FGSV-Nr. FGSV M 11
Ort Duisburg
Datum 18.04.2012
Titel Bewertung der Frostempfindlichkeit von RC-Baustoffen und industriellen Nebenprodukten
Autoren Prof. Dr.-Ing. Martin Radenberg, Dipl.-Ing. Nina Flottmann
Kategorien Gesteine, Mineralstoffe
Einleitung

Die Nutzungsdauer von Verkehrswegen umfasst mehrere Jahrzehnte. Dafür ist es erforderlich, dass sowohl der Straßenoberbau als auch der Straßenunterbau eine ausreichende Tragfähigkeit aufweisen. In gleichem Maße dürfen die Gebrauchseigenschaften der verwendeten Baustoffe und Böden nicht durch die Witterung negativ beeinflusst werden. Insbesondere die von wechselnden Wassergehalten geprägten Schichten ohne Bindemittel und der Unterbau sind hierbei den Frosteinwirkungen ausgesetzt. Deren Verhalten bei Frosteindringung und zusätzlicher Verkehrsbelastung hängt im Wesentlichen von der Wechselwirkung zwischen Wasser und Boden bzw. Gestein ab. Bei der Auswahl der Baustoffe nimmt damit das Kriterium Frostsicherheit eine wichtige Stellung ein. Im Zuge der Umsetzung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes müssen auch im Straßenbau verstärkt rezyklierte Baustoffe und industrielle Nebenprodukte zum Einsatz kommen. Hinsichtlich ihrer Frostempfindlichkeit existiert in Deutschland jedoch kein genormtes Prüfverfahren, das deren Frostverhalten realitätsnah abbildet.

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1 Einleitung

In Ermangelung von Alternativen wird das Frostverhalten von Recycling-Material und industriellen Nebenprodukten je nach Anwendungsgebiet gemäß den "Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Erdarbeiten im Straßenbau" (ZTV E-StB) [1] bzw. den "Technischen Lieferbedingungen für Baustoffgemische und Böden zur Herstellung von Schichten ohne Bindemittel im Straßenbau" (TL SoB-StB) [2] geprüft und beurteilt. Vor dem Hintergrund einer praxisbezogenen Bewertung der Frostempfindlichkeit dieser Materialien sind diese Prüfverfahren jedoch nicht geeignet, da sie durch extreme Temperaturbeanspruchungen mit gleichzeitiger Wassersättigung Materialveränderungen hervorrufen, die nicht den Praxiserfahrungen entsprechen. Diverse Forschungsarbeiten in der Vergangenheit bestätigen dies [3, 4, 5, 6, 7].

Weingart/Wieland entwickelten 2004 ein entsprechend realitätsnahes Prüfverfahren zur Bestimmung der Frosthebung [8] auf Basis österreichischer Erfahrungen [9], dass die Frostbeanspruchung eines Baustoffgemischs im unteren Bereich des Straßenoberbaus hinreichend simuliert. Seit 2006 wurden mit diesem Prüfverfahren an der Ruhr-Universität Bochum eine Vielzahl von Einzelversuchen durchgeführt. Geprüft und auch straßenbautechnisch charakterisiert wurden Proben von Recycling-Baustoffgemischen, sortenreinen Recycling-Materialien, industriellen Nebenprodukten und natürlichen Gesteinen.

2 Nationale und internationale Anforderungen an das Frostverhalten von Baustoffgemischen

2.1 Anforderungen an die Frostsicherheit in Deutschland

Die Anforderungen an die Frostsicherheit in Deutschland gliedern sich zum einen in Anforderungen an den Frostwiderstand von Gesteinskörnungen und zum anderen die Frostempfindlichkeit von Böden und Baustoffgemischen.

Der Frostwiderstand von Gesteinskörnungen oder natürlichen Baustoffgemischen wird, wenn deren Wasseraufnahme größer als 0,5 M.-% ist, mit Hilfe der Frost-Tau-Wechsel-Prüfung nach DIN EN 1367-1 [10] an einer Kornklasse, dem sogenannten "Dosenfrost", bestimmt. Bei Recycling-Materialien dürfen die in diesem Versuch erzielten Materialverluste nicht größer als 4 M.-% sein (Kategorie F4). Eine Überschreitung bis zu 10 M.-% ist für die Anwendung in Frostschutzschichten zulässig, wenn über den "Dosenfrost" hinaus ein Frostversuch am gesamten rezyklierten Baustoffgemisch nach den TP Gestein-StB, Teil 6.3.2 [11] durchgeführt wird. Für diesen Versuch wird vorab der Anteil < 0,063 mm mittels Nasssiebung entfernt. Die bei diesem Frostversuch dann entstehenden Körnungsanteile < 0,063 mm dürfen 2 M.-% nicht überschreiten. Insgesamt ist der Feinkornanteil im Gesamtgemisch auf maximal 5 M.-% begrenzt.

Im Gegensatz zur Prüfung des Frostwiderstandes wird die Frostempfindlichkeit von Böden, Recycling-Baustoffen und ungebundenen Baustoffgemischen nur indirekt abgeleitet. Die Frostempfindlichkeit von Böden wird anhand ihrer Korngrößenverteilung nach den ZTV E-StB klassifiziert. Dabei gilt die Frostempfindlichkeitsklasse F1 als frostsicher, F2 als gering bis mittel frostempfindlich und F3 als sehr frostempfindlich. Bei Recycling-Materialien lassen sich Rückschlüsse auf die Frostempfindlichkeit über den Feinkornanteil und die stoffliche Zusammensetzung des Materials ziehen. Nach den TL SoB-StB darf der maximale Kornanteil < 0,063 mm 5 M.-% bei Anlieferung und 7 M.-% nach dem Einbau nicht überschreiten. In seiner stofflichen Zusammensetzung muss das Recycling-Material dem Anhang B der TL GesteinStB [12] entsprechen.

In der Tabelle 1 sind die Anforderungen an die Frostsicherheit in Deutschland für Böden, Recycling-Baustoffe und ungebundene Baustoffgemische zusammengefasst.

Tabelle 1: Anforderungen an die Frostsicherheit in Deutschland

2.2 Anforderungen an die Frostsicherheit in Österreich

Die Frostsicherheit ungebundener Baustoffgemische in Österreich wird nach einem festgelegten Verfahren beurteilt. Im Bild 1 ist das Vorgehen gemäß ÖNorm B 4811 [13] dargestellt.

Zunächst werden von einer Baustellenprobe die Kornanteile < 0,063 m mittels Siebanalyse bestimmt. Bei einem Feinkornanteil < 0,063 mm von unter 4 M.-% gilt das natürliche und künstlich zusammengesetzte Baustoffgemisch als frostsicher. Ist der Feinkornanteil < 0,063 mm größer als 4 M.-% werden bei natürlichen Korngemischen zusätzlich die Kornanteile < 0,020 mm bestimmt. Beträgt dieser letztgenannte Anteil weniger als 3 M.-%, ist auch dieses Materialgemisch als frostsicher zu bezeichnen. Ist der Anteil < 0,020 mm jedoch größer als 3 M.-%, muss eine mineralogische Beurteilung dieser Feinanteile durchgeführt werden. Bei dieser Mineralanalyse werden die aktiven und passiven Minerale bestimmt. Das gesamte Baustoffgemisch gilt dann als frostsicher, wenn die aktiven Mineralgruppen die Grenzwerte aus [12] überschreiten.

Mit Recycling-Baustoffen und allen anderen Korngemischen, deren Anteil < 0,063 mm größer als 4 M.-% sowie mit den Baustoffgemischen, die die Mineralanalyse nicht bestanden haben, wird ein Frosthebungsversuch gemäß RVS 11.06.21 [14] durchgeführt. Bei der Bewertung des Frosthebungsversuchs werden zwei Grenzwerte herangezogen. Das geprüfte Material gilt dann als frostsicher, wenn die nach 8 Tagen erzielte maximale Frosthebung nicht höher als 15 mm und die Frosthebungsgeschwindigkeit zwischen dem 7. und 8 Tag geringer als 1 mm/d ist.

Bild 1: Anforderungen an die Frostsicherheit in Österreich [13]

2.3 Anforderungen an die Frostsicherheit in der Schweiz

In der Schweiz wird eine Prüfung zum Nachweis der Frostsicherheit ungebundener natürlicher und rezyklierter Baustoffgemische dann erforderlich, wenn der Anteil der Korngröße < 0,063 mm 3 M.-% überschreitet. Der Nachweis erfolgt durch einen Frosthebungsversuch mit anschließendem CBR-Versuch nach SN 670 321a [15]. Der schweizerische Frostversuch wird jedoch mit anderen Randbedingungen durchgeführt als der österreichische, die Ergebnisse sind daher nicht vergleichbar. Das geprüfte Materialgemisch gilt dann als frostsicher, wenn das Verhältnis aus CBR-Wert vor und nach dem Frosthebungsversuch 0,5 überschreitet [16].

3 Prüfverfahren zur Bestimmung der Frostempfindlichkeit

Wie im Abschnitt 2.1 erläutert, erfolgt in Deutschland lediglich eine indirekte Bewertung der Frostempfindlichkeit von Recycling-Baustoffen und ungebundenen Baustoffgemischen. Das von Weingart/Wieland weiterentwickelte Frosthebungsgerät ist ein Doppelkammer-Prüfgerät, das im Bild 2 und schematisch im Bild 3 dargestellt ist. Daraus entstand der Entwurf der "Technischen Prüfvorschriften für Boden und Fels im Straßenbau" ­ Teil: Frosthebungsversuch [17].

Das Materialgemisch mit einem maximalen Größtkorn von 22,4 mm wird in einen Prüfzylinder (Höhe 125 mm, Innendurchmesser 150 mm) mit einfacher Proctordichte bei optimalem Wassergehalt eingebaut.

Bild 2: Doppelkammersystem zur Bestimmung des Frosthebungsversuchs

Bild 3: Schematische Darstellung des Frosthebungsversuchs [8]

Der Prüfzylinder besteht aus reibungsarmem, schlecht wärmeleitendem und druckfestem Teflon, der in fünf Ringscheiben unterteilt ist. Diese Ringscheiben sind untereinander beweglich mit der gelochten Grundplatte verbunden, die eine Wasseraufnahme von der Probenunterseite her ermöglicht. Das Bild 4 zeigt den Prüfzylinder mit gelochter Grundplatte.

Bild 4: Prüfzylinder mit gelochter Grundplatte (links: Seitenansicht; rechts: Draufsicht)

Der Frosthebungsversuch dauert insgesamt 9 Tage. Dabei wird eine konstante Umgebungstemperatur von + 1,5 °C in beiden Prüfkammern gehalten. Die in die Prüfkammern eingebauten Probekörper stehen während des gesamten Versuchs in einem Wasserbad (Temperatur + 1,5 °C), damit die Proben kontinuierlich Wasser nachsaugen können.

In der 24-stündigen Temperierungsphase zu Beginn des Versuchs werden die Proben auf Umgebungstemperatur (+ 1,5 °C) temperiert. Anschließend werden die Probekörper mit einem Kühlkopf ausschließlich von oben befrostet. Dabei ist die Temperaturgrandiente so eingestellt, dass innerhalb von 4 Tagen mit einer annähernd konstanten Abkühlgeschwindigkeit (0,38 K/Tag) die Temperatur in Probekörpermitte von +1,5 °C auf 0 °C abgesenkt wird. Diese 0°-Isotherme wird für 3 Tage gehalten. Der abschließende Auftauprozess des Probekörpers erfolgt innerhalb von 24 h mit einer konstanten Kühlkopftemperatur von + 10 °C.

Alle Temperaturen und Frosthebungen werden in einem Intervall von fünf Minuten je Prüfkammer erfasst. Das Bild 5 zeigt beispielhaft eine grafische Darstellung der Versuchsergebnisse einer Prüfkammer in einem Frosthebungs-Zeit-Diagramm. Auf der x-Achse ist der zeitliche Verlauf des Versuchs in Tagen dargestellt. Auf der primären y-Achse die Temperatur in °C und auf der sekundären die Hebung in mm. Angezeigt werden die Probentemperatur, die Kühlkopftemperatur, die Wasserbadtemperatur und die Hebung der Probe.

Bild 5: Darstellung der während des Versuchs erfassten Daten

Aus dem Diagramm kann für das Probematerial die Quellung in der Temperierphase, die maximale Frosthebung, die verbleibende Resthebung, die Frosthebungsgeschwindigkeit, der Zeitpunkt der Eislinsenbildung sowie deren Höhe ermittelt werden. Nach derzeitigem Wissensstand sind die Parameter maximale Frosthebung und maßgebende Frosthebungsgeschwindigkeit für eine Beurteilung geeignet.

4 Ansätze zur Bewertung der Frostempfindlichkeit

Für den oben beschriebenen Frosthebungsversuch existiert bisher kein Bewertungshintergrund. Der Lehrstuhl für Verkehrswegebau der Ruhr-Universität Bochum (RUB) kann einen langjährigen Erfahrungsschatz auf dem Gebiet der rezyklierten Baustoffe und der industriellen Nebenprodukte vorweisen. Darüber hinaus wurden mit dem Frosthebungsgerät über 180 Einzelversuche an Recycling-Baustoffgemischen, sortenreinen Recycling-Baustoffen und industriellen Nebenprodukten und natürlichen Gesteinen, die gemäß dem Kornkriterium der ZTV E-StB überwiegend den Frostempfindlichkeitsklassen F1 und F2 entsprechen, durchgeführt. Bisherige Erfahrungen zeigen auf, dass zwischen den Parametern maximale Frosthebung und bleibende Hebung eine gute lineare Korrelation besteht. Das Bild 6 zeigt die Ergebnisse der an RUB durchgeführten Frosthebungsversuche.

Bild 6: Statistischer Zusammenhang zwischen bleibender und maximaler Hebung

Bei natürlichen Baustoffen und sortenreinen Recycling-Materialien beträgt das Bestimmtheitsmaß R2 mehr als 0,95, bei Recycling-Baustoffgemischen ca. 0,90. Werden alle Proben in die statistische Auswertung miteinbezogen, verringert sich das Bestimmtheitsmaß auf 0,83 geringfügig.

Im österreichischen Regelwerk [13] ist die maximale Frosthebung auf 15 mm begrenzt. Dieser Grenzwert wird von nahezu allen geprüften Baustoffgemischen eingehalten. Bei rezyklierten Baustoffgemischen, die diesen Grenzwert überschreiten, konnte eine Volumen vergrößernde Neubildung von Mineralphasen im Gemisch nachgewiesen werden. Neben dem Grenzwert von 15 mm sollte auch die Hebungsgeschwindigkeit deutlich abgeklungen sein, was einer Hebungsgeschwindigkeit zwischen dem 7. und 8. Tag von weniger als 1 mm/d entspricht. Im Bild 7 ist der Zusammenhang zwischen den beiden Parametern aufgetragen.

Bild 7: Zusammenhang zwischen maximaler Hebung und Hebungsgeschwindigkeit

Alle untersuchten Proben (mit einer Ausnahme) erfüllen die Anforderungen an die maßgebende Hebungsgeschwindigkeit, selbst der nach dem Kornkriterium als frostempfindlich eingestufte Boden. Ein statistischer Zusammenhang zwischen dem Parameter maximale Frosthebung und maßgebender Hebungsgeschwindigkeit zeigt sich hier nicht. Vor dem Hintergrund der bisher gewonnenen Erfahrungen sind die in [13] formulierten Grenzwerte als sehr großzügig anzusehen.

In der Vergangenheit wurden bereits einige Anstrengungen unternommen, die Vielzahl der Einflussfaktoren im komplexen Gefüge "Baustoffgemisch" bzw. "Boden" zu trennen [18, 19]. Dies ist bisher nur unzureichend gelungen. An der RUB werden derzeit die Mechanismen der Frosthebung empirisch näher beleuchtet. In einem ersten Schritt erfolgten verschiedene Variationen der Korngrößenverteilung zunächst eines natürlichen Baustoffes. Um Überlagerungen auszuschließen, wurde der Kornanteil > 2 mm konstant gehalten. Die Korngrößenverteilung aller Proben orientiert sich an der mittleren Zusammensetzung einer Frostschutzschicht gemäß den TL SoB-StB.

Für die Untersuchungen zum Einfluss des Feinkornanteils < 0,063 mm wurde dieser in einem Diabas-Korngemisch zwischen 5 M.-% und 20 M.-% variiert. Die Ergebnisse der Frost-hebungsversuche sind in den Bildern 8 und 9 dargestellt. Es zeigt sich, dass sich mit steigendem Feinanteil die maximalen Frosthebungen erhöhen, im Vergleich dazu die maßgebende Hebungsgeschwindigkeit jedoch nur geringfügig ansteigt. Ein deutlich linearer Zusammenhang ergibt sich ­ wie im gesamten Datenkollektiv ­ zwischen maximaler Frosthebung und bleibender Hebung.

Bild 8: Zusammenhang zwischen maximaler Hebung und bleibender Hebung einer Gesteinsart

Bild 9: Zusammenhang zwischen maximaler Hebung und Hebungsgeschwindigkeit einer Gesteinsart

Auch wurden erste Untersuchungen zum Einfluss des Grobkornanteils auf die Frosthebung durchgeführt. Die Ergebnisse der Prüfungen an Gesteinsgemischen aus Basalt 0/5 mm und jeweils der Korngruppe 5/22 mm aus Grauwacke, Kalksandstein oder Lavaschlacke weisen darauf hin, dass möglicherweise die Porosität der groben Gesteinskörnung eine beeinflussende Größe ist. Dieses muss allerdings durch weitere Materialvariationen noch konkretisiert werden. Im Bild 10 sind die maximalen Frosthebungen in Abhängigkeit von den bleibenden Hebungen der verschiedenen Materialgemische dargestellt.

Bild 10: Zusammenhang zwischen maximaler Hebung und bleibender Hebung bei verschiedenen Gesteinsarten im Grobkornbereich

5 Zusammenhang zwischen Frostempfindlichkeit und Wasserdurchlässigkeit

Die Forderung nach einer geringen Frostempfindlichkeit von Schichten ohne Bindemittel bedingt auch die Berücksichtigung einer ausreichenden Wasserdurchlässigkeit dieser Schichten. Die Wasserdurchlässigkeit von Böden kann mit Hilfe des Durchlässigkeitsbeiwertes kf nach DIN 18130-1 [20] ermittelt werden. Die Entnahme ungestörter Proben ist jedoch in den ungebundenen Schichten des Straßenoberbaus aufgrund ihrer grobkörnigen Struktur nicht möglich. Für die Bewertung dieser Schichten hat sich daher die Bestimmung des Infiltrationsbeiwertes ki(10) als geeignet erwiesen. Diese Infiltrationsversuche können sowohl im Labor als auch in situ vorgenommen werden.

5.1 Laborverfahren zur Bestimmung der Wasserdurchlässigkeit von ungebundenen Baustoffgemischen

Die Prüfung mittels Standrohr-Infiltrometer, mit der der Infiltrationsbeiwert bestimmt werden kann, wurde im Rahmen eines Forschungsprojektes an der RUB validiert [21]. Aus den Ergebnissen des Forschungsvorhabens ist der Entwurf einer Arbeitsanleitung zur Bestimmung des Infiltrationsbeiwertes entstanden [22]. Der Aufbau der Prüfeinrichtung ist im Bild 11 dargestellt. Die Prüfeinrichtung besteht aus einem Proctorzylinder (Ø 250 mm, Höhe 200 mm), auf den ein Standrohr (Höhe 530 mm) aufgesetzt ist. Die Abdichtung des Standrohres erfolgt mit Bentonit und einer Auflast von insgesamt 40 kg. Als Prüfflüssigkeit wird auf Raumtemperatur temperiertes Leitungswasser verwendet.

Bild 11: Schematische und reale Darstellung des Infiltrationsgerätes

Das Prüfgut wird mit modifizierter Proctorenergie im Proctorzylinder verdichtet. Nach Einfüllen des Wassers wird die Zeit für das Absinken des Wasserspiegels zwischen den beiden Messmarken 400 mm und 300 mm gestoppt. Der Versuch wird solange wiederholt, bis der Infiltrationsbeiwert ki(10) bei drei aufeinanderfolgenden Messungen um weniger als ± 1 Einheit in der ersten Dezimalstelle schwankt oder eine Messung länger als 2700 Sekunden dauert ­ das entspricht einem ki(10) von weniger als 5*10-7 m/s.

Der Infiltrationsbeiwert wird nach folgender Formel gemäß ÖNorm B 4422-2 berechnet [23]:

Formel siehe PDF.

5.2 Gegenüberstellung des Infiltrationsbeiwertes und der maximalen Frosthebung

Bisher wurden Baustoffgemische aus rezyklierten und natürlichen Materialien sowie industriellen Nebenprodukten mittels Infiltrationsprüfung und Frosthebungsversuch untersucht. Im Bild 12 sind die Ergebnisse der Untersuchungen aufgetragen.

Auch wenn der statistische Zusammenhang (Bestimmtheitsmaß von 0,72 über alle Gemische) niedrig ist, lässt sich grundsätzlich mit sinkender Wasserdurchlässigkeit ein Anstieg der maximalen Frosthebung ableiten.

Bild 12: Zusammenhang zwischen maximaler Hebung und Wasserdurchlässigkeit bei modifizierter Proctorverdichtung

Anhand der Untersuchungsergebnisse wird deutlich, dass bei geringen Wasserdurchlässigkeiten (< 1*10-6 m/s) eine deutliche Erhöhung der Frostempfindlichkeit zu erwarten ist. In den "Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Bau von Schichten ohne Bindemittel im Straßenbau" (ZTV SoB-StB) [24] wird zwar eine ausreichende Entwässerung ungebundener Schichten gefordert, eine Überprüfung kann aber aufgrund fehlender Anforderungswerte nicht erfolgen.

6 Zusammenfassung und Ausblick

Die Gewährleistung der Frostsicherheit von Baustoffgemischen und Böden für Schichten ohne Bindemittel gliedert sich in Deutschland in Anforderungen an den Frostwiderstand von Gesteinskörnungen und in Anforderungen an die Frostempfindlichkeit von Böden und Baustoffgemischen. Für die Bewertung des Frostwiderstandes existieren Prüfverfahren und entsprechende Anforderungswerte, die Frostempfindlichkeit hingegen wird nur indirekt beurteilt. Insbesondere für die Beurteilung des Frostverhaltens von Recycling-Materialien fehlen praxisentsprechende Prüfverfahren mit dem zugehörigen Bewertungshintergrund.

In Österreich wird zur Beurteilung der Frostsicherheit eines ungebundenen natürlichen Materials ein festgelegtes dreistufiges Bewertungsverfahren angewendet. Für Recycling-Baustoffe kommt dieser Frosthebungsversuch (3. Stufe) allerdings direkt zur Anwendung. Das geprüfte Baustoffgemisch gilt in Österreich dann noch als frostsicher, wenn die nach 8 Tagen gemessene maximale Frosthebung nicht höher als 15 mm und die Frosthebungsgeschwindigkeit zwischen dem 7. und 8. Tag geringer als 1 mm/d ist.

Weingart/Wieland entwickelten 2004 das österreichisches Prüfverfahren zur Bestimmung der Frosthebung weiter, so dass ungebundene Baustoffgemische auch in Deutschland realitätsnah untersucht werden können. Seit 2006 wurden an der Ruhr-Universität Bochum eine große Anzahl an Frosthebungsversuchen mit Recycling-Baustoffgemischen, sortenreinen RecyclingMaterialien, industriellen Nebenprodukten und natürlichen Baustoffgemischen durchgeführt. Nahezu alle untersuchten Proben, mit Ausnahme der nachgewiesenen Schadensfälle, erfüllen die österreichischen Anforderungen an die maximale Frosthebung und die maßgebende Hebungsgeschwindigkeit, selbst der nach dem Kornkriterium als frostempfindlich eingestufte Boden.

Um Überlagerungen verschiedenster Einflüsse zu vermeiden, wurden auch Untersuchungen an natürlichen Korngemischen unter Variation des Feinkornanteils durchgeführt. Es zeigt sich, dass sich mit steigendem Feinanteil die maximalen Frosthebungen erhöhen, im Vergleich dazu die maßgebende Hebungsgeschwindigkeit jedoch nur geringfügig ansteigt. Ein deutlich linearer Zusammenhang ergibt sich bei den Parametern maximale Frosthebung und bleibende Hebung.

Für einen Bewertungshintergrund zum Frosthebungsversuch, der die Bandbreite der Recycling-Materialien und industriellen Nebenprodukte abbildet, sind noch aktive Forschungsanstrengungen notwendig. Weitere Untersuchungen zu verschiedenen Einflüssen, wie z. B. Quellfähigkeit und Porosität von Materialien, werden derzeit an der RUB begonnen oder sind in Planung.

Neben einem praxistauglichen Prüfverfahren zur Bewertung der Frostempfindlichkeit recyclierter ungebundener Baustoffgemische ist die Wasserdurchlässigkeit dieser Gemische von großer Bedeutung. Für die Bewertung der Wasserdurchlässigkeit ungebundener Schichten hat sich die Bestimmung des Infiltrationsbeiwertes ki(10) als geeignet erwiesen. Diese Infiltrationsversuche können sowohl im Labor als auch in situ vorgenommen werden. Bisher wurde nur eine Auswahl an Baustoffgemischen (recycliert und natürlich) parallel mittels Infiltrationsversuch und Frosthebungsversuch geprüft. Aus diesen ersten Erkenntnissen lässt sich ableiten, dass bei Wasserdurchlässigkeiten von weniger als 1*10-6 m/s ein progressiver Anstieg der maximalen Frosthebung zu erwarten ist.

7 Literaturverzeichnis

1 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Erdarbeiten im Straßenbau (ZTV E-StB), Ausgabe 2009, Köln, FGSV 599

2 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Lieferbedingungen für Baustoffgemische und Böden zur Herstellung von Schichten ohne Bindemittel im Straßenbau (TL SoB-StB), Ausgabe 2004/Fassung 2007, Köln, FGSV 697

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10 DIN EN 1367-1: Prüfverfahren für thermische Eigenschaften und Verwitterungsbeständigkeit von Gesteinskörnungen, Teil 1: Bestimmung des Widerstandes gegen Frost-TauWechsel, Ausgabe Juni 2007, Beuth Verlag, Berlin

11 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Prüfvorschriften für Gesteinskörnungen im Straßenbau (TP Gestein-StB), Teil 6.3.2 Widerstand von Baustoffgemischen gegen Frost-Tau-Wechsel, Ausgabe 2008, Köln, FGSV 610

12 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Lieferbedingungen für Gesteinskörnungen im Straßenbau (TL Gestein-StB), Ausgabe 2004/Fassung 2007, Köln, FGSV 613

13 ÖNorm B 4811: Gesteinskörnungen für ungebundene Tragschichten im Straßen- und Flugplatzbau ­ Beurteilung der Frostsicherheit, Ausgabe 2006, Beuth Verlag, Berlin

14 RVS 11. 6. 21: Grundlagen ­ Prüfverfahren ­ Steinmaterial, Teil 1: Frosthebungsversuche, Ausgabe 2004, Forschungsgemeinschaft Straßen und Verkehr (FSV), Wien

15 SN 670321a: Versuche an Böden ­ Frosthebungsversuch und CBR-Versuch nach dem Auftauen, Ausgabe 2001, Schweizerischer Verband der Strassen- und Verkehrsfachleute (VSS), Zürich

16 SN 670119-NA: Gesteinskörnungen für ungebundene und hydraulisch gebundene Gemische für Ingenieur- und Straßenbau ­ Ungebundene Gemische ­ Anforderungen, Ausgabe 2011, VSS, Zürich

17 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Entwurf der Technischen Prüfvorschriften für Boden und Fels im Straßenbau (TP BF-StB), Teil: Frosthebungsversuch, Köln, FGSV 591

18 J e s s b e r g e r, L.: Vergleichende Beurteilung der gebräuchlichen Frostkriterien für Frostschutz-Kies-Sande anhand der Originalveröffentlichungen, Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 208, 1976, BMV, Bonn

19 L o t t m a n n, A.; H a l t e n r o t h, G.; R i c h t e r, F.: Bemessungsgrundlagen für den frostsicheren Oberbau von Verkehrsflächen, Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 879, 2004, BMVBS, Bonn

20 DIN 18130-1: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben, Bestimmung der Wasserdurchlässigkeit, Teil 1: Laborversuche, Ausgabe 1998, Beuth Verlag, Berlin

21 R a d e n b e r g, M.; K o l l a r, J.: Laborverfahren zur Bestimmung der Wasserdurchlässigkeit von ungebundenen Baustoffen, Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 1041, 2010, BMVBS, Bonn

22 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Entwurf zur Arbeitsanleitung Bestimmung der Wasserdurchlässigkeit von Baustoffgemischen für Tragschichten ohne Bindemittel

23 ÖNorm B 4422-2: Erd- und Grundbau ­ Untersuchung von Böden ­ Bestimmung der Wasserdurchlässigkeit ­ Feldmethoden für oberflächennahe Schichten, Ausgabe 2002, Beuth Verlag, Berlin

24 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Bau von Schichten ohne Bindemittel im Straßenbau (ZTV SoB-StB), Ausgabe 2004/Fassung 2007, Köln, FGSV 698