FGSV-Nr. FGSV 001/22
Ort Düsseldorf
Datum 08.10.2008
Titel Restwertermittlung von Asphalt- und Betonstraßen
Autoren Prof. Dr.-Ing. Andreas Großmann, Dipl.-Ing. Stephan Villaret
Kategorien Kongress
Einleitung

Die Ermittlung des Restwertes von Verkehrsflächen ist ein seit Jahrzehnten gehegter Wunsch der Straßenbauingenieure, um bei der Planung von Erhaltungs-, Erneuerungs- und Modernisierungsmaßnahmen auch die wirtschaftlichen Belange besser berücksichtigen zu können.

Die bisherige Praxis hat allerdings gezeigt, dass selbst bei dem Versuch einer näherungsweisen Ermittlung des Restwertes erhebliche Schwierigkeiten auftreten. Diese sind einerseits von den äußeren Einflüssen wie der Verkehrsbelastung und der Witterung und andererseits von den stofflichen und konstruktiven Gegebenheiten bedingt. Ein weiterer Hauptaspekt ist die Einschätzung der gegenwärtigen Substanz der Konstruktion und die weitere Zustands- und Schadensentwicklung. Durch ausschließliches Messen und Aufnehmen der Oberflächeneigenschaften mit Hilfe einer messtechnischen und/oder visuellen Zustandserfassung sowie nachfolgender Bewertung ist die Substanz nicht hinreichend erfassbar und somit nicht eindeutig bewertbar.

Im Beitrag werden aufgrund zahlreicher unterschiedlicher Definitionen zunächst die Begriffe „Substanzbewertung“ und „Restwertermittlung“ erläutert und auch in Bezug zur Nutzungsdauer einer Verkehrsfläche gebracht. Darauf aufbauend werden verschiedene Methoden bzw. Verfahren zur Substanzbewertung dargelegt sowie deren Vor- und Nachteile angesprochen. Für Betonbauweisen wird die Abhängigkeit des Zustandsverlaufs von den Schwerpunkten Dimensionierung, Konstruktion, Baustoffe und Baudurchführung, sowie rechtzeitige gezielte Erhaltungsmaßnahmen dargestellt. Abschließend wird eine mögliche Vorgehensweise zur Substanzbewertung und Restwertermittlung von Asphaltstraßen aufgezeigt, welche neben der Anwendung zur systematischen Straßenerhaltung auch für die neuen Vertragsformen herangezogen werden kann.

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1 Einführung in die Thematik

Der Begriff „Restwert“ oder „Restwertermittlung“ hat im Straßenbau in den vergangenen Jahren durch die Realisierung von A-Modellen und Funktionsbauverträgen sowie insbesondere durch die Umstellung von der kameralistischen auf die doppelte Haushaltsführung in den Kommunen und Ländern deutlich an Bedeutung gewonnen. Unter dem Begriff „Restwert“ versteht man allgemein den „monetären Wert einer Anlage zum Bewertungszeitpunkt“. Demnach unterliegt der Begriff „Restwert“ primär wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Von wesentlicher Bedeutung ist allerdings, welche Vorgehensweisen bzw. Verfahren für die Restwertermittlung zum Bewertungszeitpunkt herangezogen werden. In engem Zusammenhang hierzu steht die „Restnutzungsdauer“ einer Straßenbefestigung. Diese möglichst zutreffend zu bestimmen ist seit geraumer Zeit vor allem im Rahmen der systematischen Straßenerhaltung und bei der Dimensionierung von Verkehrsflächen wesentlicher Bestandteil der Forschungsaktivitäten.

Voraussetzung für die Ermittlung des Restwertes oder die Berechnung der Restnutzungsdauer ist eine fundierte Substanzbewertung. In den Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus, RStO 01 (FGSV, 2001) soll beispielsweise bei der Erneuerung von Fahrbahnen im Hocheinbau die Restsubstanz der vorhandenen Befestigung bewertet werden. Zur Abschätzung der Restsubstanz sowie zur Festlegung einer technischen und wirtschaftlich zweckmäßigen Erneuerungsbauweise sind gemäß den RStO 01 heranzuziehen:

  • Oberflächenzustand,
  • Tragfähigkeit (soweit ermittelt),
  • Art und Zustand der vorhandenen Befestigung einschließlich des Untergrundes/Unterbaues und ihre Eignung für die vorgesehene Funktion,
  • Zustand der Entwässerungseinrichtungen.

Im Rahmen von Forschungsarbeiten und verschiedenen Veröffentlichungen (z. B. Freund, Großmann, 2003) konnte bislang gezeigt werden, dass anhand den im Rahmen der Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) rein aus dem Oberflächenbild abgeleiteten „Substanzwert Oberfläche“ keine hinreichende Substanzbewertung möglich ist. Die Einbeziehung der Tragfähigkeit in die Substanzbewertung wird – basierend auf zerstörungsfrei arbeitenden Messsystemen – als kritisch angesehen, zumal ein Bewertungshintergrund für z. B. Messungen mit dem Falling Weight Deflectometer (FWD) derzeit nicht verfügbar ist. Der Zustand der vorhandenen Befestigung lässt sich abgesichert nur punktuell über zerstörende Verfahren (Bohrkernentnahmen) abschätzen.

Nachfolgend werden in diesem Zusammenhang vertieft die Ergebnisse des Forschungsprojektes 4.199 „Vergleichende Bewertung der Restsubstanz von Asphaltbefestigungen nach langjähriger Verkehrsnutzung“ (Ressel et. al, 2007) sowie entsprechende Entwicklungen für die Betonfahrbahnen dargestellt.

2 Begriffe zur Substanz- und Restwertermittlung

Das Bild 1 zeigt – bezogen auf die Zeitachse – die wesentlichen Eckpfeiler für die Ermittlung der Restnutzungsdauer, welche gleichzeitig die Grundlage für die Ermittlung eines Restwertes darstellt. Auf der Zeitachse ist im ersten Schritt die planmäßige „normative Nutzungsdauer“ außer acht gelassen; auch die gegenüber der Zeit maßgebendere summierte Verkehrsbelastung (B-Zahl – Entwicklung) ist erst im zweiten Schritt (Bild 6) dargestellt.

Bild 1: Begriffe zur Restwertermittlung

Während der Nutzungsdauer (Betriebs- und Erhaltungsphase) erfährt die Straßenbefestigung eine Beanspruchung durch den Verkehr und die klimatischen Randbedingungen. Der Zustand der Verkehrsfläche – insbesondere die Substanz betreffend – wird zu einem festgelegten Zeitpunkt, dem Bewertungszeitpunkt, erfasst und bewertet. Im Rahmen von Funktionsbauverträgen kann der Bewertungszeitpunkt dem Vertragsende entsprechen. Die Restnutzungsdauer ergibt sich als Zeitraum zwischen dem Ende der Nutzungsdauer und dem Bewertungszeitpunkt. Ein prozentualer Restsubstanzwert lässt sich somit aus dem Quotienten der Restnutzungsdauer und der Nutzungsdauer berechnen.

Allerdings muss das Ende der technischen und/oder wirtschaftlichen Nutzungsdauer festgelegt bzw. eindeutig definiert werden. Dies ist jedoch aufgrund unterschiedlicher Ansätze (z. B. Befahrbarkeit, Sicherheit, Substanz) nicht eindeutig möglich. Aus diesem Grund wurde bei der Erstellung der „Richtlinien für die Dimensionierung des Oberbaus (RDO Asphalt/RDO Beton)“ (FGSV, 2008 a) ein entsprechender Grenzzustand festgelegt: die „normative Nutzungsdauer“. Diese ist wie folgt definiert:

„Der als Norm dienende maßgebende, der Dimensionierung zugrunde gelegter Zeitraum bis zum Erreichen eines definierten Grenzzustandes“ (FGSV, 2008 a).

Im Rahmen der Dimensionierung werden Verkehrsflächen auf eine Nutzungsdauer von 30 Jahren entsprechend den Vorgaben der RStO 01 bemessen. Allerdings ist die normative Nutzungsdauer nicht auf die Zeitachse, sondern vielmehr auf die kumulierte Verkehrsbelastung bezogen. Dies bedeutet, dass das Ende der normativen Nutzungsdauer in Abhängigkeit der Verkehrsbelastung nach bereits z. B. 25 Jahren oder aber auch erst nach z. B. 35 Jahren erreicht werden kann. Dies hat vor allem im Rahmen von Funktionsbauverträgen eine besondere Bedeutung.

3 Voraussetzungen und Ziele bei der Restwertermittlung

Wesentliche Voraussetzung einer Restwertermittlung ist eine fundierte Substanzbewertung. Hierfür sollten

  • geeignete zerstörungsfreie oder zerstörende Verfahren Anwendung finden,
  • die Simulation mit einem Berechnungsverfahren möglich sein,
  • ein abgesicherter Bewertungshintergrund vorliegen,
  • das Verfahren standardisiert

Insgesamt sollte die Vorgehensweise im Technischen Regelwerk festgehalten werden. Hinsichtlich der Ermittlung der Restnutzungsdauer gelten als Voraussetzung die

  • Festlegung eines „definierten Grenzzustandes“,
  • Verfügbarkeit von Prognosemodellen für die Zustands- und Schadensentwicklung,
  • Verfügbarkeit von Prognosemodellen für das Baustoffverhalten unter entsprechenden Einbaubedingungen,
  • Angaben zur bisherigen und zur erwarteten Verkehrsbelastung,
  • Angaben zum bisherigen Wetter (Klima) einhergehend mit einer entsprechenden Prognose (Klimawandel).

Offensichtlich ist, dass derzeit nicht sämtliche Voraussetzungen vorliegen oder erforderliche Angaben verfügbar sind. Insofern ist in vielen Bereichen noch erheblicher Forschungsbedarf vorhanden.

Im Vorfeld einer Substanzbewertung mit anschließender Restwertermittlung sollte die eigentliche Aufgabenstellung im Lösungsansatz Berücksichtigung finden. Unterschieden werden kann in diesem Zusammenhang zwischen einer netzweiten und objektbezogenen Restwertermittlung (z. B. bei der Umstellung auf die Doppik) bzw. einer Restwertermittlung im Rahmen von z. B. Betreibermodellen oder Funktionsbauverträgen, bei letzterem vor allem zum Ende der Vertragslaufzeit. Wesentlicher Unterschied hierbei sind die gestellten Genauigkeitsanforderungen aufgrund der vorhandenen Vertragsrelevanz (z. B. Bonus-/Malus-Zahlungen).

4 Zerstörungsfreie Verfahren zur Substanzbewertung

4.1 Allgemeines

Hinsichtlich einer Substanzbewertung stehen derzeit vor allem folgende drei Möglichkeiten zur Verfügung:

  • Zerstörungsfreie Verfahren wie die schnellfahrenden Messsysteme im Rahmen der ZEB, das Georadar sowie stationäre und schnellfahrende Tragfähigkeitsmesssysteme,
  • Bohrkernentnahme zur Ermittlung des Schichtenaufbaus und für ergänzende Untersuchungen im Laboratorium,
  • theoretische Verfahren, vor allem die in den RDO Asphalt und RDO Beton beschriebene Systematik, wobei gegenüber der Neubemessung Modifizierungen zur Berücksichtigung der Ergebnisse der Substanzbewertung erforderlich werden können.

Anzumerken ist, dass je nach Aufgabenstellung und Zielsetzung eine Kombination der drei unterschiedlichen Vorgehensweisen erforderlich sein kann. Nachfolgend werden die verschiedenen Möglichkeiten einschließlich deren Vor- und Nachteile kurz erläutert.

4.2 Substanzbewertung im Rahmen der ZEB

Bei der netzweiten ZEB werden mit schnellfahrenden, im Verkehr „mitschwimmenden“ Messsysteme die Teilprojekte (TP) 1 bis 3 erfasst. Aus den vorliegenden Ergebnissen der TP 1 und 3 wird durch festgelegte Algorithmen und Verknüpfungen der „Substanzwert, Oberfläche“ ermittelt.

Die rein aus dem Oberflächenbild abgeleiteten Zustandsdaten liefern wichtige Informationen hinsichtlich der Verkehrssicherheit und der Befahrbarkeit, sie geben allerdings keine hinreichenden Hinweise auf Strukturschäden einer Konstruktion. Darüber hinaus stehen anhand dieser Messungen keine Frühindikatoren für sich abzeichnende Strukturveränderungen zur Verfügung. Insofern ermöglicht der „Substanzwert, Oberfläche“ im Rahmen der systematischen Erhaltungsplanung eine erste Einschätzung zur vorhandenen Substanz auf Netzebene.

Ergänzt wird der „Substanzwert, Oberfläche“ bei der systematischen Straßenerhaltung durch den „Substanzwert, Bestand“, ermittelt gemäß dem FGSV-Arbeitspapier Nr. 9/S zur Erhaltungsplanung (FGSV, 2003). Der dort berechnete Bemessungsindex stellt für die Anwendung auf Netzebene eine sinnvolle Ergänzung zum „Substanzwert, Oberfläche“ dar. Für eine Anwendung auf Objektebene genügt dieser Ansatz nicht, was im Übrigen bereits in der Vorbemerkung des Arbeitspapiers ausgeführt wird.

4.3 Messungen mit dem Georadar

Die Arbeitsweise des Georadarverfahrens wurde bereits mehrfach beschrieben (BASt, 2003), insofern wird darauf verwiesen. Wesentliche Möglichkeiten des Georadars sind die Dickenbestimmung der Schichten von Verkehrsflächen sowie die Festlegung von homogenen Aufbauabschnitten. Hinsichtlich der exakten Auflösung einzelner Schichten bei z. B. Asphaltbauweisen wird kontrovers diskutiert. Festzuhalten bleibt, dass die Genauigkeit des Verfahrens von der Messgeschwindigkeit (Schrittgeschwindigkeit bis „mitschwimmen“ im Verkehr) und somit von den Scans je Meter abhängt. Schichtdicken sollten allerdings grundsätzlich über Bohrkerne abgeglichen werden.

Inwieweit die mehrfach beschriebenen und bei Georadarmessungen unter anderen erfassten temperaturabhängigen Hohllagerungen unter Betondecken oder mangelnder Schichtenverbund bei Asphaltbefestigungen als Grundlage einer Substanzbewertung herangezogen werden können, muss noch weitergehend erforscht werden. Hierzu soll künftig innerhalb der Arbeitsgruppe 4 ein eigener Arbeitskreis eingerichtet werden.

4.4 Tragfähigkeitsmessungen

In der Bundesrepublik Deutschland werden primär die Tragfähigkeitsmesssysteme Benkelman-Balken und FWD eingesetzt. Diese Messsysteme sind im FGSV-Arbeitspapier „Tragfähigkeit“ (FGSV, 2008 b) ausführlich beschrieben. Eine Korrelation besteht nicht, da einerseits statisch und andererseits dynamisch gemessen wird und die Messsysteme eine unterschiedliche Tiefenwirkung hervorrufen. Aufgrund ihrer stationären Arbeitsweise werden diese – anders als in benachbarten europäischen Ländern – hauptsächlich auf Objektebene eingesetzt. Im Gegensatz hierzu wird der bedingt schnellfahrende und im Bundesland Brandenburg verfügbare Lacroix auch auf Netzebene eingesetzt (FGSV, 2008 b). Schnellfahrende Tragfähigkeitsmessungen sind jedoch die Voraussetzung für die Einbeziehung des Parameters Tragfähigkeit in die netzweite Substanzbewertung. Entsprechende Messsysteme („Curviametro“) sind beispielsweise in Spanien und Frankreich seit ca. 10 Jahren im Einsatz bzw. in anderen Ländern in der Entwicklung (TSD, Dänemark).

Inwieweit die Tragfähigkeit einer Verkehrsfläche als Grundlage einer vertragsrelevanten Substanzbewertung über zerstörungsfrei arbeitende – gegebenenfalls noch schnellfahrende – Messsysteme erfasst werden kann, wird sowohl national als auch international aufgrund der vielen komplexen Einflussfaktoren kontrovers diskutiert.

Festgehalten werden kann in diesem Zusammenhang, dass anhand von stationär und schnellfahrenden Tragfähigkeitsmesssystemen Abschnitte gleicher Tragfähigkeit festgelegt sowie ein relativer Vergleich von Tragfähigkeitskennzahlen vorgenommen werden kann. Der Einsatz der jeweiligen Messsysteme sollte in Abhängigkeit der zu erfassenden Objektlänge gewählt werden.

5 Restwertermittlung

5.1 Abschätzung der Nutzungsdauer

In Ermangelung abgesicherter Vorgehensweisen bei der Substanzbewertung basierend auf zerstörungsfrei arbeitenden Messsystemen sollten mit dem Forschungsprojekt 4.199 „Vergleichende Bewertung der Restsubstanz von Asphaltbefestigungen nach langjähriger Verkehrsnutzung“ Wege erforscht werden, wie über eine fundiertere Substanzbewertung auch eine abgesicherte Restnutzungsdauer als Grundlage einer vertragsrelevanten Restwertermittlung vorgenommen werden kann. Für Betonbauweisen stehen abschließende Untersuchungen noch aus.

Grundlage der Vorgehensweise sind Untersuchungen an Bohrkernen im Laboratorium sowie die zwischenzeitlich erstellten RDO Asphalt und RDO Beton einhergehend mit den erforderlichen Softwarelösungen. Ziel der Untersuchungen ist die Ermittlung des Beginns von Ermüdungsrissen an der Unterseite der Asphalttragschicht bzw. der Ober- oder Unterseite der Betondecke. Das Vorgehen hierzu kann in folgende Schritte unterteilt werden, die nachfolgend für beide Bauweisen kurz erläutert werden:

I  Erfassung von Grunddaten: Alter und Verkehrsbelastung

Wesentliche Grundlage ist die Erfassung von Aufbau und Alter des zu untersuchenden Streckenabschnittes. In der Regel erfordert dies eine Recherche in den Bauakten. Des Weiteren ist die bisherige Verkehrsbelastung aus verfügbaren Angaben zu ermitteln sowie der Verkehr bis zum Ende der definierten Nutzungsdauer zu prognostizieren.

Als Ergebnis liegen dann die erforderlichen Bestands- und Verkehrsdaten als Grundlage der weiteren Bearbeitungsschritte vor.

II a Ermittlung des Zustandes und Feststellen von Schäden

In Abhängigkeit der Objektgröße sollte eine messtechnische und/oder visuelle Zustandserfassung erfolgen. Ergänzt werden kann diese durch Tragfähigkeitsmessungen zur Festlegung homogener Tragfähigkeitsabschnitte. In Abhängigkeit der Vollständigkeit der Bauakten bzw. zur Vermeidung von Fehleinschätzungen sind Georadarmessungen zur Aufnahme der Aufbaudaten bzw. zum Abgleich mit diesen zielführend.

Als Ergebnis liegen detaillierte Informationen zum Bestand und Zustand der Strecke vor.

II b Bewerten des Zustandes und der Schäden

Aufbauend auf der Zustandserfassung wird der Zustand nach den Vorgaben des Technischen Regelwerks bzw. vorliegender Erkenntnisse und Erfahrungen (z. B. bei Tragfähigkeitsmessungen) bewertet und eingeschätzt. Anhand der visuellen Zustandserfassung können Schäden wie Gefügestörungen, Risse und Netzrisse eingruppiert und klassifiziert werden.

Dieser Arbeitsschritt liefert die Grundlage für das Festlegen homogener Verhaltensabschnitte im Hinblick auf die erforderliche Bohrkernentnahme sowie zur Eingruppierung der Oberflächenschäden in Schadensklassen als erster Indikator der Schadensursache.

III a Bohrkernentnahmen: Feststellen von Aufbaudaten

In dem festgelegten repräsentativen Abschnitt von ca. 10 m Länge werden bei Asphaltbauweisen 12 Bohrkerne mit Durchmesser 150 mm für

  • Ermüdungsuntersuchungen (9 Bohrkerne),
  • E-Modulbestimmung (3 Bohrkerne)

entnommen (Bild 2). Im Ausnahmefall kann die E-Modulbestimmung an Bohrkernen erfolgen, die danach für die Ermüdungsversuche weiterverwendet werden. Somit reduziert sich der Aufwand auf 9 Bohrkerne.

Vorab werden an diesen Bohrkernen die Schichten- und Schichtenfolge sowie Schichtdicken als Ergänzung zu den Bestandsunterlagen der Bauverwaltung aufgenommen. Hilfreich im Hinblick auf die eigentliche Fragestellung sind parallel hierzu Untersuchungen zum Schichtenverbund und zu Abnutzungserscheinungen (Erosionen).

Bild 2: Bohrkernentnahme

III b Bohrkernentnahmen: Miterialuntersuchungen

Bei Asphaltbauweisen erfolgt sowohl die E-Modulermittlung als auch die Bestimmung der Ermüdungsbeständigkeit über den Spaltzugschwellversuch. Bei der Bestimmung des E-Moduls mit Hilfe des Spaltzugschwellversuchs soll die Mikrorissbildung im Probekörper durch die Festlegung der Prüfbedingungen (sehr geringe Belastung und Lastwechselzahl) bewusst vermieden werden. Die Bestimmung erfolgt anhand von Multistage-Versuchen, die eine Variation der Oberspannung (drei unterschiedliche Spannungszustände) und der Temperatur (4 unterschiedliche Temperaturzustände) beinhalten.

Für die Ermittlung der Ermüdungsbeständigkeit werden mindestens drei Einzelversuche bei mindestens drei verschiedenen Oberspannungen bei einer Prüftemperatur von 20 °C und einer Prüffrequenz von 10 Hz durchgeführt (Bild 3).

Bild 3: Ermüdungsfunktionen (Asphaltbauweise) für Bohrkerne, entnommen in der Rollspur (rot) und neben der Rollspur (blau) (Ressel , et al. 2007)

Bei Betonbauweisen erfolgen die Prüfungen anhand der statischen Spaltzugfestigkeit (Bild 4). Die Ergebnisse werden den vorliegenden Ermüdungsfunktionen der Straßenbetonklassen zugeordnet. Hierbei ist auch eine Berücksichtigung der Nacherhärtung des Straßenbetons erforderlich. Diesbezügliche Untersuchungen an den verwendeten Zementen müssen von den Zementwerken bereitgestellt werden.

IV Rechnerische Abschätzung der Lebensdauer

Die rechnerische Abschätzung der Nutzungsdauer basiert für Asphaltbauweisen auf den RDO Asphalt, für Betonbauweisen auf den RDO Beton. Mit den vorhandenen Angaben aus den Grunddaten, den gewonnenen Informationen aus der Bohrkernentnahme sowie den an den Bohrkernen ermittelten bemessungsrelevanten Parametern kann die noch verbleibende Anzahl an ertragbaren Achsübergängen und darauf aufbauend der Nutzungsausfallzeitpunkt bzw. der definierte Grenzzustand berechnet werden. Der Nutzungsausfallzeitpunkt (NAZ) stellt bei Asphaltbauweisen den Zeitpunkt des Beginns von Makrorissen an der Unterseite der Asphalttragschicht dar. Bei Betondecken wird die Einhaltung der zulässigen Ausfallraten über statistische Methoden zur Verteilung der maßgebenden Eigenschaften bestimmt.

Bild 4: Statische Spaltzugprüfung an Straßenbeton

Das Bild 5 zeigt für drei im Rahmen des Forschungsprojektes 4.199 untersuchte Versuchsstrecken die abgeschätzten Nutzungsdauern.

Bild 5: Berechnete Nutzungszeiträume für drei Versuchsstrecken unterschiedlicher Aufbauten und unterschiedlicher Verkehrsbelastung

5.2 Monetäre Bewertung

Das Bild 6 zeigt aufbauend auf das Bild 1 die wesentlichen Zeitpunkte für die Vorgehensweise zur monetären Bewertung. Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass das Forschungsprojekt auf den Schwerpunkt „Funktionsbauverträge“ ausgelegt war.

Bild 6: Definitionen der Schritte zur Restwertermittlung

Grundlage der Restwertermittlung ist der über die Verkehrsbelastung (äquivalente Achsübergänge) berechnete Nutzungsausfallzeitpunkt/die definierte Ausfallrate der – dies sei an dieser Stelle nochmals erwähnt – in Abhängigkeit der Verkehrsstärke und der weiteren beschriebenen Eigenschaften deutlich vor oder nach dem der Bemessung zugrunde gelegten Normativen Nutzungsdauer von z. B. 30 Jahren eintreten kann.

In einem ersten Schritt werden bei Funktionsbauverträgen die kumulativen Belastungen (BKUM) für folgende Zeiträume errechnet bzw. aus den Vertragsunterlagen herangezogen:

  • Vertragslaufzeit zum Bewertungszeitpunkt (BKUM „Vertragslaufzeit“),
  • Restnutzungsdauer (BKUM „Restnutzung“),
  • vertraglich festgelegte Belastung (BKUM „RStO“).

In einem zweiten Schritt wird darauf aufbauend ein „Realer Restsubstanzwert (RWreal)“, welcher sich aus dem Quotienten von BKUM „Vertragslaufzeit“ durch BKUM „Vertragslaufzeit“ und BKUM „Restnutzung“ ergibt, berechnet.

Des Weiteren wird ein geforderter Restsubstanzwert (RWgef) ermittelt, der sich aus dem Quotienten von BKUM „Vertragslaufzeit“ und BKUM „RStO“ bestimmen lässt.

Abschließend erfolgt die monetäre Bewertung. Ein erster Vorschlag hierzu wurde von Ressel, et al. (2007) wie folgt unterbreitet:

Aufgrund gewisser Unsicherheiten, z. B. bei der Ermittlung der Verkehrsbelastung, wurde zunächst ein Toleranzbereich definiert:

Toleranzbereich für RWgef = 0,9 x RWgef < RWgef < 1,1 x RWgef .

Demnach ergibt sich hinsichtlich der monetären Bewertung folgende Fallunterscheidung: Fall 1 RWreal im Toleranzbereich: keine monetäre Bewertung

Fall 2 RWreal außerhalb des Toleranzbereichs: monetäre Bewertung.

6 Ausblick

Die Ausführungen zur Restwertermittlung von Asphalt- und Betonfahrbahnen zeigen den derzeitigen Stand von Wissenschaft und Technik. Elementarer Bestandteil der Restwertermittlung ist eine fundierte Substanzbewertung einhergehend mit deren Prognostizierung. Es ist offensichtlich, dass die hier beschriebenen Verfahren und Vorgehensweisen weiter untersucht und vor allem abgesichert werden müssen. Im Hinblick auf eine Restwertermittlung, welche vor allem im Rahmen der neuen Vertragsformen auch vertraglich Bestand haben muss, wird vor allem das im Forschungsprojekt 4.199 entwickelte Verfahren als zielführend angesehen. Die in diesem Forschungsprojekt für Asphaltbauweisen festgehaltenen Ansätze sollten auf eine breitere Basis gestellt und entsprechend validiert werden. Dies gilt im gleichen Sinne auch für die Betonfahrbahnen.

Wie bereits hervorgehoben, ist vor allem für die Thematik „Substanzbewertung“ erheblicher Forschungsbedarf von Nöten. Dies gilt nicht nur für die Anwendung im Rahmen der Konzessions- und Funktionsbauverträge, sondern auch für den Bereich der systematischen Straßenerhaltung. Insbesondere hier können gegebenenfalls durch neue, bereits im Einsatz befindliche Technologien und Erfassungsmöglichkeiten wie z. B. 3D-Laserscanning und schnellfahrende Tragfähigkeitsmessungen Fortschritte zur konventionellen Vorgehensweise gewonnen werden.

Literaturverzeichnis

Bundesanstalt für Straßenwesen: Arbeitsanleitung für den Einsatz des Georadars zur Gewinnung von Bestandsdaten des Fahrbahnaufbaues, Ausgabe 2003

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaues von Verkehrsflächen (RStO 01), Ausgabe 2001, FGSV 499

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Arbeitspapier Nr. 9/S zur Erhaltungsplanung, Reihe S: Substanzwert (Bestand), Ausgabe 2003, FGSV AP 9

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien zur Zustandserfassung und -bewertung von Straßen, (ZTV ZEB-StB), Ausgabe 2006, FGSV 998

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung des Oberbaues von Verkehrsflächen mit Asphalt (RDO Asphalt)/mit Betondecke (RDO Beton), Entwurf 2008 a

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Arbeitspapier Tragfähigkeit, 2008 b

Freund; Großmann: Substanzbewertung von Betonfahrbahnen. Vortrag auf der Betonstraßentagung 2003 in Stuttgart

Ressel; Wellner; Benner; Lipke: Vergleichende Bewertung der Restsubstanz von Asphaltbefestigungen nach langjähriger Verkehrsnutzung. Im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2007