FGSV-Nr. FGSV 001/22
Ort Düsseldorf
Datum 08.10.2008
Titel Ermittlung der Wirksamkeit von Verkehrsbeeinflussungsanlagen
Autoren Prof. Dr.-Ing. Roland Trapp, Dr.-Ing. Michael Feldges
Kategorien Kongress
Einleitung

Bei der Planung von Verkehrsbeeinflussungsanlagen (VBA) ist die Schätzung der Wirksamkeit wichtig, um zu prüfen, ob die erforderliche Investition durch entsprechend großen Nutzen gerechtfertigt ist. Die wesentlichen Nutzenbeiträge sind in der Regel verringerte Unfallkosten und reduzierte Reisezeitverluste. Neben der Nutzenschätzung vor der Realisierung wird die Berechnung der erzielten Wirksamkeit nach der Inbetriebnahme einer VBA in den „Hinweisen zur Ermittlung der Wirksamkeit von Verkehrsbeeinflussungsanlagen“ beschrieben. Diese im Beitrag vorgestellten Hinweise sind eine Sammlung von einfach anzuwendenden Verfahren, die auf aktuellem Wissen sowie einer allgemein verfügbaren Datenbasis beruhen. Durch die Anwendung standardisierter Verfahren wird die Vergleichbarkeit der Nutzenermittlung von Anlagen eines Typs deutlich verbessert werden. Neben der Nutzenermittlung behandelt der Artikel auch aktuelle Entwicklungen der Kostenschätzung und des Planungsprozesses und beleuchtet somit den Ablauf einer wirtschaftlich optimierten Planung von VBA.

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1 Einleitung

Das Hauptziel von Verkehrsbeeinflussungsanlagen ist die Verbesserung der Verkehrssicherheit von Streckenabschnitten oder Knotenpunkten. Des Weiteren werden je nach Typ der Anlage weitere positive Wirkungen erzielt, die sich wie die Verkehrssicherheit monetär quantifizieren lassen. Diese sind in erster Linie die Verringerung von Zeitverlusten durch Verkehrsstörungen oder die Reduktion von Fahrzeugbetriebskosten. Diese Ziele werden durch dynamische, das heißt vom Verkehrsgeschehen abhängige, Verhaltensvorschriften oder Informationen an den Verkehrsteilnehmer verfolgt.

Auch bei der Investition in Verkehrsbeeinflussungsanlagen muss der effiziente Einsatz der knappen finanziellen Mittel nachgewiesen werden. Dies geschieht über den Vergleich der jährlichen Kosten und Nutzen.

Es haben sich in der Planungspraxis unterschiedliche Ansätze etabliert, den Nutzen einer avisierten Anlage zu schätzen. Die Ergebnisse der Schätzungen verschiedener Anlagen waren kaum vergleichbar, weil die Methodik der Ansätze oft voneinander abwich oder die verwendete Datenbasis zu unterschiedlich war.

Die „Hinweise zur Wirksamkeitsschätzung und Wirksamkeitsberechnung von Verkehrsbeeinflussungsanlagen“ [1] hatten daher als wesentliches Ziel die Vereinheitlichung der Methodik bei der Wirksamkeitsschätzung sowie die bessere Vergleichbarkeit der Ergebnisse unterschiedlicher Anlagen. Letzteres Ziel ist bei der Reihung von Maßnahmen von Interesse, wenn die vorhandenen Mittel nicht für alle in Frage kommenden Anlagen ausreichen. Um vergleichbare Ergebnisse zu erzielen, sollten die entwickelten Verfahren nicht nur den aktuellen Stand der Technik wiedergeben, sondern ebenfalls einfach anzuwenden sein und auf einer allgemein verfügbaren Datenbasis aufsetzen.

Neben der (ex ante) Schätzung der Nutzen einer Anlage vor ihrer Realisierung ist die Berechnung der tatsächlich erzielten Wirkung (ex post) nach Inbetriebnahme wichtig, um so prüfen zu können, ob die geschätzten Wirkungen sich eingestellt haben. Mit diesen Ergebnissen lassen sich die Schätzverfahren verbessern oder auch weitere Verbesserungspotenziale einer laufenden Anlage entdecken.

Die geschätzten oder errechneten Nutzen werden bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung den geschätzten bzw. berechneten Kosten gegenüberstellt. Die Schätzung bzw. Berechnung der Kosten ist verhältnismäßig leichter, da sie direkt aus der Planung bzw. dem Bau der Anlage resultieren, unbekannt sind hier die Preise der Komponenten, die sich im Einzelfall am Markt ergeben. Dennoch gibt es auch bezüglich der Kostenermittlung aktuell Bemühungen zur Verbesserung der Vergleichbarkeit und Standardisierung, auf die hier ebenfalls kurz eingegangen wird.

2 Typen von Verkehrsbeeinflussungsanlagen

Entsprechend ihrer räumlichen Ausdehnung und Wirkungsweise werden Verkehrsbeeinflussungsanlagen (VBA) wie folgt in Kategorien unterschieden [2]:

  • Netzbeeinflussungsanlagen (NBA)
  • Streckenbeeinflussungsanlagen (SBA)
  • Knotenpunktbeeinflussungsanlagen (KBA)
  • punktuell querschnittbezogen wirksame Anlagen (QBA).

Zu den genannten Kategorien gibt es unterschiedliche Anlagentypen, die durch unterschiedliche Ansätze den Verkehr positiv beeinflussen (Bild 1). Im Jahr 2001 waren ca. 1 700 km Streckennetz mit Netzbeeinflussung, ca. 850 km mit Streckenbeeinflussung [3] sowie zahlreiche Knotenpunktbeeinflussungsanlagen, hier vor allem Zuflussregelungsanlagen eingerichtet.

Bild1: Kategorien und Typen von Verkehrsbeeinflussungsanlagen (nach [1])

Das Ziel von Netzbeeinflussungsanlagen (NBA) ist in erster Linie, durch Information der Verkehrsteilnehmer überlastete Streckenabschnitte durch Umleitung von Strömen auf Alternativrouten mit Kapazitätsreserven zu entlasten. Dazu dienen entweder substitutive Wechselwegweiser und die additiven „Dynamischen Wegweiser mit integrierten Stauinformationen“ (dWiSta), welche neben Zielangabe auch Informationen zu Störungen, Reisezeiten und Alternativrouten enthalten. Die primäre Wirkung sind verringerte Stauverlustzeiten, denen die erhöhten Fahrzeiten und Fahrzeugbetriebskosten auf der Alternativroute gegenzurechnen sind. Die Wirkungen von Netzbeeinflussungsanlagen auf die Verkehrssicherheit lassen sich zurzeit nicht pauschal schätzen, die Erarbeitung eines solchen Schätzverfahrens ist Gegenstand laufender Forschung.

Streckenbeeinflussungsanlagen können mit oder ohne eine temporäre Seitenstreifenfreigabe betrieben werden. Ohne die Seitenstreifennutzung verfolgt die SBA erstens das Ziel der Warnung vor Gefahren für den Verkehrsteilnehmer (z. B. „Stau“ oder „Nebel“) zur Verbesserung der Verkehrssicherheit und zweitens das Ziel der besseren Ausnutzung der vorhandenen Streckenkapazität durch Harmonisierung des Verkehrsablaufs – etwa durch Lkw-Überholverbote oder Geschwindigkeitsgebote.

Die temporäre Seitenstreifenfreigabe (TSF) bewirkt die Erhöhung der Kapazität einer regelmäßig überlasteten Strecke. Auf die wichtige Funktion des Seitenstreifens für den Betrieb und die Verkehrssicherheit der Strecke wird zugunsten einer um ca. 1 000 Kfz/h [4] erhöhten Kapazität (gegenüber HBS 2001 [5]) in den Spitzenzeiten verzichtet. Durch die Seitenstreifenfreigabe können Stauungen sehr wirkungsvoll reduziert werden. Dem gegenüber stehen geänderte Unfallkosten wegen des Wegfalls der Sicherheitswirkung des Seitenstreifens einerseits sowie durch die Reduktion von Unfällen an den Stauenden andererseits (siehe hierzu auch [6]).

Knotenbeeinflussungsanlagen werden bei räumlich auf ein Autobahnkreuz bzw. -dreieck oder eine Anschlussstelle begrenzten Problemen der Verkehrssicherheit oder des Verkehrsablaufs eingesetzt. Es werden die variable Fahrstreifenzuteilung (FSZ) und Zuflussregelungsanlagen (ZRA) unterschieden. FSZ werden meist an Knotenpunkten mit zeitlich stark wechselnden Verkehrsbelastungsmustern eingesetzt. Je nach Belastungssituation wird ein Fahrstreifen entweder dem Hauptstrom oder dem einfahrenden Strom zugewiesen. Die Voraussetzung für die Zuweisung eines zusätzlichen Fahrstreifens ist eine ausreichende Kapazitätsreserve auf dem anderen Arm.

Zuflussregelungsanlagen (ZRA) bewirken durch die Aufteilung langer Fahrzeugpulks in den Einfahrten zu Schnellstraßen mittels einer Lichtsignalanlage eine Verbesserung des Verkehrsablaufs und der Verkehrssicherheit im Einfahrbereich und stromaufwärts der Einfahrt.

Querschnittsbezogen wirksame Anlagen sollen punktuell die Einhaltung einer Vorschrift (meist Geschwindigkeitsgebot) verbessern.

3 Wirksamkeit von Verkehrsbeeinflussungsanlagen

3.1 Wirkungsweise von VBA

Alle Verkehrsbeeinflussungsanlagen bewirken eine Verhaltensänderung der einzelnen Fahrer. Indirekt resultieren daraus positive Wirkungen für den Verkehrsablauf im Allgemeinen. Die Voraussetzung für die Verhaltensänderung des einzelnen ist dessen Akzeptanz der Beeinflussung sowie der technisch einwandfreie Betrieb der Anlage. Der beeinflusste Verkehrsablauf hat eine verbesserte Verkehrssicherheit und Verkehrsqualität. Diese Wirkungen werden in reduzierten Unfall- und Zeitkosten ausgedrückt (Bild 2). Selbstverständlich stehen die Wirkungsbereiche Verkehrssicherheit und Verkehrsqualität in einer direkten Wechselbeziehung. Unfälle sind einerseits eine häufige Stauursache, umgekehrt ist das Stauende häufig die Ursache für folgenschwere Verkehrsunfälle. Bei der Nutzenermittlung von Verkehrsbeeinflussungsanlagen ist dies zu beachten.

Entscheidend ist zudem eine sinnvolle Festlegung des Wirkungsbereichs der Verkehrsbeeinflussungsanlage. Ein Anhaltspunkt hierfür ist die Ausdehnung von Störungen vor Inbetriebnahme der VBA.

Bild 2: Wirksamkeit von Verkehrsbeeinflussungsanlagen [1]

3.2 Allgemeines zur Datenbasis

Die zur Schätzung (ex ante) oder Berechnung (ex post) der Anlagenwirksamkeit herangezogenen Daten sind grundsätzlich hinsichtlich ihrer Vergleichbarkeit zu prüfen. Daher sind Daten aus solchen Zeiträumen zu verwerfen, die aufgrund äußerer Umstände nicht repräsentativ für den üblichen Betrieb der betrachteten Anlage sind. Solche Umstände sind häufig Arbeitsstellen längerer Dauer.

Ebenfalls von der Datenbasis auszuklammern sind solche Zeiträume, in denen sich die Anlage im Probebetrieb befand oder die Verkehrsteilnehmer sich an die neue Anlage eingewöhnen (bis zu drei Monate).

Grundsätzlich lassen sich die für die im Folgenden beschriebenen Schätz- und Berechnungsverfahren benötigten Daten in diese drei Datenarten unterscheiden:

  • Unfalldaten (etwa aus einer polizeilichen Unfalldatenbank),
  • Verkehrsdaten (etwa aus Dauerzählstellen oder Verkehrsmodellen),
  • Störungsdaten (etwa die Datenbank der Landesmeldestellen).

Die Unfalldaten werden nur in den Kategorien 1 bis 4 („Unfall mit Getöteten“ bis „schwerwiegender Unfall mit Sachschaden“) ausgewertet, da die Kategorien 5, 6 und 7 nicht einheitlich erfasst werden. Näheres zu den Inhalten und Anforderungen aller drei Datenarten findet sich in [1].

3.3 Wirksamkeitsschätzung (ex ante)

Die Verfahren zur Ermittlung der Wirksamkeit werden nach dem Zeitpunkt unterschieden, zu dem sie eingesetzt werden. Zur Schätzung der Wirksamkeit einer VBA im Rahmen ihrer Planung und Genehmigung stehen die in der Tabelle 1 aufgelisteten Verfahren zur Verfügung. Teilweise konnten im Rahmen der Tätigkeit des FGSV-Arbeitskreises, der die Hinweise erarbeitet hat, keine Verfahren beschrieben werden, da hierzu die notwendigen Erfahrungen fehlten. Daher ist es das Ziel des laufenden Forschungsprojekts FA 3.425, die noch fehlenden Verfahren zu ergänzen.

In den folgenden Abschnitten werden die verfügbaren Verfahren kurz beschrieben. Eine detaillierte und schrittweise Arbeitsanleitung findet sich in [1].

Die Schätzung der Wirkung von Geschwindigkeitswarnanlagen (QBA) ist in den „Hinweisen für Planung und Einsatz von Geschwindigkeitswarnanlagen“ [7] beschrieben. Das Verfahren zur Schätzung der Wirkung einer Seitenstreifenfreigabe ist detailliert von Arnold beschrieben worden [4] und mit dem ARS 20/2002 eingeführt.

Tabelle 1: Verfahren zur Schätzung (ex ante) der Wirksamkeit von VBA [1]

3.3.1 Netzbeeinflussungsanlagen – Wirkung auf den Verkehrsfluss

Die Wirkung einer Netzbeeinflussung durch dWiSta oder Wechselwegweisung kann von zahlreichen Umständen stark beeinflusst werden. Diese sind von Fall zu Fall recht unterschiedlich. Regelmäßig haben die im Folgenden behandelten Punkte großen Einfluss auf die Wirksamkeit der Anlage, weshalb sie im Verfahren Berücksichtigung finden.

Die Voraussetzung für eine Netzbeeinflussung ist mindestens eine Alternativroute, die den Verkehr der überlasteten Originalroute aufnehmen kann. Zunächst sind die Häufigkeit und das Ausmaß der Verkehrsstörungen auf der Originalroute relevant. Die Summe dieser Störungsszenarien stellt das Beeinflussungspotenzial der Anlage dar. Aufgrund der Netztopologie und der Stärke der Verkehrsströme lassen sich mögliche Entscheidungspunkte identifizieren, an denen der Verkehr von der Originalroute auf die Alternativroute lenken lässt.

Selbstverständlich lassen sich nicht alle Fahrzeuge eines Stroms von der geänderten Wegweisung bzw. der Information beeinflussen. Diese Befolgungsrate hängt von der Größe der beeinflussten Netzmasche ab und vom Umwegfaktor, das heißt dem Verhältnis der Längen der Alternativroute und der Originalroute. Je größer beide werden, umso geringer ist die Befolgung der Empfehlung durch die Verkehrsteilnehmer. Es wird davon ausgegangen, dass der Einsatz von dWiSta die Befolgung um 10 % erhöhen kann. Dies wird darauf zurückgeführt, dass die zusätzlich (additiv) zur blauen Wegweisung angebrachten Tafeln neben den Zielangaben auch weitere hilfreiche Informationen wie z. B. Störungsort, Ursache und Staulänge übermitteln können.

Diese Informationen fließen in eine Rechnung ein, in der die Netzmasche unter den Bedingungen der Störfallszenarien modelliert wird. Darin werden in jeder Situation die Fälle mit und ohne Schaltung verglichen. Sofern der Fall mit Schaltung Reisezeitvorteile aufweist, wird dies als Nutzen registriert. Über die jährliche Häufigkeit der Störfälle wird der jährliche Nutzen ermittelt.

3.3.2 Streckenbeeinflussungsanalage – Verkehrssicherheit

Sie werden primär zur Verbesserung der Verkehrssicherheit gebaut. Die Wirkung von SBA auf die Verkehrssicherheit wurde umfassend erforscht [8]. Das dort vorgeschlagene Verfahren zur Schätzung der Wirkung von SBA bezüglich Unfallkosten basiert auf der Erkenntnis, dass durch den Einsatz einer Streckenbeeinflussungsanlage die Unfallrate der Kategorien 1 bis 3 (Unfalltypen 1, 6 und 7 ohne Nebelunfälle) auf ein Niveau von ca. 12 • 10-8 U/Kfz/km gesenkt werden kann. Sofern die Funktion der SBA die Warnung vor Nebel umfasst, werden die Nebelunfälle gesondert betrachtet. Diese werden um 80 % reduziert. Ebenfalls pauschal wird die Reduktion der schwerwiegenden Unfälle mit Sachschaden (Kategorie 4) um 15 % angesetzt.

3.3.3 Streckenbeeinflussungsanalage – Verkehrsfluss

Bei hohen Verkehrsbelastungen nahe der Kapazität einer Richtungsfahrbahn erhöht sich die Wahrscheinlichkeit von Überlastungsstaus. Durch die harmonisierende Wirkung einer Streckenbeeinflussungsanlage können das Staurisiko reduziert und Verkehrszusammenbrüche verhindert werden.

Wie eingangs erwähnt, besteht zwischen Unfällen und Staus ein enger Zusammenhang. Unfälle führen meist zur Sperrung eines oder mehrerer Fahrstreifen. Die Dauer der Sperrung sowie die verbleibende Kapazität hängen wesentlich von der Unfallschwere und der Unfallbeteiligung von Schwerverkehrsfahrzeugen ab. Wenn die verbleibende Kapazität geringer ist als die zufließende Verkehrsstärke, entstehen unfallbedingte Staus.

Zur Berücksichtigung dieser beiden Zusammenhänge werden die Nutzen aus geänderter Reisezeit jeweils für die Überlastungsstaus und die Unfallstaus nach ähnlichem Schema separat gerechnet.

3.3.4 Variable Fahrstreifenzuteilung – Zeitkosten

Auch die Nutzen der variablen Fahrstreifenzuteilung werden durch die Modellierung von typischen Störfallszenarien geschätzt. Im Wesentlichen benötigt man dazu die Verkehrsnachfrage in den zwei zulaufenden Armen des Knotenpunkts sowie deren Kapazität. Mit Hilfe dieser Informationen lassen sich für jedes Szenario die Fälle der unterschiedlichen Fahrstreifenzuteilungen durchspielen. Sofern die variable Schaltung Reisezeitvorteile aufweist, werden diese Nutzen aufsummiert.

3.4 Wirksamkeitsberechnung (ex post)

Die Berechnung der Wirksamkeit einer VBA (ex post) erfolgt nach ihrer Inbetriebnahme und der Eingewöhnungsphase mit Hilfe eines Verfahrens für die Unfallkosten und eines für die Zeitkosten.

In den folgenden Abschnitten werden die Verfahren kurz beschrieben. Eine detaillierte und schrittweise Arbeitsanleitung findet sich in [1].

3.4.1 VBA – Unfallkosten

Zur Berechnung der tatsächlichen Wirkung der Verkehrsbeeinflussungsanlage auf die Verkehrssicherheit werden die Unfalldaten von jeweils 3 Jahren vor und nach Inbetriebnahme ausgewertet. Dabei sind eventuelle „fremde“ Wirkungen anderer Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit von den Wirkungen der VBA zu trennen.

Zur Berücksichtigung des allgemeinen Trends der Unfallentwicklung werden regionale Unfalldaten von je 3 Jahren vor und nach Inbetriebnahme der Anlage herangezogen. Die mittleren jährlichen Unfallkosten (Unfallkostensätze nach ESN [9]) können so trendbereinigt für den Fall vor und nach Inbetriebnahme verglichen werden.

3.4.2 VBA – Zeitkosten

Die Berechnung der Wirksamkeit einer Verkehrsbeeinflussungsanlage auf die Zeitkosten lässt sich nach dem Ansatz aus dem Abschnitt 3.3.3 berechnen. Das Verfahren wird sowohl auf die Datenbasis des Zeitraums vor als auch nach Inbetriebnahme der Anlage angewendet. Hier ist ebenfalls – wie beim Verfahren des vorigen Abschnitts – die regionale Entwicklung der Störungen zur Berechnung einer Trendkorrektur der Überlastungsstaus heranzuziehen, sowie die regionale Entwicklung der Unfälle zur Korrektur der unfallbedingten Staustunden.

4 Kostenwirksamkeit

4.1 Kostenermittlung

Zur Abschätzung der Kostenwirksamkeit einer VBA gehört neben der Ermittlung der Nutzen auch eine nachvollziehbare und vergleichbare Kostenberechnung.

Die Kostenermittlung für VBA erfolgt nach dem derzeit gültigen Muster-RE-Entwurf VBA [10] unter Verwendung der Anweisungen zur Kostenberechnung von Straßenbauvorhaben (AKS 85), [11]. Hierfür wurden in der Vergangenheit neben den aus dem Straßenbau bekannten Positionen z. B. in den Kostengruppen 82 (Beschilderung), 83 (Fernmeldetrassen) und insbesondere in der Kostengruppe 88 (Sonstige Ausstattung) umfangreiche neue Positionen geschaffen, um Komponenten von VBA wie Verkehrs- und Umfelddatenerfassung, Streckenstationen und Zentralentechnik abbilden zu können. Ferner sind neben der Baustelleneinrichtung und der Verkehrssicherung auch andere Nebenleistungen wie z. B. Dokumentation, Probebetrieb und Inbetriebnahme erforderlich, für die in der bisherigen AKS 85 ebenfalls keine Positionen enthalten waren. Diese wurden daher ergänzt, allerdings ist die Zuordnung dieser Nebenleistungen zu den Kostengruppen sehr uneinheitlich.

Diese kaum strukturierten Freitexte und die nicht feststehende Zuordnung einzelner Komponenten zu bestimmten Kostengruppen der AKS hatten zur Folge, dass die „VBA-AKS“ unterschiedlicher Autoren kaum miteinander vergleichbar waren. Entsprechend groß sind die Schwankungsbreiten bei der Kostenermittlung für VBA.

Einheitspreise werden je nach den örtlichen Verhältnissen und in Bezug auf sehr unterschiedliche Leistungsumfänge der einzelnen AKS-Positionen angesetzt. So werden die Kosten für Verkehrszeichenbrücke mit oder ohne Fundamente, für Streckenstationen komplett oder in Modulen ermittelt.

Letztlich hat daher das BMVBS bei der Prüfung der RE-Entwürfe keine Möglichkeit, besonders hohe oder niedrige Preisansätze der VBA-Komponenten zu identifizieren und gegebenenfalls zu prüfen, da es keine Vergleichspreise gibt.

Vor diesem Hintergrund ist es Ziel laufender Arbeit des BMVBS, zukünftig die Kostenermittlung für VBA nach einheitlichen Regeln auf Basis der AKS durchzuführen. Analog dem Standardleistungskatalog bzw. der AKS für Straßenbau soll eine Muster-AKS für Verkehrsbeeinflussungsanlagen entwickelt werden, welche diese Nachteile der bisherigen Vorgehensweise ausschließt.

4.2 Nutzen-Kosten-Verhältnis

Die jährlichen Nutzen von VBA durch die Reduktion von Unfall- und Zeitkosten werden monetär auf Basis der hier vorgestellten Verfahren geschätzt. Zur Berechnung des Nutzen-Kosten-Verhältnisses werden auch die Kosten als Jahreskosten ermittelt.

Die jährlichen Kosten einer VBA bestehen aus den beiden Anteilen:

  • Investitionskosten
  • Betriebskosten.

Die Jahresinvestitionskosten werden aus der Gesamtsumme der Investitionen unter Annahme einer linearen Abschreibung und eines Zinssatzes von 3 % über den mittleren Betriebszeitraum gerechnet. Nach dem gültigen Muster-RE-Entwurf VBA [10] geht man pauschal von 10 Jahren Betriebsdauer aus. Zum Teil werden auch andere Ansätze je nach Kostengruppe verwendet; bei TSF kann die Betriebsdauer bzw. der Abschreibungszeitraum auch geringer sein, was die jährlichen Kosten erhöht. Auch hier ergeben sich unterschiedliche Ansätze, zumal die nach EWS [12] vorgesehene Berechnung der jährlichen Investitionskosten in der Praxis meist nicht auf Basis der Nettokosten erfolgt.

Die Jahres-Betriebskosten werden nach gültigem Muster-RE-Entwurf VBA [10] als Anteil an den Investitionskosten der Technik (Datenerfassung, Anzeigequerschnitte, Streckenstationen, Energieversorgung, Kommunikation und Zentralentechnik) ohne Tiefbau berechnet. Üblich ist ein Anteil von 10 %. Es bleibt dabei offen, ob hier nur die Wartungs-, Energie- und Kommunikationskosten eingehen oder auch Personalkosten auf Seiten der Verkehrsrechnerzentralen.

Ebenso ist unklar, welche Kostengruppen dem Tiefbau zuzurechnen sind, und wie mit den Tiefbauanteilen bei gemischten Positionen verfahren wird. Der Vergleich unterschiedlicher RE-Entwürfe zeigt auch hierbei zum Teil sehr große Differenzen, so dass selbst bei gleicher Methodik der Nutzenschätzung die Kostenwirksamkeit verschiedener Anlagen kaum miteinander zu vergleichen sind. Dies erschwert eine Prioritätenreihung und somit eine ausgewogene Bedarfsplanung. Auch hier ist zukünftig eine Vereinheitlichung geplant, so dass die Ermittlung der Jahreskosten nach standardisierten Ansätzen nachvollziehbar erfolgt und einen Vergleich zulässt.

Letztlich werden beide Kostenanteile zu den Gesamtjahreskosten der VBA zusammengetragen. Bildet man als Vergleichsmaß den Kennwert Kosten/kmRichtungsfahrbahn/a, so ergeben sich z. B. für SBA Werte zwischen 20 000 und 35 000 €/kmRichtungsfahrbahn/a (für zwei- bzw. dreistreifige Querschnitte).

Das Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) wird als Quotient dieser beiden Werte gebildet und muss >1,0 sein, damit die Wirtschaftlichkeit der VBA nachgewiesen ist. In der Praxis werden in der Regel deutlich höhere NKV-Werte angestrebt, um wegen der Annahmen in den Verfahren und der Datenbasis bei der Nutzenschätzung – aber auch wegen Unsicherheiten auf der Kostenseite – zu gewährleisten, dass die Wirtschaftlichkeit der geplanten Verkehrsbeeinflussungsanlage auch in ungünstigen Fällen gegeben ist.

5 Ausblick

Die vorgestellten Methoden zur Schätzung der Wirksamkeit von Verkehrsbeeinflussungsanlagen werden in der Praxis bereits angewendet. Die Verfahren der Hinweise [1] werden derzeit im Forschungsprojekt FA 3.425 ergänzt. Parallel werden die Anweisungen zur Kostenschätzung (AKS) und einer neuen Einheitspreisliste als Datenbasis speziell für Verkehrsbeeinflussungsanlagen überarbeitet und angepasst.

Aber nicht nur die Grundlagen für die Kosten- und Nutzenschätzung sind derzeit Gegenstand einer Überarbeitung. Im Projekt FA 3.435 wird derzeit auch geprüft, ob und wie sich der Vorplanungs- bzw. Genehmigungsprozess für Verkehrsbeeinflussungsanlagen – dessen Bestandteil auch der Nachweis der Notwendigkeit der Maßnahme und der Wirtschaftlichkeit ist – vereinfachen und beschleunigen lässt. Ziel ist eine standardisierte Vorgehensweise, nach der zukünftig sämtliche Verkehrsbeeinflussungsanlagen in der Baulast des Bundes geplant werden sollen. Letztlich gehört hierzu auch die Entwicklung eines Prozessablaufs zur Qualitätssicherung der Planungsprozesse von VBA-Systemen in Form von Nachprüfungen der Kosten und Nutzen und somit der Wirtschaftlichkeit im Betrieb.

Abschließend sei in diesem Kontext noch auf eine weitere Entwicklung zur Echtzeitbeurteilung von Streckenbeeinflussungsanlagen hingewiesen, mit welcher sich das Forschungsprojekt FA 3.407 beschäftigt. Anhand von im laufenden Betrieb gemessenen Daten soll die Wirkungsweise der Anlage online überprüft und angepasst werden. Dies hat die optimierte Beeinflussung des Verkehrsablaufs hinsichtlich deren Hauptziele Reduktion von Unfall- und Zeitkosten zum Ziel.

6 Literaturverzeichnis

  1. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Hinweise zur Wirksamkeitsschätzung und Wirksamkeitsberechnung von Verkehrsbeeinflussungsanlagen, Köln, 2007, FGSV 311
  2. Bundesministerium für Verkehr Bau- und Wohnungswesen: RWVA – Richtlinien für Wechselverkehrszeichenanlagen an Bundesfernstraßen, Bonn, 1997
  3. Bundesministerium für Verkehr Bau und Stadtentwicklung: Beispiele für Telematikanwendungen, bmvbs.de, (am 4. 10. 2008)
  4. Arnold M.: Verfahren zur Wirtschaftlichkeitsuntersuchung einer befristeten Umnutzung von Standstreifen an BAB für Zwecke des fließenden Verkehrs, Reihe Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 820, Bonn, 2001
  5. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen (HBS), Köln, 2001, FGSV 299
  6. Lemke, K.: Standstreifenfreigabe – Sicherheitswirkung von Umnutzungsmaßnahmen, Reihe Verkehrstechnik der BASt, Heft V 153, Bergisch Gladbach, 2007
  7. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Hinweise für Planung und Einsatz von Geschwindigkeitswarnanlagen, Köln, 2001, FGSV 377
  8. Siegener, W. et al.: Unfallgeschehen im Bereich von Streckenbeeinflussungsanlagen unter besonderer Berücksichtigung der Verkehrsbelastung, Reihe Forschung, Straßen- bau und Straßenverkehrstechnik, Heft 787, Bonn, 2000
  9. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Empfehlungen für die Sicherheitsanalyse von Straßennetzen (ESN), Köln, 2003, FGSV 383
  10. Bundesministerium für Verkehr: Muster-RE-Entwurf für Verkehrsbeeinflussungsanlagen, eingeführt mit Allgemeinem Rundschreiben (ARS 5/1993) des BMVBS, Bonn, 1993
  11. Bundesministerium für Verkehr: Anweisung Anweisungen zur Kostenberechnung von Straßenbauvorhaben (AKS), Bonn, 1985
  12. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Empfehlungen für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen an Straßen (EWS) – Aktualisierung der RAS-W 86, Entwurf 1997, Köln, 1997, FGSV 132