FGSV-Nr. FGSV B 31
Ort Karlsruhe
Datum 19.09.2013
Titel Aktuelle Entwicklungen bei Einbaugeräten
Autoren Martin Datzert
Kategorien Betonstraßen
Einleitung

Während Eingeweihte Gleitschalungsfertiger vor einigen Jahren dem Anlagenbau zuordneten, sind die Maschinen heute eher als anwendungsmultiple Kleinserienmaschinen zu bezeichnen. Ohne die generellen Kundenerwartungen wie maximale Anwendungsvielfalt, präzise Einbauergebnisse, intuitive Bedienbarkeit und einfachen Transport zu vernachlässigen, zeigen Maschinen neuster Entwicklungsgeneration einen vollmodularen Aufbau sowohl im mechanischen, hydraulischen als auch im elektrischen Bereich. Baukastensysteme mit abgeschlossenen, bewährten Funktionsbausteinen bieten den Vorteil wiederkehrender Verwendung. Für Maschinenanwender hat das den Vorteil erprobter Technik ­ finale Voraussetzung für noch bessere Einbauergebnisse. Dank standardisierter Schnittstellen zwischen den einzelnen Funktionsmodulen ist der einfache Umbau vorhandener oder die problemlose Erweiterung mit zusätzlichen Maschinenkomponenten zur Lösung komplexer, kundenspezifischer Einsatzfälle einfach möglich. Ergänzt wird die modulare Sicht durch externe Standardschnittstellen beispielsweise zur einfachen Umsetzung von Kundenwünschen oder zur fehlerfreien Anbindung externer Zusatzsysteme. Beispielhaft können hier Entwicklungen wie ,,WI-FMS", ,,Easy-Connect" und ,,Autopilot" genannt werden.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Modulare Systeme

Baukästen sind Komponenten, Baugruppen oder Systeme, die durch ihre spezielle Konzeption einen übergreifenden Einsatz bei gleichzeitig individueller Differenzierung ermöglichen. Ihre Zielsetzung ist eine optimierte Betriebswirtschaft und die Unterstützung einer schnellen, ressourcenschonenden Umsetzung von Produkten. In dem im Bild 1 dargestellten Diagramm nach Breiing und Venn repräsentieren die drei Mengen A, B und C den Bausteinvorrat zur Generierung dreier unterschiedlicher Produkte (A, B, C). Die weißen Flächen entsprechen spezifischen Bauteilen, die nur im jeweiligen Produkt eingesetzt werden (Anpassbausteine).

Bild 1: Venn-Diagramm

Bei Verwendung von Bauteilen in zwei unterschiedlichen Produkten sind die Flächen schattiert, im Falle des komplett übergreifenden Einsatzes schraffiert (Grundbausteine). Die Menge der Konstruktionsbausteine in den einzelnen Durchschnittsmengen wird durch die Größe der skizzierten Flächenanteile symbolisiert. Im Gegensatz zur Modularisierung steht bei der Umsetzung eines Baukastensystems also die Schaffung von Produktvarianten durch Kombination verschiedener Bausteine im Vordergrund. Die gewünschte externe Varianz soll dabei mit einer möglichst geringen internen Varianz dargestellt werden.

Bei neuen Generationen von Gleitschalungsfertiger sind die beiden letztgenannten Prämissen umgesetzt worden. So werden im Baukastenprinzip der Mittelklassenfertiger-Baureihe SP80 die Offsetvariante SP81, die Zweiketten-Insetvariante SP82 und die Vierketten-Insetvariante SP84 realisiert. Dabei wurde das Baukastenprinzip sowohl auf Baugruppenebene, auf Unterbaugruppenebene als auch auf Teileebene umgesetzt.

Bild 2: Modulare Bauweise auf unterschiedlichen Konstruktionsebenen

2 WI-FMS ­ Standardschnittstelle zur Übertragung von Maschinendaten

,,WI-FMS" ist eine neue Standard-Schnittstelle, basierend auf einem Datenbus. Die Schnittstelle ermöglicht es, Maschinendaten mit handelsüblichen Modems zu übertragen. Die früher übliche maschinenseitige Einzelprojektierung mit letztlich kundenspezifischer Maschinensoftware weicht hier zugunsten einer maschinenunabhängigen Standardanbindung. Maschinenspezifisch werden so Daten wie beispielsweise Geschwindigkeit, Kraftstoffverbrauch, Betriebsstunden übertragen.

Die Vorteile der WIFMS Standardschnittstelle liegen in der einfachen Anbindung der Maschine an bekannte Fleet Management Systemlösungen, ohne dass die Maschinensoftware angepasst werden muss. Nachteil einer individuell kundenbezogenen Maschinensoftware in der Vergangenheit war ­ neben den damit verbundenen Wartezeiten und notwendigen Feinabstimmungen zwischen Maschinenhersteller, Kunde und Fleet Management Systemanbieter ­ insbesondere die langfristige Abkopplung von Weiterentwicklungen der Standardmaschinensoftware. Der Maschinenanwender hat somit nicht mehr an Weiterentwicklungen partizipieren können. Die neue Standardschnittstelle kehrt dies genau um und schafft bei hoher Betriebssicherheit auch eine volle Rückwärtskompatibilität im Bereich der Softwareentwicklung.

Bild 3: WI-FMS Standardschnittstelle ­ Anbindung an eine Fleet-Management-Architektur

3 Easy-Connect ­ Standardschnittstelle zur Anbindung von 3D-Steuerungsystemen

,,Easy Connect" ist eine weitere Standardschnittstelle, entwickelt um zuverlässige Kompatibilität mit 3D-Systemen aller führenden Anbieter zu gewährleisten. Während vor einigen Jahren die prinzipiell funktionstüchtige, leitdrahtlose 3D-Technologie direkt auf Steuergrößen der Maschinen Zugriff hatte und deshalb durch baustellenseitige Optimierung von Regelparametern bestimmt war, reduziert die Neuentwicklung ,,Easy Connect" die Aufgabe von 3D-Systemen auf die Vorgabe definierter Wegvorgaben. Die Maschine übernimmt deren Interpretation und damit die Maschinenführung standardisiert gleich, unabhängig vom jeweiligen 3D-Anbieter.

Wird ein Gleitschalungsfertiger konventionell am Leitdraht betrieben, so wird die Führung der Maschine auf der vorgegebenen Trajektorie (abgebildet durch den Leitdraht) maschinenintern realisiert. Hierzu werden Tastarme von oben oder seitlich an den Leitdraht angelegt. Mit den Tastarmen verbundene Drehgeber dienen als Sensoren und wandeln eine Abweichung der Tastarme von Ihrer Soll-Lage in ein Spannungssignal um. Abhängig vom anliegenden Spannungssignal werden die Höhen- und Lenkaktoren der Maschine so angesteuert, dass die IstLage automatisch der Soll-Lage angepasst wird. Die Maschine folgt so in Höhe und Lenkung dem Leitdraht und bildet diesen mit allen Ungenauigkeiten im Beton ab.

Bild 4: ,,Easy Connect" ­ Standardschnittstelle für externe 3D-Systeme

Beim Einsatz von 3D-Technik wird der Leitdraht durch ein digitales Modell ersetzt. Während die Modelldaten bei der konventionellen Vorgehensweise durch einen Vermesser auf die Baustelle übertragen werden und so später für die Erstellung des Leitdrahts zur Verfügung stehen, nutzt die 3D-Technik die Modelldaten ohne Umwege. Die Maschinenposition und -orientierung wird mittels Messtechnik auf der Baustelle zu jedem Zeitpunkt erfasst und mit der Vorgabe des digitalen Modells verglichen. Auch hier werden die Höhen- und Lenkaktoren der Maschine zur Aussteuerung der Ist-Lage zur Soll-Lage benutzt. Hierzu griff in der Vergangenheit die 3DTechnik im Sinne einer Maschinensteuerung teilweise direkt, teilweise indirekt auf die Maschinenaktoren zu. Die optimale Einstellung der Maschinenparameter war so eine gemeinsame Aufgabe von 3D-Technikanbieter und Maschinenanbieter und musste aufgrund der Anwendungsvielfalt weltweit oft direkt auf der Baustelle erfolgen.

Die neue Standardschnittstelle ,,Easy Connect" setzt hier an und führt konsequent zu einer Unterscheidung zwischen den Aufgaben der Maschinensteuerung und den Aufgaben des Wegabgleichs. Hierzu wird eine zusätzliche Steuerung (sogenannter Gateway) eingesetzt, der zwischen Maschinensteuerung und 3D-Technik platziert, die Daten zu Höhen- und Lenkabweichungen erfasst, interpretiert und in geeigneter Form an die Maschinensteuerung übergibt. Der Maschinensteuerungs-Gateway-Verbund übernimmt somit heute wieder vollständig die Kontrolle über die Maschinenfunktionen, während sich die 3D-Technik auf Ihre originären Aufgaben der Datenmodellerstellung und des Abgleichs zwischen Ist- und Sollgrößen der Maschinenposition konzentriert.

Bild 5: Aufgabenteilung Maschine ­ 3D-Technik früher und heute

4 Autopilot ­ Alternative Steuerungstechnik für den leitdrahtlosen Einbau

Der ,,Autopilot" erweitert die Möglichkeiten leitdrahtlosen Betoneinbaus und bietet erstmals einen einfachen, baustellengerechten Informationsworkflow. Gegenüber handelsüblichen 3D-Systemen wird das digitale Wegmodell direkt durch den Maschinenführer bauseits erzeugt. Abhängigkeiten von vorgelagerten Instanzen fallen weg. Auch der Autopilot wird mittels Standardschnittstelle mit der Maschine verbunden.

Leitdrahtlose Systeme arbeiten prinzipiell mit digitalen Datenmodellen, die im Vorfeld einer Baustelle erstellt werden. Dies funktioniert erfahrungsgemäß bei groben Erdarbeiten, aber auch großen präzisen Gewerken wie Betonautobahnen, gut. Erforderlich sind jedoch ein geschlossener Informationsfluss und die Betreuung der Systeme durch einen Vermesser auf der Baustelle. Hemmnis sind relativ hohe Investitionen in Systemkomponenten und Konflikte mit zuvor im digitalen Datenmodell nicht erfassten oder zwischenzeitlich errichteten Objekten auf der realen Baustelle. So können leicht versetzte Wassereinläufe bei der Betonierung von Bordsteinrinnenprofilen zum großen Problem werden. Dies und andere Restriktionen führten dazu, dass sich die ansonsten funktionstüchtige 3D-Technik gerade im Bereich einfacher kleiner Gleitschalungsanwendungen bisher nicht in großer Stückzahl etabliert hat. Genau hier setzt der ,,Autopilot" samt ,,Fieldrover" an. Ziel der Neuentwicklung war die einfache Erstellung von digitalen Modelldaten durch den Bauleiter oder Maschinenführer direkt auf der Baustelle und die unmittelbare Verarbeitung der Daten durch eine erweiterte Maschinensteuerung. Der ,,Autopilot" setzt sich aus zwei GNNS Antennen (Position und Ausrichtung der Maschine) und einem Höhensensor zusammen. Als Höhensensoren kommen je nach Anwendung ein Rotationslaser, ein Ultraschallsensor, ein Schlittschuhtaster oder in Ausnahmefällen auch ein Satellitenempfänger in Frage.

Bild 6: Autopilot und Fieldrover ­ Aufgaben

Bild 7: Autopilot Systemkomponenten

Der ,,Autopilot" selbst ist für den Abgleich der Maschinenposition mit den Modelldaten zuständig. Die Modelldaten selbst können auf zwei unterschiedlichen Wegen erstellt werden. Eine Möglichkeit besteht in der direkten Programmierung eines Modells in 6 Schritten direkt über das Display des Autopiloten (Bild 8). In einem ersten Schritt muss sich für eine Grundform entschieden werden, bevor diese in einem zweiten Schritt mit den geometrischen Merkmalen hinterlegt wird. Im Schritt 3 wird der Startpunkt der Maschine auf der programmierten Grundform definiert, bevor im Schritt 4 die Ausrichtung der Maschine zur Kontur gewählt wird.

In einem fünften Schritt kann jedem Punkt der Kontur ein Höhenprofil zugewiesen werden, das die Maschine bei Abfahrt der Kontur umsetzen soll, bevor in einem letzten Schritt ein Querneigungsverlauf programmiert werden kann. Mit dem dargestellten Vorgehen können in Minuten einfache Profilformen programmiert und direkt leitdrahtlos abgefahren werden.

In Ergänzung zum Autopilot steht der ,,Fieldrover", der auch zur Erstellung der Modelldaten herangezogen werden kann. Der ,,Fieldrover", bestehend aus einer GNNS Antenne und einem Rechner. Wird der Fieldrover an einem Punkt im Feld positioniert, kann er diesen in Form seiner Positionsdaten erfassen (Bild 9 links). Mehrere so erfasste Punkte werden automatisiert zu einem Konturzug zusammengeführt. Hier hat der Bediener die Wahl zwischen Geraden, Kreisbögen oder Polygonzügen. Ein einmal erstelltes Datenmodell kann mittels USB Stick direkt auf die Maschine übertragen werden. Das im Fieldrover abgespeicherte Datenmodell kann im Umkehrschluss auch zur Kontrolle von Feldpunkten oder fertigen Gewerken genutzt werden (Bild 9 rechts).

Bild 8: Mögliche Sensoren für die Höheabtastung

Bild 9: Schrittweise Programmierung des digitalen Datenmodells mittels Autopilot

Die Bilder 10, 11 und 12 zeigen Beispiel möglicher Autopilotanwendungen. Neben linearen Anwendungen, die mit nur zwei Messpunkten eingemessen werden können, sind ebenso enge als auch extrem weite Kurven in Minuten einmessbar. Durch Wegfall des Leitdrahts sind abhängig von der eingesetzten Maschine und Offsetanwendung enge Radien von bis zu 0,5 m möglich.

Bild 10: Modellerstellung und Kontrolle des fertigen Gewerks mittels Fieldrover

Bild 11: Auswahl mittels Autopilot und Fieldrover erstellter Gewerke

Bild 12: Auswahl mittels Autopilot und Fieldrover erstellter Gewerke

Bild 13: Auswahl mittels Autopilot und Fieldrover erstellter Gewerke

Zusammenfassung

Technische Baukastensysteme und Standardschnittstellen zur Anbindung externer Systeme bieten auch im Bereich der anwendungsmultiplen Gleitschalungsfertiger große Potenziale.

Neben den Vorzügen für die Produktion, Montage und Service der Maschinen liegen die Vorteile für den Anwender in der modularen Erweiterbarkeit, guter Verfügbarkeit und der einfachen anwendungsspezifischen Konfigurierbarkeit der Maschinen. Darüber hinaus sichern standardisierte und abgenommene Schnittstellen zu externen Zusatzsystemen größere Prozesssicherheit.

Literaturverzeichnis

Breiing & Flemming: Theorie und Methoden des Konstruierens, 1993, S. 211f.