FGSV-Nr. FGSV B 30
Ort Köln
Datum 20.10.2011
Titel Qualitativ hochwertige Baustoffe für den modernen Betonstraßenbau
Autoren Dr. techn. Dipl.-Ing. Klaus Felsch
Kategorien Betonstraßen
Einleitung

Betondecken werden in Deutschland von qualifizierten Straßenbaufirmen gebaut. Diese Firmen haben entsprechendes Fachwissen, langjährige Erfahrung und einen auf die Leistungsparameter abgestimmten Maschinenpark. In Zusammenarbeit mit der Baustoffindustrie werden ferner Baustoffe ausgewählt und eingesetzt, die den hohen Beanspruchungen aus Verkehr und der Witterung dauerhaft genügen. Dieser Beitrag geht auf die Gewinnung bzw. Herstellung der für den Betondeckenbau wichtigen Baustoffe Zement und Gesteinskörnung ein und beschreibt, welche Baustoffparameter sich auf den Beton-Deckenbau auswirken.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Rohstoffe für die Zementproduktion

Das Urdonautal

Im Folgenden wird die Herstellung von Fahrbahndeckenzement am Beispiel des Steinbruchs und Zementwerks Schelklingen (Nähe Ulm) auf der schwäbischen Alb beschrieben. Im sogenannten Urdonautal finden sich die Gesteine des Oberen Weissjuras. Bis zur vorletzten Eiszeit durchfloss die Donau das Tal zwischen Schelklingen und Blaubeuren. Das Urdonautal wurde auch bekannt, weil hier mehrere urgeschichtliche Fundstellen liegen. Unter anderem wurde 2008 die berühmte Venus im > Hohle Fels < bei Schelklingen entdeckt. Die Frauenstatuette aus Mammutelfenbein dürfte 35.000 bis 40.000 Jahre alt sein. Die nur wenige cm große Figur wurde als Amulett getragen, an Stelle des Kopfes gibt es eine Öse.

Bild 1: Venus aus dem >Hohle Fels

Das verwertbare Gesteinsvorkommen hat in der Region um Schelklingen eine Mächtigkeit von maximal 150 bis 170 m. Zurzeit des Oberen Weissjuras war Süddeutschland ein Teil des weiten europäischen Schelfmeeres. Es herrschte trockenheißes Klima, das eine biogen gesteuerte Kalkproduktion begünstigte. In Zeiten verringerter Karbonatproduktion kam es dann zur Sedimentation von Mergel. Kalkstein, Ton oder der Mischform Mergel, die die wichtigsten Rohstoffe für die Zementproduktion darstellen.

Die Eignung der Rohstoffe für die Kalk- und Zementproduktion im Donautal wurde bereits im 19. Jahrhundert erkannt. Die ersten erfolgreichen Versuche zur Herstellung eines qualitativ hochwertigen hydraulischen Mörtels übernahm im Ulmer Raum der Maurer Johann Daniel Weil. Er begann 1838 mit der gewerblichen Herstellung von hydraulischem Kalk. Ab 1864 ging der Ulmer Apotheker Gustav Leube als erster Zementfabrikant in Deutschland dazu über, natürlichen Portlandzement aus Kalkmergeln zu produzieren. Der Zement wurde in Schachtöfen an verschiedenen Standorten im Alb-Donau-Kreis produziert. An Standorten wie Schelklingen, Allmendingen, Blaustein werden noch heute Zemente und Kalke produziert, allerdings haben sich die Herstellungstechniken deutlich verändert.

Bild 2: Zement- und Kalkproduktion im 19. Jahrhundert 

2 Der Steinbruch Vohenbronnen

Der Steinbruch Vohenbronnen liefert die Rohstoffe für die Zementproduktion des Werkes Schelklingen, unter anderem auch Kalkmergel für Straßenbauzement, der aktuell in großen Betondeckenlosen eingesetzt wird (z. B. auf der BAB A 5 bei Offenburg). Im Steinbruch – der einer großen Schüssel ähnlich ist – werden Zementmergel, Massenkalksteine, Bankkalksteine und im geringeren Umfang Gesteine der unteren Süßwassermolasse abgebaut.

Der Zementmergel wird im Zentrum der Schüssel ca. 120 m mächtig angetroffen. Die unteren und oberen Zementmergel bestehen aus schwach tonigen Kalksteinen, die mittleren Zementmergel aus stark tonigen Kalkmergelgesteinen. Die Massenkalke haben einen Anteil von 90 bis 95 % CaCO3; der Anteil an CaCO3 der Zementmergel liegt zwischen 60 und 85 %. Durch Abbau und Mischen der Mergel bzw. Massenkalke werden zwei Schotterqualitäten ein „Kalknieder“ (ca. 70 bis 80 % CACO3) und ein „Kalkhoch“ (ca. 85 bis 90 % CACO3) eingestellt. Das Rohmehl, das hieraus gewonnen wird, wird unter Zugabe von Korrekturstoffen auf definierte Aluminium- und Eisenanteile sowie einen Qualitätsmodul, den sogenannten Kalkstandard eingestellt.

Bild 3: Steinbruch Vohenbronnen bei Schelklingen

Bild 4: Steinbruch/Zementmergelschichten

Bild 5 : Geochemische Zusammensetzung des Rohmaterials Schelklinge

Die geochemische Zusammensetzung der verschiedenen Kalk- und Mergelschichten zeigt das Bild 5.

Parallel zum Abbaubetrieb im Steinbruch wird bereits mit der Renaturierung begonnen. Steinbrüche sind deshalb auch immer Heimat für seltene Pflanzen und vom Aussterben bedrohter Tierarten.

Bild 6: Renaturierung der Steinbrüche 

3 Produktionsprozess im Zementwerk

Das vorgebrochene Rohmaterial wird über Förderbänder in zwei Schotterhallen transportiert. Hier werden die Schotterqualitäten bis zur weiteren Mahlung überdacht gelagert. Bei Aufschütten und Abzug des Schotterhaufwerks wird unbedingt auf Homogenisierung geachtet. Nur die gleichmäßige Qualität in allen Prozessstufen generiert letztlich einen qualitativ hochwertigen Fahrbahndeckenzement. Das aufbereitete Rohmehl wird über einen Wärmetauscher dem Drehofen zugeführt. Die vorgegebenen Brenntemperaturen müssen erreicht werden, um die gewünschte Klinkerqualität zu garantieren. Alle Produktionsschritte und Produktionsdaten werden im Leitstand überwacht und dokumentiert. Das Labor zieht aus allen Prozessschritten Proben zur sofortigen Analyse. Bei Abweichungen von den Zielwerten werden unmittelbar Maßnahmen eingeleitet.

Bild 7: Drehofen, Wärmetauscher und BypassBild 8: Leitstand und Produktionskontrolle

Eigenschaften von Fahrbahndeckenzement

Alkaligehalt

Fahrbahndeckenzemente müssen die in der ZTV Beton geforderten Grenzwerte zum Alkaligehalt einhalten. Hierauf ist bei der Zusammensetzung der Schotterqualitäten unbedingt zu achten. Die Zementmergelvorkommen haben dabei unterschiedliche Anteile an Alkalien. Nach dem Brennprozess liegen diese als Natrium – und Kaliumsulfate im Klinker vor (als Arkanit oder gebunden in der C3A-Phase). Im Brennprozess können Alkalien auch verdampfen. Werden chloridhaltige Brennstoffe eingesetzt, wird die Verdampfung erleichtert.

Ein Teil der Alkalien, die sich im Gasstrom befinden, kann ferner über einen sogenannten Bypass ausgeschleust werden. Der gefüllte Abgasstrom enthält dann Sulfate, Chloride und Alkalien.

Die Rohstoffzusammensetzung (Kalkmergel und die Korrekturstoffe) sowie der Brennstoffmix als auch die Verfahrenstechnik (Bypass vorhanden?) entscheiden damit über den wirksamen Alkaligehalt im Klinker und Zement. Für eine mögliche Alkalikieselsäurereaktion (AKR) sind aber vor allem auch andere Einflüsse verantwortlich.

AKR beeinflussende Faktoren sind:

Alkaligehalt Fahrbahndeckenzement,

Zementgehalt Beton,

– Alkalieintrag über andere Betonausgangsstoffe,

– Menge und Typ der alkalireaktiven Gesteinskörnung,

Temperatur und Feuchtigkeit,

Permeabilität des Betons,

Alkalizufuhr von außen. 

5 Mechanismus der Alkalireaktion

Bei der Reaktion von Zement und Wasser reagieren die Klinkerphasen (z. B. Alit) zu Calciumsilicathydratphasen und Calciumhydroxid. Gleichzeitig gehen die Alkalisulfate K2SO4 und NaSO4 sofort in Lösung und reagieren mit Calciumhydroxid zu Calciumsulfat und Alkalihydroxid (KOH und NaOH)

K2 SO4 +Ca(OH)2 -> CaSO4 +2KOH

Bild 9: Mechanismus der Alkalireaktion

Bild 10: Schädigung des Gefüges durch AKR

Alkalihydroxid reagiert mit reaktivem Siliciumdioxid (der Gesteinskörnung) zu Alkali-Kieselsäure Gel. Das Gel kann unter Wasser und nach Aufnahme von Calcium betonschädigende Quelldrücke aufbauen.

Bei Untersuchung mit dem Mikroskop wird die Gelbildung in den Poren und Mikrorissen deutlich. Durch das Quellen des Gels in den Gesteinskörnern können osmotische Quelldrücke entstehen, die die Zugfestigkeit des Gesteins und des Betons übersteigen. 

6 Mahlfeinheit/Wasseranspruch/Kornzusammensetzung

Der gebrannte Klinker wird unter Zugabe eines Sulfatträgers gemahlen. Hierbei wird eine definierte Mahlfeinheit (gemessen als Blaine Wert in cm2/g) sowie eine bestimmte Kornverteilung angestrebt. Insbesondere ist die Mahlfeinheit ein wichtiger Kennwert für die Beurteilung der Deckenzemente. Feiner ausgemahlene Zemente erstarren tendenziell in der Regel etwas früher, haben einen höheren Wasseranspruch und erreichen höhere Früh- und Endfestigkeiten. Die Auswertung verschiedener Deckenzemente der Klasse CEM I 42,5 N folgen einem Trend. Eine lineare Beziehung zwischen den Parametern gibt es nicht. Bei gleicher Mahlfeinheit kann es zwischen Zementen verschiedener Herstellwerke deutliche Unterschiede im Erstarrungsverhalten und der Festigkeitsentwicklung geben.

Natürlich wirken sich die Zementeigenschaften auf die Qualität der Deckenbetone aus. Das Bild 13 gibt eine Übersicht.

So wirken sich die Zementparameter auf den Frischbeton und hier insbesondere auf die Verarbeitbarkeit, das Zusammenhaltevermögen und das Glättverhalten aus.

Im Festbeton werden die Festigkeitsentwicklung (Zeitpunkt für Fugenschnitt und Ausbürsten) sowie die Nachbehandlungsempfindlichkeit und die Dauerhaftigkeit durch die Zementeigenschaften beeinflusst.

Bild 12: Beziehung zwischen Mahlfeinheit und 2-Tage-Festigkeit (CEM I 42,5 N)

Bild 13: Einfluss der Zementqualität auf weitere Betoneigenschaften

Bild 14: Einfluss der Zementeigenschaften auf die Betonkonsistenz

Bild 15: Einfluss der Zementeigenschaften auf das Glättverhalten

Bild 16: Einfluss der Zementeigenschaften auf Oberflächeneigenschaften (hier Ausbürsten)

Als Deckenzemente werden heute vor allem Portlandzemente der Festigkeitsklasse CEM I 42,5 N eingesetzt. Eine Übersicht aktuell geprüfter Deckenzemente der Festigkeitsklasse CEM I 42,5 N verschiedener Zementhersteller gibt das Bild 17.

CEM II und CEM III Zemente haben im Betondeckenbau aber ebenfalls ihre Berechtigung und eignen sich (auch unter dem CO2-Minderungsansatz) bestens für den Bau von Fahrbahndecken. Erste Decken belegen die gute Qualität der CEM II- und CEM III-Zemente. Überdurchschnittlich hohe Werte zeigen Fahrbahndeckenzemente mit einem Anteil an Hüttensand in Bezug auf die Biegezugfestigkeit.

Nach neuen Erkenntnissen liegen die Nacherhärtungen (Zunahme der Festigkeiten > 28 Tage) von CEM II/III Zementen im Bereich der Nacherhärtung von CEM I Zementen.

Bild 17: Eigenschaften der Fahrbahndeckenzemente CEM I 42,5 N

Bild 18: Vergleich CEM I mit CEM II / CEM III–Zementen

Bild 19: Entwicklung der Druckfestigkeit CEM I sowie CEM II/III Zemente 

7 Gesteinskörnung für Fahrbahndecken

Gesteinskörnungen für Fahrbahndeckenbetone müssen ein dichtes Gefüge aufweisen. Vorgeschrieben und einsetzbar sind natürliche Gesteinskörnungen nach TL Gestein-StB aus rundem Korn und gebrochenem Korn.

Bild 20: Rundkorn für den Unterbeton

Die Verarbeitbarkeit und der Erhärtungsverlauf des Betons sowie die Dauerhaftigkeit der Betondecke dürfen durch die Gesteinskörnung nicht ungünstig beeinflusst werden. Anforderungen an Gesteinskörnungen und zwar unterschieden in Unter- und Oberbeton werden gestellt bezüglich: Form, Festigkeit, Frostwiderstand, Abriebwiderstand, Korngrößenverteilung, Größtkorn, Sieblinie und Wasseranspruch (TL Beton-StB, Tafel 4.3 und 4.8).

Besondere Aufmerksamkeit ist der Alkali-Kieselsäurereaktion zu schenken. Als AKR-auslösend gelten alle amorphen, kryptokristallinen und gittergestörten SiO2-Minerale. Hierzu zählen Opal, Chalcedon, Stressquarze. Gesteinskörnungen, die das Risiko einer AKR erhöhen, sollten identifiziert und nicht eingesetzt werden. Die Förderung von Kies sowie ihre Aufbereitung ist den Bildern 21, 22 und 23 zu entnehmen.

Bild 21: Waschen und Absieben von Kies

Bild 22: Fördern der Kornfraktionen nach dem Spülvorgang

Bild 23: Mobile Mischanlage für den Betondeckenbau im Kieswerk (OHU-Iffezheim)