FGSV-Nr. FGSV M 12
Ort Aschaffenburg
Datum 22.11.2017
Titel Reicht das Kriterium Feinkornanteil zur Beurteilung der Frostempfindlichkeit?
Autoren Prof. Dr.-Ing. Martin Radenberg, Dipl.-Ing. Nina Flottmann
Kategorien Gesteine, Mineralstoffe
Einleitung

Neben der Struktur des Oberbaus und der Temperatureinwirkung auf den Straßenkörper beeinflusst auch der verwendete Baustoff das Frostverhalten des gesamten Straßenkörpers. Demzufolge dürfen die Gebrauchseigenschaften der verwendeten Baustoffe und Böden nicht witterungsbedingt negativ beeinflusst werden. Auch die ungebundenen Tragschichten und der Unterbau sind während ihrer Nutzungsdauer niedrigen Temperaturen und somit Frost ausgesetzt. Deren Verhalten bei Frosteindringung und zusätzlicher Verkehrsbelastung hängt im Wesentlichen von der Wechselwirkung zwischen Wasser und Boden bzw. Gestein ab. Bei der Auswahl der Baustoffe für diese Schichten ist daher der Frostsicherheit eine wichtige Bedeutung beizumessen. In der Praxis werden dafür neben natürlichen Baustoffen auch Recycling-Baustoffgemische und industrielle Nebenprodukte eingesetzt. Da nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz bis Ende 2020 mehr als 70 % der Bau- und Abbruchabfälle rezykliert werden sollen, ist davon auszugehen, dass die derzeitige Anwendungsquote weiter ansteigen wird. Vor dem Hintergrund einer praxisbezogenen Bewertung der Frostsicherheit über die Frostempfindlichkeit für Recycling-Baustoffgemische und industrielle Nebenprodukte in Deutschland sind die derzeit genormten Frost-Prüfverfahren nicht geeignet, da diese sowohl die Materialveränderungen als auch die Witterungsbedingungen insitu nur unzureichend simulieren. In der Vergangenheit wurden bereits einige Anstrengungen unternommen, die Vielzahl der Einflussfaktoren im komplexen Gefüge ,,Baustoffgemisch" bzw. ,,Boden" auf die Eigenschaft Frostempfindlichkeit zu trennen. Dabei wurde basierend auf empirischen Daten vor allem der Anteil an feiner Gesteinskörnung im Gesamtgemisch als maßgebend herausgestellt. Insbesondere bei Recycling-Baustoffgemischen überlagern sich jedoch in der Regel weitere Einflussfaktoren, wie z. B. chemische Wechselwirkungen und Porosität einzelner Kornanteile. Dann ist eine Bewertung der Frostempfindlichkeit allein über den Feinanteil nicht mehr möglich. Um diese Eigenschaft zu bewerten und mögliches Hebungspotenzial festzustellen, ist ein Frosthebungsversuch unter praxisnahen Bedingungen sinnvoll. Grundsätzlich liegt mit dem hier vorgestellten Frosthebungsversuch ein prozesssicheres Verfahren vor, mit dem das Frostverhalten von Recycling-Baustoffgemischen und industriellen Nebenprodukten praxisgerecht geprüft und bewertet werden kann. Damit ist sowohl für die öffentliche Straßenbauverwaltung als auch für die ausführenden Firmen eine Möglichkeit geschaffen, die Gebrauchseigenschaft Frostempfindlichkeit der Materialgemische besser zu beurteilen. Infolge dessen wird somit die Akzeptanz der Recycling-Baustoffe erhöht und die Ausnutzung natürlicher Ressourcen reduziert.

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1 Einleitung

Die angestrebte Nutzungsdauer von Verkehrswegen umfasst mehrere Jahrzehnte. Dafür ist es erforderlich, dass der Straßenober- und -unterbau eine über die Zeit möglichst gleichbleibende Tragfähigkeit und eine ausreichende Frostsicherheit aufweist. Bei der Bemessung fließen diese Ziele, basierend auf empirischen Erkenntnissen, über die Frosteinwirkungszonen bzw. die daraus abgeleitete Mindestdicke des frostsicheren Oberbaus als Frostschutzmaßnahmen ein.

Neben der Struktur des Oberbaus und der Temperatureinwirkung auf den Straßenkörper beeinflusst auch der verwendete Baustoff das Frostverhalten des gesamten Straßenkörpers. Demzufolge dürfen die Gebrauchseigenschaften der verwendeten Baustoffe und Böden nicht witterungsbedingt negativ beeinflusst werden. Auch die ungebundenen Tragschichten und der Unterbau sind während ihrer Nutzungsdauer niedrigen Temperaturen und somit Frost ausgesetzt. Deren Verhalten bei Frosteindringung und zusätzlicher Verkehrsbelastung hängt im Wesentlichen von der Wechselwirkung zwischen Wasser und Boden bzw. Gestein ab. Bei der Auswahl der Baustoffe für diese Schichten ist daher der Frostsicherheit eine wichtige Bedeutung beizumessen. In der Praxis werden dafür neben natürlichen Baustoffen auch RecyclingBaustoffgemische und industrielle Nebenprodukte eingesetzt. Da nach dem (Kreislaufwirtschaftsgesetz, 2012) bis Ende 2020 mehr als 70 % der Bau- und Abbruchabfälle rezykliert werden sollen, ist davon auszugehen, dass die derzeitige Anwendungsquote weiter ansteigen wird.

Vor dem Hintergrund einer praxisbezogenen Bewertung der Frostsicherheit über die Frostempfindlichkeit für Recycling-Baustoffgemische und industrielle Nebenprodukte in Deutschland sind die derzeit genormten Frost-Prüfverfahren nicht geeignet, da diese sowohl die Materialveränderungen als auch die Witterungsbedingungen in-situ nur unzureichend simulieren.

2 Definitionen und Anforderungen

Die Beurteilung der Frostsicherheit der für ungebundene Schichten verwendeten Materialien erfolgt je nach Anwendungsgebiet gemäß den ZTV E-StB 17 bzw. den TL SoB StB 04/07. Dabei wird zwischen dem Frostwiderstand und der Frostempfindlichkeit unterschieden.

Der Frostwiderstand ist definiert als der Widerstand einer vollständig wassergesättigten Kornklasse einer Gesteinsart gegen Frosteinwirkung. Nach den TL SoB-StB 04/07 müssen die zur Verwendung im Straßenoberbau vorgesehenen Gesteinskörnungen der Kategorie F4 der TL Gestein-StB 16 entsprechen. Diese Kategorie definiert den Frostwiderstand über den Masseverlust der Prüfkorngröße von maximal 4 M.-% nach Frostbeanspruchung im Labor. Für Recycling-Baustoffe und Hausmüllverbrennungsaschen (HMVA) ist ein Feinanteil bis 5 M.-% zugelassen, wenn der Anteil < 0,071 mm nicht mehr als 1 M.-% beträgt. Nach den ZTV E-StB 17 kann bei der Anwendung unterhalb des Planums der Frostwiderstand am Felsgestein nach den TL Gestein-StB 16 wie vorgenannt kategorisiert werden.

Als frostempfindlich werden Baustoffgemische oder Böden bezeichnet, in denen sich durch gefrorenes Wasser Eislinsen bilden und dadurch ungleichmäßige Frosthebungen entstehen. Nach Frostende kann das Baustoffgemisch aufgelockert und/oder mangels Tauwasserabfluss übersättigt sein. Beide Varianten können zu einem Verlust der Tragfähigkeit der Schicht und damit gegebenenfalls zu Schäden in den Schichten des Oberbaus führen.

In den ZTV SoB-StB 04/07 werden Baustoffgemische entsprechend den TL SoB-StB 04/07 gefordert, die nach den TL G SoB-StB 04/07 güteüberwacht sind, und damit geeignet, um ,,auf die Schicht bezogene Anforderungen zu erfüllen". Zur Absicherung dieser Forderung wird der Feinanteil im eingebauten Baustoffgemisch auf maximal 7 M.-% begrenzt. In den TL SoB-StB 04/07 werden keine konkreten Anforderungen an die Frostempfindlichkeit formuliert.

Nach den ZTV E-StB 17 beinhaltet die Beschreibung eines anstehenden nicht bindigen Bodens oder Felses u. a. dessen Klassifikation in Frostempfindlichkeitsklassen. Dies erfolgt mit Hilfe granulometrischer Kenngrößen (Bild 1). Bei bindigen Böden werden zusätzlich deren plastische Kenngrößen mitbetrachtet. Dabei gilt Kategorie F1 als nicht frostempfindlich, Kategorie F2 gering bis mittel frostempfindlich und Kategorie F3 als sehr frostempfindlich. Diese dreistufige Klassifikation wurde erstmals von (FLOSS, 1973) empfohlen und basiert auf den bis dato erarbeiteten Frostkriterien u. a. nach (Casagrande, 1931) und (Schaible, 1957), die ausschließlich auf Erfahrungen mit natürlichen Baustoffen beruhen.

Bild 1: Klassifikation der Frostempfindlichkeit nach den ZTV E-StB 17

3 Prüfmethoden

Der Widerstand gegen Frost-Tau-Wechsel wird nach den (DIN EN 1367-1) bestimmt. Mit dem unter dem Begriff ,,Dosenfrost" bekannte Verfahren wird eine 24 h gesättigte Gesteinskörnung in Dosen zusammen mit der Prüflösung, in diesem Fall destilliertes bzw. entionisiertes Wasser, wiederholt Frost-Tau-Wechseln ausgesetzt. Als Prüfkornklasse können verschiedene Kornklassen zwischen 4 mm und 63 mm zur Anwendung kommen, üblicherweise wird die Prüfung an der Kornklasse 8/16 mm durchgeführt. Die Temperaturbeanspruchung während der 10 Belastungszyklen umfasst von -17,5 °C bis zu +20 °C. Als Kennwert zur Beurteilung des Frostwiderstandes dient der prozentuale Massenanteil des Siebdurchgangs auf dem Sieb mit der halben Lochweite der unteren Prüfkorngröße.

Aufgrund der Notwendigkeit eines praxisgerechten Prüfverfahrens zur direkten Bestimmung der Frostempfindlichkeit entwickelten [Weingart, Wieland, 2005] eine entsprechende realitätsnahe Prüfmethode auf Basis österreichischer Erfahrungen zur Bestimmung der Frosthebung (Strasser et al., 2001), (RVS 11.062, 1999). Seitdem liegt ein Prüfverfahren vor, mit dem die Frostbeanspruchung eines Baustoffgemisches ohne Bindemittel hinreichend praxisgerecht simuliert wird. Auf dem Weg zur Routineprüfung führte die Bundesanstalt für Straßenwesen 2010 Vergleichsuntersuchungen zwischen den Geräten verschiedener Prüfinstitute durch (Blume, 2010).

Mit Hilfe dieser Erfahrungen wurde ein Entwurf einer Technischen Prüfvorschrift für Boden und Fels ­ Teil: Frosthebungsversuch erarbeitet. Mit diesem Frosthebungsversuch kann die Frostempfindlichkeit von Böden, Bodenverbesserungen, Recycling-Baustoffen, industriellen Nebenprodukten und auch natürlichen Baustoffgemischen ermittelt werden. Das Probenmaterial wurde dazu in 5 fünf übereinander liegenden Teflonringen Ø 150 mm mit einfacher Proctorverdichtung und optimalem Wassergehalt in ein Doppelkammersystem eingebaut (Bilder 2 und 3). Die Probekörperformen werden von der Oberseite befrostet, während die Unterseite im Wasserbad lagert und damit ungefroren bleibt.

Bild 2: Doppelkammersystem für den Frosthebungsversuch

Bild 3: Probekörperformen für den Frosthebungsversuch

Die Prüfdauer des Frosthebungsversuchs beträgt insgesamt 9 Tage. Zunächst werden die Proben am ersten Tag bei +1,5 °C vortemperiert. Der Temperierungsphase folgen die Frostphasen 1 und 2. In Phase 1 wird die Prüftemperatur so geregelt, dass am Ende von vier Tagen in Probenmitte eine Temperatur von ± 0 °C erreicht wird. Diese Temperatur wird in Phase 2 drei Tage lang gehalten. Der Befrostungsphase folgt ein 24-stündiger Auftauprozess bei einer Temperatur von +10 °C.

Bild 4: Beispiel für ein Frosthebungs-Zeit-Diagramm

Die Ergebnisse der Frosthebungsversuche werden in einem Frosthebungs-Zeit-Diagramm dargestellt. Über den gesamten Versuchszeitraum werden die Wasserbadtemperatur, die Temperatur in Probenmitte, die Kühlkopftemperatur und die Hebung der Probe kontinuierlich erfasst (Bild 4).

Als charakterisierende Kennwerte werden die Quellung innerhalb des 1. Versuchstages, der Beginn der Eislinsenbildung, die Maximale Frosthebung am 8. Versuchtag, die Bleibende Hebung nach Versuchsende und die Hebungsgeschwindigkeiten zwischen dem 5. und 6., 6. und 7. sowie dem 7.und 8. Tag ausgewertet.

4 Entwicklung eines Bewertungskriteriums für den Frosthebungsversuch

Zur Entwicklung von Bewertungskriterien für diesen Forsthebungsversuch wurde vom Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur, vertreten durch die Bundesanstalt für Straßenwesen unter der Nummer 05.0181/2012/CRB, ein Forschungsprojekt am Lehrstuhl für Verkehrswegebau der Ruhr-Universität Bochum durchgeführt.

Im Rahmen dieses Projektes wurden der Einfluss der Feinanteile, der Quellfähigkeit und der Porosität auf die Frosthebung von Recycling-Baustoffgemischen, Industriellen Nebenprodukten (Schwerpunkt: Schlacken) und natürlichen Baustoffgemischen untersucht.

Der Einfluss der Feinanteile auf die Frosthebung konnte anhand von definiert zusammengesetzten Labormischungen nachgewiesen werden. Für die Labormischungen wurden sowohl natürliche Baustoffgemische als auch Gemische mit industriellen Nebenprodukten mit verschiedenen Feinanteilen zusammengesetzt. Innerhalb der jeweiligen Materialsorte errechneten sich gute bis sehr gute Korrelationen zu den Kennwerten Maximale Frosthebung, Bleibende Hebung und Hebungsgeschwindigkeit.

Ein Nachweis des Einflusses der Quellfähigkeit auf die Frosthebung konnte nicht erbracht werden. Auch für diesen Einflussfaktor wurden Labormischungen mit variierendem Sandanteil gezielt zusammengesetzt. Verwendet wurden natürliche und sortenreine Recycling-Baustoffgemische und darüber hinaus auch Recycling-Baustoffgemische, die an Recycling-Anlagen entnommen worden waren. Die Quellfähigkeit der Materialien wurde mittels Sandäquivalent bestimmt. Bei keinem der Baustoffgemische konnten Korrelationen zwischen der Quellfähigkeit und den Frosthebungskennwerten errechnet werden.

Der Einfluss der Porosität auf die Frosthebung konnte mit Einschränkungen nachgewiesen werden. Die Porosität wurde direkt und indirekt ermittelt. Zum einen wurde an natürlichen Gesteinen, Recycling-Baustoffgemischen und industriellen Nebenprodukten über deren Rohund Reindichte Gesamtporositäten für jedes Gemisch berechnet. Zum anderen wurde bei den vorgenannten Materialien mittels Quecksilberporosimetrie der zugängliche Porenraum bestimmt. Die Auswertung des Versuchs wurde auf einen kapillarfähigen Porenraum zwischen 3.500 nm und 100.000 nm beschränkt, da sich hier die signifikantesten Unterschiede zwischen den untersuchten Materialien zeigten. Für die Frosthebungsversuche wurden ebenfalls gezielt zusammengesetzte Labormischungen hergestellt, in denen überwiegend die Materialart des Kornanteils 5/22,4 mm variierte. Dabei kamen poröse und dichte natürliche Baustoffgemische, sortenreine Recycling-Baustoffe und Gemische aus industriellen Nebenprodukten zur Anwendung.

Mit dem Ansatz der berechneten Gesamtporosität konnten keine Korrelationen mit Frosthebungskennwerten berechnet werden. Dem gegenüber zeigt sich bei den Ergebnissen der Quecksilberporosimetrie, dass trotz großer Streuungen der Ergebnisse die Materialien mit mehr als 60 % kapillarfähigem Porenraum nahezu keine Frosthebungen aufwiesen.

Um den Einfluss der Materialkennwerte insgesamt bewerten zu können, wurden die errechneten Korrelationsgleichungen in Abhängigkeit von Steigung und y-Achsenabschnitt in drei Gruppen zusammengefasst. Daraus ergab sich, dass der Frosthebungsparameter Maximale Frosthebung besonders für die Bewertung geeignet und die Parameter Bleibende Hebung und Hebungsgeschwindigkeit infolge direkter Korrelation mit der maximalen Hebung jeweils zusätzliches Bewertungspotenzial bieten. Bei der Betrachtung der Hebungsgeschwindigkeit ist es unerheblich, welcher Zeitraum innerhalb des Versuchs herangezogen wird. Innerhalb des im Rahmen dieses Projektes ausgewerteten Datenkollektivs ergaben sich überwiegend ähnliche Tendenzen bei der Auswertung der Geschwindigkeiten zwischen den einzelnen Versuchstagen. Im Vergleich konnten bei den Geschwindigkeiten zwischen dem 6. und 7. Tag mehr Korrelationen errechnet werden.

Darüber hinaus sind die Materialparameter Kornanteil 5/22,4 mm und Feinanteil zur Bewertung geeignet, da diese sowohl natürliche und Recycling-Baustoffgemische als auch Gemische aus industriellen Nebenprodukten ansprechen.

Für die Entwicklung eines Bewertungskriteriums wurden zusätzlich Datensätze aus dem Datenpool der RUB herangezogen. Dabei handelt es sich um Ergebnisse von Recycling-Baustoffgemischen aus Recycling-Anlagen, von gezielt zusammengesetzten sortenreinen Recycling-Baustoffen und von industriellen Nebenprodukten. Diese wurden zusätzlich entsprechend den Frostempfindlichkeitsklassen, wie sie im Erdbau Anwendung finden, klassifiziert.

Es wurden zwei Ansätze verfolgt, von denen nur Ansatz A als zielführend angesehen wird. Bei Bewertungsansatz A wurden die Flächen unter der Hebungskurve und die über der Kopftemperaturkurve je Probe ermittelt und in Bezug gesetzt (Bild 5).

Bild 5: Beispiel für Bewertungsansatz A

Hiermit konnten belastbare Bewertungskriterien für Recycling-Baustoffgemische abgeleitet werden, wie exemplarisch Bild 6 zeigt. Bewertungsansatz B wurde konzipiert, um Kennwerte aus dem Frosthebungsversuch und Materialkennwerte miteinander zu verknüpfen. Dies führte zu keinem zielführenden Ergebnis. Wurden Materialgemische in Abhängigkeit ihrer Eigenschaften (z. B. hoher Feinanteil) im Labor gezielt zusammengesetzt, ließ sich dieser einzelne materialspezifische Einflussfaktor auf die Frosthebung überwiegend korrelieren. Eine Übertragung dieser Korrelationen auf heterogene Baustoffgemische aus der Praxis, wie sie schwerpunktmäßig im Datenpool der RUB vorhanden sind, war nicht möglich. Vermutlich verhindern überlagernde Einflussfaktoren eine differenzierende Zuordnung.

Bild 6: Beispiel für Bewertungsansatz A

Die Validierung des Bewertungskriteriums nach Ansatz A erfolgte mittels Frosthebungsdaten von Recycling-Baustoffgemischen aus der Versuchsstrecke der BASt in Seelow (Jansen et al., 2011) und aus dem Pool der 15 Strecken, die im Rahmen des Forschungsprojektes ,,Evaluation Ressourcen schonender Tragschichten" (Radenberg et al., 2014) untersucht worden sind. Darüber hinaus wurden Frosthebungsdaten von Recycling-Baustoffgemischen, die insitu Schäden erzeugten, mit berücksichtigt. Im Bild 7 sind die Ergebnisse dargestellt.

Bild 7: Gegenüberstellung des Integrals der Frosthebung zum Integral der Temperatureinwirkung von Praxisdaten

Zusammenfassend ergab sich auf Basis von Ansatz A folgendes Bewertungskriterium:

Integral der Frosteinwirkung: ≤ 50 mm/d

Integral der Temperaturwirkung: ≤ 15 K*d für Recycling-Baustoffgemische
                                                    ≤ 27 K*d für industrielle Nebenprodukte (nicht validiert) 

Der Bewertungsansatz für industrielle Nebenprodukte (Schwerpunkt: Schlacken) konnte mangels Praxisdaten nicht abschließend validiert werden. Insgesamt zeigen diese Materialien jedoch ein größeres Temperaturaufnahmevermögen im Vergleich zu den Recycling-Baustoffgemischen, was eine geringere Frostempfindlichkeit nach sich ziehen könnte.

5 Fazit

In der Vergangenheit wurden bereits einige Anstrengungen unternommen, die Vielzahl der Einflussfaktoren im komplexen Gefüge ,,Baustoffgemisch" bzw. ,,Boden" auf die Eigenschaft Frostempfindlichkeit zu trennen. Dabei wurde basierend auf empirischen Daten vor allem der Anteil an feiner Gesteinskörnung im Gesamtgemisch als maßgebend herausgestellt. Insbesondere bei Recycling-Baustoffgemischen überlagern sich jedoch in der Regel weitere Einflussfaktoren, wie z. B. chemische Wechselwirkungen und Porosität einzelner Kornanteile. Dann ist eine Bewertung der Frostempfindlichkeit allein über den Feinanteil nicht mehr möglich. Um diese Eigenschaft zu bewerten und mögliches Hebungspotenzial festzustellen, ist ein Frosthebungsversuch unter praxisnahen Bedingungen sinnvoll.

Grundsätzlich liegt mit dem hier vorgestellten Frosthebungsversuch ein prozesssicheres Prüfverfahren vor, mit dem das Frostverhalten von Recycling-Baustoffgemischen praxisgerecht geprüft und bewertet werden kann. Damit ist sowohl für die öffentliche Straßenbauverwaltung als auch für die ausführenden Firmen eine Möglichkeit geschaffen, die Gebrauchseigenschaft Frostempfindlichkeit der Materialgemische besser zu beurteilen. Infolgedessen wird somit die Akzeptanz der Recycling-Baustoffe erhöht und die Ausnutzung natürlicher Ressourcen reduziert.

Literaturverzeichnis

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Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Lieferbedingungen für Baustoffgemische und Böden zur Herstellung von Schichten ohne Bindemittel im Straßenbau (TL SoB StB), Ausgabe 2004/Fassung 2007, Köln, FGSV 697

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Lieferbedingungen für Baustoffgemische und Böden zur Herstellung von Schichten ohne Bindemittel im Straßenbau ­ Teil: Güteüberwachung (TL G SoB StB), Ausgabe 2004/Fassung 2007, Köln, FGSV 696

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Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Baustoffgemische und Böden zur Herstellung von Schichten ohne Bindemittel im Straßenbau (ZTV SoB StB), Ausgabe 2004/Fassung 2007, Köln, FGSV 697

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