FGSV-Nr. FGSV 002/132
Ort Hamburg
Datum 11.05.2022
Titel TIM-GeO: Informationsmanagement von Geodaten
Autoren Dipl.-Ing. Nikolaus Kemper
Kategorien OKSTRA
Einleitung

Der Vortrag beschreibt die organisatorische und technische Realisierung beim Aufbau von TIM-GeO (Technisches Informationsmanagement mit Geo- und Objektreferenzierung), die Bedeutung einer einheitlichen Geodateninfrastruktur, den Stand der Umsetzung verschiedener Prozesse sowie die Herausforderungen der Autobahn GmbH bei der Konsolidierung der Daten, Datenmodelle und Software bedingt durch die heterogene Ausgangssituationen in den Bundesländern.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Einleitung

Die Autobahn GmbH hat seit dem 1. 1. 2021 als Gesellschaft des öffentlichen Rechts die Verwaltung des gesamtdeutschen Bundesautobahnnetzes von ca. 13.000 km sowie einiger Bundesstraßen übernommen.

Diese Aufgabe war bisher den Bundesländern übertragen und ist eine der größten Reformen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Zu den Aufgabenbereichen der Autobahn gehören auch die Bereiche Ingenieurvermessung, Straßeninformationsbank, Geoinformationssysteme und digitale Transformation, die organisatorisch in einer Abteilung zusammengefasst sind.

Eine zentrale Rolle nimmt dabei die Plattform TIM-GEO ein, auf den räumlichen Informationen zusammengeführt, aufbereitet und für die verschiedene Anwendungen und Nutzergruppen zur Verfügung gestellt werden.

Zum Start der Autobahn GmbH wurden zunächst ein „GIS-Frontend“ mit den wichtigsten Daten, eine Kopplung zu Projektinformationssystemen und Bauwerksdatenbanken (SIB-BW) realisiert sowie Dienste zur Anbindung verschiedener Fachanwendungen bereitgestellt.

Die Plattform TIM-GeO dient nicht nur der Präsentation von Daten, sondern auch der Bereitstellung von Anwendungen, die sich nach Analyse und Dokumentation verschiedener Geschäftsprozesse der Autobahn GmbH herausgestellt haben.

Grundlage aller Anwendungen sind die Daten. Die Autobahn übernimmt diese zurzeit überwiegend von den Straßenbauverwaltungen der Bundesländer. Da diese sehr heterogen sind und in verschiedenen Systemen vorliegen, muss ein aufwändiger Migrations- und Konsolidierungsprozess erfolgen.

Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass die Daten den zukünftigen Methoden entsprechen, die sich aus der Anwendung der Methode BIM ergeben. Dies bedeutet u. a. die Berücksichtigung einheitlicher Objektkataloge, die möglichst den gesamten Lebenszyklus abbilden.

2 Organisation

Die Autobahn GmbH des Bundes bündelt alle Aufgaben in Bezug auf die Autobahnen. Diese umfassen Planung, Bau, Betrieb, Erhaltung, Finanzierung und die vermögensmäßige Verwaltung der Autobahnen in Deutschland.

Das Ziel der Gesellschaft ist die Bereitstellung eines leistungsfähigen und sicheren Bundesautobahnnetzes mit einheitlichen Qualitätsstandards.

Der Hauptsitz befindet sich in der Zentrale in Berlin. Dazu kommen 10 Niederlassungen, 30 dauerhafte und 11 temporäre Außenstellen sowie ca. 190 Betriebsstandorte, siehe Bild 1.

Für die Abteilung TIM-GeO bedeutet dies eine große Herausforderung, Daten, z. B. Netzabschnitte, Bestandsdaten von ursprünglich 16 Bundesländern, den 10 Niederlassungen bzw. einer Zentrale neu zuzuordnen.

Bild 1: Standorte der Zentrale und der Niederlassungen

3 Technische Realisierung

In einer ersten Realisierungsstufe wurden eine WebGIS-Anwendung „GIS-Frontend“ mit den wichtigsten Daten wie Straßennetz, Parkplätze, Standorte und Grenzen der Autobahn GmbH in einer cloudbasierten Umgebung als Software as a Service (SaaS) bereitgestellt, eine Kopplung zu Projektinformationssystemen und Bauwerksdatenbanken (SIB-BW) realisiert sowie Dienste, z. B. für die Anbindung von Anwendungen mit Eigentümerdaten, bereitgestellt. Die SaaS Umgebung wird zukünftig auch als Bürgerportal genutzt. Das Bild 2 zeigt den 3-stufigen Aufbau der Plattform TIM-GeO für das GIS-Frontend.

Bild 2: Systemskizze TIM-GeO für das GIS-Frontend

Neben der Realisierung via SaaS werden die Anwendungen zudem sukzessive ‘On-Premises’ innerhalb der Autobahn GmbH in verschiedenen Staging-Umgebungen zur Verfügung gestellt: ‘Dev’ (Development), ‘QA’ (Quality and Assurance) und ‘Prod’ (Production).

Nach einer europaweiten Ausschreibung zur Realisierung der Plattform ‘TIM-GeO’ erfolgt dies mit Softwareprodukten der Fa. ESRI, mit denen insbesondere folgende Komponenten bereitgestellt werden: Server- und dazugehörige Client-Lösungen, GIS Plattform Suite für Analyse und Visualisierung von Geodaten, Hosting Server, Backend Server Komponente für die Zusammenfassung aller Serverfunktionalitäten inkl. Verwaltungssoftware sowie Webserver zum Teilen von Karten und Berechnungsinformationen innerhalb der Autobahn GmbH.

Ergänzt wird diese Infrastruktur durch Data-Store Komponenten zum Zusammenlegen und Speichern der Daten, einer Geodatabase zum Speichern relevanter Geometrien, einer Komponente zur Webintegration, einem Lizenzserver sowie Softwareerweiterungen zur Nutzung der linearen Referenzierung zur Verwaltung der Straßeninformationen und von Routingfunktionalitäten zur dynamischen Berechnung und zum Vergleich von Strecken. Die Architektur ermöglicht auch den Zugriff externer mobiler Anwendungen.

User werden den TIM-GeO Dienst mit einer Autobahn eigenen AAD nutzen und darüber authentifiziert.

4 Aufbau einer Geodateninfrastruktur

Wichtiger Bestandteil der Geodateninfrastruktur (GDI) sind die Daten, auf die an dieser Stelle der Fokus gelegt werden soll.

Neben den Geobasisdaten, die durch die öffentliche Verwaltung bereitgestellt werden, sollen auch die Geofachdaten der Autobahn GmbH zentral gebündelt, hoch verfügbar und ressourcenschonend für die interdisziplinären Anforderungen der Bereiche Planen, Bauen, Betrieb und Verwaltung zur Verfügung stehen. Ziel ist der Aufbau einer dienstebasierten Infrastruktur. Erste Anwendungen konnten bereits zur Startphase der Autobahn bereitgestellt werden.

Eine große Herausforderung ist die Konsolidierung der heterogenen Ausgangslage der Daten, die bisher bei den Straßenbauverwaltungen der Bundesländer geführt wurden und nun in die Umgebung der Autobahn GmbH zu migrieren sind.

Die Heterogenität betrifft unterschiedliche Datenmodelle, unterschiedliche softwareseitig unterstützte Arbeitsprozesse sowie heterogene Softwareprodukte. Das Bild 3 zeigt die Vorgehensweise bei der Migration der Daten.

Für den Datenkonvertierungsprozess-Extract, Transform, Load (ETL)- wird die Feature Manipulation Engine (FME) eingesetzt.

Bild 3: Vorgehensweise Migration der Länder-Daten

5 Prozesse

Als Vorbereitung für den Aufbau der Autobahn GmbH wurden Prozesse identifiziert und in einem sog. Prozesshaus zusammengestellt. Die Prozesse sind unterteilt in Führungs-, Kern- und Unterstützungsprozesse, die z. T. auch auf der Plattform TIM-GeO zu realisieren sind.

Beispiele sind in den Abschnitten 6.2ff aufgeführt.

Dazu wurden die relevanten Geschäftsprozesse analysiert und dokumentiert. In Zusammensetzung mit verschiedenen Beteiligten (Fachanwender, Prozessmanager, Softwareentwickler, GIS-Experten) wurden Funktionalitäten und Anforderungen für verschiedene Use Cases zusammengestellt und gemäß Bild 4 umgesetzt.

Bild 4: Vorgehensmodell

6 Plattform TIM-GeO

Auf der Plattform TIM-GeO werden folgende funktionalen Anforderungen umgesetzt:

  • Verarbeiten von Geodaten,
  • Erstellen von Kartendatenansichten,
  • Bereitstellen funktionaler Prozesse (z. B. Baumkataster),
  • Bereitstellen von Daten in Online-Betrieb auf der Straße,
  • Bereitstellen von Daten zu anderen Prozessen und Anwendungen.

Nach dem Aufzeigen der Roadmap werden nachfolgend verschiedene Beispiele vorgestellt.

6.1 Roadmap

Das Bild 5 zeigt die Roadmap der Anwendungen, die auf der Plattform TIM-GeO entwickelt werden. Der Ablauf ist in verschiedene Releases eingeteilt, die zu vereinbarten Zeitpunkten zu realisieren sind. Zum 1. 1. 2021, dem Start der Autobahn, der sogenannte Tag-1-Bereitschaft, wurde u. a. das GIS-Frontend, ein Web-GIS mit den wichtigsten Daten wie Straßennetz, Parkplätze, Standorte und Grenzen der Autobahn in einer cloudbasierten Umgebung als SaaS bereitgestellt. Bundesweite konsolidierte Straßennetzdaten sowie Rastanlagen wurden dazu von der BASt bezogen.

Weitere GIS/SIB-Anwendungen werden dazu beitragen, dass zum sogenannten Tag 2, der Posttransformation, eine Ablösung der bisher überwiegend bei den Straßenbauverwaltungen der Länder etablierten Anwendungen auf der Plattform TIM-GeO realisiert sind.

Bild 5: Roadmap TIM-GeO

6.2 Visualisierung

Das Bild 6 zeigt die Startseite des Geoportals. In der Galerie werden verschiedene Web-GIS Anwendungen bereitgestellt. Dazu gehören auch Anwendungen, die die wichtigsten Daten visualisieren und diese mit ihren Sachinformationen anzeigen, siehe Bild 7.

Bild 6: Startseite des Geoportals mit Teil der Anwendungen

Bild 7: Beispiel einer Fachdaten-/Kartenviewer-Anwendung im Geoportal

6.3 ZEB

Die Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) ist ein seit vielen Jahren etabliertes Verfahren für die Bundesfernstraßen. Die Erfassung der Zustandsinformationen erfolgt in unterschiedlichen Teilprojekten für Längs-/Querebenheit, Griffigkeit und Substanzmerkmale (Oberfläche) für alle Fahrstreifen.

Nach Auswertung der Daten werden die aggregierten Zustandsdaten sowie die durch Kameras erfassten Bildinformationen auf der Plattform dargestellt, siehe Bild 8.

Die Datenaufbereitung in Form eines Dashboards ist im Bild 9 zu sehen. Dabei hat der User die Möglichkeit, eigenständig vorgefertigte Filter zu setzen.

Bild 8: Auswertung der Zustandserfassung

Bild 9: Zustandsbewertung – Dashboard

6.4 Baumkontrolle

Die Baumkontrolle oder die Streckenkontrolle sind Beispiele, bei der die Plattform TIM-GeO nicht nur der Visualisierung, sondern auch für weitere Aufgaben zuständig ist und entsprechende Workflows übernimmt. Beide Applikationen beinhalten auch eine mobile Komponente.

Die Baumkontrolle als Teil verschiedener Grünprozesse beinhaltet die Grunderfassung des Baumbestandes und die regelmäßige Überprüfung des Baumbestandes, so dass Schäden und Schadsymptome an Bäumen rechtzeitig erkannt, dokumentiert und entsprechende Maßnahmen empfohlen werden. Die Baumkontrolle ist in verschiedene Teilprozesse unterteilt, die dem Ablaufdiagramm (Bild 10) zu entnehmen. Als Zieldatenmodell wurde das OKSTRA® Schema zugrunde gelegt, das mit Datenmodellen weiterer Baumkontroll-Fachanwendungen aus den Bundesländern abgeglichen wurde.

Bild 10: Durchführung der Baumkontrolle

Die Anwendung enthält eine Web Anwendung für die innerdienstliche Bearbeitung als auch eine mobile Komponente, siehe Bild 11.

Bild 11: Mobile Anwendung Baumkontrolle (fiktive Darstellung)

7 BIM – einheitliche Datenstrukturen

Die BIM-Implementierung wird auch in der Autobahn GmbH vorangetrieben. Dies wird auch durch Vereinfachungen und Standardisierungen begleitet, um den Prozess der Digitalisierung der Kernprozesse Planen, Bauen und Betreiben weiterzuentwickeln.

Aus Sicht der Plattform TIM-GeO sollen dabei nachfolgend die einheitliche Strukturierung der Daten und die Visualisierung von 3D-Modellen betrachtet werden.

Für das im BIM-Umfeld erforderliche Informationsmanagement wurde in der Autobahn GmbH eine einheitliche Klassifizierung und Strukturierung der Daten vorgenommen, die den Lebenszyklus der Bereiche Planen, Bauen, Betreiben berücksichtigt.

An dieser Stelle soll zudem auf die Aktivität der Fachgruppe „Fachobjektmodell Lebenszyklus Straße“ des ITKo hingewiesen, in der auch Beschäftigte der Autobahn GmbH vertreten sind. Ziel der FG FLS ist die Schaffung eines Fachobjektmodells, um zukünftig harmonisierte Fachinformationen phasenübergreifend mit einem gemeinsamen Objektverständnis transportieren und nutzen zu können.

Die FG FLS hat über die BASt einen Auftrag vergeben, um in einem ersten Schritt eine bundesweite Liste von Objektklassen zur Ablösung der Fachbedeutungslisten zu schaffen. Dies beinhaltet auch eine Dokumentation der Objektklassen, siehe Bild 12.

Bild 12: Dokumentation von Objektklassen (Brücke) (Quelle: HPA|LGV)

Eine wichtige Komponente von BIM ist das 3D-fachmodellbasierte Arbeiten. Die Plattform TIM-GeO bietet die Möglichkeit, 3D-Modelle z. B. im Anschluss an die projektbezogenen Arbeiten in Szenen darzustellen und als 3D-Web-Viewer zu visualisieren. Das Bild 13 zeigt ein Beispiel.

Bild 13: Huntebrücke – 3D-Web-Viewer

8 Fazit

Der Aufbau der Autobahn GmbH ist eine Herausforderung. Sie bietet jedoch auch viele Chancen wie eine vermehrte Berücksichtigung prozessorientierter Lösungen, konsolidierte Fachanwendungen oder den Aufbau einer einheitlichen Geodateninfrastruktur.