FGSV-Nr. FGSV 002/108
Ort Köln
Datum 28.11.2013
Titel Planung von Erhaltungsmaßnahmen aus Sicht des Bundes
Autoren Dipl.-Ing. Stefan Kübler
Kategorien Infrastrukturmanagement
Einleitung

Das Bauen im Bestand und die Planung von Erhaltungsmaßnahmen weist im Vergleich zum Neu- oder Ausbau andere Schwerpunkte auf. Dies ist um so bedeutender, wenn zukünftig mehr Investitionsmittel für die Erhaltung der Straßeninfrastruktur umgesetzt werden. Insbesondere bei einer Zunahme der notwendigen Erhaltungsinvestitionen in den nächsten Jahren, kommt der Beurteilung des Zustands der Straßenbefestigung sowohl technisch als auch wirtschaftlich eine hohe Bedeutung zu. Dies betrifft sowohl die strategische, netzorientierte Ermittlung des Erhaltungsbedarfs aber vor allem auch die objektbezogene Erhaltungsplanung der einzelnen Baumaßnahmen. Zur technischen Einschätzung der vorhandenen strukturellen Substanz sind auch bisher schon Ansätze im Regelwerk vorhanden, die weiterentwickelt werden. Eine Grundlage für die Beurteilung können zudem zukünftig in verstärkter Form die Informationen aus der Anwendung von zerstörungsfreien Messverfahren bilden, die sich derzeit in der Entwicklung befinden. Trotz dieser Tendenzen ist festzustellen, dass die konkrete Konzeption einer Baumaßnahme von unterschiedlichen Einflussgrößen bestimmt wird, die in keinem direkten Zusammenhang mit der Bewertung des Bestandes stehen müssen.

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1 Einleitung

Das Bundesfernstraßennetz weist heute eine Netzlänge von ca. 53.000 km auf. Die Hauptverkehrsleistung wird dabei auf dem ca. 12.000 km langen Netz der Bundesautobahnen abgewickelt. Hinzu kommt im Bereich der Bundesfernstraßen ein Bundesstraßennetz mit einer Länge von ca. 41.000 km. Das Bruttonanlagevermögen der Bundesfernstraßen wird auf mehr als 175 Mrd. € geschätzt. Bei Betrachtung des Gesamtnetzes wird deutlich, dass dies zwar nur einen Anteil des Gesamtnetzes von 8 % darstellt, dieser Netzanteil jedoch den überwiegenden Anteil der Verkehrsleistung abwickeln muss (siehe Bild 1).

Vor dem Hintergrund der hohen Investitionsleistung aus den vergangenen Jahrzehnten sowie der Bedeutung des Bundesfernstraßennetzes für die Mobilität der Straßennutzer wird deutlich, dass einerseits das hohe Anlagevermögen der Straßeninfrastruktur nachhaltig gesichert und andererseits die Leistungsfähigkeit des Netzes auch zukünftig sichergestellt werden muss. Aus diesen Gründen ist es dringend erforderlich, weitere Anstrengungen zu unternehmen, um den Erhaltungsanteil der Bauaktivitäten im Gesamtnetz weiter auszubauen.

Auf Grundlage der letzten Erhaltungsbedarfsprognose für den Zeitraum 2011 bis 2025 wird deutlich, dass der Finanzbedarf für die zukünftige Sicherstellung eines ausreichend leistungsfähigen Netzes mehr als 3 Mrd. € pro Jahr für das Bundesfernstraßennetz beträgt. Berücksichtigt man die Investitionstätigkeit in den zurückliegenden Jahren und vergleicht diese mit den prognostizierten Erhaltungsinvestitionen wird deutlich, dass die bisher schon vorhandene Entwicklung, mehr Investitionsmittel für die Substanzsicherung vorzusehen, noch weiter ausgebaut werden muss. Das Bild 2 stellt diese Entwicklung für den Zeitraum 2001 bis 2015 anhand der Ist-Ausgaben und für die Jahre 2013 bis 2015 anhand der vorliegenden Erhaltungsbedarfsprognose dar.

Bild 1: Vorhandenes Straßennetz und geschätztes Bruttoanlagevermögen

Bild 2: Entwicklung der Erhaltungsinvestitionen von 2011 bis 2015 im Bundesfernstraßennetz

Die aus diesen Tendenzen ableitbare Entwicklung wird Folgen für die Planung und Durchführung von Baumaßnahmen nach sich ziehen. Es muss sichergestellt werden, dass die Investitionen sowohl im Hinblick auf die technische Notwendigkeit einerseits und andererseits im Hinblick auf die wirtschaftliche Verwendung der Investitionsmittel möglichst optimal eingesetzt werden. Für diese Aufgabe müssen Instrumente und Beurteilungskriterien entwickelt oder weiterentwickelt werden, um bereits im Rahmen der Planung der Maßnahmen entsprechende Informationen als Entscheidungsgrundlagen nutzen zu können.

2 Netz- und objektorientierte Erhaltungsplanung

Die Planung von Erhaltungsmaßnahmen erfolgt sowohl auf Netzebene (im Folgenden als netzorientierte Erhaltungsplanung bezeichnet) mit einer verstärkten Berücksichtigung der Sicherstellung eines funktionsfähigen Gesamtnetzes, als auch auf Objektebene bei der Planung der konkreten Baumaßnahme (im Folgenden als objektorientierte Erhaltungsplanung bezeichnet). Für diese Zwecke werden unterschiedliche Instrumente zur Vorbereitung der Maßnahmen und zur Entscheidungsfindung, welche Ausführungsvariante im Einzelprojekt zur Anwendung kommen soll, genutzt.

2.1 Instrumente der netz- und objektorientierten Erhaltungsplanung

Im Rahmen der netzorientierten Erhaltungsplanung erfolgt der Planungsprozess und die Ermittlung des Mittelbedarfs bezogen auf einen mittelfristigen Zeitraum unter Zuhilfenahme unterschiedlicher Instrumente. Zentrales Beurteilungselement für die Auswahl von Netzabschnitten mit einem zukünftigen Erhaltungsbedarf sind derzeit die Ergebnisse der „Zustandserfassung und -bewertung“ (ZEB) für den Zustand der Fahrbahnoberflächen sowie zukünftig Teilergebnisse der Bewertung des Zustands der Bauwerke aus dem Bauwerksmanagementsystem (BMS) sowie die Ergebnisse des Pavement Management Systems (PMS). Bereits in der derzeit im Pilotbetrieb vorhandenen BMS-Anwendung werden Vorschläge des Systems für die Maßnahmenentwicklung an den Bauwerken generiert. Diese basieren auf den Ergebnissen der kontinuierlich stattfindenden Bauwerksprüfungen nach DIN 1076 und werden für eine Szenariobildung auf einem Streckenzug oder Netzabschnitt verwendet. Die Weiterverarbeitung der ZEB-Daten mit Hilfe eines Pavement-Management-Systems (PMS) hat derzeit einen klaren Schwerpunkt hin zur netzweiten Betrachtung. Dies wird auch dahingehend deutlich, dass die bisher angewendete ZEB-Systematik im Wesentlichen auf Regelabschnittslängen auf der freien Strecke von 100 m basiert, so dass eine objektorientierte Verwendung der Informationen aufgrund der langen Regelabschnittslängen nur eingeschränkt bzw. gar nicht möglich ist. Zudem erfolgen die ZEB-Messungen in einem Messturnus von vier Jahren, so dass aktuelle Zustandsdaten für die Vorbereitung konkreter Baumaßnahmen unter Umständen nicht vorliegen oder vorliegende Daten vom Ist-Zustand abweichen.

Es ist feststellbar, dass die objektorientierte Erhaltungsplanung (bezogen auf die jeweils durchzuführende Baumaßnahme) bisher nur sehr eingeschränkt Planungswerkzeuge und -größen in einer systematisierten Form verwendet, die auf den Annahmen der netzweiten Sichtweise aufbauen. Im Wesentlichen basieren die technischen Entscheidungen stattdessen auf Bohrkernanalysen und einer subjektiven Einschätzung der vorhandenen Substanz des Straßenoberbaus, da nur auf diese Weise eine ausreichende Detaillierung möglich ist. Eine zukünftige Herausforderung besteht also darin, den Planungsprozess als durchgängig zu verstehen und Instrumente zu schaffen, die dazu führen, die notwendigen Investitionen sowohl technisch als auch wirtschaftlich optimiert tätigen zu können. Zukünftig könnte bei der Verwendung des BMS eine Berücksichtigung der vom System vorgesehenen Maßnahmenvorschläge am Einzelbauwerk bei der Maßnahmenplanung ermöglicht werden. Auf diese Weise könnte zukünftig als weiteres Instrument auch die objektbezogene BMS-Maßnahme am Bauwerk Grundlage für die konkrete Planung der Baumaßnahme werden. Eine ingenieurmäßige Beurteilung wird aber hierdurch nicht ersetzt, sondern die abgeleiteten Empfehlungen können lediglich eine Unterstützung des Planungsprozesses darstellen. Damit könnte das Ziel verfolgt werden, eine durchgehende Berücksichtigung der Annahmen im Rahmen der netzorientierten Sichtweise auch bei der objektorientierten Planung zu ermöglichen, so dass zwischen den unterschiedlichen Planungsstufen für Erhaltungsmaßnahmen möglichst kein Bruch in den zugrundeliegenden Annahmen stattfindet. Voraussetzung hierfür ist natürlich, dass die im BMS abgebildeten Maßnahmen kongruent zur ingenieurmäßigen Einschätzung der notwendigen Erhaltungsmaßnahmen sind. Der im Bild 3 dargestellte Überschneidungsbereich zwischen der netz- und objektorientierten Erhaltungsplanung wird auch im Hinblick auf eine Verstärkung der Bauaktivitäten und der zielgerichteten und wirtschaftlichen Erhaltungsinvestition eine Zukunftsaufgabe darstellen.

Wenn es zukünftig gelingt, die Grundlageninformationen und Instrumente bei den Planungsprozessen für Erhaltungsmaßnahmen als gemeinsame Basis zu verwenden, profitieren sowohl die netzorientierte als auch die objektorientierte Planungsphase durch einen Regelmechanismus, der zu verbesserten Prognosen sowie zu einer Optimierung der Maßnahmenplanung führen kann.

Bild 3: Instrumente der netz- und objektorientierten Erhaltungsplanung

2.2 Zusammenhang zwischen netz- und objektorientierter Erhaltungsplanung

Das Bild 4 verdeutlicht den anzustrebenden Regelkreislauf, der die Informationen aus der netzweiten Betrachtung auch für die maßnahmenbezogene Planung von Erhaltungsmaßnahmen bereitstellt und Instrumente zur Verfügung stellt, diese Informationen zu nutzen.

Grundlage für die netzweite Erhaltungsbedarfsprognose und den daraus abzuleitenden prognostizierten Finanzbedarf bilden die Ergebnisse aus der PMS-Berechnung und die Berücksichtigung der Ergebnisse aus Rechenläufen des BMS. Als Grundlagendaten für die Erhaltungsbedarfsprognose gehen unter anderen neben den ZEB-Ergebnissen (Unebenheiten in Längs- und Querrichtung, die Griffigkeit der Fahrbahnen sowie die Risse und Flickstellen) in einem Raster von 100-m-Abschnitten auf der freien Strecke auch die Straßenaufbaudaten sowie die Verkehrsdaten der betroffenen Netzabschnitte ein. Ebenfalls werden die auf Basis von Schadensmodellen und Verhaltensfunktionen ermittelten Maßnahmen an den Bauwerken bei der netzweiten Betrachtung entsprechend mit berücksichtigt. Auf Basis dieser Ergebnisse erfolgt die Prognose des für den Betrachtungszeitraum notwendigen Mittelbedarfs unter Berücksichtigung des relevanten Erhaltungsszenarios. Das hieraus abgeleitete Erhaltungsprogramm stellt die Überführung des ermittelten Finanzbedarfs (auf Basis der netzweiten Betrachtung) dar und leitet Einzelmaßnahmen im betrachteten Netz ab. Ab diesem Schritt erfolgt die weitere Behandlung der Baumaßnahmen nicht mehr in einem netzweitem Zusammenhang, sondern die Betrachtung erfolgt ab diesem Verfahrensschritt nun objektorientiert.

Bild 4: Zusammenhang zwischen netz- und objektorientierter Erhaltungsplanung

Bei der Konzeption und Umsetzung im Rahmen der nachfolgenden Prozessschritte, wird derzeit nicht mehr auf die Annahmen (Welche Art von Maßnahmen lagen der netzorientierten Betrachtung zu Grunde?) in den zuvor durchgeführten Prozessschritten zurückgegriffen. Hierdurch kommt es unter Umständen zu einem Bruch in der Planungssystematik, da zuvor getätigte Annahmen bei der Umsetzung der Maßnahmen nicht mehr berücksichtigt werden. Dies hat zum einen mit der weiteren Erhöhung des Detaillierungsgrades bei der Entwicklung der Einzelmaßnahmen zu tun, die in den netzorientierten Betrachtungen nicht berücksichtigt werden können (beispielsweise Aussage auf Basis von 100-m-Regelabschnittslängen). Zum anderen unterliegt die Maßnahme zusätzlichen äußeren Einflüssen, die erst bei der Konzeption der konkreten Einzelmaßnahme entsprechend berücksichtigt werden können. Hierzu zählen unter anderen Problemstellungen aus der betrieblichen Unterhaltung. Wesentlich sind ebenfalls weitere Schlussfolgerungen aus den durch Bohrkernanalyse ermittelten Schichteigenschaften und -zuständen sowie Aussagen zu unter Umständen weiter voranschreitenden Schadensentwicklungen an der Oberfläche (im Vergleich zu den im 4-Jahres-Turnus durchgeführten ZEB-Messungen). Zur Verbesserung der Prognosequalität ist es erforderlich, zukünftig die im Rahmen der Baumaßnahme ermittelten Daten, beispielsweise zum neuen Schichtenaufbau oder zu den Materialeigenschaften der eingebauten Stoffe, in einer standardisierten Form für die Fortentwicklung der Prognoseinstrumente auch für die netzorientierte Erhaltungsplanung nutzbar zu machen. Dies könnte beispielsweise dazu genutzt werden, die Nutzungsdauern von unterschiedlichen Bauweisen exakter im Prognoseprozess berücksichtigen zu können. Insbesondere die Aufbaudaten werden bereits heute im Rahmen der Erhaltungsbedarfsprognose genutzt und können derzeit nur mit manuellem Aufwand erhoben und weiterverarbeitet werden. Sinnvoll wäre daher eine im Einbauprozess integrierte, maschinelle Erfassung, um diese Informationen aus den Baumaßnahmen für das PMS direkt nutzbar zu machen. Die Integration von, für die Prognose der Nutzungsdauer sinnvollen, Materialparametern, die Rückschlüsse auf den Schädigungsgrad der Straße ermöglichen, muss daher weiter vorangetrieben werden.

3 Beurteilung der Substanz im Rahmen der objektorientierten Erhaltungsplanung

Einen wichtigen Aspekt zur Entscheidung, welche baulichen Eingriffe auf einem Streckenabschnitt notwendig sind, ist die Einschätzung der vorhandenen Restsubstanz des Straßenaufbaus. Die Entwicklung von geeigneten Verfahren zur Substanzbewertung soll diese Lücke schließen und die subjektive Einschätzung des Zustands anhand von möglichst objektiven Kriterien unterstützen. Das technische Regelwerk bietet bereits heute unterschiedliche Näherungsverfahren zur Beurteilung des strukturellen Straßenzustands.

Im Bild 5 sind die vorhandenen und noch in der Entwicklung befindlichen Ansätze dargestellt. Deutlich wird, dass sich der grundsätzliche Ansatz zur Beurteilung der Substanz in aufbaubezogene und materialbezogene Ansätze unterscheiden lässt.

3.1 Substanzbewertungsverfahren im Regelwerk

Bereits die „Richtlinien für die Planung von Erhaltungsmaßnahmen an Straßenbefestigungen“ (RPE Stra 01) enthalten einen aufbaubezogenen Ansatz, um die vorhandene Straßenbefestigung substanziell zu bewerten. Das hier enthaltene Näherungsverfahren findet sich analog im Arbeitspapier zur Erhaltungsplanung wieder. Auf Basis der Gebrauchs- und Substanzwerte der ZEB sollen homogene Abschnitte (zunächst zustandsorientiert) im betreffenden Abschnitt ermittelt werden, für die dann nach dem Dickenäquivalenzprinzip eine Bewertung des Befestigungszustands der Deckschicht vorgenommen wird. Das Dickenäquivalenzprinzip sieht vor, dass in Abhängigkeit der Schichtart und des Alters Äquivalenzfaktoren berechnet werden, die zur Bestimmung der äquivalenten Dicke des Bestandes verwendet werden. Dem gegenübergestellt wird eine erforderliche Äquivalenzdicke in Abhängigkeit des EV2-Werts (Tabellenwerte oder Erfahrungswerte) der obersten ungebundenen Schicht und der künftigen Belastungsklasse der RStO. Mit diesen Informationen wird die Festlegung von Abschnittsgrenzen durchgeführt, die zur Ermittlung von homogenen Abschnitten verwendet werden können. Die RStO 12 sehen in der aktuellen Ausgabe ebenfalls ein Bewertungsverfahren für die strukturelle Substanz der vorhandenen Befestigung vor. Das Verfahren berücksichtigt zusätzlich zum Alter der vorhandenen Befestigung auch die bisherige dimensionierungsrelevante Beanspruchung zur Abschätzung der ertragenen Verkehrsbelastung. Analog zum Ansatz nach RPE Stra 01 gehen ebenfalls die Oberflächenzustände (Längsunebenheit, Risse und Flickstellen) in die Beurteilung ein. Die Beurteilung der Tragfähigkeit der vorhandenen Befestigung geht ebenfalls ein und kann gegebenenfalls durch Messungen ergänzt werden. Im Vergleich zu den Ansätzen nach RPE Stra 01 und nach Arbeitspapier Erhaltungsplanung wird im RStO-Ansatz nun zur Beurteilung der vorhandenen Befestigung eine Bestimmung von Materialeigenschaften für die Belastungsklassen Bk10 bis Bk100 auf Basis der AL Sp-Asphalt/Beton zur Anwendung empfohlen. Auf dieser Basis wird die rechnerische Abschätzung der Restnutzungsdauer der vorhandenen Schichten nach RDO Asphalt und RDO Beton vorgenommen. Dieser Ansatz ist in der RStO 12 neu aufgenommen worden und wird in den derzeit in Bearbeitung befindlichen Richtlinien zur Bewertung der strukturellen Substanz des Oberbaus von Verkehrsflächen in Asphaltbauweise (RSO Asphalt) aufgegriffen und weitergeführt.

Bild 5: Substanzbewertungsverfahren im Regelwerk

Substanzbewertungsverfahren sollen dazu genutzt werden, in einem Streckenabschnitt oder zur Vorbereitung einer konkreten Einzelmaßnahme eine Einschätzung des vorhandenen Bestandes zu ermöglichen. Dies kann sowohl zum Zweck der Vorbereitung einer Ausschreibung, also zur Auswahl einer geeigneten wirtschaftlichen und technisch erforderlichen Bauweise, oder aber auch zur Einschätzung der vorhandenen Substanz nach Ablauf einer vertraglichen definierten Frist, wie dies beispielsweise bei Funktionsbauverträgen oder im Rahmen von ÖPP-Modellen erforderlich sein. In welcher Form sich die derzeit in Entwicklung befindlichen Ansätze (z. B. in den „Richtlinien zur Bewertung der strukturellen Substanz des Oberbaus von Verkehrsflächen in Asphaltbauweise“ (RSO Asphalt)) einsetzen lassen, müssen weitere Untersuchungen zeigen. Tendenziell ist aber eine stärkere Fokussierung auf Materialparameter erkennbar, die eine Ergänzung und Präzisierung der bisherigen auf Oberflächenzustände bezogenen Beurteilungsbasis darstellt. Inwieweit diese Ansätze zur Planung von konkreten Erhaltungsmaßnahmen beitragen können, muss weiter untersucht werden.

3.2 Substanzbewertung auf Basis homogener Anschnitte

Die derzeit diskutierten Konzepte sehen die Beurteilung der strukturellen Substanz auf Grundlage der Bildung von homogenen Abschnitten vor. Hierbei wird die betroffene Strecke auf Basis unterschiedlicher Messgrößen in Abschnitte unterteilt, für die ähnliche Eigenschaften angenommen werden. Relevant sind hierfür Bereiche mit Änderungen der Bauweise oder Baustoffe, Dickenänderungen der Asphaltbefestigung, unterschiedliches Alter der untersten Asphalttragschichtlagen sowie unterschiedliche bereits ertragene Verkehrsbelastung. Auf dieser Basis sollen Abschnitte gebildet werden, in denen dann je Abschnitt mit einer Maximallänge von 1.000 m jeweils mindestens 16 Bohrkerne aus den Rollspuren entnommen werden sollen, anhand derer unterschiedliche dimensionierungsrelevante Materialparameter bestimmt werden. Deutlich wird, dass diese Anwendung nicht für eine netzorientierte Erhaltungsplanung einsetzbar ist, da der Untersuchungsaufwand zur Bestimmung der dimensionierungsrelevanten Materialparameter als sehr hoch eingeschätzt werden muss. Sollen die Methoden zur Bewertung der strukturellen Substanz zur Beurteilung einer vorhandenen Straßenbefestigung oder zur Planung einer Einzelmaßnahme genutzt werden, müssen möglichst umfangreiche Kenntnisse zu den zu beurteilenden Asphaltschichten vorliegen. Im Bestand, der teilweise stark unterschiedliche Schichtfolgen aufweist, stellt dies ein Anwendungsrisiko dar. Inwieweit durch weitere Voruntersuchungen eine bessere Eingrenzung dieser Anwendungsrisiken erfolgen kann, müssen weitere Untersuchungen zeigen.

3.3 Zerstörungsfreie Prüfverfahren zur Substanzbewertung

Ein wesentlicher Baustein zur Sammlung von Informationen zu einem Streckenabschnitt sind Voruntersuchungen der Straßenbefestigung. Für die praktische Anwendung ist es erforderlich, vorzugsweise Systeme einzusetzen, die zum einen zuverlässige Parameter liefern und zum anderen möglichst geringe Störungen auf den Verkehrsablauf ausüben. Sowohl national als auch international befinden sich unterschiedliche Systeme in der Entwicklung, die auf Basis von zerstörungsfreien Messungen Aussagen zum strukturellen Zustand der vorhandenen Straßenbefestigung liefern sollen. Das Bild 6 zeigt unterschiedliche Systeme, die derzeit angewendet, erprobt oder weiterentwickelt werden.

Bild 6: Zerstörungsfreie Prüfverfahren zur Substanzbewertung

Alle die hier dargestellten Systeme weisen jedoch noch den Nachteil auf, dass die Ermittlung von Prüfdaten derzeit nicht ohne Störungen des Verkehrsablaufs durchgeführt werden können. Die Systemtechnik erlaubt teilweise nur stationäre Messungen (Falling Weight Deflectometer), die nur im Schutz von verkehrssichernden Maßnahmen durchgeführt werden können.

Im Hinblick auf das „Mitschwimmen“ der Messsysteme im Verkehr zeigt das High Speed Deflectometer (HSD) ein entsprechend gutes Potenzial zur Beurteilung längerer Netzabschnitte, da hiermit Messgeschwindigkeiten von > 80 km/h erreichbar erscheinen. Derzeit zeigen die Messergebnisse jedoch noch große Schwankungsbreiten (Golkowski, G.; Rabe, R. (2012)) auf, so dass für die praktische Anwendung noch weiteres Entwicklungspotenzial beim HSD vorhanden ist. Zur Ermittlung von Schichtgrenzen in der vorhandenen Substanz kann der Einsatz von Geo-Radar-Systemen zukünftig beitragen. Hier sind ebenfalls deutliche Entwicklungen erkennbar, das erhobene Datenvolumen zu reduzieren und damit den Umgang mit den Messdaten zu verbessern. Es handelt sich aber um linienhafte Messungen, deren Ergebnisse stark von der Qualität der Auswertung abhängen. Deutlich wird ein Entwicklungstrend hin zu nicht zerstörenden Prüfverfahren, die Eingangswerte für die Beurteilung der strukturellen Substanz liefern können. Inwieweit sich diese Verfahren in der praktischen Anwendung etablieren können, bleibt abzuwarten. Ob die Systeme auch als Grundlage für die Planung von Erhaltungsmaßnahmen nutzbar sind, müssen weitere praktische Erprobungen zeigen.

3.4 Substanzbewertung als Element der objektbezogenen Erhaltungsplanung

Die Planung von Erhaltungsmaßnahmen auf Objektebene unterliegt vielfältigen Einflüssen. Ausschlaggebend für die Auswahl der durchzuführenden Maßnahmen in einem Streckenabschnitt sind unterschiedliche Randbedingungen, die in vielen Fällen im Rahmen der Konzeption und Ausschreibung der Maßnahme festgelegt werden. Neben den rein technischen Aspekten sind dies vermehrt auch Einflüsse von Externen (Verkehrsbehörden, Anwohner, etc.), die einen wesentlichen Einfluss auf die Planung und Durchführung der einzelnen Baumaßnahmen ausüben. Im Bild 7 sind wesentliche Einflussgrößen dargestellt. Deutlich wird, dass die Bewertung der strukturellen Substanz nur ein Einzelaspekt ist, der Einfluss auf die gesamte Konzeption der Baumaßnahme ausübt. Welchen Einfluss die Ergebnisse der Substanzbewertung bei der Gesamtkonzeption einer Baumaßnahme haben, muss die praktische Anwendung zeigen.

Bild 7: Einflussgrößen auf die Planung von Erhaltungsmaßnahmen

4 Zusammenfassung und Ausblick

Die Erhaltung der vorhandenen Straßeninfrastruktur stellt eine wesentliche Herausforderung für die nächsten Jahre dar. Um die hierfür notwendigen Investitionsmittel sowohl technisch als auch wirtschaftlich optimal einzusetzen, kommt dem Planungsprozess sowohl auf Netz- als auch auf Objektebene eine weiter wachsende Bedeutung zu. Die vorhandenen Instrumente müssen hierzu so weiterentwickelt werden, dass die zu Grunde liegenden Informationen in den jeweiligen Planungsschritten genutzt werden können und insbesondere auch ein Rückfluss von Informationen aus der objektorientierten in die netzorientierte Erhaltungsplanung und umgekehrt stattfinden soll. Diese Vernetzung schafft einen durchgängigen Planungsprozess auf einem Streckenabschnitt unter Berücksichtigung der zuvor durchgeführten Verfahrensschritte. Grundsätzlich besteht die Anforderung, alle Anlagenteile in der Erhaltungsplanung zu berücksichtigen. Nur auf diese Weise kann eine vollständige Beseitigung von substanziellen Mängeln in einem Streckenabschnitt stattfinden. Ebenfalls führt dies zu einer Bündelung der durchzuführenden Baumaßnahmen, so dass im Hinblick auf die verkehrlichen Auswirkungen die Anzahl der Eingriffe auf einem Netzabschnitt minimiert werden kann. Für die Beurteilung der technisch notwendigen Maßnahmen ist die Entwicklung und kontinuierliche Weiterentwicklung von Verfahren zur praxisgerechten Ermittlung und Bewertung der strukturellen Substanz essentiell. Hierbei muss sich zeigen, wie sich die in der Entwicklung befindlichen Verfahren in der Praxis als Beurteilungsgrundlage etablieren können. Derzeit laufen zusätzlich Bestrebungen, eine Systematisierung des Planungsprozesses von Baumaßnahmen in einem Netzabschnitt zu entwickeln, die als Ergebnis eine streckenbezogene Gesamtpriorisierung aller notwendigen Maßnahmen liefern soll.

Literaturverzeichnis

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2001): Richtlinien für die Planung von Erhaltungsmaßnahmen an Straßenbefestigungen (RPE Stra 01), Köln, FGSV 488

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2003): Arbeitspapier zur Erhaltungsplanung, Reihe S: Substanzwert (Bestand), Köln, FGSV 490 AP 9

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2012): Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen (RStO 12), Köln, FGSV 499

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2009): Arbeitsanleitung zur Bestimmung des Steifigkeits- und Ermüdungsverhaltens von Asphalten mit dem Spaltzug-Schwellversuch als Eingangsgröße in die Dimensionierung (AL Sp-Asphalt 09), Köln, FGSV 430

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2006): Arbeitsanleitung zur Bestimmung der charakteristischen Spaltzugfestigkeit an Zylinderscheiben als Eingangsgröße in die Bemessung von Betondecken für Straßenverkehrsflächen (AL Sp-Beton), Köln, FGSV 410

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2009): Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Asphaltdeckschicht (RDO Asphalt 09), Köln, FGSV 498

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2009): Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung von Betondecken im Oberbau von Verkehrsflächen (RDO Beton 09), Köln, FGSV 497

Golkowski, G.; Rabe, R.: Vergleich der Tragfähigkeitsmessungen zur Bewertung des Straßenaufbaus im Hinblick auf die Entwicklung eines Substanzwertes, Schlussbericht zum Projekt F1100.3408005, Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach 2012 (unveröffentlicht)