FGSV-Nr. FGSV 002/94
Ort Karlsruhe
Datum 15.09.2009
Titel Erfahrungen mit der Umsetzung eines Qualitätsmonitoring im Straßenbetriebsdienst
Autoren Prof. Dr.-Ing. Rainer Hess
Kategorien Straßenbetrieb, Winterdienst
Einleitung

Aus der Verkehrssicherungspflicht einer Straßenbauverwaltung für ihre Verkehrsanlagen resultiert die nicht delegierbare Verantwortung, die Abwehr aller Gefahren für Nutzer und Anlieger zu gewährleisten. Diese Verantwortung bleibt auch dann bestehen, wenn sich eine Straßenbauverwaltung bei der Erfüllung ihrer Aufgaben privater Unternehmen bedient. Voraussetzung sowohl für die Beweissicherung als auch für die effiziente Steuerung der Aufgabenerfüllung ist eine regelmäßige Dokumentation (Monitoring) des aufrecht erhaltenen Zustandes der Verkehrsanlagen. Im Rahmen des Forschungsvorhabens Qualitätsmonitoring im Straßenbetriebsdienst [1] konnten die verschiedenen Ansätze für ein Monitoring erstmals systematisch verfolgt und in einer Pilotanwendung erprobt werden. Die vollzogenen Arbeitsschritte reichen von der Beschreibung des genannten Zustandes, über die Auswahl geeigneter Beurteilungsverfahren und die Auswertungen hinsichtlich Zuverlässigkeit der Beurteilungsergebnisse und Praxistauglichkeit der Erfassungsverfahren bis hin zu Vorschlägen für die Bildung eines Gesamturteils für ein (Teil-)Netz. Mit dem vorgestellten Forschungsvorhaben werden die theoretischen Grundlagen für ein Qualitätsmonitoring im Straßenbetriebsdienst gelegt und der Nachweis seiner Umsetzbarkeit mit einfachen technischen Mitteln erbracht.

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1  Einleitung

Zunehmender Druck auf die öffentlichen Straßenbauverwaltungen, die Aufgabenerfüllung noch wirtschaftlicher als bisher zu gestalten oder auch nur die benötigten finanziellen Mittel zu rechtfertigen, weckt das Interesse an einem Qualitätsmonitoring im Straßenbetriebsdienst: ein Monitoring, das die Zustandsüberwachung von Straßenraum und -ausstattungen ermöglicht sowie im Zuge einer neuen Ergebnisorientierung die Steuerbarkeit des Straßenbetriebsdienstes verbessert. Wenn über ein Qualitätsmonitoring gesprochen wird, sind zunächst die beiden Begriffe zu klären: Unter „Qualität“ wird die möglichst exakte Erfüllung gestellter Anforderungen und unter „Monitoring“ die regelmäßige Überwachung dieser Erfüllung verstanden. Letztlich wird der Erfolg des Straßenbetriebsdienstes an dem durch seine Leistungen aufrecht erhaltenen Zustand der Anlagen gemessen. Damit die Qualität im Rahmen einer Überwachung beurteilt werden kann, ist zunächst das Ziel bzw. der aufrecht zu erhaltende Zustand durch objektiv prüfbare Anforderungen zu beschreiben und im zweiten Schritt ein Konzept für eine Stichprobenaufnahme und -auswertung zu erarbeiten, das eine wirtschaftlich darstellbare Überwachung ermöglicht.

In der Theorie besteht der Steuerungsprozess im Straßenbetriebsdienst aus der Zustandsüberwachung, der Mängelaufnahme, der Arbeitsplanung und letztlich der Behebung der Mängel. Je nach Art und Umfang der Aufgabe werden alle vier Schritte durch eine Person oder ein Team (Streckenkontrolle) durchgeführt. Auch bei der Einschaltung einer Arbeitskolonne der Meisterei oder privater Unternehmen verbleiben Überwachung und Mängelaufnahme als Aufträge auslösende Schritte bei der Streckenwartung. Gerade weil die Durchführung dieser ersten beiden Schritte in der Hand von einer Person liegen, fehlt häufig das Bewusstsein für deren unterschiedliche Bedeutungen. Eine Dokumentation des ordnungsgemäßen Zustandes findet nicht statt, wodurch nachträglich nicht eindeutig geklärt werden kann, ob der Anlagenzustand tatsächlich in Ordnung war oder nur nicht überprüft worden ist. Die Zustandsdokumentation stellt die Grundlage für drei wichtige Aufgaben dar. Die

  • Beweissicherung über die eigene und fremde Aufgabenerfüllung, die
  • Arbeitsdisposition im Rahmen einer modernen Steuerung und die
  • Überwachung der Leistungen von eingesetzten Fremd-/Nachunternehmern.

Insbesondere die Beweissicherung ist von unmittelbarem Nutzen für die aufnehmende Person, in der Regel den Streckenwart. Bei Bedarf kann die eigene Aufgabenerfüllung nachgewiesen werden. Eine moderne Steuerung erlaubt die zeitnahe Anpassung des Aufwandes an den Bedarf. Nur durch eine Dokumentation der Zustandsentwicklung wird es möglich, bedarfsorientiert zu steuern und Planungsansätze für regelmäßige Aufgaben kontinuierlich zu verbessern. Vor dem Hintergrund der nicht delegierbaren Verantwortung für die Verkehrssicherheit ist die Überwachung der Leistungen Dritter eine entscheidende Voraussetzung, um ein Organisationsverschulden auszuschließen.

2  Beschreibung des Zustandes

2.1  Objektorientierung und Konformität mit dem Technischen Regelwerk

Um die Qualität eines aufrecht erhaltenen Zustandes einer Straßenverkehrsanlage beurteilen zu können, muss dieser Zustand zunächst definiert sein. Im Leistungsheft für die betriebliche Straßenunterhaltung auf Bundesfernstraßen [3] werden die erforderlichen Leistungen beschrieben, Anforderungen allerdings nur in geringem Umfang durch konkrete Zahlen festgelegt. Bei der Definition des aufrecht zu erhaltenden Zustandes ist darüber hinaus eine Objektorientierung erforderlich, um die Anforderungen auf die einzelnen Objekte einer Verkehrsanlage (Fahrbahn, Grünflächen, Straßenausstattung, Entwässerungseinrichtung und Nebenanlagen) anwenden zu können. Grundlage des Datenbestandes über die Objekte einer Straßenverkehrsanlage sind die Richtlinien zur Erhebung des Anlagenbestandes an Bundesfernstraßen [2]. Ausgehend von der Beschreibung der Leistungen im Leistungsheft erfolgt die Auswahl derjenigen Objekte bzw. der Eigenschaften derselben, die durch die jeweilige Leistung beeinflusst werden. Anschließend wird umsortiert, sodass für jede Objektart eine Liste der relevanten Eigenschaften entsteht.

2.2  Systematik der Zustandsbeurteilung

Lassen sich Eigenschaften nicht direkt feststellen, wird ein Mangel bzw. ein Schadensbild beschrieben, das es zu vermeiden gilt. Auf einem der beiden Wege kann in jedem Fall ein Indikator zur Feststellung der Eigenschaft definiert werden. Die beschriebene Systematik hat einen allgemeingültigen Charakter. Es lassen sich dabei unterschiedliche Anforderungen an eine durch den Indikator repräsentierte Eigenschaft festlegen, ohne dass die Eigenschaft selbst davon berührt wird.

Eine Eigenschaft ist beispielsweise die Ebenheit einer befestigten Fläche. Die Eigenschaft kann zur Beschreibung aller befestigten Flächen herangezogen werden. Bei der Festlegung von Anforderungen an die Ebenheit muss aber eine Differenzierung erfolgen. So werden auf einer Rastanlage andere Anforderungen an die Ebenheit einer Fahrbahn als an die Ebenheit eines Fußweges zu stellen sein. Sinnvolle Differenzierungen der Anforderungen an die Ebenheit lassen sich anhand der Verkehrsbedeutung (Straßenkategorie), der Nutzungsart und der Belagsart definieren. Für die Erprobung der beschriebenen Systematik sowie der visuellen Beurteilung in einer Pilotanwendung wurden Anforderungen definiert, die aber eine Festlegung solcher Anforderungen für die Regelanwendung in keiner Weise vorwegnehmen sollen.

Damit eine Zustandsbeurteilung über die Dokumentation hinaus auch für die Steuerung der Aufgabenerfüllung genutzt werden kann, ist eine Skalierung des Urteils erforderlich. In Anlehnung an das bereits bestehende System der Zustandserfassung und -beurteilung (ZEB) für Fahrbahnoberflächen wird ein durch Farben gekennzeichnetes Notensystem eingeführt. Zunächst dient eine dreistufige Beschreibung des Zustandes als Ersatz für die Normierung von Messwerten.

2.3  Visuelle Bewertung und Messverfahren

Wenn sich die Zustandserfassung in den Arbeitsablauf einfügen soll, muss sie mit möglichst wenig zusätzlichem Aufwand verbunden sein. Daher wurde zunächst untersucht, ob eine qualitativ-visuelle Zustandsaufnahme zur Erreichung der angestrebten Ziele ausreichend ist. Die Eigenschaften bzw. Schadensbilder wurden mit verbalen Beschreibungen hinterlegt, die zu einem großen Teil im Text bereits konkrete Werte beinhalten. Ein Austausch der einzelnen Beurteilung durch ein Messverfahren, das diese Zahlenwerte liefern kann, und eine anschließende Normierung ist daher jederzeit möglich. Im Rahmen der Pilotanwendung erfolgte eine Beschränkung auf jeweils drei Zustände, die anhand der Beschreibungen definiert wurden. Die vorgenommene Skalierung hat darin drei Stufen, die durch die Farben Grün für einen anforderungsgerechten Zustand, Gelb für einen absehbaren Handlungsbedarf und Rot für überfällige Leistungen gekennzeichnet sind.

3  Erfassungsverfahren

3.1  Erfassungsbögen

Erste Ansätze einer ergebnisorientierten Zustandsaufnahme basierten auf Papierprotokollen, die aus den Aufschrieben der Streckenwartung entwickelt wurden [4]. Die Erfassungsbögen enthalten einen Bereich, in dem der Ortsbezug hergestellt wird. Darunter können weiterhin Leistungen eingetragen werden. Mit einer Sortierung der Leistungen nach Objektarten, beispielsweise Ausstattung oder Entwässerungseinrichtung, wird ein erster Schritt in Richtung Objektorientierung vollzogen. Es werden ausschließlich erforderliche Leistungen in den Bogen eingetragen und hinsichtlich der Dringlichkeit ihrer Ausführung bewertet. Damit erfolgt zwar keine Feststellung des aufrecht erhaltenen Zustandes im Erfolgsfall also bei Mängelfreiheit, aber es ist schon eine Skalierung für die Verwendung in der Steuerung angelegt.

3.2  Technische Umsetzung

Zur Erprobung der vollständigen Systematik im Rahmen einer Pilotanwendung kamen zwei technische Lösungen zum Einsatz. Beide Lösungen beruhen auf dem Einsatz von mobilen Erfassungsgeräten, die bei der Streckenwartung mitgeführt werden. Die Bedienung erfolgt über berührungsempfindliche Bildschirme. Dankenswerterweise beteiligte sich der Landesbetrieb strassen.NRW mit drei Meistereien an der Pilotanwendung, sodass eine Erprobung unter Praxisbedingungen möglich war.

Die kleinere Variante wurde auf einem Mobile Digital Assistent (MDA) mit GPS-Empfänger und Kamera realisiert (Bild 1). Über Listen werden die Straßenkategorie, die Straße und der Streckenabschnitt ausgewählt. Wenn eine für die Positionsbestimmung ausreichende Anzahl von Satellitensignalen des Global Positioning Systems (GPS) empfangen werden kann, bietet das Gerät von sich aus nur die vier an den nächsten gelegenen Streckenabschnitten zur Auswahl an. Dadurch wird der Auswahlvorgang beschleunigt. Analog zur Auswahl des Streckenabschnittes erfolgt die Auswahl der Objekte innerhalb des Streckenabschnittes. Mit Filterungen nach Streckenband sowie der Lage im Querschnitt und einer Sortierung nach Stationierungskilometern kann auch hier der Auswahlprozess beschleunigt werden. Für das ausgewählte Objekt wird nun der Zustand bewertet. Alle zugehörigen Eigenschaften werden angezeigt und müssen für die Bewertung angewählt werden. Bei Auswahl einer Eigenschaft erfolgt die Anzeige der drei wertenden Beschreibungen, die farblich hinterlegt sind. Es lässt sich leicht erkennen, dass für einen Bewertungsvorgang eine Vielzahl von Einzelschritten erforderlich ist und der Vorgang dadurch sehr zeitaufwändig wird. Vereinfachungen wie eine Alles-Grün-Schaltung, bei der nur noch solche Eigenschaften bewertet werden müssen, hinsichtlich derer das Objekt keinen anforderungsgerechten Zustand aufweist, reduzierten den Zeitaufwand nicht wesentlich.

Als Alternative kam ein Tablet-PC zum Einsatz (Bild 1). Das Gerät ist größer, deutlich schwerer und teurer in der Anschaffung als die MDA. Dafür weist es aber eine größere Bedienoberfläche auf. Neben der Listenlösung kann die Auswahl eines Streckenabschnittes auch über das angezeigte Streckennetz erfolgen. Die Auswahl der Objekte und der Eigenschaften erfolgt weiterhin über Listen, allerdings erlaubt die Größe der Anzeigefläche meistens alle Objekte und immer alle Eigenschaften gleichzeitig anzuzeigen. Zusätzlich wird der Text für die Eigenschaften angezeigt und durch drei farbige Kästchen – zumindest für den erfahrenen Benutzer, der weiß, welche Beschreibung sich hinter einer Farbe verbirgt – eine direkte, beschleunigte Bewertungsmöglichkeit eröffnet.

Bild 1: Erfassungsgeräte MDA (links) und Tablet-PC (rechts)

3.3   Übertragung und Datenhaltung

Auf Anweisung des Benutzers übertragen die Erfassungsgeräte die gespeicherten Daten über eine Mobilfunkverbindung an einen zentralen Server. Die Übertragung erfolgt damit berührungslos. Die auf dem zentralen Server vorgehaltene Datenbank stellt unterschiedliche Auswertungen bereit und kann von der Meisterei aus über deren Internetanbindung eingesehen werden (Bild 2).

Eine direkte Nutzungsmöglichkeit der Datenbank ist die Anzeige von neu aufgenommenen Schäden. So kann ein Streckenwart der Meistereileitung innerhalb kürzester Zeit genauere Informationen und Fotos von Unfallschäden zur Verfügung stellen, ohne hierfür seine Tour unterbrechen zu müssen. In der Meisterei können dadurch die erforderlichen Schritte für die Behebung der Schäden früher eingeleitet werden.

Bild 2: Systemaufbau

Die Daten stehen darüber hinaus für Auswertungen zur Steuerung der Aufgabenerfüllung und Abrechnung von Leistungen zur Verfügung. Im Rahmen der Steuerung können sie auch für eine stetige Verbesserung der Ansätze in der Turnusplanung genutzt werden. Im Rahmen der Pilotanwendung wurden sie für die Auswertungen zur Praxistauglichkeit der Systematik und der Erfassungstechnik verwendet.

4  Auswertung zur Praxistauglichkeit

4.1  Plausibilität der Beurteilungsergebnisse

Eine erste Auswertung der Beurteilungsergebnisse zeigt plausible Ergebnisse der Notenverteilung (Bild 3). So weisen alle drei Farben erkennbare Anteile auf. Die an der Pilotanwendung teilnehmenden Mitarbeiter hatten zunächst befürchtet, für schlechte Zustandsausprägungen in „ihrem“ Streckennetz zur Rechenschaft gezogen zu werden. In Anbetracht der Tatsache, dass eine lückenlose Überwachung des Streckennetzes ohne technische Hilfsmittel nicht möglich ist, war es aber wichtig, dass auch schlechte Zustandsbeurteilungen vollständig aufgenommen werden.

Bild 3: Auswertung zur Plausibilität (Notenverteilung)

Ein vergleichbares Bild der Notenverteilung zeigt sich bei der Auswertung der Beurteilungen für einzelne Objektarten. Darüber hinaus lassen sich darin besondere Erfahrungen mit den lokalen Verhältnissen ablesen. So liegt das Netz einer Meisterei in einer topografisch sehr bewegten Region und ist von vielen sehr engen Straßen geprägt. Häufige Probleme mit zerfahrenen Banketten und umgefahrenen Leitpfosten sind an der Notenverteilung dieser Objektarten ablesbar.

4.2  Zuverlässigkeit der Beurteilungsergebnisse

Die Auswertung der Praxistauglichkeit muss weiter klären, ob die Systematik der Zustandsbeschreibung in Kombination mit der qualitativ-visuellen Bewertung während der Zustandserfassung zur Beurteilung geeignet ist. Es stellen sich im Wesentlichen zwei Fragen:

  • Wird dieselbe Person bei einer wiederholten Beurteilung desselben Objektes zum gleichen Ergebnis kommen?
  • Wird eine andere Person bei der Beurteilung desselben Objektes zu einem vergleichbaren Urteil kommen?

Wiederholungsbedingungen lassen sich bei einer visuellen Beurteilung aus psychologischen Gründen nur schwer realisieren. Für die vorliegende Auswertung wurde daher ein zeitlicher Abstand von 24 Stunden toleriert. Da eine Nacht zwischen den beiden Bewertungen lag, wird ein psychologisch ausreichender Abstand bei gleichzeitig geringem Risiko einer tatsächlichen Zustandsänderung unterstellt. Die Übereinstimmung der Ergebnisse beträgt zwischen 78 und 96 %. Auffällig ist die große Spannweite, die trotz vergleichbarem Erfahrungshintergrund der Versuchspersonen auftrat. Insgesamt sind die Ergebnisse vor dem Hintergrund einer qualitativ-visuellen Beurteilung als gut anzusehen.

Vergleichsbedingungen wurden durch die Bewertung durch verschiedene Personen mit vergleichbarem fachlichem Hintergrund (Streckenwarte) im Abstand von wenigen Stunden erzeugt. Hierbei wird mit einer Übereinstimmung zwischen 69 und 79 % ein geringeres Niveau als unter Wiederholbedingungen erreicht. Die Ergebnisse sind aber ebenfalls vor dem Hintergrund der visuellen Beurteilung zu sehen. Auch hier zeigt sich eine deutliche Abhängigkeit von der aufnehmenden Person, was bei einer Einführung der Zustandserfassung im Regelbetrieb auf einen Schulungsbedarf hinweist.

4.3  Erfassungsgeschwindigkeit

Ein wesentlicher Faktor bei der Beurteilung der Praxistauglichkeit ist der erforderliche Zeitaufwand für die Zustandsaufnahme. Eine Auswertung der Erfassungsgeschwindigkeiten zeigt, dass die Zustandsaufnahme mit dem Tablet-PC durchschnittlich mehr als dreimal so schnell ablief wie mit den kleineren MDA. Generell scheint aber die Geschwindigkeit der Aufnahme sehr personenabhängig zu sein. Bei einer Übertragung der Zeitansätze auf eine vollständige Netzaufnahme sind allerdings Zeitverluste infolge der Ortswechsel und der Suche nach den gewünschten Objekten (Stichprobenaufnahme) zu berücksichtigen.

Tabelle 4: Erfassungsgeschwindigkeit

5  Auswertung zur Beurteilung

5.1  Aufnahme von Stichproben

Neben der Steuerung ist der zweite wesentliche Aspekt der Untersuchung die Möglichkeit einer Beurteilung anhand von Stichproben. Ein Überwachungskonzept mit Stichproben besteht aus einem Verfahren für die Generierung der Stichproben und einem Verfahren für die Auswertung der aufgenommenen Zustände. Die Stichproben setzen sich aus einer definierten Anzahl von zufällig aus der Grundgesamtheit ausgewählten Objekten zusammen. Ohne Ansehen der Bedeutung des einzelnen Objektes können Grenzen für bestimmte Anteile festgelegt werden. Bei einer zufälligen Auswahl von Objekten werden häufige Objekte gegenüber seltenen, aber bedeutenden Objekten überrepräsentiert. Daher sind für den Regelbetrieb zusätzliche Generierungsregeln erforderlich. Aus der Standardabweichung der Bewertungsanteile (Bild 5) lässt sich erkennen, dass der Mindestumfang der Stichproben in Abhängigkeit von der angestrebten Güte des Stichprobenurteils zu bestimmen und hierfür ein optimaler Bereich zu erkennen ist. Eine weitere Erhöhung des Stichprobenumfanges führt zu keiner wesentlichen Senkung der Standardabweichung und damit zu keiner wesentlichen Verbesserung der Aussagesicherheit.

Bild 5: Auswertung zum Stichprobenumfang

Unter Berücksichtigung der Aufnahmegeschwindigkeit wird deutlich, dass die für eine vertretbare Aussagesicherheit erforderlichen Stichproben bei der Verwendung eines Tablet-PC innerhalb eines Arbeitstages aufgenommen werden können.

5.2   Bildung eines Gesamturteils

Eine statistische Bildung des Gesamturteils ist zwar transparent, spiegelt die Bedeutung einzelner Aspekte jedoch nicht ausreichend wider. Um von der Messung beziehungsweise von der visuellen Beurteilung einer einzelnen Eigenschaft zu einem Gesamturteil für ein Objekt und darüber hinaus zu einer Beurteilung von Streckenabschnitten oder gar Streckennetzen zu gelangen, sind daher (gewichtete) Verrechnungsalgorithmen erforderlich. Hierüber Einigkeit zu erzielen, kann unter Umständen Schwierigkeiten bereiten. Die als Diskussionsgrundlage vorgeschlagene Systematik lehnt sich an die Systematik in der Zustandserfassung und -bewertung für Fahrbahnoberflächen (ZEB) an. Als Teilwerte des Gesamturteils werden Benutzbarkeit bzw. Funktionsfähigkeit (BEN),

  • Zustand der Verkehrsanlage (ANL) und
  • Erscheinungsbild (ESB) vorgeschlagen.

Die Benutzbarkeit beziehungsweise die Funktionsfähigkeit entspricht dem Gebrauchswert und der Zustand dem Substanzwert in der ZEB. Für das Erscheinungsbild gibt es in der ZEB keine Entsprechung. Für den Straßenraum und insbesondere die Beurteilung von Rastanlagen erscheint es aber sinnvoll, einen solchen Teilwert in die Beurteilung aufzunehmen. Bei der Zusammenführung der drei Teilwerte sollte er aber ein geringeres Gewicht als die anderen beiden Teilwerte erhalten. Eine Berücksichtigung der Verkehrssicherheit ist bei der Wertsynthese – abgesehen von einer Durchschlagfunktion – nicht vorgesehen.

6  Ausblick

Mit der vorgestellten, allgemeingültigen Systematik kann der Zustand einer Verkehrsanlage beschrieben werden. Im Rahmen der Pilotanwendung konnte weiter gezeigt werden, dass eine Beurteilung des aufrecht erhaltenen Zustandes auch durch rein visuelle Zustandsaufnahmen zuverlässig möglich ist. Allerdings wird die Zuverlässigkeit der Beurteilung nur erreicht, wenn die Einführung eines solchen Systems durch entsprechende Schulungen unterstützt wird. Hierbei geht es weniger um den Abgleich der visuellen Beurteilung, als vielmehr in erster Linie darum, ein systematisches Umdenken bei den eingesetzten Mitarbeitern zu fördern. Für die Ausgestaltung des Systems müssen nun differenzierte Anforderungen an die Indikatoren erarbeitet werden. Dieser Prozess ist nur zum Teil technischer Natur. Er muss darüber hinaus von einer gesellschaftlichen Diskussion über die Zumutbarkeit von Zustandsausprägungen für die Verkehrsteilnehmer vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Angemessenheit von Aufwand im Straßenbetriebsdienst getragen werden.

Vor dem Hintergrund, dass immer mehr Informationen digital erfasst werden müssen und eine Erfassung vor Ort in vielerlei Hinsicht Vorteile verspricht, sollte über den Einsatz einer gemeinsamen, anbieterunabhängigen Oberfläche für alle Erfassungssysteme nachgedacht werden. Die Erfassung von Aufwandsdaten, der Leistungen und der Zustandsdaten sowie die Pflege der Bestandsdaten auf einem Erfassungsgerät ist unbedingt anzustreben. Eine weitere Voraussetzung für die Akzeptanz eines Systems zum Qualitätsmonitoring ist dessen stetige Weiterentwicklung hinsichtlich der Bewertungsverfahren sowie seines Einsatzes in der Steuerung. Insbesondere muss die Verwendung und der Nutzen der durch sie erfassten Daten für die mit der Aufnahme betrauten Personen erkennbar sein.

Literaturverzeichnis

  1. BMVBS: Entwicklung eines „Qualitätsmonitoring im Straßenbetriebsdienst“ zur IT-gestützten nachlaufenden Steuerung des operativen Straßenbetriebsdienstes unter besonderer Berücksichtigung mathematischer Optimierungsverfahren. Forschungs- und Entwicklungsvorhaben FA 03.0422/2006/LRB der Durth Roos Consulting GmbH (DRC) gefördert durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Abteilung Straßenbau, Straßenverkehr (BMVBS) vertreten durch die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), Bergisch Gladbach 2007 bis 2009
  2. BMVBS: Richtlinie zur Erhebung des Anlagebestandes der Bundesfernstraßen unter Berücksichtigung des Leistungsheftes für den Straßenbetriebsdienst. Erarbeitet von der Länderarbeitsgruppe BEKORS, eingeführt durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Abteilung Straßenbau, Straßenverkehr (BMVBS), Bonn 2006
  3. BMVBW: Leistungsheft für die betriebliche Straßenunterhaltung auf Bundesfernstraßen und Konzeption einer Kosten- und Leistungsrechnung für die wirtschaftlichkeitsorientierte Steuerung in der betrieblichen Straßenunterhaltung. Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW), Bonn 2001 und 2004
  4. HLSV: Entwicklung eines Qualitätscontrolling für den Straßenbetriebsdienst in Beratungsauftrag der Durth Roos Consulting GmbH (DRC) für das Hessische Landesamt für Straßenwesen (HLSV), Wiesbaden 2006