FGSV-Nr. FGSV A 43
Ort Bamberg
Datum 16.05.2017
Titel Rechnerische Dimensionierung – wo stehen wir? Die RDO aus Sicht eines Auftragnehmers
Autoren Dipl.-Ing. Marco Schünemann, Dr.-Ing. Lars Neutag, M. Sc. Joana Hundertmark
Kategorien Asphaltstraßen
Einleitung

Die „Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Asphaltdeckschicht“ (RDO Asphalt 09) sind im Jahr 2009 eingeführt worden und werden somit schon seit mehr als sieben Jahren angewendet. Die damit einhergehenden praxisrelevanten Fragestellungen werden in diesem Beitrag unter Berücksichtigung von Dimensionierungsberechnungen sowie vertraglichen Auswirkungen aus Sicht eines Auftragnehmers näher betrachtet. Es wird nachfolgend diskutiert, inwieweit die rechnerische Dimensionierung in der Praxis angekommen ist und welche Herausforderungen, vor allem in der Angebotsphase, auf den Auftragnehmer zukommen. Dazu gehören auch die Fragen nach dem „Innenverhältnis“ zwischen Lieferwerk und Baufirma sowie nach der baupraktischen Umsetzung einschließlich der Art und Weise der Durchführung von nachfolgenden Kontrollprüfungen. Dabei wird auch erörtert, welche weiteren (Regelwerks-) Entwicklungen noch benötigt werden.

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1 Generelles

Im Folgenden werden der aktuelle Stand der Regelwerke, die sich mit der rechnerischen Dimensionierung auseinandersetzen und die derzeitigen Einsatzgebiete näher erläutert. Die „Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Asphaltdeckschicht“ (RDO Asphalt 09) stellen ein Regelwerk zur rechnerischen Dimensionierung des Oberbaus dar. Sie stehen im Kontext mit den nachfolgend genannten weiteren Regelwerken:

– „Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen“ (RStO 12).

– „Richtlinien zur Bewertung der strukturellen Substanz von Asphaltstraßen“ (RSO Asphalt), Entwurf.

Die RDO Asphalt 09 finden in den nachfolgend aufgelisteten Bereichen Anwendung:

– bei Betreibermodellen für den mehrstreifigen Autobahnausbau (A-Modelle),

gemäß Fernstraßenbaufinanzierungsgesetz (F-Modelle),

– bei übrigen ÖPP-Projekten (Öffentlich Private Partnerschaften),

im Rahmen von Funktionsbauverträgen,

– bei der Dimensionierung von Oberbauten bei Nebenangeboten zur Erfahrungssammlung,

– bei der Dimensionierung von Oberbauten im Rahmen von Bauverträgen, bei denen explizit eine Dimensionierung gemäß RDO Asphalt 09 gefordert ist.

Trotz des möglichen breiten Anwendungsgebietes und deren Einführung bereits vor über sieben Jahren stellt sich die Frage, ob die RDO Asphalt 09 als erprobt angesehen werden können. Dies ist aus Sicht der Verfasser derzeit noch nicht gegeben, da u. a. keine zugehörigen Vertragsbedingungen hierzu existieren. Es wird eine „ZTV RDO“ benötigt, die momentan im Arbeitskreis 7.1.3 „Performance basierte Vertragsbedingungen“ der FGSV erarbeitet wird. Das Ziel eines solchen Regelwerkes soll die vertragssichere Einbindung der RDO Asphalt 09 in konventionelle Bauverträge sein.

In diesem Zusammenhang liegen noch offene Fragestellungen zu den folgenden Punkten vor:

1. Eingangsparameter für die Dimensionierung,

2. Dimensionierungsberechnungen,

3. Vertragliche Auswirkungen,

4. Praktische Umsetzung.

In den folgenden Abschnitten werden hauptsächlich die vorgenannten Punkte 3. und 4. näher betrachtet. Die beiden ersten Punkte sind bereits in (Schünemann et al.) diskutiert worden und werden hier nur kurz erwähnt, sollten jedoch in der gesamten Anwendung der rechnerischen Dimensionierung nicht vernachlässigt werden.  

2 Eingangsparameter/Dimensionierungsberechung

Die einzelnen Eingangsparameter für die rechnerische Dimensionierung haben einen maßgeblichen Einfluss auf die Dimensionierungsberechnungen. Grob lassen sich folgende Eingangsparameter zusammengefasst nennen:

Klimadaten,

materialtechnische Eingangsparameter und die,

Verkehrsmengenberechnung.

Zu den Klimadaten werden die jeweiligen Temperaturverläufe und die Häufigkeiten des Auftretens dieser Verläufe benötigt. Diese Daten sind in den RDO Asphalt 09 hinreichend genau dargestellt, auch wenn durchaus alternative Klimaansätze aus diversen Forschungsarbeiten hervorgegangen sind, die nicht unerheblich von denen der RDO Asphalt 09 abweichen. Für die praktische Umsetzung stellen die Klimadaten allerdings keine besondere Herausforderung für den Auftragnehmer bei der Anwendung der RDO Asphalt 09 dar.

Auf die Vielzahl an Einflussgrößen der materialtechnischen Parameter, die einen erheblichen Einfluss auf die Dimensionierungsberechnungen haben, wird im Folgenden nicht näher eingegangen, sondern auf (Schünemann et al.) verwiesen.

Die Verkehrsmengenberechnungen lassen häufig leider erhebliche und durchaus gefährliche Interpretationsspielräume zu. Die Verkehrsdaten haben einen signifikanten Einfluss auf die gesamten Dimensionierungsberechnungen und stellen somit einen besonders wichtigen Baustein bei der Anwendung der RDO Asphalt 09 dar. Für die Berechnungen werden üblicherweise nahezu alle Werte bzw. Faktoren der RStO 12 verwendet:

Tägliche Verkehrsaufkommen (Kfz/Tag),

Schwerverkehrsanteil (SV-Anteil),

Achszahlfaktor (fA),

Fahrstreifenfaktor (f1),

Fahrstreifenbreitenfaktor (f2),

Höchstlängsneigung (f3),

– Mittlere jährliche Zunahme des Schwerverkehrs (p).

Die Parameter (f1) bis (f3) sind aus den jeweiligen Randbedingungen des Projektes sehr präzise zu ermitteln. Die Verkehrsmengen (Kfz/Tag) und der (SV-Anteil) können aus Verkehrszählungen recht genau bestimmt werden. Der Achszahlfaktor (fA) ist aus den RStO 12 zu entnehmen. Die mittlere jährliche Zunahme des Schwerverkehrs (p) über die Nutzungsdauer sollte immer projektspezifisch erfolgen, da sich in der praktischen Anwendung gezeigt hat, dass die Steigerungsfaktoren der RStO 12 nicht genau genug bzw. teilweise deutlich zu hoch angesetzt sind. Deshalb sollte die Bestimmung der Verkehrsmenge über präzise Verkehrsprognosen ermittelt werden. Für die dezidierte Ermittlung der dimensionierungsrelevanten Achsübergänge wird das zugehörige Achslastkollektiv benötigt. In den RDO Asphalt 09 ist dazu für verschiedene Achslastklassen der entsprechende Anteil des Schwerverkehrs dargestellt. Das in den RDO Asphalt 09 aufgeführte Achslastkollektiv stellt im Vergleich zu seinem Pendant in den später erschienenen RStO 12 eine deutliche Verschärfung dar. Beide Achslastkollektive sind nicht direkt miteinander vergleichbar. Das in den RDO Asphalt 09 dargestellte Achslastkollektiv entspricht nach der RStO 12-Systematik einem qBM von 0,4632. In den RStO 12 ist dagegen ein qBM von 0,33 aufgeführt. Somit liegt faktisch eine Erhöhung der Verkehrslast um ca. 40 % bei Anwendung der RDO Asphalt 09 vor.

Bei Betrachtung aktueller Ausschreibungen fällt häufig auf, dass auftraggeberseitig überzogene Verkehrsmengen angegeben werden. Dies geschieht anscheinend aus Sicherheitsgründen, da auch die Steigerungsraten dementsprechend erheblich sind. In manchen Fällen wird dadurch eine Verdoppelung der prognostizierten Verkehrsmenge im Vergleich zur „realen“, fundiert ermittelten Prognose ausgewiesen. Dieses – nicht selten in Anspruch genommene – „Vorhaltemaß“ hat dann überdimensionierte Asphaltkonstruktionen zur Folge. Ein weiterer kritischer Aspekt dieser überzogen hoch angesetzten Verkehrsmengen ist, dass die Asphaltbauweise sich damit – zumindest in der Theorie der beiden RDO (Asphalt und Beton) – im Vergleich zur Betonbauweise immer schwieriger behaupten kann. So steigen die erforderlichen Mehrdicken bei der Asphaltbauweise mit steigender Verkehrsmenge signifikant an, wobei die Betonkonstruktion gemäß RDO Beton 09 nur im Millimeterbereich dicker auszuführen ist.

Um hieraus entstehende Unsicherheiten bei der praktischen Anwendung der RDO Asphalt 09 zu reduzieren, sollten in den Ausschreibungsunterlagen die Eingangsgrößen für den Verkehr mit dessen einzelnen Werten und Faktoren präzise und eindeutig, das heißt ohne jegliche Interpretationsspielräume, festgelegt werden. Die alleinige Angabe einer B-Zahl, die nach den RStO 12 ermittelt wurde, kann und wird zu Fehlinterpretationen führen.  

3 Angebotsphase

Zentrale Punkte zur rechnerischen Dimensionierung sind in der Angebotsphase zu klären. Hier sind diverse Fragestellungen frühzeitig abzustimmen und entsprechend umzusetzen. Nachfolgend werden einige Themenbereiche aus der Angebotsphase aufgegriffen, die aus Sicht der Auftragnehmer von zentraler Bedeutung sind.

In der Angebotsphase ist häufig unklar, ob und inwieweit die TL Asphalt-StB und die ZTV Asphalt-StB sowie deren nachgeordnete Regelwerke gelten sollen. Dadurch steht immer wieder die Fragestellung im Raum, ob der Einsatz von Asphaltmischgutsorten zulässig ist, die vom Regelwerk abweichen. Wie sind z. B. Asphaltmischgutkonzepte mit abweichenden Bitumensorten, Bitumenmengen, Hohlraumgehalten im Vergleich zu den TL/ZTV Asphalt-StB 7/13 usw. zu bewerten, oder sind solche innovativen Asphaltkonzepte grundsätzlich ausgeschlossen? Diese Fragestellung hat einen massiven Einfluss auf die gesamte rechnerische Dimensionierung und die Ausschreibung an sich und sollte daher in den Ausschreibungsunterlagen eindeutig und unmissverständlich klargestellt werden.

Grundsätzlich ist die Zeitspanne von der Veröffentlichung bis zum Submissionstermin als elementarer Baustein zu sehen und sollte nicht zu kurz angesetzt sein. Projekte mit rechnerischer Dimensionierung sollten Submissionstermine frühestens 3 Monate nach Veröffentlichung aufweisen. Im Rahmen der Angebotsphase muss neben dem reinen prüftechnischen Aufwand, der für eine optimierte projektspezifische Bauweise benötigt wird, auch die grundlegende

„logistische“ Abstimmung unter Berücksichtigung der jeweiligen Infrastruktur erfolgen. Denn erst nach diversen Abstimmungen können konkret die gewünschten „iterativen“ Optimierungsprozesse bei der Wahl der Lieferwerke und der Asphaltmischgutkonzepte erfolgen.

Bei der „logistischen“ Abstimmung im Vorfeld ist eine Vielzahl an Fragestellungen gleich zu Beginn der Angebotsphase zu klären. Hierzu sind nachfolgend einige Beispiele aufgeführt.

Der interessierte Auftragnehmer muss prüfen, wer für die Baumaßnahme überhaupt als Asphaltlieferant in Betracht kommt. Hierbei müssen neben den Standorten auch die entsprechenden Anlagenkapazitäten (z. B. Mischleistung pro Stunde) berücksichtigt werden. Zusätzlich ist aber gerade bei der rechnerischen Dimensionierung der Fokus darauf zu legen, welche Gesteine jeweils an den Lieferwerken zur Verfügung stehen und welche Gesellschafter bzw. Gesellschaftsformen bei den infrage kommenden Lieferwerken vorliegen. Der letzte Aspekt hat dabei unmittelbare Auswirkungen auf die Komplexität der zu schließenden Liefer(vor!)verträge.

Der potenzielle AN muss zudem überlegen, auf welches Grundkonzept er seine Prüfungen stellt, bzw. – falls die Lieferwerke keine betriebseigenen Lieferwerke sind – wer die „Federführung“ im Design der Asphaltkonzeption übernehmen kann. Einerseits wird der erfahrene Auftragnehmer über hinreichendes Know-how bezüglich geeigneter Asphaltmischgutkonzeptionen verfügen. Andererseits sind seine Einflussmöglichkeiten auf die Asphaltmischgutkonzeptionen bei Fremdvergabe begrenzt, da er sicherlich nicht aufs Spiel setzen will, dass die infrage kommenden Lieferwerke die Gewährleistung ablehnen, da sie sich mit dem Konzept des potenziellen Auftragnehmers nicht identifizieren können. Es sind ferner Details zu klären,

z. B. welche Gesteinsarten an welcher Mischanlage vorliegen und welche Anlagen überhaupt zusätzliche Flächen für alternative Gesteinsarten zur Verfügung stellen können. Die Erstprüfungen sind im Falle der rechnerischen Dimensionierung auch bei der Belieferung durch mehrere Mischanlagen nun einmal zwingend identisch auszuführen. Bei den Asphaltbinder- und Asphalttragschichten ist dies aus Performance- und bei der Asphaltdeckschicht aus Griffigkeitsgründen so.

Hieraus entwickelt sich die parallel zu klärende Fragestellung, ob die noch nicht validierten Asphaltkonzepte von mehreren Werken final überhaupt zusammen abgewickelt werden können. Hierzu ist zu klären, wie dies vertraglich umzusetzen ist und vor allem, wie hier eine Preisbildung aussehen kann, da der Preis ein wesentliches, in der Regel gar das einzige Vergabekriterium ist. Dies bedeutet, dass hierzu belastbare Vorverträge mit den Mischanlagenbetreibern geschlossen werden müssten, ohne dass bereits ein belastbares Asphaltkonzept vorliegt. Man stelle sich vor, wie sich die infrage kommenden Asphalthersteller verhalten sollten, wenn ein halbes Dutzend interessierter Auftragnehmer oder mehr diese wesentlichen Vorgespräche führen und Vorverträge abschließen wollten.

Alle diese Fragestellungen sind vor den dynamischen Prüfungen, die für die Bestimmung der materialtechnischen Parameter benötigt werden, zu klären. Die Durchführung der zwingend erforderlichen Prüfungen gemäß RDO Asphalt 09 nehmen selbst einen erheblichen zeitlichen Umfang in Anspruch. Zusätzlich wird in vielen Ausschreibungen durch weitere ergänzende (und mitunter fragwürdige) Prüfungen der Prüfumfang noch einmal deutlich erhöht, wodurch der gesamte zeitliche Umfang zusätzlich erhöht wird. Exemplarisch ist nachfolgend aus einer Ausschreibung des Jahres 2017 der geforderte Prüfumfang dargestellt:

– Spurbildungsversuche für die Asphaltdeck- und Asphaltbinderschicht

– Kälteverhalten mit Zugfestigkeit und Bruchtemperatur für die Asphaltdeck- und Asphaltbinderschicht

– Kälteverhalten mit Bruchtemperatur für die Asphalttragschicht

– Verformungsverhalten Bitumen für alle Asphaltschichten (T-Sweep und MSCR)

Steifigkeit für alle Asphaltschichten und

Ermüdungskennwerte für die Asphalttragschicht.

Für eine ordnungsgemäße Durchführung der Versuche inklusive Beschaffung der Materialien, einer seriösen Probekörperherstellung, einer präzisen Probenvorbereitung und Probenlagerung mit entsprechender Konditionierung werden in Summe im Idealfall mindestens 4 Wochen für die Ergebnisermittlung nur einer Variante benötigt, sofern nicht auf mehreren Prüfständen parallel gearbeitet werden kann.

Bei Durchführung aller o. g. Prüfungen ist nahezu ausgeschlossen, dass hier ein sinnvoller „iterativer“ Optimierungsprozess durchgeführt werden kann. Es erfolgt eher eine Prüfung nach „vorne“, in der Hoffnung, die Untersuchungen rechtzeitig abschließen zu können und dabei auch zufällig das optimale Konzept zu finden. Dies ist eigentlich nicht der Sinn einer rechnerischen Dimensionierung.

In dieser Gesamtthematik der kurzen und häufig zu kurzen Angebotsfristen ist zu berücksichtigen, dass bei möglicherweise fünf oder sechs potenziellen Bietern die grundsätzlich mögliche Umsetzung der Prüfungen mit den Prüfinstituten zu klären ist. Wer kann diese Prüfungen in diesem Umfang durchführen, und ist dies bei einer größeren Anzahl an Bietern überhaupt noch zu bewältigen? Oder haben hier nur solche Bieter eine Chance, die über firmeneigene Großlabore verfügen?

Abschließend ist zu dieser Thematik noch anzumerken, dass bei der oben beispielhaft erwähnten Ausschreibung lediglich sechs Wochen zwischen Veröffentlichung und Submissionstermin lagen. Des Weiteren wurden Prüfvorschriften für die dynamischen Prüfungen herangezogen, die sich noch im Entwurfsstadium befinden und somit am Markt noch nicht frei zugänglich zur Verfügung stehen. Außerdem sollte die dimensionierungstechnische Nachrechnung auf Seiten des Auftraggebers mit einer neuen Software durchgeführt werden, die zum Zeitpunkt der Ausschreibung noch nicht zu erwerben war und die sich noch in der Beta-Phase befindet.  

4 Innenverhältnis Baufirma/Lieferwerk

Im Rahmen der vertraglichen Abwicklung bei Projekten auf Grundlage der rechnerischen Dimensionierung stellt das sogenannte „Innenverhältnis“ zwischen dem AN und dem Asphaltmischgutproduzenten einen zentralen Baustein dar. Dieser ist äußerst komplex und vielschichtig mit der zentralen Frage: Wie haften Asphaltmischgutproduzenten für ein „Performancemischgut“? Hier existieren derzeit keinerlei Regelungen. Es stellt sich die Frage, was passiert, falls sich die Asphaltmischgutproduzenten im Rahmen einer performanceorientierten Ausschreibung plötzlich auf die „normalen Regelwerke“ zurückziehen und davon nicht abrücken. In diesem Fall müsste der Auftragnehmer die komplette Haftung sowohl für den Einbau als auch das Asphaltmischgut allein übernehmen. Dieses Problem lässt sich derzeit nur vermeiden, wenn die potenziellen Asphaltmischgutproduzenten im Firmenverbund mit dem anbietenden AN stehen. Dies würde aber in letzter Konsequenz bedeuten, dass sich nur noch

„Selbstmischer“ an RDO-Maßnahmen vertragssicher beteiligen könnten – mit einem erheblichen Einfluss auf die Anzahl von Bietern. Es ist fraglich, ob das im Sinne der rechnerischen Dimensionierung ist und zu wirtschaftlichen Angeboten führen wird. Eine praxisnahe – in einem Regelwerk vorgesehene – vertragliche Ausgestaltung des beschriebenen „Innenverhältnisses“ liegt auch nach jahrelangen Diskussionen derzeit noch nicht vor. Sie wurde bei der oben zitierten Ausschreibung folgendermaßen auf den AN übertragen: „Gleichzeitig ist darzustellen, wie der Auftragnehmer die Einhaltung der Berechnungsannahmen durch den Asphaltmischgutproduzenten sicherstellt“.

Im Regelfall sind Projekte, in denen die rechnerische Dimensionierung angewendet werden soll, Projekte größeren Ausmaßes, die hohe Stundenleistungen der Asphaltmischgutproduktion erfordern. Wenn dann zusätzlich in voller Breite ohne Naht eingebaut werden soll, bedeutet das, dass eine Vielzahl an Asphaltmischanlagen zusammengebracht werden muss. Dies wirft unter anderem die Frage auf, ob die im Vorfeld unabdingbaren und umfangreichen technischen und vertragsrechtlichen Verhandlungen im Rahmen der Angebotsphase überhaupt zu bewältigen wären. Es würden wohl nur noch die größten Asphaltmischgutproduzenten Deutschlands in der Lage sein, RDO-Maßnahmen rechtssicher zu beliefern.

5 Ausführung/Kontrollprüfungen

Im Rahmen der Ausführung von RDO-Maßnahmen stellt sich weiterhin die Frage, wie mit konventionellen Kontrollprüfungsergebnissen umzugehen ist. Hierzu existieren derzeit die pragmatischen „Empfehlungen für die Abwicklung von Bauverträgen bei Anwendung der RDO Asphalt“. Darin werden bei Einhaltung der „regulären“ technischen Regelwerke (ZTV Asphalt-StB) keine Abzüge definiert. Nur bei Abweichungen hiervon werden die theoretisch errechneten Nutzungsdauern als Basis herangezogen. Hier stellt sich aus Sicht der Auftragnehmer die Frage, inwieweit im Laufe bisheriger Projekte genug Erfahrungen mit den Performance-Kennwerten und ihrer Sensitivität gesammelt werden konnten, um über die theoretischen Nutzungsdaueransätze belastbare Minderungen ableiten zu können, die im Einzelfall erheblich ausfallen können. Dabei soll im Rahmen dieses Beitrages gar nicht im Detail auf die Prüfgenauigkeiten und andere Einflüsse aus der Prüfungsvorbereitung (Probenahme etc.) eingegangen, sondern grundsätzlich die Frage aufgeworfen werden, was denn passiert, wenn der gebaute Streckenabschnitt am Ende eine höhere Nutzungsdauer als theoretisch ausgewiesen aufweist. Folgt dann eine Rückvergütung nach z. B. 22 Jahren?

Des Weiteren sind die Schwierigkeiten bei der Durchführung von Kontrollprüfungen bei RDO-Maßnahmen zu beachten. Kontrollprüfungen sollen möglichst vollflächig die Einbauqualität der gesamten Baumaßnahme charakterisieren, ohne dabei aber möglicherweise kleinräumig vorliegende Anomalien auszuklammern. Parallel soll der prüftechnische Aufwand in Grenzen gehalten werden, um Kosten einzusparen und die Strecke nicht unnötig zu perforieren.

Mit den hier aufgeführten Punkten soll aufgezeigt werden, dass bei Anwendung der RDO ein großes Ausmaß an Konfliktpotenzial im Streitfall existiert, da der Erfahrungshintergrund mit

„freiwilligen“ Performance-Projekten bisher extrem niedrig ist.  

6 Fazit

Die rechnerische Dimensionierung bietet Chancen und Potenziale. Mit der derzeitigen Ausschreibungspraxis und ohne eine ausgereifte „ZTV RDO“ geraten diese jedoch ins Hintertreffen. Die RDO wird zurzeit nicht „genutzt“, sondern eher „abgearbeitet“. Diese Tatsache stellt nach Ansicht der Verfasser nicht den Sinn der RDO dar. Es sollte die Chance offeriert werden, einen iterativen Optimierungsprozess durchführen zu können. Eine „ZTV RDO“ muss das Ausschreibungsprocedere klar vereinheitlichen, vertragliche Randbedingungen fixieren und auch praxisnahe Regelungen für das „Innenverhältnis“ zwischen Auftragnehmer und Asphaltmischgutproduzent beinhalten. Parallel sollte nach Ansicht der Verfasser darüber nachgedacht werden, ob nicht aufgrund der weiter steigenden B-Zahlen zumindest eine weitere Belastungsklasse in einer neuen RStO aufgenommen werden sollte, beispielsweise in der Größenordnung 100 – 250 Mio. äquivalenter 10-Tonnen-Achsübergänge. Es sollte überlegt werden, dabei nicht einfach die Anforderungen an Schichtdicken zu erhöhen, sondern – z. B. unter Zuhilfenahme von Erkenntnissen aus der rechnerischen Dimensionierung – optimierte Asphaltmischgutsorten aus den überarbeiteten TL/ZTV Asphalt-StB zu ermöglichen.

Literaturverzeichnis

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Empfehlungen für die Abwicklung von Bauverträgen bei Anwendung der RDO Asphalt, Ausgabe 2011, Köln, FGSV 767

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Asphaltdeckschicht (RDO Asphalt 09), Ausgabe 2009, Köln, FGSV 498

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung von Betondecken im Oberbau von Verkehrsflächen (RDO Beton 09), Ausgabe 2009, Köln, FGSV 497

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Richtlinien zur Bewertung der strukturellen Substanz des Oberbaus (RSO Asphalt), Entwurf

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen (RStO 12), Ausgabe 2012, Köln, FGSV 499

Schünemann et al.: Herausforderung einer praxisverträglichen Umsetzung der RDO Asphalt, Tagungsband 4. Dresdner Asphalttage, Dezember 2015

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Lieferbedingungen für Asphaltmischgut für den Bau von Verkehrsflächenbefestigungen (TL Asphalt-StB), Ausgabe 2013, Köln, FGSV 797

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Bau von Verkehrsflächenbefestigungen aus Asphalt (ZTV Asphalt-StB), Ausgabe 2013, Köln, FGSV 799