der Entwicklung und des Fachpersonals für die Anwendung.

Die Streutechnik der Auftaumittel wird sich hin zu einer flexiblen Solestreuung entwickeln. Dabei wird sich der Feuchtsalzgehalt (FS) zwischen 30% (Anmerkung Autor 15%) bis 100% bewegen [11]. Dazu ist zu definieren, welche Feuchtsalzgehalte sinnvoll anzuwenden und ob die heutigen Streutechnologien weiterzuentwickeln sind. Zudem wird die Automatisierung des Streuens weiter vorangetrieben werden. Diese wird durch die verstärkte Nutzung der Elektronik und der Datenverarbeitung möglich und hat das Ziel genaueren Streuens bei gleichzeitiger Entlastung des Fahrpersonals. Diese Technik ist heute durch Infrarotkameras an den Winterdienstfahrzeugen bereits teilweise im Einsatz [3].

Im Verkehrsmanagement wird die relevante Information für die Verkehrsteilnehmenden zukünftig direkt im Innern des Fahrzeuges mittels eines entsprechenden Informationssystems zu Verfügung stehen. Zudem werden mittels eines Push-Systems den Automobilisten auf deren von ihnen gewünschten Systemen die Informationen zusätzlich vor der Abfahrt angezeigt und Verhaltenshinweise für bevorstehende Reisen abgegeben.

Mit dem integralen Ansatz «präventiver Winterdienst» können die Strassenbetreiber den erhöhten Ansprüchen der Verkehrsteilnehmenden nach einer ständig sicheren und verfügbaren Hochleistungstrasse auch im Winter gerecht werden. Eine wirkungsvolle Umsetzung erfordert ein konsequentes Ausrichten auf den «präventiver Winterdienst» und somit den Gedanken des planbaren und vorbeugenden Winterdienstes.

7 Erste Erfahrungen nach einem Jahr

Die ersten Erfahrungen nach einem Jahr ergaben vor allem Vorteile:

Die Fahrbahn wird für das kommende WD Ereignis vorbereitet (Trennlage)

- Frühzeitiges aufbringen der Sole (Salz - bis - 24h)
in der Regel 6-8h vor dem Ereignis

- Bessere Planbarkeit des Einsatzes unter Beachtung des Verkehrsflusses

- Einsatzgeschwindigkeit des Flüssigstreuers 80km/h

- Keine Fallen mehr (Eisbildung)

- Auf den Salzverbrauch positive Beeinflussung

8 Grenzen

- Ab minus 10 Grad kein Einsatz mehr bei NSNW
(Physikalisch tiefere Temperatur möglich durch «Aufkonzentrieren»

- Bei Regen Flüssigstreuung nicht sinnvoll

9 Wirkung

Tabelle siehe PDF

10 Referenzen

1. Boschung, Küpper-Weisser (2012). Flüssigstreuer (FullWet). Projektskizze.

2. Boschung, Küpper-Weisser (2013). Kombi-Streumaschine (CombiWet). Prospekt.

3. Hanke, H. (2010). Die Streutechnik der Zukunft: Wirkungsoptimierung und Qualitätssicherung. Strasse und Verkehr Nr. 10, pp 18-24

4. Hanke, H. (2011). Salzmengenbevorratung und Salzmengenmanagement – Empfehlungen auf der Basis der Erfahrungen des Extrem-Winters 2009/2010. ASTRAD-Symposium 2011 in Wels.

5. Hanke, H. (2012). Neue Erkenntnisse und Strategien zum Einsatz von Streustoffen in Deutschland. 2. Nationaler Winterdienstkongress in Basel.

6. Hanke, H. (2013). Salz – ein Lebenselixier: Neue Erkenntnisse zu Salzanwendung im Winterdienst. Strassenverkehrstechnik 2.2013, pp 95-100

7. Hofer, R. (2013). Netzwerkindustrie Strasse – Entwicklung Betrieb. Festgabe, Walter Straumann , Kanton Solothurn, pp 573-596

8. Hofmann, M. (2011). Leitfaden Winterdienst für Bundes- und Landesstrassen. ASTRAD-Symposium 2011 in Wels.

9. Maier-Farkas, H. (2013). Modernes Winterdienstmanagement am Beispiel des Autobahnabschnittes A21 Alland. ASTRAD-Symposium 2013 in Wels.

10. Neuhold, J. (2011). Forschungsbericht Optimierung der Feuchtsalzstreuung. TU Wien, Institut für Verkehrswissenschaften

11. Neuhold, J. (2013). Solestreuung im Winterdienst. ASTRAD-Symposium 2013 in Wels.

12. Niebrügge, L. (2012). Praktische Erfahrungen mit der Ausbringung von Tausalzlösungen. Strassenverkehrstechnik 5.2012, pp 288-296

13. Schweizer Norm, SN 640 750b (2007). Winterdienst: Grundnorm.

14. Schweizer Norm, SN 640 756a (1991). Winterdienst: Dringlichkeitsstufen, Winterdienst-Standard, Routenplan, Routenverzeichnis und Einsatzplan.

15. Schweizer Norm, SN 640 761b (2010). Winterdienst: Schneeräumung.

16. Schweizer Norm, SN 640 772b, Winterdienst: Bekämpfung der Winterglätte mit Streumitteln.

17. SPLAN (2012). Energiebilanz und Kostenbilanz Salz / Sole (für 1 to Salz).