FGSV-Nr. FGSV A 41
Ort Düsseldorf
Datum 14.05.2013
Titel Asphaltextraktion – Welches Lösemittel verwenden wir zukünftig?
Autoren Dipl.-Ing. André Täube
Kategorien Asphaltstraßen
Einleitung

In Deutschland werden jährlich ca. 45 Mio. Tonnen Asphaltmischgut produziert. Im Rahmen der Qualitätssicherung ist es dabei auf verschiedenen Ebenen erforderlich, den Asphalt wieder in seine Komponenten Gestein, Bitumen sowie gegebenenfalls Zusätze zu trennen. Dies geschieht bislang fast ausschließlich mit Hilfe der Asphaltextraktion, welche mit Trichlorethen als Lösemittel durchgeführt wird. Da zukünftig der Umgang mit dem krebserzeugenden Stoff Trichlorethen nicht mehr ohne weiteres möglich sein wird, stellt sich die Frage, welches Lösemittel wir zukünftig bei der Asphaltextraktion einsetzen werden.

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1 Ist die Extraktion von Asphalt notwendig?

Die Notwendigkeit zur Asphaltextraktion ergibt sich zunächst aus der Tatsache, dass Asphalt in Deutschland nach wie vor über seine Zusammensetzung definiert ist. So enthalten die „Technischen Lieferbedingungen für Asphaltmischgut für den Bau von Verkehrsflächenbefestigungen“ (TL Asphalt-StB) [1] Anforderungen an die Zusammensetzung sämtlicher in Deutschland verwendeter Asphaltmischgutarten und -sorten, definiert über die Sieblinie des Gesteinskörnungsgemisches sowie einen Mindestbindemittelgehalt. Die Zusammensetzung des Asphaltmischgutes ist zu prüfen:

– vor der Produktion, beispielsweise zur Klassifizierung der Baustoffkomponente Asphaltgranulat nach den „Technischen Lieferbedingungen für Asphaltgranulat“ (TL AG-StB) [2]

– während der Produktion im Rahmen der Werkseigenen Produktionskontrolle nach DIN EN 13108, Teil 21 [3]

– beim Einbau im Rahmen der Kontrollprüfungen am Asphaltmischgut.

Weitere Fälle, bei denen eine Asphaltextraktion notwendig werden kann, sind zusätzliche Kontrollprüfungen, Schiedsuntersuchungen sowie der Bereich Forschung und Entwicklung. Kurz- und mittelfristig wird die Asphaltextraktion also unverzichtbar sein.

Als Lösemittel bei der Asphaltextraktion wird in Deutschland seit vielen Jahren Trichlorethen, auch bekannt unter der Bezeichnung Trichlorethylen oder der Kurzform Tri aufgrund seiner guten Lösefähigkeit von Bitumen eingesetzt. Die Expositionen und der Schutz der Beschäftigten gegenüber Tri sind in sogenannten BG/BGIA-Empfehlungen „Verwendung von Trichlorethylen bei der Prüfung von Asphalt – Siebturmverfahren“ [4] bzw. „Verwendung von Trichlorethylen bei der Prüfung von Asphalt – Waschtrommelverfahren“ [5] beschrieben. 

2 Tri im REACH-Prozess

Trichlorethen ist gesundheitsschädlich und wurde von der MAK-Kommission als krebserzeugend und keimzellmutagen eingestuft. Auch nach GHS/CLP-Verordnung [6] ist Tri als krebserzeugend eingruppiert. GHS steht dabei für Global Harmonised System, einem von der UNO eingeführten System zur weltweiten einheitlichen Gefahreneinstufung und Etikettierung chemischer Produkte. Es ist die Basis für die neue Verordnung der EU über die Einstufung, Etikettierung und Verpackung chemischer Produkte, weshalb man diese Verordnung oft auch GHS-Verordnung nennt. Die gebräuchlichere Bezeichnung ist heute jedoch CLP-Verordnung, wobei CLP für Classification, Labelling und Packaging, also Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung, von Chemikalien steht.

Aufgrund dieser Eigenschaften wurde Tri im Rahmen des REACH-Prozesses auch bereits frühzeitig in den Stoffpool der krebserzeugenden, erbgutverändernden und fortpflanzungsgefährdenden Stoffe (CMR-Stoffe) aufgenommen und anschließend ebenfalls frühzeitig in die Kandidatenliste für eine eingeschränkte Verwendung überführt. Inzwischen wurde Tri bereits aus dieser Kandidatenliste ausgewählt (priorisiert) und in den Anhang XIV der REACH-Verordnung aufgenommen [7]. Mit dieser Aufnahme, welche zum 21. April 2013 rechtswirksam erfolgte, begann eine insgesamt 36-monatige Übergangsfrist, an deren Ende die eingeschränkte Verwendung – also gegebenenfalls das Verbot der Verwendung von Tri im Asphaltlabor – steht.

Bild 1: Der Zulassungsprozess nach der REACH-Verordnung für Tri

Um Tri auch nach dem 21. April 2016 weiter im Asphaltlabor einsetzen zu können, muss für diese Verwendung ein sogenannter Autorisierungsantrag bei der REACH-Agentur in Helsinki gestellt und dort befürwortet werden. Im Erfolgsfalle wird dann die REACH-Agentur der EU-Kommission empfehlen, für einen begrenzten Zeitraum die Verwendung von Tri unter den im Autorisierungsantrag geschilderten klar definierten Randbedingungen weiter zu erlauben. Eine solche Zulassung ist immer an einen klaren Substitutionsplan geknüpft, denn über allem steht das Substitutionsgebot für gefährliche Substanzen, welches besagt, dass gefährliche Stoffe, sofern möglich, durch weniger gefährliche Substanzen zu ersetzen sind. 

3 Suche nach Substituten

Das Deutsche Asphaltinstitut (DAI) e.V. hat sich bereits frühzeitig mit der Suche nach geeigneten Substituten für Trichlorethen auseinandergesetzt. Das derzeit neben Tri noch im Technischen Regelwerk für Schiedsuntersuchungen verankerte Lösemittel Toluol schied dabei aufgrund seiner ebenfalls gesundheitsschädlichen Eigenschaften sowie seiner leichten Entzündlichkeit als Alternative bereits frühzeitig aus. Deshalb musste nach anderen Substituten für Tri gesucht werden. In dem über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e.V. (AiF) – einem Netzwerk von ca. 100 industriellen Forschungsvereinigungen aus sämtlichen Branchen mit insgesamt ca. 50.000 angeschlossenen Unternehmen –  aus Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages geförderten DAI-Forschungsvorhaben Nr. 16287 BR „Entwicklung eines Verfahrens zur Bindemittelrückgewinnung nach Asphaltextraktion mit alternativen Lösemitteln aus nachwachsenden Rohstoffen“ [8] konnte das Lösemittel Caprylsäuremethylester (auch umgangssprachlich als Kokosester bezeichnet) als erfolgversprechendes Lösemittel identifiziert werden. Dieses im Rahmen der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) durchgeführte Forschungsvorhaben wurde von den Forschungsstellen Hochschule Anhalt in Dessau sowie Gesellschaft zur Förderung von Medizin-, Bio- und Umwelttechnologien e.V. in Halle durchgeführt. Der Schlussbericht zu diesem Forschungsvorhaben steht auf der Homepage des Deutschen Asphaltinstituts unter www.asphalt.de (→ Literatur → Infomaterial Download → Forschungsberichte) zum Download zur Verfügung. 

4 Tri ist ein Auslaufmodell!

Aufgrund der geschilderten Situation hat der Lenkungsausschuss der Arbeitsgruppe Asphaltbauweisen der Forschungsgesellschaft für das Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) auf seiner Sitzung am 24. April 2013 beschlossen, Tri im Asphaltlabor grundsätzlich zu substituieren. Da Tri jedoch derzeit im Technischen Regelwerk verankert ist und zudem für vertraglich relevante Untersuchungen herangezogen wird, ist eine kurzfristige Umstellung auf ein anderes Lösemittel nicht ohne weiteres möglich. Deshalb soll bis zur endgültigen Umstellung auf ein neues Lösemittel mit Tri weitergearbeitet, parallel jedoch schon Erfahrungen mit dem neuen Lösemittel Caprylsäuremethylester gesammelt werden. Da bislang noch nicht genügend Vergleichsuntersuchungen durchgeführt worden sind, ist bereits ein entsprechendes Forschungsvorhaben im Rahmen der Ressort-Forschung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) initiiert worden, was voraussichtlich noch in diesem Jahr starten wird.

Da neben der Schaffung eines Erfahrungshintergrundes auch eine neue maschinentechnische Ausstattung der Asphaltlabore erforderlich ist, um mit dem neuen Lösemittel Capryl-säuremethylester arbeiten zu können, wird aus heutiger Sicht der für eine Umstellung verbleibende Zeitraum bis April 2016 nicht ausreichen. Deshalb hat die Firma Safechem, eine 100-prozentige Tochter des Chemiekonzerns Dow, beschlossen, in enger Zusammenarbeit mit dem Deutschen Asphaltverband (DAV) e.V. einen Autorisierungsantrag für die Anwendung von Tri bei der Asphaltextraktion zu erarbeiten und diesen bei der REACH-Agentur in Helsinki einzureichen. Dies soll ermöglichen, über den 22. April 2016 hinaus noch einen bestimmten Zeitraum weiter mit Tri als Lösemittel im Asphaltlabor arbeiten zu können und so eventuelle unter Zeitdruck kaum zu vermeidende Fehler zu verhindern. Eine erste Sitzung zur Erarbeitung des Zulassungsantrags hat bereits unter Beteiligung von Vertretern der Firma Safechem, der FGSV, des DAV sowie der mit der Erarbeitung des Antrags beauftragten Firma Bipro am 25. Juli 2013 in Stuttgart stattgefunden. Ziel ist es, den Zulassungsantrag in ca. 1 Jahr bei der REACH-Agentur in Helsinki einzureichen. 

5 Verwenden wir zukünftig Kokosester?

Die deutsche Asphaltindustrie sowie die mit Asphaltuntersuchungen befassten Labore brauchen aus Sicht des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sichere Arbeitsplätze. Dies gelingt am besten durch die Verwendung ungefährlicher oder zumindest ungefährlicherer Stoffe, weniger durch den Einsatz von Handschuhen oder Atemschutz. Zudem sind umweltverträgliche und nachhaltige Verfahren auch bei der Asphaltextraktion gefragt. Der wesentliche Vorteil von Caprylsäuremethylester besteht in seiner Ungiftigkeit bei gleichzeitig hervorragender Lösefähigkeit. Hinzu kommt die Tatsache, dass Kokosester leicht biologisch abbaubar ist. Darüber hinaus besitzt dieses Lösemittel einen hohen Flammpunkt und setzt keine leicht flüchtigen organischen Verbindungen frei. Dies sollte jedoch keinesfalls zu einem sorglosen Umgang mit dieser Chemikalie führen, denn Caprylsäuremethylester ist natürlich in erster Linie ein sehr starkes Lösemittel, was einen entsprechenden Umgang gebietet.

Da bislang nur recht kleine Mengen Caprylsäuremethylester benötigt wurden, wurden diese im Labormaßstab hergestellt, was vergleichsweise teuer ist. Wenn nun in absehbarer Zeit sämtliche Asphaltlaboratorien in Deutschland nur noch mit diesem Lösemittel arbeiten, werden entsprechend größere Mengen benötigt, weshalb die Firma Gärungschemie Dessau GmbH bereits zugesagt hat, in Kürze mit der Produktion von Caprylsäuremethylester im industriellen Maßstab zu beginnen, was zu einer deutlichen Kostenreduzierung führen dürfte. Darüber hinaus wäre es wünschenswert, wenn sich ein weiterer Lieferant finden würde, welcher dieses Lösemittel in der benötigten Reinheit von 99,5 % am deutschen Markt anbieten könnte.

6 Zusammenfassung

Aufgrund seiner gesundheitsgefährdenden und krebserzeugenden Eigenschaften kann das Lösemittel Trichlorethen zur Asphaltextraktion ohne explizite Zulassung durch die Europäische Kommission nur noch bis April 2016 eingesetzt werden. Deshalb stellt dieses Lösemittel für die deutschen Asphaltlabore ein Auslaufmodell dar. Derzeit wird an einem Zulassungsantrag gearbeitet, welcher eine Verwendung von Tri im Asphaltlabor für einen begrenzten Zeitraum über 2016 hinaus ermöglichen soll um in dieser Zeit die Umstellung auf das neue Lösemittel Caprylsäuremethylester abschließen zu können. Aufgrund dieser Situation wird empfohlen, bereits heute bei der Neuanschaffung von Anlagen zur Asphaltextraktion auf die am Markt verfügbaren Geräte, welche mit Caprylsäuremethylester arbeiten können, zurückzugreifen. Diese Geräte sind „rückwärtskompatibel“ und können auch mit Trichlorethen betrieben werden. Dies gilt umgekehrt für die bisherigen Tri-Anlagen nicht.

Bild 2: Am Markt sind bereits Anlagen zur Asphaltextraktion erhältlich, die sowohl mit dem neuen Lösemittel Caprylsäuremethylester als auch mit Tri arbeiten können

Literaturverzeichnis

1 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Lieferbedingungen für Asphaltmischgut für den Bau von Verkehrsflächenbefestigungen (TL Asphalt-StB 07), Ausgabe 2007, Köln, FGSV 797

2 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Lieferbedingungen für Asphaltgranulat (TL AG-StB 09), Ausgabe 2009, Köln, FGSV 749

3 Beuth Verlag (2009): DIN EN 13108-21: Asphaltmischgut – Mischgutanforderungen – Teil 21: Werks- eigene Produktionskontrolle

4 Berufsgenossenschaftliches Institut für Arbeitsschutz (BGIA) (2005): BG/BGIA – Empfehlungen für die Gefährdungsbeurteilung nach der Gefahrstoffverordnung: Verwendung von Trichlorethylen bei der Prüfung von Asphalt – Siebturmverfahren

5 Berufsgenossenschaftliches Institut für Arbeitsschutz (BGIA) (2005): BG/BGIA – Empfehlungen für die Gefährdungsbeurteilung nach der Gefahrstoffverordnung: Verwendung von Trichlorethylen bei der Prüfung von Asphalt – Waschtrommelverfahren

6 Europäisches Parlament und des Rates (2008): GHS/CLP-Verordnung: Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, Amtsblatt der Europäischen Union vom 31. 12. 2008

7 Europäische Kommission (2013): Verordnung (EU) Nr. 348/2013 zur Änderung von Anhang XIV der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), Amtsblatt der Europäischen Union vom 18. 4. 2013

8  Deutsches Asphaltinstitut (2012): Schlussbericht zum IGF-Forschungsvorhaben Nr. 16287 BR „Entwicklung eines Verfahrens zur Bindemittelrückgewinnung nach Asphaltextraktion mit alternativen Lösemitteln aus nachwachsenden Rohstoffen“, Bonn