FGSV-Nr. FGSV A 40
Ort Nürnberg
Datum 10.05.2011
Titel Straßenbau in Bayern
Autoren MDirig. Dipl.-Ing. Karl Wiebel
Kategorien Asphaltstraßen
Einleitung

Der Beitrag gibt einen Überblick über die Aufgaben und die organisatorische Gliederung der Bayerischen Straßenbauverwaltung sowie über die aktuelle Situation des Straßenbaus in Bayern. Die Aufstellung bzw. Umsetzung der wichtigsten Fachprogramme des Straßenbaus, des Bedarfsplans für die Bundesfernstraßen, des Ausbauplans für die Staatsstraßen und des Koordinierten Erhaltungs- und Bauprogramms werden erläutert. Der Lärmschutz an Straßen soll durch verstärkte Anwendung lärmmindernder Fahrbahnbeläge verbessert werden. Die Bayerische Straßenbauverwaltung wirkt bei der Erprobung und Weiterentwicklung neuartiger Bauweisen aktiv mit. Vielversprechende Ergebnisse liegen bereits vor. Auf Grundlage umfangreicher Erfahrungen mit ÖPP-Projekten entwickelt die Bayerische Straßenbauverwaltung derzeit projektspezifisch optimierte Vertragsmodelle, bei denen nach Möglichkeit auf eine private Vorfinanzierung verzichtet wird, die positiven Aspekte öffentlich-privater Partnerschaften aber möglichst umfassend genutzt werden. Für die zugehörigen „Funktionsbauverträge“ wird derzeit ein Leitfaden erarbeitet.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1   Die Bayerische Straßenbauverwaltung

Die Bayerische Straßenbauverwaltung plant, baut, erhält und betreibt ein Straßennetz von rund 25.500 km Länge bestehend aus 2.503 km Autobahnen, 6.329 km Bundesstraßen, 13.601 km Staatsstraßen und 3.073 km Kreisstraßen. Bestandteil dieses Straßennetzes sind mehr als 14.000 Brücken, 56 Tunnel und über 5.300 km Radwege (Anmerkung zu Bild 1: Die Zahlen beziehen sich auf das gesamte Straßennetz unabhängig von den jeweiligen Zuständigkeiten). Die Bauinvestitionen in die Autobahnen, Bundes- und Staatsstraßen belaufen sich jährlich auf mehr als eine Milliarde Euro. Den Aus- und Neubau kommunaler Straßen fördert der Freistaat Bayern zusätzlich mit etwa 200 Mio. Euro pro Jahr.

Organisatorisch ist die Bayerische Straßenbauverwaltung 3-stufig aufgebaut (Bild 2). Ministerielle Ebene und damit vor allem zuständig für Grundsatzentscheidungen und strategische Planungen ist die Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern. Ihr nachgeordnet sind für den Bereich der Bundesautobahnen zwei Autobahndirektionen und für den Bereich der Bundes- und Staatsstraßen sieben Bezirksregierungen. Die operativen Aufgaben vor Ort obliegen den Behörden der Unterstufe, den 19 Staatlichen Bauämtern und den sechs Dienststellen der Autobahndirektionen. Ihnen sind 33 Autobahnmeistereien und 66 Straßenmeistereien zugeordnet.

Die Bayerische Straßenbauverwaltung hat rund 6.700 Beschäftigte, wovon rund die Hälfte im Betriebsdienst angesiedelt ist. Etwa zwei Drittel der Beschäftigten sind im Bereich der Bundes-, Staatsund Kreisstraßen tätig, ein Drittel im Bereich der Bundesautobahnen.

Bild 1: Netz der überörtlichen Straßen in Bayern

Bild 2: Organisation der Bayerischen Straßenbauverwaltung

2   Fachprogramme des Straßenbaus in Bayern

Die wichtigsten Programme für den Ausbau des Straßennetzes in Bayern sind der „Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen“ und der „Ausbauplan für die Staatsstraßen in Bayern“. Sie stellen als Maßnahmenpakete den Arbeitsauftrag für die Straßenbauverwaltung dar, für welche Projekte in den kommenden Jahren die planerischen und rechtlichen Grundlagen zu schaffen sind und bei Bereitstellung entsprechender Haushaltsmittel die bauliche Umsetzung erfolgen soll.

Der aktuelle Bedarfsplan wurde 2004 vom Deutschen Bundestag verabschiedet und in den Jahren 2009/2010 vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung überprüft. In der höchsten Dringlichkeitsstufe „Vordringlicher Bedarf“ enthält der Bedarfsplan auf aktueller Kostenbasis für Bundesfernstraßenprojekte in Bayern ein Projektvolumen von 10,9 Mrd. Euro. Rund die Hälfte, nämlich 5.377 Mio. Euro, konnte die Bayerische Straßenbauverwaltung bis Ende 2009 umsetzen. 44 % der Projekte des Vordringlichen Bedarfs sind bereits für den Verkehr freigegeben, weitere 21 % sind derzeit in Bau. Für 35 % der Projekte laufen Planungen bzw. Verfahren zur Erlangung des Baurechts. Der Bedarfsplan von 2004 ist auch aus bayerischer Sicht noch immer gut geeignet, die meisten vorhandenen oder prognostizierten Engpässe aufzulösen.

Der 6. Ausbauplan für die Staatsstraßen in Bayern wird derzeit fortgeschrieben. Insgesamt 982 Projekte und Varianten mit einem Gesamtvolumen von 4,5 Mrd. Euro wurden einem gesamtwirtschaftlichen Bewertungsverfahren unterzogen, das eine Dringlichkeitsreihung der erwogenen Projekte nach bayernweit einheitlichen Kriterien ermöglicht. Komponenten des Verfahrens sind die Nutzen-Kosten-Analyse, die Umweltrisikoeinschätzung und die Raumwirksamkeitsanalyse. Die Ergebnisse des Bewertungsverfahrens und die Dringlichkeitseinstufung sind im Bild 3 dargestellt. Der Entwurf der Dringlichkeitsliste wird derzeit mit den Regionalen Planungsverbänden abgestimmt und soll anschließend von der Bayerischen Staatsregierung beschlossen werden.

Der Neu- und Ausbau von Straßen darf langfristig nicht zu Lasten der bedarfsgerechten Erhaltung ihres Bestandes gehen. Die Ergebnisse der turnusmäßigen Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) zeigen im Vergleich der letzten drei Messkampagnen, dass mit den verfügbaren Mitteln zwar der Gebrauchswert der überörtlichen Straßen in Bayern auf konstantem Niveau gehalten oder sogar noch etwas verbessert werden konnte. Für den Erhalt oder gar die Verbesserung der Substanz war der Haushaltsansatz allerdings deutlich zu gering (Bild 4).

Bild 3: Entwurf des 7. Ausbauplans für die Staatsstraßen in Bayern

Bild 4: Zustandsentwicklung der Straßen in Bayern

Um die Mittel für die Bestandserhaltung möglichst effektiv einzusetzen, hat die Bayerische Straßenbauverwaltung auf Grundlage der ZEB das „Koordinierte Erhaltungs- und Bauprogramm“ (KEB) entwickelt. Dabei handelt es sich um ein mittelfristiges Erhaltungsprogramm, das automatisch erzeugte Vorschläge für sanierungswürdige Streckenabschnitte und Bauwerke enthält und von den Staatlichen Bauämtern in ein konkretes Bauprogramm für Fahrbahnen und Bauwerke überführt wird.

3   Aktueller Straßenbau in Bayern

Derzeit laufen die Bauarbeiten für insgesamt 23 große Maßnahmen an Autobahnen und Bundesstraßen mit Gesamtkosten von über 1,2 Mrd. Euro (Bild 5). Investitionsschwerpunkte sind der sechsstreifige Ausbau der BAB A 3 Aschaffenburg – Würzburg und der BAB A 6 bei Nürnberg, sowie der Neubau der BAB A 94 Forstinning – Ampfing und der B 15neu Saalhaupt – Ergoldsbach.

Bild 6: Vorhandenes Baurecht für Bundesfernstraßenprojekte > 5 Mio. €

Für weitere 28 Bundesfernstraßenprojekte mit einem Volumen von 1,5 Mrd. Euro besteht Baurecht (Bild 6). Mit der gegenwärtigen und absehbaren Finanzausstattung im Bundesfernstraßenhaushalt müssen aber zunächst die vielen laufenden Maßnahmen plangemäß fertiggestellt werden. Ein Spielraum für neue Baubeginne besteht derzeit nicht.

4   Verbesserter Lärmschutz an Bayerns Straßen

Die Bayerische Staatsregierung räumt dem Schutz der Menschen vor Verkehrslärm einen hohen Stellenwert ein. Am 21. September 2010 hat der Ministerrat das „6-Punkte-Programm zum Verkehrslärmschutz“ mit Aussagen zum Straßen-, Schienen- und Fluglärm beschlossen:

  1. Konsequente Verbesserung des Lärmschutzes im bestehenden Verkehrsnetz
  2. Baulastträger müssen für Lärmschutz zahlen
  3. Lärmsanierung in Kommunen dauerhaft finanziell unterstützen
  4. Lärm mindernde Fahrbahnbeläge verstärkt einsetzen
  5. Effizienten Lärmschutz an der Quelle voranbringen
  6. Mit nachhaltigen Verkehrskonzepten die Lärmbelastung verringern.

Die Absenkung der Lärmsanierungsgrenzwerte sowohl bei den Bundesfernstraßen als auch im Bereich der Staatsstraßen um 3 dB(A) eröffnet im Straßenbau neue Spielräume für aktive Lärmschutzmaßnahmen. Zugleich soll nun auch bei der Lärmsanierung dem aktiven Lärmschutz Vorrang gegenüber Lärmschutzmaßnahmen am Immissionsort eingeräumt werden, soweit dies technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar ist. Dafür kommen in erster Linie lärmmindernde Fahrbahnbeläge im Betracht. Ihr Einsatz ist in Bayern auch ausdrücklicher politischer Wille, wie aus Punkt 4 des 6-Punkte-Programms hervorgeht. Im Bereich der Staatsstraßen ist bei Erneuerungsmaßnahmen in lärmkritischen Bereichen generell zu prüfen, ob lärmmindernde Fahrbahnbeläge zum Einsatz kommen können. Dies wird dort der Fall sein, wo es lärmtechnisch anzustreben, bautechnisch sinnvoll und auch wirtschaftlich vertretbar ist.

Zur Erprobung und Weiterentwicklung innovativer Bauweisen hat sich in Bayern der Arbeitskreis „Leiser Straßenverkehr Bayern“ mit Vertretern aus Verwaltung, Kommunen, Wirtschaft und Verbänden konstituiert (Bild 7). Ziel des Arbeitskreises ist es, Erkenntnisse und Erfahrungen zum Thema Lärmschutz zusammenzutragen, konkrete Projekte in Bayern zu initiieren und zu begleiten sowie Fachwelt, Politik und Öffentlichkeit zu informieren.

Bild 7: Arbeitskreis „Leiser Straßenverkehr Bayern“

Es stehen inzwischen mehrere Bauweisen für lärmmindernde Fahrbahnbeläge zur Verfügung. Offenporiger Asphalt (OPA) wird in einschichtiger Bauweise mit oder ohne gummimodifiziertem Bitumen seit vielen Jahren in Bayern erfolgreich angewendet. Zweischichtige Bauweisen wurden in Pilotversuchen getestet. Insgesamt sind schon rund 180 Fahrbahn-Kilometer mit einer Gesamtfläche von ca. 2,3 Mio. m² mit OPA ausgestattet. Da sich dank des BASt-Status eine Lärmminderungswirkung von 5 dB(A) ansetzen lässt, wird diese Bauweise im Rahmen der Lärmvorsorge häufig mit anderen aktiven Lärmschutzmaßnahmen kombiniert. Im Hinblick auf die kurze Lebensdauer ist OPA aber eine vergleichsweise teure Bauweise.

Mit dem Ziel einer besseren Dauerhaftigkeit wurden neue Beläge entwickelt, die eine vergleichbar gute Lärmminderung von bis zu 4 dB(A) erreichen. Sie werden aufgrund des noch fehlenden BASt-Status bislang aber nur für (freiwillige) Maßnahmen der Lärmsanierung eingesetzt. Beispiele sind der DSH-V (Dünnschichtbelag im Heißeinbau auf Versiegelung) und der SMA LA (lärmtechnisch optimierter Splittmastixasphalt), die auf bayerischen Autobahnen bereits in größerem Umfang eingebaut wurden. Der von der Ruhr-Universität Bochum entwickelte LOA 5 D wurde in Bayern für den Ausbau einer hoch-belasteten Bundesstraßen-Ortsdurchfahrt verwendet. Der in Nordrhein-Westfalen bereits erprobte offenporige Gussasphalt (PMA) soll demnächst versuchsweise auch in Bayern eingesetzt werden.

5   ÖPP im Straßenbau

Die Bayerische Straßenbauverwaltung hat mit ÖPP-Pilotprojekten im Bundesfern- und Staatsstraßenbau vielfältige Erfahrungen gesammelt. Umfangreichstes Projekt ist bisher das A-Modell für den sechsstreifigen Ausbau der BAB A 8 zwischen Ulm und München. Der Abschnitt zwischen Augsburg und München wurde im vergangenen Jahr baulich durchgehend fertiggestellt. Die Bauarbeiten im Abschnitt Ulm – Augsburg beginnen in diesem Jahr. Bei den Staatsstraßen wurden bzw. werden die Ersatzneubauten von insgesamt vier Mainbrücken und ein Teilabschnitt der Flughafentangente Ost in der Nähe des Münchener Flughafens im Rahmen öffentlich-privater Partnerschaften abgewickelt.

Auf Grundlage dieser umfangreichen Erfahrungen entwickelt die Bayerische Straßenbauverwaltung projektspezifisch optimierte ÖPP-Vertragsmodelle, bei denen die zu erbringenden Leistungen funktional beschrieben sind, eine langfristige Verantwortung für den Erhalt des Projekts übertragen wird, aber nach Möglichkeit auf eine private Vorfinanzierung verzichtet wird. Die positiven Erfahrungen mit öffentlich-privaten Partnerschaften sollen dabei möglichst umfassend genutzt werden.

Folgende Erwartungen sind mit derartigen ÖPP-Modellen verbunden:

  • Optimierte Bauabwicklung und Termintreue durch Generalunternehmervergabe.
  • Optimierte Risikoallokation und damit Kostensicherheit hinsichtlich Massen, Baugrund und Verkehrsmengen mit dem Ziel, dass der Vertragspartner die Risiken trägt, die er am ehesten beeinflussen kann.
  • Anreize für qualitätsvolles Bauen durch Übertragung der Verantwortung in der Erhaltungsphase.
  • Aktivierung des Innovationspotenzials beim Bieter bzw. Auftragnehmer.
  • Steigerung der Wirtschaftlichkeit durch optimierte Bauabwicklung und Vermeidung von Finanzierungskosten.

Ziel ist eine auf die jeweils anstehende Bauaufgabe maßgeschneiderte Projektbildung und Ausgestaltung des Vertrags. Durch Beschränkung der Projektgröße soll die Mittelstandsfreundlichkeit gewahrt bleiben. Projekte kommen für die Anwendung von langfristigen Funktionsbauverträgen aber in der Regel nur dann in Frage, wenn sie folgende Kriterien erfüllen:

  • Das Baurecht ist gesichert und der Grunderwerb abgeschlossen.
  • Die Randbedingungen zur Umsetzung der Baumaßnahme sind exakt erfassbar, insbesondere die Baugrundverhältnisse.
  • Es ist eine klare Abgrenzung zu benachbarten Streckenabschnitten oder anderen Baulastträgern möglich.
  • Bauvolumen mindestens 5 Mio. €.
  • Zur wirtschaftlichen Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen muss der Erhaltungsabschnitt mindestens 2 km lang sein.
  • Während der Vertragsdauer treten keine wesentlichen Änderungen im Streckenabschnitt auf, zum Beispiel hinsichtlich Verkehrsbedeutung, Ausbaubedarf, Kreuzungsneu- oder -ausbau.

Ein Leitfaden zu langfristigen Funktionsbauverträgen liegt im Entwurf vor und soll nun mit den Vertretern der Bauwirtschaft diskutiert und abgestimmt werden.

Unabhängig von der vertraglichen Form, in der Verkehrsanlagen hergestellt, saniert oder erneuert werden, ist Qualitätsbewusstsein und gute Zusammenarbeit aller am Bau Beteiligten unerlässlich, um dauerhafte, sicher befahrbare Straßen bereitzustellen.