FGSV-Nr. FGSV 001/21
Ort Karlsruhe
Datum 11.10.2006
Titel Gender Mainstreaming – Schlagwort oder Beitrag zur Qualitätssicherung in der Verkehrsplanung?
Autoren Dipl.-Ing. Juliane Krause
Kategorien Kongress
Einleitung

Gender Mainstreaming hat zum Ziel, die Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen von Bildung, Einkommen, Mobilität, Teilnahme am politischen und gesellschaftlichen Leben und an Entscheidungsprozessen zu erreichen. Gender Mainstreaming richtet den Fokus nicht auf die Situation von Frauen, sondern auf das Verhältnis von Frauen und Männern im Vergleich. Ziel ist die Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern. Auf den Verkehrsbereich übertragen heißt das gleichwertige Mobilitätschancen für alle. Diese herzustellen bedeutet eine stärkere Orientierung der Verkehrsangebote an Lebensmustern und -zusammenhängen. Eine nach dem Gender-Prinzip gestaltete Verkehrsplanung muss auf allen Ebenen (Definition von Standards, Bestandsanalyse, Angebotskonzeptionen, Maßnahmenbausteine) ansetzen und eine Folgenabschätzung vorlegen. Dies sind wesentliche Elemente von Qualitätsmanagement.

Die Stadt Freiburg im Breisgau bearbeitet als Partnerin des INTERREG III B Projekts „GenderAlp! Raumentwicklung für Frauen und Männer“ das Verkehrsinfrastrukturprojekt: „Stadtbahnverlängerung Zähringen unter Berücksichtigung der Gender Mainstreaming Strategie“. Zentrale Inhalte des Projektes sind Qualitätssicherung der Entwurfsplanung durch Organisation und Abwicklung einer zielgruppenorientierten Öffentlichkeitsbeteiligung mit Blick auf das soziale Geschlecht (gender) und die Implementierung von Gender Mainstreaming in die Bauverwaltung (Pilotprojekt).

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0  Einleitung

Vor dem Hintergrund des ökonomischen und sozialen Wandels und der demografischen Entwicklung ist es geboten, sich in der Verkehrsplanung mit den unterschiedlichen Lebenslagen und Mobilitätsbedürfnissen von Frauen, aber auch von Kindern und Jugendlichen, zum Teil auch von älteren Menschen auseinander zusetzen mit dem Ziel der Schaffung gleichwertiger Mobilitätschancen.

Frauen haben dabei – z. B. infolge der Mehrfachbelastung (Erwerbstätigkeit, Familienarbeit, Arbeit im sozialen Umfeld), der immer noch geringeren Pkw-Verfügbarkeit, der zumeist schlechteren ökonomischen Bedingungen, spezifische Mobilitätsbedingungen. Gleichzeitig sind sie aber auch stellvertretend für andere Personengruppen mit entsprechenden Mobilitätsbedingungen.

Der Beitrag befasst sich mit generellen Aspekten zu Gender Mainstreaming und Verkehrsplanung, stellt die Vorgangsweise von Freiburg in der Öffentlichkeitsbeteiligung vor und zeigt, dass Gender Mainstreaming ein Instrument der Qualitätssicherung für eine gute und bedarfsorientierte Planung ist.

 

1  Was heißt Gender Mainstreaming?

„Gender“ ist die englische Bezeichnung für das soziale, das anerzogene Geschlecht im Unterschied zum biologischen Geschlecht (engl. ‚sex’). Gender Mainstreaming bedeutet, bei allen gesellschaftlichen Vorhaben die unterschiedlichen Lebenssituationen von Frauen und Männern von vornherein zu berücksichtigen, um Frauen und Männern künftig gleiche Chancen hinsichtlich ihrer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben einzuräumen (Bild 1).

Mit dem Amsterdamer Vertrag wurde im Mai 1999 Gender Mainstreaming als politische Strategie der Europäischen Union eingeführt und als verbindliche Vorgabe festgelegt. Grundansatz von Gender Mainstreaming ist die systematische Einbeziehung der Gleichstellungsperspektive in alle Politikfelder.

Gender Mainstreaming ist eine prozessorientierte Strategie, mit der die Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen von Bildung, Einkommen, Mobilität, Teilnahme am politischen und gesellschaftlichen Leben und an Entscheidungsprozessen erreicht werden soll. Das geschlechtergerechte Denken soll als Hauptströmung und Selbstverständlichkeit in alle Bereiche unseres Lebens fließen. Gender Mainstreaming richtet den Fokus nicht auf die Situation von Frauen, sondern auf das Verhältnis von Frauen und Männern im Vergleich. Ziel ist die Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern.

In der Bundesrepublik Deutschland ist Gender Mainstreaming seit 1999 flankierend zur Fortschreibung von Gleichstellungspolitik in Landes- und Bundesgesetzen als durchgängiges Leitprinzip vorgegeben.

  • Gender Mainstreaming bedeutet, bei allen gesellschaftlichen Vorhaben die unterschiedlichen Lebenssituationen in Interessen von Frauen und Männern von vornherein und regelmäßig zu berücksichtigen, da es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit
  • Gender kommt aus dem Englischen und bezeichnet die gesellschaftlich, sozial und kulturell geprägten Geschlechtsrollen von Frauen und Männern. Diese sind – anders als das biologische Geschlecht – erlernt und damit auch veränderbar.
  • Mainstreaming (englisch für „Hauptstrom“) bedeutet, dass eine bestimmte inhaltliche Vorgabe, die bisher nicht das Handeln bestimmt hat, nun zum zentralen Bestandteil bei allen Entscheidungen und Prozessen gemacht
  • Gender Mainstreaming ist damit ein Auftrag
    • an die Spitze einer Verwaltung, einer Organisation, eines Unternehmens und
    • an alle Beschäftigten,
  • die unterschiedlichen Interessen und Lebenssituationen von Frauen und Männern
    • in der Struktur
    • in der Gestaltung von Prozessen und Arbeitsabläufen
    • in den Ergebnissen und Produkten
    • in der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
    • in der Steuerung (Controlling)
  • von vornherein zu berücksichtigen, um das Ziel der Gleichstellung von Frauen und Männern effektiv verwirklichen zu können. Quelle: gendermainstreaming.net

Bild 1: Zum Begriff Gender Mainstreaming

 

2  Was bedeutet das für die Verkehrsplanung?

Auf den Verkehrsbereich übertragen bedeutet Gender Mainstreaming, dass bei allen Richtlinien, Analysen, Konzepten, Projekten, Programmen und Entscheidungen eine genderdifferenzierte Betrachtung selbstverständlich sein sollte. Ziel ist die Schaffung gleichwertiger Mobilitätschancen für alle. Gleichwertige Mobilitätschancen herzustellen bedeutet eine stärkere Orientierung der Verkehrsangebote an Lebensmustern und -zusammenhängen. Planung und Politik kann erheblich verbessert werden, wenn sie diese Vielfalt wahrnimmt und unterstützt. Dies ist nicht nur als Beitrag zu begreifen, die strukturellen Unausgewogenheiten zu mildern, sondern auch die Bedingungen in unseren Städten im Sinne von Nachhaltigkeit zu verbessern.

Die Implementierung von Gender Mainstreaming im Verkehrsbereich fußt auf dem Ansatz, dass die – seit längerem diskutierten – spezifischen Anforderungen von Frauen und Männern an die Verkehrssysteme und deren Ausgestaltung im Wesentlichen auf die sozialen Rollen in unserer Gesellschaft zurückzuführen sind:

  • Menschen die vorwiegend Haus- und Familienarbeit leisten haben andere Anforderungen als Erwerbstätige ohne Familie
  • Menschen unterwegs mit Kindern haben andere Anforderungen als Menschen unterwegs mit Aktentaschen
  • Menschen, die Erwerbsarbeit und Haus- und Familienarbeit miteinander verbinden wollen oder müssen, sind verkehrlich sehr stark belastet. Diese Mehrfachbelastung führt zu spezifischen Mobilitätsmustern, wie z. B. den sogenannten Wegeketten, und dazu, dass Personen in dieser Lebenssituation zu allen Tageszeiten in der ganzen Stadt unterwegs sind (Krause 1999).

Was haben die spezifischen Mobilitätsmuster (Bild 2) von Menschen, die gleichzeitig Erwerbs-, Haus- und Familienarbeit leisten, mit der Ausgestaltung der Verkehrssysteme bzw. dem Mitteleinsatz zu tun? Diese und ähnliche Fragen müssen gestellt und beantwortet werden, wenn die von EU und Bundesregierung in den Gesetzen verankerte Strategie des Gender Mainstreaming umgesetzt werden soll. Daraus ergeben sich spezifische Bedürfnisse an die räumliche und zeitliche Erreichbarkeit der Infrastruktureinrichtungen mit allen Verkehrsmitteln (FGSV 1997; FGSV 2004).

Eine nach dem Gender-Prinzip gestaltete Verkehrsplanung muss auf allen Ebenen (Definition von Standards, Bestandsanalyse, Angebotskonzeptionen, Maßnahmenbausteine) ansetzen und eine Folgenabschätzung vorlegen. Die wesentlichen Fragen dabei sind:

  • Welche Auswirkung hat das (neu gestaltete) Angebot auf Frauen und auf Männer in ihren jeweiligen sozialen Rollen?
  • Tragen die Maßnahmen dazu bei, das Angebot diesbezüglich gleichermaßen zu verbessern?
  • Wurden bei der Erarbeitung von Konzepten die unterschiedlichen Ansprüche, z. B. über Beteiligungsverfahren, eingebracht?

Bild 2: Typische Mobilitätsmuster von Erwerbstätigen mit und ohne Haus- und Familienarbeit

Vor dem Hintergrund des Gender Mainstreaming als prozessorientierte Strategie müssen an die Konzepte und die damit verbundenen Planungsprozesse mit ihren Beteiligungsverfahren folgende Fragen gestellt werden.

Leitfragen

  • Welche Gruppen sind besonders betroffen? Wo müssen Benachteiligungen ausgeglichen werden? (Datenanalyse)
  • Was sind mögliche Lösungen? Welche alternativen Handlungsmöglichkeiten bestehen? (Lösungen und Alternativen)
  • Wie verändert sich durch die Planung und Umsetzung die Verteilung der Ressourcen Zeit und Geld? (Wirkungen)
  • Welche Gruppen waren an der Problemstellung, der Lösungsfindung und der Entscheidung beteiligt? (Prozessgestaltung)
  • Wurden die Ziele durch Umsetzung erreicht? Wo besteht Bedarf an Nachbesserung? (Evaluation)

Fragen zur Methodik und zum Verfahren:

  • Welche Voraussetzungen müssen geschaffen werden? Welche Daten werden benötigt?
  • Welche Veränderungen ergeben sich im Planungs- und Umsetzungsprozess?
  • Wie gelingt es in Projekten gendersensibel zu planen, ohne dabei der Gefahr zu erliegen, Rollenzuschreibungen und Rollenstereotypen zu verfestigen?

An der Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern hat sich bislang nichts Wesentliches geändert. Frauen sind, auch wenn sie berufstätig sind, in erster Linie für Haus- und Familienarbeit zuständig, mit den damit verbundenen Anforderungen an die Verkehrssysteme und deren Ausgestaltung. Die Anforderungen von Frauen an Prozessorganisationen und Beteiligungsverfahren stehen deshalb im Vordergrund der nachstehenden Ausführungen. Sie stehen stellvertretend für andere Personengruppen mit entsprechenden Mobilitätsbedingungen.

 

3  Was bedeutet das für Prozessorganisation und Beteiligung?

Verkehrsplanung ist ein gesellschaftlicher Teilprozess

Verkehrsplanung ist ein umfassender Eingriff und berührt die Gebiete in ihrer verkehrlichen, baulichen, wirtschaftlichen und sozialen Struktur. Je nach Art und Umfang der Konzepte und Maßnahmen entstehen unterschiedliche und auch widersprüchliche Einschätzungen bei den Betroffenen: die einen meinen beispielsweise bei Verkehrsberuhigung mehr Bäume und Platz zum Spielen, die anderen Staus oder Schikanen, die Dritten befürchten Umsatzrückgang. Kommunale Verkehrsplanung ist deshalb als politischer Prozess zu verstehen, der durch Gesetzmäßigkeiten der Konfliktaustragung im politischen Entscheidungsprozess bestimmt wird.

Planung und Realisierung kommunaler Verkehrskonzepte und der Grad möglicher Konflikte sind wesentlich bestimmt durch die Rahmenbedingungen und die damit verbundenen unterschiedlichen Interessen. Zentrale Elemente hierbei sind Ursachen, Art und Ausmaß der Verkehrsbelastungen, die unterschiedlichen Nutzungsinteressen an Funktion und Gestalt des Straßenraums und die zugleich höchst ungleichen Einfluss- und Machtpotenziale der einzelnen Planungsbeteiligten.

Um die Nutzung des Straßenraumes streiten sich beispielsweise Menschen mit oder ohne Auto, Geschäftsleute mit Befürchtungen vor Umsatzrückgang, Menschen die saubere Luft atmen wollen, Kinder die spielen wollen, Frauen die wollen, dass sie ihre Wege ungehindert zurücklegen können und dass sie ihre Kinder nicht überall hin begleiten müssen. Die Chancen, dass sie alle gleichberechtigt ihre Interessen durchsetzen können, sind nicht gegeben. So sind es vor allem Frauen, Kinder, Jugendliche und alte Menschen, denen eine weniger am Auto orientierte Nutzung und Gestaltung des Straßenraumes zugute käme. Dies sind jedoch zugleich auch die Bevölkerungsgruppen, die bislang über geringere soziale und politische Einflussmöglichkeiten verfügen als ihre „Nutzungskonkurrenten“.

Die skizzierte Interessenkonstellation auf kommunaler Ebene macht deutlich, warum es besonders politisch initiierter Anstöße bedarf, eine Veränderung allein aufgrund des „freien Spiels der Kräfte“ bisher nicht stattgefunden hat und wohl auch nicht zu erwarten ist. Die letztendlich realisierten Maßnahmenkonzepte sind somit das Ergebnis eines Aushandlungsprozesses zwischen den einzelnen Gruppen der Betroffenen und anderen „Akteuren“ des Planungsprozesses.

Vor dem Hintergrund des Gender Mainstreaming (hier Erreichen gleichwertiger Mobilitätschancen für alle) kommt zielgruppenspezifischen Beteiligungsverfahren eine besondere Bedeutung zu.

 

Defizite bisheriger Beteiligungsverfahren

Betroffenenbeteiligung und Öffentlichkeitsarbeit weisen im Rahmen der Planung und Durchführung von kommunalen Verkehrsplanungen deutliche Defizite auf. Die Defizite ergeben sich insbesondere aus einer fehlenden Beteiligung an konzeptionellen Planungen und gesamtverkehrsplanerischen Überlegungen und aus der verspäteten Beteiligung bzw. Information bei Einzelplanungen. Die konventionellen Formen wie Bürgerversammlungen, Meinungsumfragen, Anhörungen sind im Sinne einer frühzeitigen, kontinuierlichen und zielgruppenspezifischen Betroffenenbeteiligung nicht ausreichend.

So zeigen diese Verfahren in der Regel folgende Mängel:

  • Es beteiligen sich in erster Linie die „sozialaktiven“ Bevölkerungsteile und die Redegewandtesten (das Expertenwissen der eigentlich Betroffenen wird so nicht berücksichtigt); es melden sich oftmals nur die, die negativ von einer Planung betroffen sind
  • Frauen nehmen an diesen Veranstaltungen seltener teil und melden sich in geringerem Maße zu Wort (dazu zählen auch die ungünstigen Tageszeiten, fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten).

Zusammenfassend heißt das: Die gängigen Beteiligungsformen wirken sowohl in sozialer als auch in geschlechtsspezifischer Hinsicht selektiv. Eine richtig verstandene Betroffenenbeteiligung ermöglicht es dagegen allen gesellschaftlichen Gruppen, tatsächlich am Zustandekommen der politischen Entscheidungen mitzuwirken.

Es gilt daher, neben den Anforderungen an eine stärkere Beteiligung von Frauen geeignete Formen aufzuzeigen, die es Frauen verstärkt ermöglicht, sich auf allen Ebenen der Planung und innerhalb eines Planungsprozesses zu beteiligen.

 

Anforderungen an Beteiligungsverfahren

Vor Beginn des Planungsprozesses ist für jedes Maßnahmenkonzept (z. B. Verkehrsentwicklungsplan, Tempo-30-Konzept, Nahverkehrsplan) auch ein Beteiligungskonzept aufzustellen. Ein Beteiligungskonzept, das die spezifischen Anforderungen in den einzelnen Planungsphasen und der unterschiedlichen Nutzungsinteressenten – von der Konzeption bis zur Detailplanung – berücksichtigt.

Die Beteiligung muss frühzeitig und kontinuierlich über den gesamten Planungszeitraum erfolgen und sie muss betroffenenspezifisch bzw. lebensstilspezifisch sein. Sozialbenachteiligte Gruppen (Ausländerinnen und Ausländer, Mobilitätseingeschränkte) und Personen mit geringerem Artikulationsvermögen (Alte, Kinder) erfordern andere Beteiligungsformen als beispielsweise Gewerbetreibende.

Expertinnen bzw. Experten des eigenen Lebenszusammenhanges und des damit verbundenen tatsächlichen Bedarfs sind vor allem diese selbst. Deshalb sind Instrumente zu entwickeln, mit denen die konstruktive Beteiligung der potenziellen und realen Nutzer sichergestellt werden kann. Die stärkere Wohnumfeldabhängigkeit von Frauen, Kindern und älteren Menschen macht sie zu denjenigen, die sich am besten auskennen in ihrem Quartier.

So sollten die Beteiligungsverfahren vor allem der spezifischen Umfeldaneignung (das heißt räumliche Nähe zum Alltagsleben) und den spezifischen Politikzugängen beispielsweise von Frauen (das heißt Anknüpfung an Strukturen im Stadtteil bzw. im ländlichen Raum) Rechnung tragen.

Ferner ist auf die spezifischen weiblichen Lebenszusammenhänge einzugehen, das heißt frauengerechte Organisation (Anfangszeit und Dauer von Sitzungen, Lage des Sitzungsortes, eventuelle Kinderbetreuung).

Es ist jedoch auch festzuhalten, dass es ein generell anwendbares Konzept für die Organisation der Betroffenenbeteiligung nicht gibt, dass das projektbezogene Beteiligungskonzept vielmehr stark von der ortsspezifischen Ausgangssituation und Problematik sowie der lokalen Akteursstruktur abhängt (Krause 1994).

 

4  Kooperative Beteiligungsverfahren als Beitrag zur Qualitätssicherung in der Planung

In der Stadt- und Verkehrsplanung gibt es bis heute bis auf die vorgeschriebene Bürgerbeteiligung in der Bauleitplanung und bei Planfeststellungsverfahren keine gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungsverfahren. Es hat sich aber in den letzten Jahren mehr und mehr die Einschätzung durchgesetzt, dass es ohne möglichst frühzeitige und kontinuierliche Beteiligung der lokalen Akteure nicht mehr geht.

Verkehrsforen, Beiräte, Runde Tische: mittlerweile gibt es vielfältige Formen und Methoden sogenannter kooperativer Beteiligungsverfahren in der kommunalen Verkehrsplanung. Erfahrungen mit diesen Instrumentarien liegen vor (SRL 1998, Krause 2003, Selle 1996).

Vor dem Hintergrund der räumlichen Nähe zum Alltagsleben, den spezifischen Politikzugängen von Frauen sind folgende kooperative Beteiligungsverfahren von Bedeutung:

  • Projektorientierte Arbeit in Workshops oder Arbeitskreisen
  • Stadtspaziergänge
  • Zukunftswerkstätten.

Stadtspaziergänge sind Rundgänge durch das Plangebiet mit einem strukturierten Ablauf (Leitfaden) mit den Betroffenen. Sie lassen sich methodisch ebenso als Gruppengespräch wie als teilnehmende Beobachtung durchführen. Die Stadtspaziergänge werden über Schlüsselpersonen organisiert, die selbst an den Spaziergängen teilnehmen. Beispiele liegen aus der Arbeit von Frauenbeauftragten und aus Konzepten zu altenorientierter Wohnumfeldverbesserung und kinderfreundlichen Städten vor. Die systematische Auswertung der Stadtspaziergänge liefert Angaben zur Ausgangssituation (Nutzung des öffentlichen Raumes, typische Wege), zu den Konfliktbereichen (z. B. Angsträume, gefährliche Querungsstellen) und zu den Bedürfnissen, Wünschen und Vorschlägen besonderer Personengruppen. Neben der wissenschaftlichen Analyse wird damit zugleich Öffentlichkeitsarbeit verbunden (FGSV 2001).

Die Zukunftswerkstatt ist ein von Robert J u n g k Anfang der 1970er Jahre entwickeltes, gruppenorientiertes Problemlösungsverfahren, bei dem der Lösungsweg als Prozess organisiert ist. Die Zukunftswerkstatt will und soll damit mehr sein als eine Denk- und Kreativitätstechnik, sondern ein soziales Ereignis.

Methodisch beruht das Verfahren der Zukunftswerkstatt auf dem so genannten Drei-Phasen-Modell:

  1. Kritikphase: Themenbezogene Bestandsaufnahme des Unmutes und der negativen Erfahrungen
  2. Ideen- und Phantasiephase: positive Wendung der Kritikpunkte und Utopienentwicklung ohne Einschränkung durch Rahmenbedingungen
  3. Verwirklichungsphase: Überprüfung der Utopien auf realisierbare Lösungen und Erarbeitung von Umsetzungsmöglichkeiten

Wichtig für die Durchführung aller Lösungsschritte ist die Visualisierung, das heißt es wird darauf geachtet, Teilergebnisse und Meinungen auf Papier zu bringen. Der ideale Zeitrahmen für eine Zukunftswerkstatt sind 3 Tage bis eine Woche. 3 Tage entsprechen den 3 Phasen und erlauben es, jede von der Folgenden durch eine Nacht deutlich zu trennen. Auch ein Wochenendseminar, bei dem am Freitagabend noch die 1. Phase abgeschlossen wird, trägt dieser Dynamik im Zeitablauf einer Zukunftswerkstatt Rechnung. Geeignet ist die Form der Zukunftswerkstatt für die Phase der Problemanalyse für die Beteiligung bestimmter Nutzergruppen oder im Rahmen von Verkehrsbeiräten (FGSV 2001).

 

Von den Beteiligten an diesen kooperativen Beteiligungsverfahren werden Mängelkataloge, Stellungnahmen, Konzepte, Planungsvorschläge erarbeitet. Die Ergebnisse gehen in die weitere Bearbeitung im Rahmen des Planungsprozesses ein und sind somit ein Beitrag zur Qualitätssicherung in der Planung.

Beispiele:

  • Beteiligung an konkreten Planungen im Rahmen von Workshops und Arbeitskreisen (z. B. Rahmenplan für einen Stadtteil, städtebauliche Konzepte für Stadterneuerungsbereiche, Neugestaltung von Marktplätzen oder Stadtteilzentren, ÖPNV-Konzepte, Radverkehrskonzepte, Verkehrsentwicklungspläne)
  • Veranstaltung von Workshops oder Zukunftswerkstätten, stadtspezifisch mit der Erarbeitung von

 

5   Gender Mainstreaming im Planungsprozess: Das Beispiel Stadtbahnverlängerung Zähringen (Freiburg i. Breisgau)

5.1     Das Projekt

Die Stadt Freiburg nimmt am EU-Projekt GENDER ALP!1) „Qualitätssicherung in der Raumplanung – Methoden und Umsetzung von bedarfs- und geschlechtergerechter Planung im Alpenraum“ im Rahmen der EU-Gemeinschaftsinitiative INTERREG III B Alpenraum teil.2) Das Projekt läuft von 2005 bis 2007.

Anlass für das EU-Projekt ist die Tatsache, dass die Gender Mainstreaming-Strategie seit dem Vertrag von Amsterdam zwar verpflichtend umzusetzen und im Verwaltungshandeln bereits vorgeschrieben, in der Praxis jedoch häufig kaum bekannt ist. Konkrete Umsetzungsinstrumente für die tägliche Arbeit an Planungen bzw. Vorhaben gibt es noch kaum. Hier setzt das Freiburger Projekt an. Das Thema des Projektpartners Freiburg lautet „Qualitätssicherung bei der Entwurfsplanung der Stadtbahnverlängerung Zähringen unter Berücksichtigung von bedarfs- und geschlechtergerechten Aspekten“.

Am konkreten Bauvorhaben „Stadtbahnverlängerung Zähringen“3) soll die Qualitätssicherung der Entwurfsplanung unter Berücksichtigung von bedarfs- und gendergerechten Aspekten erprobt werden. Der knapp 2 km lange Planungsabschnitt verläuft im Freiburger Norden von der jetzigen Endhaltstelle im Stadtteilzentrum Zähringen bis zur Gemarkungsgrenze zur Nachbargemeinde Gundelfingen (Bild 3). Neben einer Sensibilisierung und einem breiten Verständnis für das Thema ist die Entwicklung von konkreten Instrumenten und Handreichungen für die praxisgerechte Anwendung im Verwaltungshandeln vorgesehen. Das Beteiligungskonzept zur Umsetzung der Stadtbahnverlängerung Zähringen hat hierbei eine wichtige Bedeutung. Dieses bezieht sowohl die allgemeine Bevölkerung (nutzer- bzw. lebensstilspezifisch), die Politik als auch die Akteure in der Verwaltung mit ein.

GenderAlp! – Raumplanung für Männer und Frauen

Ein innovatives Verwaltungsnetzwerk zur Qualitätssicherung und zur Förderung von Gender Mainstreaming als Top-Down-Strategie.

Das EU-Projekt GenderAlp! soll einen Beitrag zur Verankerung des Konzeptes Gender Mainstreaming im Verwaltungshandeln und zur Umsetzung in der Raumplanungspraxis der Länder des Alpenraumes leisten. Ziel ist, hier der Gleichstellung von Männern und Frauen näher zu kommen, was – trotz vorhandener Gesetze – in der Realität noch immer nicht der Fall ist.

Zentraler Inhalt von GenderAlp! ist die systematische Erhebung erfolgreicher Beispiele bedarfs- und geschlechtergerechter Planungspraxis, Netzwerkbildung und Zusammenarbeit, Umsetzungsprojekte, Sensibilisierung und Fortbildung. Daraus folgend konkrete Instrumente und Richtlinien für die wirksame, zielgruppenorientierte Anwendung im Verwaltungshandeln bei zukünftigen Planungsprozessen entwickelt werden.

Das Land Salzburg ist Leadpartner (federführende Projektstelle) im Projekt. Weitere, insgesamt elf Projektpartner sind Städte und Regionen aus Österreich, Deutschland, Frankreich, Italien und Slowenien. Verschiedene Institutionen aus den Alpenländern beteiligen sich als Projekt-Beobachter.

(www.genderalp.com / www.genderalp.at)

1) Der Name „GenderAlp!“ setzt sich zusammen aus den Begriffen „Gender Mainstreaming“ und „Alpenraum“.

2) Eine ausführliche Dokumentation des Projektes, das heißt Prozess der Öffentlichkeitsbeteiligung, die einzelnen Planvarianten, politische Beschlüsse und Gemeinderatsvorlagen sind auf der Internetseite der Stadt Freiburg dokumentiert (www.freiburg.de).

3)Neben der reinen Stadtbahnplanung geht es dabei auch um die Aufwertung des Stadtteilzentrums (bisherige Endhaltestelle), die Gestaltung weiterer Plätze im Verlauf der Stadtbahntrasse sowie die Neugestaltung einer Umsteigeanlage (und eines P & R-Parkplatzes).

Bild 3: Stadtbahnnetz der Stadt Freiburg (Quelle: Stadt Freiburg, Garten- und Tiefbauamt)

Bild 4: Verlauf der Stadtbahnverlängerung (Quelle: Stadt Freiburg, Garten- und Tiefbauamt)

Zentrale Inhalte des Freiburger Projektbeitrags sind:

  • Gender Mainstreaming im Planungsprozess Stadtbahnverlängerung Zähringen
    • Verbesserung der vorhandenen Verkehrsverhältnisse (ÖV, IV)
    • Städtebauliche Aufwertung des Stadtteilzentrums
    • Berücksichtigung der stadtteilsoziologischen Rahmenbedingungen
  • Betroffenenbeteiligung und Genderaspekte
    • Gender- und zielgruppenorientierter Beteiligungsprozess im Planungsverfahren
    • Focus auf Genderaspekte im Planungsverfahren
  • Implementierung von Gender Mainstreaming in die Stadtverwaltung (Pilotprojekt Bauverwaltung).

Als Ergebnis wird erwartet:

  • eine generelle Unterstützung von Gender Mainstreaming im Planungsbereich und
  • Richtlinien für zukünftige Planungsprozesse unter Berücksichtigung von bedarfs- und geschlechtergerechten Aspekten – mit dem Ziel nachhaltiger Qualitätssicherung.

5.2     Qualitätssicherung der Entwurfsplanung

Organisationsstruktur

Die Organisationsstruktur zur Abwicklung des Projektes berücksichtigt die kooperative Beteiligung der verschiedenen Ebenen in der Stadtverwaltung, die Beteiligung der politischen Gremien und die der allgemeinen Öffentlichkeit, insbesondere die der Bevölkerung von Zähringen. Zur Unterstützung bei der Umsetzung wurde eine Moderatorin (externes Fachbüro) hinzugezogen (Bild 5).

Die Organisationsstruktur umfasst

  • die verwaltungsinterne Arbeitsgruppe „AG GenderAlp!“ (engerer Kreis) mit 9 Mitgliedern
  • die AG „GenderAlp!“ (erweiterter Kreis) mit 25 Mitgliedern
  • Projektpräsentation „GenderAlp!“ vor Mitgliedern des Stadtrates (Bauausschuss, Verkehrsausschuss), Vertretern von lokalen Akteursgruppen und den Mitgliedern der AG „GenderAlp!“ (erweiterter Kreis) (Bild 6).

Bild 5: Organisationsstruktur (Quelle: Stadt Freiburg, Garten- und Tiefbauamt)

Bild 6: Organisationsstruktur: Die Gremien und ihre Aufgaben

Die AG GenderAlp! (engerer Kreis) steuert das Projekt in regelmäßigen Arbeitsgruppensitzungen. Durch die AG GenderAlp! (erweiterter Kreis) werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung und der städtischen Unternehmen eingebunden, die Berührungspunkte mit dem Stadtbahnprojekt haben und Beiträge aus ihren Aufgabenbereichen leisten können, z. B. Schulwegsicherung, Umweltschutzbelange. In Workshops wird der Projektstand vorgestellt, Anregungen aufgenommen, Fachbeiträge eingefordert. Bisher haben zwei Sitzungen stattgefunden (Stand Sommer 2006).

Mit dem Workshop „Projektpräsentation GenderAlp!“ wurden den politischen Greminen und den lokalen Akteuren (z. B. Bürgerverein Zähringen; ADFC, Schule und Kindergärten) die Möglichkeit einer kooperativen Mitarbeit am Projekt gegeben.

Öffentlichkeitsbeteiligung

Das Konzept zur Beteiligung der Betroffenen vor Ort umfasst

  • Workshops mit der Bevölkerung (Auftaktveranstaltung und Abschlusspräsentation)
  • Stadtteilspaziergänge (s. Abschnitt 3) mit unterschiedlichen Gruppen (Kinder, Jugendliche, Mobilitätseingeschränkte, Männer und Senioren)
  • Arbeitsgespräch mit Geschäftsleuten
  • Bürgerarbeitsgruppe mit Teilnehmenden der Stadtteilspaziergänge und dem Arbeitsgespräch (Geschäftsleute).

Die Öffentlichkeitsbeteiligung fand, unterstützt durch Aufruf und regelmäßige Berichterstattung in der Lokalpresse, im Zeitraum Herbst 2005 bis Frühjahr 2006 statt (Bild 7). Die Abschlusspräsentation mit der Vorstellung der Vorzugsvariante wurde im November 2006 durchgeführt. Bei den Veranstaltungen wurde darauf geachtet, dass auch Berufstätige teilnehmen konnten (Zeitraum 17:00 bis 20:00 Uhr), ebenfalls war für Kinderbetreuung gesorgt.

Neben den Anregungen bzw. der Bewertung der einzelnen Varianten konnten weitere wichtige Anregungen (z. B. Haltestellenzugänge, Mängel im Stadtteil) aufgenommen werden. Als positiv hat sich die Diskussion der Varianten anhand von Plänen an Ort und Stelle mit den Beteiligten erwiesen. Festzustellen war ein guter Informationsaustausch und gegenseitige Akzeptanz zwischen den Betroffenen und der planenden Verwaltung. Dies gilt insbesondere für die Gruppe der Mobilitätseingeschränkten.

Zusammenfassend wurde von den Beteiligten festgehalten, dass es über das eigentliche Stadtbahnprojekt hinaus wichtige Hinweise für die Attraktivitätssteigerung des Stadtteils gibt. Alle Beteiligten haben von dem Beteiligungsverfahren profitiert.

Bild 7: Ablauf Öffentlichkeitsbeteiligung: Ziele und Ergebnisse

Weiteres Vorgehen

Von allen Veranstaltungen im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung sind detaillierte Protokolle angefertigt worden.

Die vielfältigen Anregungen (insgesamt 110 Anregungen) wurden vom Planungsteam den Leitlinien des Projektes

  • Verbesserung des ÖPNV
  • Stärkung des Stadtteilzentrums und Verbesserung der Wohnqualität
  • ausgewogene Berücksichtigung der verschiedenen Nutzungsansprüche

zugeordnet (Bild 8), deren Projektrelevanz festgestellt, Planungs- und Abwägungsüberlegungen in einer Tabelle festgehalten. Weiterhin wurde unterschieden, ob die Anregungen direkte Relevanz für das Stadtbahnprojekt haben oder eigenständige Projekte sind. Diese Projekte, die nicht im Rahmen der eigentlichen Stadtbahnmaßnahme weiter verfolgt werden, sind mit Zuständigkeiten (Ämter/Hauptverantwortlichen) versehen worden und sie werden großenteils im weiteren Verfahren bearbeitet (sogenannte 26er-Liste4)).

Aus den Ergebnissen ist eine Vorzugsvariante entwickelt worden. Diese wurde der Bürgerarbeitsgruppe „AG Stadtbahnverlängerung Zähringen“ im Frühjahr 2006 vorgestellt und diskutiert. Teilnehmende waren je 2 bis 3 Vertreter der Gruppe der Stadtteilspaziergänge bzw. des Arbeitsgesprächs mit den Geschäftsleuten. Diese stimmten der Vorzugsvariante zu und äußerten ihre Zufriedenheit mit dem Vorgehen der Verwaltung und dem durchgeführten Beteiligungsverfahren.

Der Aufenthaltscharakter des Stadtteilzentrums und damit die Attraktivität und Akzeptanz des Zentrums soll durch die Planung hervorgehoben werden. Um dies zu erreichen, werden die Gehwege entsprechend verbreitert. Die Kfz-Verkehrsflächen werden minimiert, die Aufenthaltsflächen vergrößert. Der Radverkehr wird vom Fußgängerverkehr entflechtet. Die Querungsmöglichkeiten über den Straßenquerschnitt werden gestärkt. Die Fahrgeschwindigkeit im Stadtteilzentrum wird auf 30 km/h begrenzt. Die Bilanz der Stellplätze (auf der Basis der vorhandenen legalen Stellplätze) ist ausgeglichen.

4) Hierzu gehören z.B. grundsätzliche Projektideen wie die Weiterführung des S-Bahn-Konzeptes, kleinere Maßnahmen wie mehr Spielgeräte auf dem Schulhof (Tischtennisplatte bereits aufgestellt), aber auch Projektideen wie „Stadtteil-Parkkonzept gegen das Gehwegparken“ oder die Einrichtung eines Verkehrsberuhigten Bereiches vor der Schule

 

Verbesserung des ÖPNV

→ ÖPNV-Beschleunigung

→ attraktive und sozial sichere Haltestellengestaltung (sozial sichere Haltestellen, barrierefreier Zugang, Anbindung mit dem Rad, Abstellanlagen)

→ attraktive Gestaltung der Umsteigeanlage (evtl. in Kombination mit anderen Nutzungen) Stärkung des Stadtteilzentrums und Verbesserung der Wohnqualität

→ Verbesserung der Aufenthaltsqualität (breitere Gehwege, bessere Gestaltung z. B. Bänke)

→ Verbesserung der Einkaufsqualität

→ Städtebauliche Verbesserung des „Platzes der Zähringer“ (inclusive Anbindung durch Rad- und Fußverkehr)

→ flächenhafte Überquerbarkeit

→ Einbeziehen des Dorfbaches (Zugang zum Wasser)

 →attraktive Grüngestaltung

Ausgewogene Berücksichtigung der anderen Nutzungsansprüche (bedarfs- und gendergerecht) Motorisierter Individualverkehr

→ Verlagerung des hohen Anteils von Durchgangsverkehr auf die Umgehungsstraße B3

→ Sicherung der Erschließungsfunktion der Zähringer Straße für den Stadtteil

→ Kfz-Infrastruktur an Mindeststandards orientieren

→ Erstellen eines Parkraumkonzeptes Rad- und Fußverkehr

→ Durchgängige sichere und attraktive Führung im Längsverkehr (Zähringer Straße)

→ barrierefreie Sicherung von wichtigen Querbeziehungen

→ sichere und attraktive Anbindung der Haltestellen

→ ausreichend und qualitätsvolle Abstellanlagen (Radverkehr)

→ attraktive Aufenthaltsmöglichkeiten (öffentliche Räume, Plätze, z. B. Bänke)

→ möglichst Entflechtung von Rad- und Fußverkehr

→ Sicherung bzw. Verbesserung bestehender Verbindungen Fuß- und Radverkehr (im Bereich der Stadtbahntrasse (Korridor von 300 - 400 m)

Bild 8: Leitlinien und Zielvorstellungen für die Stadtbahnverlängerung (Quelle: Stadt Freiburg, Garten- und Tiefbauamt)

Bild 9: Stadtteilzentrum (Stadt Freiburg): Bestand und Planung (Quelle: Stadt Freiburg, Garten- und Tiefbauamt)

Bild 10: Güterbahnüberführung als Stadteingang: Bestand und Planung (Quelle: Stadt Freiburg, Garten- und Tiefbauamt)

Bewertung

Durch das gewählte Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung konnte die Vertretung der Interessen aller von der geplanten Maßnahme „Stadtbahnverlängerung Zähringen“ in der Planungsphase ermöglicht werden. Durch die Form des gewählten Beteiligungsverfahrens wurden die Interessen der bisher im Planungsprozess unterrepräsentierten Gruppen (z. B. Kinder, jugendliche Seniorinnen und Senioren, Mobilitätseingeschränkte) gestärkt. Auf eine möglichst gleichgeschlechtliche Verteilung in den Gruppen wurde geachtet. Über die gemeinsame Arbeitsgruppe „AG Stadtbahnverlängerung Zähringen“ konnten teilweise Neugewichtungen von Interessen einzelner Personengruppen vorgenommen werden. So konnte beispielsweise im Stadtteilzentrum die stärkere Gewichtung auf die Belange des Fußverkehrs vermittelt werden.

Positiv ist ebenfalls zu bewerten, dass die Verwaltung mit einem „unfertigen“ Konzept in die Öffentlichkeit gegangen ist. Die Pläne wurden im Rahmen der Stadtteilspaziergänge direkt vor Ort erläutert, die geplanten Maßnahmen waren so für die Beteiligten besser verständlich.

Wichtige Anregungen wie ÖPNV-Verbesserung und Beschleunigung, mehr Flächen für Fußverkehr, Belebung des Stadtteilzentrums durch Heranrücken der Haltestelle, Brückenlösung als Stadteingang sowie verträgliche Abwicklung des MIV konnten in die Vorzugsvariante einfließen. Über das Projekt Stadtbahnverlängerung hinaus konnten wichtige Hinweise für die Attraktivitätssteigerung des Stadtteils gesammelt werden (26er-Liste). Insgesamt haben alle Beteiligten am Projekt profitiert.

Der Schwerpunkt der Öffentlichkeitsbeteiligung lag bei der Analyse der Nutzungsanforderungen an den öffentlichen Raum aus spezifischer Sicht einzelner Nutzergruppen. Diese Anforderungen konnten bestimmt werden und gaben wichtige Hinweise für die Gestaltung der Vorzugsvariante. Darüber hinaus hat die Form einer öffentlichen Begehung (Stadtteilspaziergang) mit Diskussion vor Ort zu einem guten Informationsaustausch und gegenseitiger Akzeptanz zwischen Betroffenen und der planenden Verwaltung geführt. Für den Einsatz der Instrumente (Stadtteilspaziergang, Arbeitsgespräch, Beteiligung von Jugendlichen) konnten wichtige Hinweise gesammelt werden.

Auf der Sitzung der AG „Stadtbahnverlängerung Zähringen“ sind die Mitglieder detailliert über die Anregungen aus dem Beteiligungsverfahren und die weitere Bearbeitung durch das Planungsteam informiert worden, die daraus entwickelte Vorzugsvariante ist präsentiert worden (80 % der Anregungen sind in die Vorzugsvariante eingeflossen), weitere Anregungen sind aufgenommen worden.

Im Ergebnis kann bis dato eine sehr weitgehende, gendergerechte Vorgehensweise festgestellt werden.

 

6  Zusammenfassung

Nachstehend sei eine zusammenfassende Einschätzung in eher thesenhafter Form gegeben:

An der Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern hat sich bislang nichts Wesentliches geändert. Frauen sind, auch wenn sie berufstätig sind, in erster Linie für Haus- und Familienarbeit zuständig, mit den damit verbundenen Anforderungen an die Verkehrssysteme und deren Ausgestaltung.

Der Gender-Ansatz fokussiert nicht nur auf Frauen und geschlechtsspezifische Merkmale, sondern berücksichtigt auch soziale, gesellschaftliche und lebensräumliche Rahmenbedingungen, ohne die Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen als gesellschaftliches Machtverhältnis zu verschleiern.

Das Ziel des Gender Mainstreaming (GM) ist durch die EU und Nationale Programme definiert. Bei der Umsetzung sind nur erste Schritte bereits getan.

Neue Herausforderungen entstehen aus dem soziodemografischen Wandel und aus einer immer stärkeren Differenzierung von Haushaltsstrukturen, Lebensstilen und Werthaltungen.

Eine gendergerechte Verkehrsplanung sollte integraler Bestandteil planerischer Strategien, von Projekten und ihrer Evaluierung sein.

Das Organisations- und Beteiligungskonzept kann ein wichtiger Beitrag zur Qualitätssicherung der Planung sein, da es die unterschiedlichen Interessen und nutzerspezifischen Anforderungen mit einbezieht.

Kooperative und zielgruppenspezifische Beteiligungsverfahren sind essenzieller Bestandteil von Gender Mainstreaming in der Verkehrsplanung.

Die Verfahren tragen zur Qualitätssicherung bei (Steigerung des Gebrauchswertes).

Gendergerechte Strategien sind nicht neu, sie reihen sich ein in Konzepte zur frauengerechten Planung und zur „Stadt der kurzen Wege“.

Die Berücksichtigung von GM ist ein Qualitätsmerkmal von Planung. GM in der Verkehrsplanung hat sehr viel mit Qualitäten und Erreichbarkeiten im Umweltverbund zu tun. Grundlagen, Indikatoren und Methoden hierfür sind weiter zu entwickeln.

GM ist ein Anreiz, mehr als bisher strategisch konzeptionell zu denken.

Es reicht nicht aus, von einer „gegenderten Planung“ zu sprechen, wenn Frauen in den Gremien vertreten sind oder ein Workshop unter Beteiligung von Frauen durchgeführt wird.

Im Kern geht es darum, dass sich auf allen Ebenen ein neues Denken etabliert, das den Aspekt der Gleichstellung als substantielles Teilziel in Politik und Planung integriert.

 

7  Literaturverzeichnis

  1. Krause, Juliane (1999): Unterwegs in Stadt und Land. In: Flade, A.& Limbourg, M. (Hg.) Frauen und Männer in der mobilen Gesellschaft. Verlag Leske + Budrich. Opladen
  2. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (1997): AP Frauenbelange in der Verkehrsplanung. Köln
  3. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2004): Hinweise zu Gender-Aspekten in Nahverkehrsplänen. Köln
  4. Krause, Juliane (1994): Methoden und Ablauf der kommunalen Verkehrsplanung. In: Handbuch der kommunalen Verkehrsplanung. Hg. Apel, Holzapfel, Kiepe, Lehmbrock, Müller. Bonn
  5. SRL e. V. (Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung e.V.) (HG.) (1998): Kooperative Beteiligungsverfahren in der kommunalen Verkehrsplanung. SRL – Schriftenreihe Nr. 44. Berlin
  6. Krause, Juliane (2003): Mobilität nach Maß – ohne die üblichen Konflikte? In: Petra-Kelly-Stiftung/Bayrisches Bildungswerk für Demokratie und Ökologie in der Heinrich-Böll-Stiftung (Hg.). Mobilität nach Maß! Wege zu einer zukunftsfähigen Verkehrspolitik, S. 10–20. München
  7. Selle, Klaus (1996): Was ist bloß mit der Planung los? Erkundungen auf dem Weg zum kooperativen Handeln! Dortmunder Beiträge zur Raumplanung 69. IRPUD. Dortmund
  8. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2001): Leitfaden für Verkehrsplanungen. Köln
  9. Hugo, Maybritt (2004): Sinn oder Unsinn? – Gender Mainstreaming aus Sicht einer Frauenbeauftragten. In: PlanerIn 03/2004, S. 8 – 10. Berlin
  10. Klima-Bündnis/Alianzia del Clima e. V. (HG.) (2001): Aktionspaket Frauen bewegen die Stadt. (Bearbeitung: Büro StetePlanung), (www.klimabündnis.org.de). Frankfurt
  11. Landeshauptstadt München (HG.) (2003): Planen für Frauen und Männer in der Stadt – Umsetzung der Gender Mainstreaming Strategie in der räumlichen Planung. Dokumentation der Fachtagung der LH München und des Dt. Städtetages zum 10-jährigen Bestehen der Fachkommission „Frauen in der Stadt“. München
  12. Positionspapier (2005): „Was bedeutet Gender Mainstreaming in der Verkehrsplanung?“, In: Straßenverkehrstechnik 2/2005, S. 95–97
  13. PlanerIn 03/2004 (2004): Der andere Blick – Gender Mainstreaming in der Planung. Berlin (s. auch www.srl.de)