FGSV-Nr. FGSV 001/27
Ort Erfurt
Datum 12.09.2018
Titel Verkehrs- und Baustellenmanagement - mit dem Softwaretool TIC
Autoren Dipl.-Ing. Ingo Menzel
Kategorien Kongress
Einleitung

Aufgrund der dringenden Notwendigkeit, mit bestehenden Haushaltsmitteln unter Berücksichtigung gesamtwirtschaftlicher Aspekte eine möglichst hohe Mobilität auf den Straßen in Nordrhein-Westfalen (NRW) aufrecht zu erhalten, gewinnen Telematiklösungen innerhalb des Landesbetriebs Straßenbau NRW zunehmend an Bedeutung. Unter anderem basierend auf den Ergebnissen der Machbarkeitsstudie zur Verkehrszentrale und der Studie zur Stausituation auf den Autobahnen in NRW wurde mit Inbetriebnahme der Verkehrszentrale im Jahr 2013 das Verkehrs- und Baustellenmanagement in NRW grundlegend neu organisiert und strukturiert. Ziel dieser Maßnahme ist eine Reduzierung von bedeutenden Eingriffen in den Verkehrsablauf durch die verbesserte netzweite baulast- und verkehrsträgerübergreifende Koordinierung von Arbeitsstellen sowie die Erhöhung der Qualität der Verkehrsmeldungen durch Reduktion von Verzögerungszeiten bei der Informationsbereitstellung. Hierzu wurden die Aufgabengebiete des operativen Betriebs sämtlicher Verkehrsbeeinflussungsanlagen (Verkehrsmanagement) sowie des landeseigenen Verkehrsportals (Verkehrsredaktion) und die Baustellenkoordinierung aufgrund der hohen Anzahl an inhaltlichen Schnittstellen langfristig in der Verkehrszentrale gebündelt. Grundlegende technische Basis für die behördliche Datenbereitstellung von Verkehrs- und Baustelleninformationen stellt landesweit die Software TIC (Traffic and Travel Information Services) der Firma GEWI dar, welche aktuell deutschland- bzw. weltweit auch für Zwecke des Verkehrswarndienstes (Nationale Meldestelle und Landesmeldestellen) verwendet wird. Diese Fachanwendung verfügt in NRW über eine DATEX2-Schnittstelle zum Mobilitätsdatenmarktplatz (MDM), worüber sämtliche im Datenbestand des TIC enthaltenen Verkehrs- und Baustelleninformationen Dritten im Minutenintervall maschinenlesbar und entgeltfrei zur Verfügung gestellt werden. Das Verkehrsportal des Landes NRW (im Internet unter www.verkehr.nrw) bezieht hierüber ebenfalls via DATEX2-Schnittstelle wesentliche Bestandteile der dargestellten Informationen, um die Verkehrsteilnehmer umfassend vor dem eigentlichen Fahrtantritt über die aktuelle Verkehrslage und Baustellensituation zu informieren. Das Verkehrsportal wurde im Jahr 2015 mit dem GIS Best Practice Award der Gesellschaft für Geodäsie, Geoinformation und Landmanagement e. V. ausgezeichnet. Es enthält neben den Informationen des motorisierten Individualverkehrs (MIV) auch Informationen zu Parkplätzen (vorwiegend im Ruhrgebiet), zum Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV inklusive Live-Abfahrtszeiten) und zum Radverkehr. Nach gut einjähriger Planungs- und Bauphase wurde die Verkehrszentrale NRW unter dem Dach von Straßen.NRW im Jahr 2013 offiziell in Betrieb genommen. Ergänzend zur Übernahme des operativen Betriebs sämtlicher Verkehrsbeeinflussungsanlagen auf den Autobahnen in NRW wurde unter anderem aufbauend auf den Ergebnissen der Studie zur Stausituation auf den Autobahnen in NRW auch das Verkehrs- und Baustellenmanagement in der Verkehrszentrale grundlegend neu organisiert und strukturiert. Gemäß dem Bild 1 sind im Jahr 2014 auf den Autobahnen in NRW ca. 94 Prozent der Staus auf die Ursachen „Baustelle“ (Dauerbaustelle + Tagesbaustelle) und „Hohes Verkehrsaufkommen/Sonstige“ zurückzuführen. 

Bild 1: Geschätzte Anteile der Ursache an Staus auf Autobahnen in NRW im Jahr 2014 

Anhand dieser Übersicht wird der unmittelbare Zusammenhang zwischen den beiden Einflussfaktoren „Baustelle“ und „Verkehr“ auf die Qualität des Verkehrsablaufs deutlich. Durch Fusionierung der Zuständigkeiten des Verkehrs- und Baustellenmanagements in der Verkehrszentrale wurde langfristig die Möglichkeit geschaffen, die Mobilität auf den Autobahnen in NRW unter den gegebenen Randbedingungen der kontinuierlich zunehmenden Verkehrsbelastung (insbesondere im Schwerverkehr) und des Investitionshochlaufs zur Erhaltung und zum Ausbau der Autobahninfrastruktur aus einer Organisationseinheit (Behörde) heraus positiv zu gestalten.

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Volltext

Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Baustelleninformationen

Im Rahmen der Strukturierung und Dokumentierung sämtlicher Arbeitsprozesse in der Verkehrszentrale in Anlehnung an die DIN EN ISO 9001 wurde u.a. festgestellt, dass wesentliche Datenbereitstellungen im Bereich der Baustelleninformationen im Jahr 2014 auf Basis manu-eller Tätigkeiten durchgeführt wurden. Jeder der im Bild 2 dargestellten Exportwege unterscheidet sich aufgrund der verschiedenen Kundenwünsche nicht nur hinsichtlich der ausgewählten Anzahl an Baumaßnahmen, sondern auch hinsichtlich der zur Verfügung gestellten Detailtiefe. Die Folge der unterschiedlichen Datensätze ist, dass sich im direkten Vergleich die dargestellten Maßnahmen unterscheiden und im schlimmsten Fall Informationen widersprechen oder fehlen. 

Bild 2: Wege der Baustelleninformation (AkD/AlD) in NRW in 2014 

Um das inhaltliche Ziel der langfristigen Aufrechterhaltung der Mobilität auf den Straßen in NRW zu erreichen, wurde durch die Verkehrszentrale auf Basis dieser Erkenntnis eine neue Systemarchitektur entworfen, welche basierend auf modernen Softwaresystemen und automatiserten Datenübermittlungen jederzeit eine verlässliche Datenquelle für eindeutige Verkehrs- und Baustelleninformationen darstellt. 

1.1 Verkehrsinformationszentrale NRW

Wichtigste Komponente in diesem Zusammenhang stellt die Verkehrsinformationszentrale (VIZ) NRW dar. Der technische Betrieb und der First-Level-Support der VIZ NRW wurden im Jahr 2013 ebenfalls auf die Verkehrszentrale übertragen. Die VIZ NRW ist eine Datenbank, welche den offiziellen Meldungsbestand der Landesmeldestelle (LMS) NRW (Bestandteil des Landesamtes für Zentrale Polizeiliche Dienste, LZPD) zusammenfasst und für Dritte (u. a. Verkehrszentrale, Leitstellen der Polizei und Rundfunkanstalten) nutzbar macht. Hierfür kam seinerzeit die Software TIC (Traffic and Travel Information Services), Version 2 der Firma GEWI, Bernburg zum Einsatz. Im Auftrag der Verkehrszentrale wurde die VIZ NRW im Jahr 2015 auf die Software TIC, Version 3 umgestellt. Wesentlicher Mehrwert dieser Softwareaktualisierung ist – ergänzend zu einer deutlichen Erhöhung der Qualität im Bereich der Softwareergonomie – die Integration einer routingfähigen Kartengrundlage der Firma Here. Damit wurde es möglich, die Verortung von Verkehrs- und Baustelleninformationen in einer deutlich kleineren Granularität als mit der bisher verwendeten Location Code List (LCL) zu erreichen. Praktisch bedeutet das, dass jetzt auch im nachgeordneten Netz (Bundes-, Landes-, Kreis- und kommunale Straßen) Meldungen präzise verortet werden können. 

Bild 3: Wege der Baustellen- und Verkehrsinformationen in NRW in 2018

Aufbauend auf der TIC3-Software der VIZ NRW wurden die strukturellen Datenbereitstellungen gemäß den heute bekannten Randbedingungen neu geplant und realisiert (Bild 3). Grundsätzlich sind im Landesbetrieb Straßenbau NRW die Regionen für die Planung und Durchführung von Arbeitsstellen auf Autobahnen zuständig. Die zugehörigen regional zuständigen Niederlassungen bearbeiten in der Funktion des Straßenbaulastträgers die Arbeitsstellen längerer Dauer (AlD) und die Straßenmeistereien die Arbeitsstellen kürzerer Dauer (AkD). Gegebenenfalls erfolgt gemäß VwV zu § 45 Absatz 2 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) die Einholung der Entscheidung über die im Verkehrszeichenplan vorgesehenen Maßnahmen durch die zuständige obere Straßenverkehrsbehörde, welche in NRW je nach Örtlichkeit in einer der fünf Bezirksregierungen (Dezernat 25) angesiedelt ist. Sämtliche Informationen zu Arbeitsstellen von Fahrbahnen, Bauwerken und sonstigen Anlagenteilen (u. a. Telematik) auf Autobahnen werden innerhalb des Landesbetriebs Straßenbau NRW durch die zuständigen Baustellenkoordinatoren/-innen der Niederlassungen in der Fachanwendung NWBIS2 (Baustelleninformationssystem) der Firma Innovat, Eitorf eingetragen und verwaltet. Das NWBIS2-System ermöglicht neben der detaillierten Eingabe von verschiedenen Baustellenverkehrsführungen eines Gesamtbauprojekts auch die überschlägige Berechnung der verkehrlichen Auswirkungen der unterschiedlichen Verkehrsführungen der Arbeitsstelle gemäß dem Leitfaden zum Arbeitsstellenmanagement auf Bundesautobahnen und der zugehörigen Ausführungshinweise. Demnach liefert die auf einen Fahrstreifen normierte Differenz SDiff zwischen Verkehrsnachfrage qPE und Kapazität Cri,PE

SDiff = (qPE – CRi;PE) / nFS

einen prognostizierten Schätzwert zur Stauwahrscheinlichkeit dieser Arbeitsstelle. Sofern diese überschlägige Berechnungsmethode erhebliche verkehrliche Auswirkungen der Arbeitstelle erwarten lässt, wird gemäß der unter Federführung der Verkehrszentrale entwickelten und hausintern gültigen Allgemeinen Rundverfügung „Ablaufschema für die Planung von Dauerbaustellen“ noch in der Ausschreibungsphase eine Projektbesprechung zur Abstimmung der verkehrlichen Details mit allen beteiligten Behörden (Straßenbaulastträger, Straßenverkehrsbehörde, Polizei, Verkehrszentrale) einberufen (siehe Bild 4). 

Bild 4: Ablaufschema für die Planung von Dauerbaustellen in NRW 

Die mithilfe des dargestellten NWBIS2-Berechungsverfahrens abgeschätzten verkehrlichen Auswirkungen werden für alle Arbeitsstellen auf Autobahnen in NRW im Verkehrsportal www.verkehr.nrw veröffentlicht. Darüber hinaus erfolgt eine direkte Datenlieferung an die allgemein zugängliche Straßeninformationsbank NWSIB.

Ergänzend zu dieser überschlägigen Berechnungsmethode, welche grundsätzlich für sämtliche Arbeitsstellen auf Autobahnen in NRW durchgeführt wird, ist es der Stabsstelle Baustellenkoordinierung bei konkreten Einzelmaßnahmen möglich, mithilfe des makroskopischen Simualtionsmodells KAPASIM der Ruhr-Universität Bochum verschiedene Verkehrsführungen hinsichtlich der zu erwartenden Staudauer und volkswirtschaftlichen Kosten zu vergleichen. Die erzielten Berechnungsergebnisse werden dann als Argumentationsgrundlage möglichst frühzeitig durch die Verkehrszentrale in die Entscheidungsfindung konkreter Lösungsmöglichkeiten der zuständigen Regionen (regional zuständigen Niederlassungen) eingebracht. 

1.2 Stabsstelle Baustellenkoordinierung

Mit Gründung der Verkehrszentrale NRW im Jahr 2013 wurde auch die langjährig etablierte, über die Landesgrenzen hinausgehende Abstimmung von Arbeitsstellen in Autobahnkorridoren technisch und inhaltlich übernommen und ausgebaut. Demnach finden mit benachbarten Bundesländern, den Niederlanden und Belgien regelmäßige Abstimmungen in den folgenden Autobahnkorridoren zu Arbeitsstellen und egebenenfalls verfügbaren Alternativrouten (für Verkehrsmanagement und -information) statt:

Cross-Border-Management mit den Niederlanden im Korridor Oberhausen-Arnheim

Cross-Border-Management mit den Niederlanden im Korridor Köln-Eindhoven

Regionales Cross-Border-Management mit der Projektgruppe Roermond bereikbaar

Korridor Köln-Frankfurt (LISA-West) mit Hessen und Rheinland-Pfalz

Korridor Dortmund-Hamburg (LISA-Nord) mit Niedersachsen, Bremen und Hamburg 

Konkrete Vorbereitungen finden für die nachfolgenden Autobahnkorridore statt:

Cross-Border-Management mit Belgien im Korridor Köln-Aachen-Brüssel

Korridor Dortmund-Berlin (LISA-Ost) mit Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin

Für ein erfolgreiches Verkehrs- und Baustellenmanagement sind darüber hinaus zur landesweiten Baustellenkoordinierung Informationen zu Arbeitsstellen anderer Straßenbaulast- und Verkehrsträger in NRW – ergänzend zu den bestehenden Daten auf Autobahnen – zwingend erforderlich. Aufgrund der großen Anzahl an beteiligten Behörden und Organisationseinheiten in NRW sind bilaterale Abstimmungsgespräche unerlässlich. Im Jahr 2017 wurde in einem ersten Schritt als technische Grundlage für zu führende Abstimmungsgespräche die bestehende Software TIC3 um das Modul „TIC kommunal“ zur Eingabe von Arbeitsstellen in der Baulast der Kreise und kreisfreien Städte, der Ver- und Entsorgungsbetriebe sowie anderer Verkehrsträger wie z. B. ÖPNV/SPNV-Betreiber erweitert. Die Fachanwendung „TIC kommunal“ ist eine WebApplikation, das heißt, der Zugang erfolgt auf Antrag bei der Verkehrszentrale über das Internet mittels kennwortgeschütztem Zugang. Die Nutzung des Systems ist für die angeschlossenen Organisationen kostenfrei. Sofern die jeweilige Organisation bereits ein internes Baustellensystem nutzt und dieses zukünftig weiter betreiben möchte, ist die Entwicklung einer automatisierten Schnittstelle zu „TIC kommunal“ denkbar. Die benötigten Finanzmittel für die technische Entwicklung dieser Schnittstelle sind durch den Verursacher bereitzustellen.

Des Weiteren wurde das Modul „TIC BLK“ für die Eingabe von Arbeitsstellen in der Baulast des Landesbetriebs Straßenbau NRW auf Bundes-, Landes- und teilweise Kreisstraßen neu geschaffen. Bei dieser im Jahr 2018 in Betrieb genommenen Fachanwendung handelt es sich um eine Software, welche mittels zentraler Softwareverteilung berechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landesbetriebs Straßenbau NRW auf dem PC installiert wird. Zur Schaffung von Win-Win-Situationen wurde das Konzept zur Einführung der Softwareprodukte „TIC kommunal“ und „TIC BLK“ durch die Verkehrszentrale so gestaltet, dass die für die Dateneingabe und -aktualisierung verantwortlichen Organisationen lediglich die Bedienung der Fachanwendung erlernen und anschließend im laufenden Betrieb nutzen müssen. Die Hoheit und damit einhergehend die Verantwortung für die Inhalte obliegt dabei grundsätzlich der eingebenden Organisation. Alle weiteren technischen Datenübermittlungen bis hin zur Darstellung im Verkehrsportal www.verkehr.nrw sowie die automatisierte Codierung und Bereitstellung der Information für Navigationsgerätehersteller (Bild 5) erfolgen dann automatisiert über die bereits in der Praxis langjährig erprobten Datenübermittlungsprozesse via VIZ NRW und MDM im Rahmen des technischen Betriebs durch die Verkehrszentrale.

Die Fachanwendung „TIC BLK“ ist darüber hinaus in der Lage, aus den eingegebenen Baustelleninformationen automatisiert die Vorlage für die verkehrsbehördliche Anordnung zu generieren und auf Wunsch des Bearbeiters anschließend per E-Mail zu versenden. Damit werden bestehende Arbeitsprozesse geändert; es wird aber keine Mehrarbeit auf die einzelnen Bearbeiter übertragen. Der Versand der E-Mail erfolgt dann aus dem installierten E-Mail-Programm des Bearbeiters, um eine Archivierung und spätere Nachverfolgung der E-Mails zu ermöglichen. Durch Bearbeiten eines entsprechend angelegten und angeordneten Datensatzes werden auch unmittelbar neue Dokumente (z. B. Verlängerung) für die verkehrsbehördlichen Anordnungen erstellt und auf Wunsch des Bearbeiters versendet. 

Bild 5: Erweiterung Baustellenkoordinierung mit TIC kommunal und TIC BLK in 2018 

Mit aufgestocktem Personaleinsatz ist es nunmehr Zielsetzung dieser Stabsstelle, die netzweite regionale Koordinierung geplanter Arbeitsstellen unter dem Aspekt der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs durch entsprechende Kommunikationsprozesse auszubauen. Die verkehrliche Bewertung soll unter Berücksichtigung gesamtwirtschaftlicher Aspekte neben der jeweiligen Baustellenverkehrsführung noch stärker baulast- und verkehrsträgerübergreifend Netzabschnitte und Netzmaschen berücksichtigen. Dazu sind baulastträgerübergreifend Alternativrouten mit ausreichend großer Kapazität möglichst von Arbeitsstellen freizuhalten. Wechselwirkungen zwischen Straßenbaumaßnahmen und Maßnahmen anderer Verkehrsträger, insbesondere SPNV-/ÖPNV-Betreiber, sowie besondere Ereignisse, wie z. B. Großveranstaltungen und Reisezeiten (Ereigniskalender), sind ebenfalls in die Baustellenplanungen einzubeziehen. 

2 Verkehrsinformationen

Die VIZ NRW erhält ergänzend zu den Baustelleninformationen im Minutenintervall automatisch aus der lokalen Verkehrserfassung generierte Stauinformationen durch die Verkehrsrechnerzentrale (Bild 5) und ereignisbezogene (sicherheitsrelevante) Verkehrsinformationen durch unmittelbare Dateneingaben der Polizei (Leitstellen und LZPD, LMS). Damit sind in der VIZ NRW sämtliche Informationen für das Verkehrs- und Baustellenmanagement auf Autobahnen auf Basis der Content-Management-Software TIC3 zusammengeführt. Sämtliche in der VIZ NRW enthaltenen Informationen werden automatisiert im Minutenintervall an den MDM weitergegeben. Die technischen Anforderungen hinsichtlich der Datenformate sind mit Datenbereitstellung im DATEX2-Format erreicht; die inhaltlichen Anforderungen der Richtlinie 2010/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates in Verbindung mit dem Intelligente Verkehrssysteme-Gesetz (IVSG) hinsichtlich der automatisierten Datenbereitstellung von (sicherheitsrelevanten) Verkehrsinformationen über einen nationalen Zugangspunkt werden ebenfalls erfüllt. Über den MDM werden allen Nutzern im DATEX2-Format die unter die Verordnung zur Festlegung der Nutzungsbestimmungen für die Bereitstellung von Geodaten des Bundes (GeoNutzV) fallenden NRW-Daten maschinenlesbar (Metadatenbeschreibung ist dort hinterlegt) und geldleistungsfrei zur kommerziellen und nicht-kommerziellen Nutzung zur Verfügung gestellt. Hierüber werden auch die Rundfunkanstalten (Verkehrsnachrichten im Radio, Codierung des TMC-Datenstroms) und die Anbieter von Navigationsgeräten mit Informationen versorgt. Eine weitere Möglichkeit zum Bezug dieser Verkehrs- und Baustelleninformationen stellt das Portal open.nrw dar. Dort werden die zuvor genannten Daten ebenfalls geldleistungsfrei und maschinenlesbar im Minutenintervall angeboten.

2.1 Verkehrsmanagement mittels Telematik

Die organisatorische Aufgabenwahrnehmung der Baustellenkoordninierung in der Verkehrszentrale begründet sich in erster Linie in den zahlreichen Schnittstellen zu weiteren Aufgabengebieten dieser Behörde. Die Abteilung Verkehrssteuerung und Operating ist verantwortlich für den 24/7-Betrieb sämtlicher Verkehrsbeeinflussungsanlagen auf den Autobahnen. Hier sind insbesondere die automatischen/manuellen Schaltungen der durch die Verkehrszentrale gesteuerten Strecken-/Linienbeeinflussungsanlagen für die konkrete Baustellenverkehrsführung zu berücksichtigen und verkehrsbehördlich anzuordnen. Gemäß Absatz 4 der „Richtlinien für Wechselverkehrszeichen an Bundesfernstraßen“ (RWVZ) sind Wechselverkehrszeichen und die statische Beschilderung stets aufeinander abzustimmen. Es darf keine Konkurrenzsituation hinsichtlich der Inhalte und Erkennbarkeit auftreten.

Zur bestmöglichen Ausnutzung verfügbarer Netzkapazitäten schalten die Operatoren/-innen die Dynamischen Wegweiser mit integrierten Stauinformationen (dWiSta) im Rahmen des Verkehrsmanagements an neuralgischen Entscheidungspunkten je nach Verkehrslage situativ zur Beschilderung von verfügbaren Umleitungsrouten. Im Rahmen der oben genannten Autobahnkorridorprojekte wurden zu vorher festgelegten Ereignissen (Sperrung, Stau oder Großveranstaltung) zugehörige grenzüberschreitende Schaltstrategien abgestimmt, welche im Ereignisfall durch die Operatoren/-innen im Kontrollraum je nach Verkehrssituation aktiviert und geschaltet werden.

Für die verkehrliche Bewertung einer Arbeitsstelle im Vorfeld und/oder im Nachgang stellt der Bereich der Verkehrsstatistik der Abteilung Verkehrssteuerung und Operating der Stabsstelle Baustellenkoordnierung fortlaufend verkehrszentralenintern die nachfolgend genannten Informationen als qualitätsgesicherte Datengrundlage zur Verfügung:

Verkehrsbelastung und Geschwindigkeiten in 2+0 Fahrzeugklassen im 1-Minuten-Intervall (weitere unterschiedliche Aggregationsstufen abrufbar) aus den Messquerschnitten auf den Autobahnen

Verkehrsbelastung in 8+1 Fahrzeugklassen als Stundenwerte und als durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke (DTV) auf Autobahnen, Bundes- und Landesstraßen aus den Dauerzählstellen

Verkehrsbelastung und Geschwindigkeiten in 8+2 Fahrzeugklassen als anonymisierte Einzelfahrzeugdaten, aggregierte Stundenwerte und als durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke (DTV) aus den TM-Zählungen mittels Seitenradargeräten (Verkehrsmonitoring) auf Bundes-, Landes- und Kreisstraßen

Verkehrsbelastung aus der manuellen Straßenverkehrszählung (alle 5 Jahre) als durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke (DTV) auf Autobahnen, Bundes-, Landes- und Kreisstraßen aus der Manuellen Zählung.

Ergänzend zu den Verkehrsinformationen entlang der Autobahnen (Betrieb von Verkehrsbeeinflussungsanlagen) betreibt das Land Nordrhein-Westfalen ein behördeneigenes Verkehrsportal. Unter dem Internet-Link www.verkehr.nrw finden interessierte Bürger/-innen entgeltfrei und völlig frei von Werbung unter Berücksichtigung des deutschen Datenschutzes zahlreiche nützliche Informationen der verschiedenen Verkehrsträger. Technisch konzeptioniert und betrieben sowie mit redaktionellem Inhalt versorgt wird dieses System seit seiner Entstehung im Jahr 2015 durch die Verkehrsredaktion der Verkehrszentrale. Ergänzend zum o. g. Internetauftritt steht das Verkehrsportal für mobile Endgeräte auch als App in den Stores von Apple und Google Play kostenfrei zum Download zur Verfügung. Die Entwicklung der Nutzerzahlen gemäß Bild 6 hat sich in den vergangenen Jahren sehr positiv entwickelt. Insbesondere die inhaltliche Weiterentwicklung Ende 2017 mit Einführung der Floating Car Data (FCD) der Firma TomTom als verlässliche LoS-Information (Level of Service) und die technischen Optimierungen für mobile Endgeräte (Apps) sowie die Umstellung auf einen automatisch skalierenden Serverbetrieb haben zu einer deutlichen Steigerung der Nutzerzahlen geführt. 

Bild 6: Entwicklung der Nutzerzahlen (= IP-Adressen) des Verkehrsportals NRW 

2.2 Verkehrsportal des Landes Nordrhein-Westfalen

Das Verkehrsportal des Landes Nordrhein-Westfalen bietet aktuelle Verkehrs- und Baustelleninformationen zu den nachfolgend genannten Verkehrsträgern an:

Motorisierter Individualverkehr (MIV, Straße)

Öffentlicher/Schienenpersonennahverkehr (ÖPNV, SPNV, Schiene)

– Radverkehr.

Als Kartenbasis zur Darstellung sämtlicher inhaltlicher Informationen wird die lizenzkostenfreie OpenStreetMap verwendet (Bild 7). Aktuell versorgt sind die Karten der Bundesrepublik Deutschland, der Niederlande sowie Belgien und Luxemburg. Eine räumliche Erweiterung der Kartengrundlage ist jederzeit mit geringstem technischen Aufwand möglich. 

Bild 7: Übersichtskarte des Verkehrsportals von NRW (www.verkehr.nrw) 

Seit 2017 wird auf dieser Kartengrundlage im Bereich des MIV die aktuelle Verkehrslage, ausgedrückt durch den LoS, als Liniendarstellung in der entsprechenden Farbe (grün = frei, gelb = zähfließend, rot = Stau, schwarz = gesperrt) dargestellt. Ursprünglich wurden die hausintern verfügbaren Informationen der lokalen Verkehrserfassung (Messquerschnitte) aus der Verkehrsrechnerzentrale verwendet. Seit 2017 werden die Informationen zur Verkehrslage auf Basis von FCD der Firma TomTom minütlich automatisiert aktualisiert dargestellt. Wesentlicher Vorteil dieser durch die Verkehrszentrale eingekauften Datenquelle ist, dass die Verkehrslage örtlich wesentlich präziser und zeitlich ohne große Reaktionszeiten sowohl für das Autobahnnetz als auch für das nachgeordnete Hauptverkehrsstraßennetz im o. g. Darstellungsbereich bereitgestellt wird. Ausgewiesen werden je Verkehrsstörung der Zeitpunkt des Beginns, die aktuellen Verlustzeiten in Minuten, bisher einzigartig in Deutschland die Tendenzen zur Verkehrslage (steigend / fallend) sowie die aktuelle durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit in km/h. Zukünftig sollen solche hochpräzisen FCD auch als zusätzliche Datenquelle für die Lenkung des Verkehrs mit Hilfe von dWiSta genutzt werden. Ergänzt werden diese Informationen um die (sicherheitsrelevanten) Verkehrsinformationen der Polizei (LZPD, LMS und Leitstellen) auf den Autobahnen in NRW sowie der Nationalen Meldestelle für gesamt Deutschland, welche durch ein farbiges punktuelles Symbol ähnlich Verkehrszeichen Z101 StVO angezeigt werden. Als Detailinformationen ist der komplette Inhalt des TIC-Eintrags inkl. dem zugehörigen Event-Code enthalten. Hierbei handelt es sich immer um Live-Informationen.

Bei den Informationen zu Arbeitsstellen auf Autobahnen wird unterschieden zwischen Ankündigungen in grauer Farbe und Live-Informationen in roter Farbe. AlD werden durch ein punktuelles Symbol ähnlich Verkehrszeichen Z123 StVO und AkD durch ein punktuelles Symbol „Pylon“ dargestellt. Als Detailinformationen werden Beginn und Ende der Projektphase sowie das Gesamtende der Baumaßnahme, eine Kurzbeschreibung zu den Bautätigkeiten, die Länge in km, die zulässige Höchstgeschwindigkeit in km/h, die Bewertung der Stauanfälligkeit, eine schematische Übersicht der Baustellenverkehrsführung hinsichtlich der verfügbaren Anzahl an Fahrstreifen und die maximalen Fahrbahnbreiten je Fahrtrichtung als Information für die Durchführung von genehmigungspflichtigen Schwertransporten angezeigt.

An ca. 100 neuralgischen Punkten im Autobahnnetz stehen dem Benutzer/der Benutzerin als weiteres Medium Informationen aus ca. 200 Webcams zur Verfügung. Nach Auswahl eines Standortes und der Fahrtrichtung können zur rein qualitativen Bewertung der Verkehrssituation entweder ein Standbild oder der Videostream live abgerufen werden. Ergänzend werden für ausgewählte Parkhäuser Informationen zur Stellplatzkapazität, der Öffnungszeiten und teileweise zur preislichen Tarifgestaltung veröffentlicht.

Die in das Verkehrsportal integrierte Routingfunktion basiert auf der OpenSourceRoutingMachine. Bei Eingabe einer Start- und Zieladresse im o. g. Kartenbereich berechnet das System unter Berücksichtigung verfügbarer Verkehrs- und Baustelleninformationen die Wegstrecken für den MIV, die Nutzung des ÖPNV oder des Fahrrades. Für eine beispielhaft eingegebene Fahrtstrecke zwischen der Verkehrszentrale, Bonner Straße 70, 51379 Leverkusen (Start) und dem Betriebssitz, Wildenbruchplatz 1, 45888 Gelsenkirchen (Ziel) wurden die nachfolgend dargestellten Detailinformationen berechnet: 

Bild 8: Informationen MIV (Auszug) 

Bild 9: Informationen ÖPNV und Fahrrad (Auszug)

Das Verkehrsportal wurde im Jahr 2015 mit dem GIS Best Practice Award der Gesellschaft für Geodäsie, Geoinformation und Landmanagement e. V. ausgezeichnet. Das Verkehrsportal wurde so konzeptioniert, dass sämtliche beim MDM im DATEX2-Format hinterlegten Informationen auf der hinterlegten Kartengrundlage automatisiert verortet und dargestellt werden können. 

3 Zusammenfassung

Verkehrs- und Baustelleninformationen sind im Zeitalter der Digitalisierung aus der heutigen Welt der ständigen Verfügbarkeit von Informationen mittels Internet nicht mehr wegzudenken. Sie beeinflussen u. a. das Mobilitätsverhalten der Bürgerinnen und Bürger und müssen daher aus Sicht des Straßenbetreibers – völlig lösgelöst von der Straßenklasse Autobahn, Bundes-, Landes-, Kreis- oder kommunale Straße – größtmögliche Aktualität, Vollständigkeit und Genauigkeit aufweisen.

Als Straßenbaulastträger für die Autobahnen verfügt der Landesbetrieb Straßenbau NRW über die genauesten Informationen zu Arbeitsstellen längerer und kürzerer Dauer in seinem Zuständigkeitsbereich in der internen Fachanwendung NWBIS2. Über automatisierte Datenaustausche werden diese Informationen – ergänzt um Verkehrsinformationen – weitestgehend automatisiert der Öffentlichkeit über das Verkehrsportal des Landes Nordrhein-Westfalen (www.verkehr.nrw) vollkommen kosten- und werbefrei nach deutschem Datenschutz zugänglich gemacht. Auf Basis der Content-Management-Software TIC3 wurden die Fachanwendungen „TIC kommunal“ und „TIC BLK“ als wesentliche Medien für eine landesweite Baustellenkoordinierung aller Arbeitsstellen unterschiedlicher Baulast- und Verkehrsträger in die bestehenden Prozesse eingebunden. Mit Eingabe der Informationen in diese Softwareprodukte wird anderen Organisationen kostenfrei die Möglichkeit gegeben, alle weiteren automatisierten und langjährig erprobten Datenübermittlungswege zu nutzen. Diese Arbeitsprozesse im Sinne einer landesweiten baulast- und verkehrsträgerübergreifenden Baustellenkoordinierung auf andere Organisationen auszuweiten, ist das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel der Landesregierung.

Ergänzend zur technischen Bereitstellung geeigneter Softwareprodukte ist zur Zielerreichung ebenfalls die Bereitstellung von entsprechend qualifiziertem zusätzlichen Personal in ausreichender Anzahl in den beteiligten Orgsanisationseinheiten notwendig. Mit Aufstockung des Personals im Bereich der Stabsstelle Baustellenkoordinierung innerhalb der Verkehrszentrale wurden bereits erste richtungsweisende Entscheidungen getroffen. Wichtige Datenbereitstellungen, -übermittlungen, -austausche und -veröffentlichungen sind zukunftsorientiert mittels DATEX2-Schnittstellen bzw. -Datenformate über den MDM als Nationalem Zugangspunkt für (sicherheitsrelevante) Verkehrsinformationen realisiert. Die einzelnen Fachanwendungen und das Verkehrsportal wurden im Wesentlichen so konzeptioniert, dass diese sich beim bevorstehenden Zuständigkeitswechsel im Rahmen der Gründung der Infrastrukturgesellschaft Autobahn unmittelbar und damit ohne großen Aufwand – je nach Straßenkategorie – getrennt voneinander in unterschiedlicher Trägerschaft (Bund/Land) weiter betreiben lassen. Damit sind die wesentlichen technischen und organisatorischen Möglichkeiten geschaffen, die Baustellenkoordinierung im Sinne der Aufrechterhaltung einer größtmöglichen Mobilität auf den Straßen in NRW nachhaltig zu verbessern. Nunmehr liegt es an den beteiligten Organisationen, die entsprechenden Informationen für ihren Zuständigkeitsbereich im täglichen Betrieb mit hoher Qualität, Aktualität und Vollständigkeit bereitzustellen, damit hierauf aufbauend eine netzweite Koordinierung aller Arbeitsstellen unter Berücksichtigung gesamtwirtschaftlicher Aspekte erfolgen kann.