FGSV-Nr. FGSV 001/25
Ort Stuttgart
Datum 30.09.2014
Titel Die Arbeitsstättenregel ASR A5.2 – Verbesserter Arbeitsschutz von Beschäftigten an Straßenbaustellen
Autoren Dipl.-Ing. Horst Leisering
Kategorien Kongress
Einleitung

Der Ausschuss für Arbeitsstätten (ASTA) hat den Stand der Technik hinsichtlich des Schutzes der Beschäftigten auf Straßenbaustellen vor den Gefahren des Straßenverkehrs ermittelt und am 5. Dezember 2013 die Arbeitsstättenregel ASR A5.2 „Anforderungen an Arbeitsplätze und Verkehrswege auf Baustellen im Grenzbereich zum Straßenverkehr – Straßenbaustellen“ beschlossen. Seit Beginn der Erarbeitung der ASR A5.2 im Jahre 2011 sind entsprechend der Geschäftsordnung des ASTA die mandatierten Vertreter der Sozialpartner, der staatlichen Arbeitsschutzbehörden, der Unfallversicherungsträger und der Wissenschaft bzw. der fachkundigen Personen beteiligt. Hierzu gehören zwei Vertreter des FGSV-Arbeitskreises AK 3.5.4 „Sicherung von Arbeitsstellen“. Darüber hinaus werden sämtliche Bundesministerien fortlaufend über die Einladungen, Beratungsunterlagen und Niederschriften informiert. Die offizielle Einführung erfolgt durch die Bekanntgabe im Gemeinsamen Ministerialblatt und wird für Ende 2014 erwartet. Zurzeit sind die Inhalte der ASR A5.2 auf den Internetseiten des BMAS, der BAuA, der DGUV und der BG BAU zur Information der Fachöffentlichkeit vorveröffentlicht. Die Einführung der ASR A5.2 „Straßenbaustellen“ bringt mehr Sicherheit für die Beschäftigten auf Straßenbaustellen. Durch die genaue Beschreibung vieler im Straßenbau angewendeter Arbeitsverfahren und der hierfür erforderlichen Platzverhältnisse und Sicherungsmöglichkeiten wird den Straßenbauunternehmen ein neues Werkzeug an die Hand gegeben. Hiermit können den direkt neben dem Verkehr arbeitenden Mitarbeitern sichere und vor dem vorbeifließenden Verkehr ausreichend geschützte Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden. Die entsprechenden Rechtsgrundlagen zum Schutz der direkt neben dem Verkehr arbeitenden Beschäftigten liegen seit Jahren vor. Arbeitsschutzgesetz, Arbeitsstättenverordnung und Baustellenverordnung beinhalten entsprechende Schutzmaßnahmen, die allerdings allgemein formuliert sind. Deshalb wurden sie in der Vergangenheit bei Arbeiten direkt neben dem Straßenverkehr oft nicht ausreichend berücksichtigt. Durch die Einführung der neuen ASR A5.2 „Straßenbaustellen“ werden die bereits existierenden Gesetze und Verordnungen präzisiert und mehr Klarheit geschaffen. Da die Anforderungen an die Verkehrsführung im Baustellenbereich in der Regel von Straßenbaubehörden und -verwaltungen vorgegeben werden, liefert künftig die neue ASR A5.2 neben den „Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen“ (RSA) auch für die Planer der Verkehrsführung wichtige Hinweise. Durch die bereits in der Planungsphase vorliegenden Informationen durch die ASR A5.2 über die für die Bauarbeiten neben dem Verkehr erforderlichen Sicherheitsabstände, Arbeitsraumbreiten und Sicherungsmaßnahmen kann die Verkehrsführung so gestaltet werden, dass die Straßenbauarbeiten sicher, schnell und wirtschaftlich durchgeführt werden können. Im Rahmen des Vortrages werden die wesentlichen Inhalte und Hintergründe der ASR A5.2 dargestellt.

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Volltext

Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

Ausgangslage

Der Ausschuss für Arbeitsstätten (ASTA) hat die Technische Regel für die Sicherheit der Beschäftigten auf Straßenbaustellen erarbeitet und den Entwurf der „Arbeitsstättenregel“ in seiner Sitzung am 5. Dezember 2013 beschlossen. Der Verkehrsbereich hatte Diskussionsbedarf zum Entwurf angemeldet. In einer Sitzung am 15. Oktober 2014 wurden die aufgeworfenen Fragen der Verkehrsseite mit dem BMAS und ASTA-Vertretern besprochen und das weitere Vorgehen abgestimmt. Anfang des Jahres 2015 ist mit einer Veröffentlichung der ASR im GMBl zu rechnen.

Aufgrund der drängenden Probleme auf Straßenbaustellen wird der Entwurf der ASR noch vor der endgültigen Bekanntmachung durch das BMAS einer breiten Fachöffentlichkeit zugänglich gemacht.

Warum eine neue ASR A5.2 Straßenbaustellen?

In der Vergangenheit hat sich im Rahmen von Unfalluntersuchungen bzw. bei der Kontrolle von Straßenbaustellen durch staatliche oder berufsgenossenschaftliche Arbeitsschützer immer wieder herausgestellt, dass

  • die für die sichere Verkehrsführung geltenden „Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen“ (RSA-95) und
  • die für den „Schutz der Beschäftigten geltende Arbeitsstättenverordnung“ (ArbStättV)

in der Planungs-, Ausschreibungs- oder Ausführungsphase nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Vorgegebene Mindestmaße, Sicherheitsabstände und Arbeitsraumbreiten wurden dabei nicht oder nur unzureichend eingehalten mit der Folge von nicht akzeptablen Gefährdungen der Verkehrsteilnehmer und Arbeitskräfte.

Geltungsbereich der „Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen“ (RSA-95)

Die „Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen“ (RSA-95) gelten aus rechtlichen Gründen nicht für die Sicherheit der Beschäftigten auf Baustellen im Straßenverkehr.
Diese Aussage entspricht der offiziellen Position des BMVI. Die RSA betreffen lediglich die Sicherung von Arbeitsstellen zum Zweck der Gewährleistung des Verkehrs und regeln verkehrsrechtliche Grundsätze und Zuständigkeiten für alle verkehrslenkenden, -beschränkenden oder -verbietenden Maßnahmen auf öffentlichen Verkehrsflächen nach Maßgabe der StVO. Bisher missverständliche Formulierungen in den RSA-95 werden bei der Überarbeitung der RSA bereinigt.

Unterschiedliche Formulierungen der RSA-95 zu Mindest- bzw. Sicherheitsabständen

Gemäß RSA-95 Teil A, Punkt 10.0 (3) gilt:

Zwischen dem Arbeitsbereich der Arbeitsstelle (z. B. Grabungskante, Baugeräte) und dem Verkehrsbereich sind möglichst folgende Mindestabstände (Richtwerte) einzuhalten, soweit nicht vom Baulastträger andere Maße vorgeschrieben werden:

a) 0,3 m auf innerörtlichen Straßen,

b) 0,5 m auf Straßen außerorts,

c) 0,15 m auf Geh- und Radwegen.

RSA-95 Teil A, Punkt 10.0 (4) legt fest:

(4) …. Abstandsmaße beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf die Mitte der Verkehrseinrichtungen.

RSA-9 Teile B / C, Abschnitt 2.2.1 sowie Teil D 2.3.2 formulieren zum gleichen Sachverhalt:

Bei der Festlegung der Fahrstreifenbreiten sollte gegebenenfalls berücksichtigt werden, dass zwischen Absperrgeräten und einem Baugrubenrand ein Sicherheitsabstand von mindestens 0,3 m innerorts bzw. 0,5 m zur Verfügung steht.

Problem: Die unterschiedlichen Bezugslinien und fehlende grafische Darstellungen in den RSA-95 für Mindest- und Sicherheitsabstände haben in der Vergangenheit zu sehr unterschiedlichen Interpretationen dieser Bezugslinien geführt. Gleichzeitig sind die dort vorgesehenen Mindestabstände aus Sicht des Arbeitsschutzes teilweise zu gering bemessen. Beispiel Arbeitsstelle kürzerer Dauer auf Autobahnen: Bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von bis zu 120 km/h wird ein Abstand von 50 cm aus verkehrlicher Sicht als ausreichend angesehen.

Geltungsbereich der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV)

Diese Verordnung dient der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten. Dabei gelten als Arbeitsstätten in dem hier diskutierten Zusammenhang Orte im Freien, die zur Nutzung für Arbeitsplätze vorgesehen sind. Sie gilt auch für sogenannte „Funktionsflächen, das heißt Flächen, die dem Beschäftigten außerhalb eines Arbeitsmittels, z. B. eines Asphaltfertigers, zur Verfügung gestellt werden müssen, um das Arbeitsmittel zu bedienen.

Die Arbeitsstättenverordnung gilt nicht für den Betrieb von Arbeitsmitteln. Hier ist die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) einschließlich der nachgeordneten Technischen Regeln (TRBS) anzuwenden. Der reine Betrieb eines Arbeitsmittels oder Fahrzeuges, z. B. eines Sicherungsfahrzeuges ist demnach sicherheitstechnisch über die BetrSichV zu bewerten.

Vorhandenen Regelungen in der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV)

Gemäß Arbeitsstättenverordnung muss die freie unverstellte Fläche am Arbeitsplatz eines Beschäftigten so bemessen sein, dass sich die Beschäftigten bei ihrer Tätigkeit ungehindert bewegen können. Arbeitsplätze sind in der Arbeitsstätte so anzuordnen, dass Beschäftigte nicht durch Einwirkungen von außerhalb gefährdet werden. Beschäftigten sind durch Sicherheitsabstände bzw. geeignete Schutzvorrichtungen vor Fahrzeugen zu schützen.

Die Auswahl der geeigneten Schutzvorrichtung, die Bemessung der freien Bewegungsfläche sowie des Sicherheitsabstandes hat im Einzelfall im Rahmen einer schriftlich dokumentierten Gefährdungsbeurteilung zu erfolgen.
Problem: Die fehlenden Maße für Sicherheitsabstände und freie Bewegungsflächen sowie das Fehlen einer grafischen Darstellung haben in der Vergangenheit oft dazu geführt, dass die ArbStättV nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt wurde.

Unfall- und Gesundheitsrisiken für die neben dem Straßenverkehr arbeitenden Beschäftigten

Bei Arbeiten im Grenzbereich zum Straßenverkehr ist das Risiko eines Beschäftigten, einem tödlichen Unfall zu erliegen, deutlich höher als in anderen Beschäftigungsgruppen der gewerblichen Wirtschaft. So wurden von 1993 bis 2003 durch Fremdverschulden allein in NordrheinWestfalen 15 Straßenwärter getötet und 289 überwiegend schwer verletzt. Aktuelle Zahlen bestätigen diese Häufigkeiten für NRW im Wesentlichen bis heute.

In den Mitgliedsbetrieben der BG BAU kamen in den letzten 3 1/2 Jahren hierdurch 18 Arbeitskräfte zu Tode, 35 wurden schwer verletzt.

Der Verband Deutscher Straßenwärter (VDStra) gab im Oktober 2014 auf seiner Internetseite an, dass jährlich durchschnittlich 9 Straßenwärter tödlich verunfallen.

Nach unterschiedlichen Berechnungen ist das reale Risiko eines Beschäftigten Arbeiten im Grenzbereich zum Straßenverkehr zwischen 12- und 48-mal höher, einen tödlichen Unfall zu erliegen, als bei anderen Beschäftigungsgruppen in der gewerblichen Wirtschaft. Für die Beschäftigten, die auf Straßenbaustellen im Grenzbereich zum Straßenverkehr arbeiten müssen ist das Risiko, selbst vom Verkehr angefahren zu werden oder zumindest durch Unfälle mit direkten Kollegen belastet zu werden, deutlich höher als für einen durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer.

Die Beschäftigten, die im Grenzbereich zum Straßenverkehr arbeiten, sind darüber hinaus zusätzlichen Gefährdungen durch Lärm, Abgase und Witterung ausgesetzt. Hinzu kommen die psychischen Belastungen auf derartigen Arbeitsplätzen (ständige Gefahr angefahren zu werden, Beschimpfungen von genervten Autofahrern, psychische Verarbeitung von Unfällen von Kollegen).

Festlegen und Beurteilen von Schutzmaßnahmen auf der Grundlage von Arbeitsschutzgesetz, Baustellenverordnung und Arbeitsstättenverordnung

Bei der Planung und Ausführung von Straßenbaustellen müssen neben den „Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen“ (RSA) unter anderem das Arbeitsschutzgesetz, die Baustellenverordnung und die Arbeitsstättenverordnung berücksichtigt und angewendet werden. Dies gilt auch für Arbeitsplätze und Verkehrswege im Grenzbereich zum Straßenverkehr, bei denen Beschäftigte durch den fließenden Verkehr gefährdet werden können.

Minimierung von Gefährdungen nach Arbeitsschutzgesetz

Für den Schutz von Beschäftigten auf Baustellen sind im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung auch die Gefährdungen durch den fließenden Verkehr im Grenzbereich zum Straßenverkehr zu beurteilen und geeignete Arbeitsschutzmaßnahmen festzulegen. Dabei sind die allgemeinen Grundsätze gemäß § 4 ArbSchG zu berücksichtigen. Straßenbaustellen sind danach insbesondere so zu planen und einzurichten, dass Gefährdungen durch den fließenden Verkehr für Beschäftigte möglichst vermieden und verbleibende Gefährdungen möglichst gering gehalten werden.

Welche Maßnahmen sich im konkreten Einzelfall als geeignet erweisen, ist im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung festzulegen. Dabei ist insbesondere den spezifischen Gefährdungen bei unterschiedlichen Tätigkeiten auf Straßenbaustellen Rechnung zu tragen. Entsprechende Maßnahmen zur Lenkung und Leitung des Verkehrs dürfen ausschließlich von den hierfür zuständigen Behörden angeordnet werden!

Pflichten des Bauherrn nach der Baustellenverordnung

Der Bauherr ist durch die Baustellenverordnung verpflichtet, bei der Planung der Ausführung eines Bauvorhabens die allgemeinen Grundsätze nach § 4 des Arbeitsschutzgesetzes sowie den Stand der Technik zu berücksichtigen.

Der Stand der Technik wird insbesondere beschrieben in staatlichen und berufsgenossenschaftlichen Vorschriften und Regeln, z. B. der Arbeitsstättenverordnung und den Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR).

Bei der Erstellung des Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes muss der Koordinator nach Baustellenverordnung bereits in der Planungsphase unter anderem die Gefährdungen durch den öffentlichen Verkehr berücksichtigen und Schutzmaßnahmen unter Berücksichtigung des Stands der Technik (z. B. ArbStättV, ASR) vorsehen.

Schutzmaßnahmen gemäß Arbeitsstättenverordnung

Gemäß Arbeitsstättenverordnung

  • muss die freie unverstellte Fläche am Arbeitsplatz so bemessen sein, dass sich die Beschäftigten bei ihrer Tätigkeit ungehindert bewegen können und
  • sind die Beschäftigten durch Sicherheitsabstände bzw. geeignete Schutzvorrichtungen vor Fahrzeugen zu schützen.

Die Auswahl der geeigneten Schutzvorrichtung, die Bemessung der freien Bewegungsfläche sowie des Sicherheitsabstandes müssen im Einzelfall im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung erfolgen.

Platzbedarf der freien Bewegungsfläche

Der erforderliche Platzbedarf der freien Bewegungsfläche muss im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung ermittelt werden. Hierbei sind die Körpermaße der Beschäftigten sowie die auszuführenden Bewegungsabläufe zu berücksichtigen. Auch Platzbedarfe für ein durch Arbeitsverfahren bedingtes Hinauslehnen aus Führer- und Bedienständen von Fahrzeugen und Maschinen zur Einsichtnahme in den Fahr- und Arbeitsbereich ist zu berücksichtigen.

Bemessung des Sicherheitsabstandes

Der Sicherheitsabstand beschreibt den Abstand zwischen der freien Bewegungsfläche des Beschäftigten und den äußeren Begrenzungen der vorbeifahrenden Fahrzeuge (inklusive Spiegel, Ladung etc.).

Da die Energie eines Aufpralls und somit das Verletzungsrisiko von der Geschwindigkeit des am Beschäftigten vorbeifahrenden Verkehrs abhängig ist, muss der Sicherheitsabstand sowohl in Längsrichtung zum ankommenden Verkehr als auch in Querrichtung zum vorbeifahrenden Verkehr die Geschwindigkeit berücksichtigen. Darüber hinaus berücksichtigt der Sicherheitsabstand z. B. unbeabsichtigte Bewegungen von Beschäftigten aus dem Bereich von Arbeitsplätzen und Verkehrswegen heraus oder unbeabsichtigte Fahrbewegungen des fließenden Verkehrs.

Was ändert sich durch die ASR A5.2 ?

Die ASR A5.2 „Straßenbaustellen“ dient dem Schutz der Beschäftigten vor den Gefahren des Straßenverkehrs. Sie konkretisiert die seit Jahrzehnten geltenden Forderungen der ArbStättV und beinhaltet keine neuen Sachverhalte. Sie unterstützt alle am Bau Beteiligten bei der Wahl der Schutzmaßnahmen, der Bemessung der freien Bewegungsfläche und der Sicherheitsabstände sowie der Auswahl von Schutzvorrichtungen (Bild 1).

Bild 1: Schutzmaßnahmen nach Arbeitsstättenverordnung

Vergleich der erforderlichen Straßenbreiten bei Anwendung der ASR A5.2 im Vergleich zur RSA-95

Für den kritischen Bereich Landstraße wurde bei der Entwicklung der ASR A5.2 die RSA-95 als Grundlage herangezogen. Hierbei wurde die Bezugslinie für die Maßkette in der ASR A5.2 zugunsten einer möglichst geringen Breite und einer einheitlichen Handhabung bis zur Mittelachse der Leitbake verschoben. Zum korrekten Vergleich der möglichen Straßenbreiten bei Anwendung der RSA-95 bzw. der ASR A5.2 wird im Bild 2 beispielhaft die Situation für Landstraßen gegenübergestellt.

Bei richtiger Anwendung der RSA-95 sowie der Arbeitsstättenverordnung zeigt sich, dass sich annähernd die gleichen Breiten wie bei Anwendung der ASR A5.2 ergeben.

Bild 2: Vergleich RSA-95/ASR A5.2 am Beispiel Arbeitsstelle längerer Dauer auf Landstraße

In welchen Fällen sind Arbeitsstättenverordnung bzw. ASR A5.2 anzuwenden?

Im Zusammenhang mit dem Schutz der Beschäftigten vor den Gefahren des Straßenverkehrs sind Arbeitsstättenverordnung bzw. ASR A5.2 immer nur dann anzuwenden, wenn sich Beschäftigte im unmittelbaren Grenzbereich zum Straßenverkehr aufhalten und dort ihre Arbeit verrichten müssen. Zusätzlich hat immer die verkehrsrechtliche Absicherung nach StVO und RSA-95 zu erfolgen (Bild 3).

Ist dies nicht der Fall, so reicht die Absicherung nach verkehrsrechtlichen Erfordernissen (StVO, RSA-95) aus (Bild 4).

Bild 3: Beschäftigte arbeiten im Grenzbereich zum fließenden Verkehr: ArbStättV und ASR A5.2 müssen angewendet werden

Bild 4: Keine Beschäftigten im Grenzbereich zum fließenden Verkehr: ArbStättV und ASR A5.2 müssen nicht angewendet werden

Wesentliche Inhalte der ASR A5.2

Im folgenden Abschnitt sind wesentliche der ASR A5.2 zusammengefasst und vereinfacht dargestellt.

Dem Grundprinzip des Arbeitsschutzes folgend soll zunächst versucht werden, Gefährdungen zu vermeiden, siehe auch Erläuterungen zum Arbeitsschutzgesetz weiter oben. Ist dies nicht möglich, so sind die Gefährdungen zu minimieren. Hierbei sind der Stand der Technik sowie das TOP-Prinzip zu berücksichtigen. Das TOP-Prinzip (TOP = Technisch – Organisatorisch – Persönlich) beschreibt die im Arbeitsschutz übliche Rangfolge von Maßnahmen, wonach technische Maßnahmen vor organisatorischen oder persönlichen Maßnahmen zur Anwendung kommen sollen.

Dementsprechend heißt es in der ASR A5.2, Punkt 4.1:

(1)….Gefährdungen durch den fließenden Verkehr können z. B. vermieden werden durch eine vollständige Umleitung des Verkehrs bei einbahnigen Straßen oder eine Überleitung des Verkehrs auf die Gegenfahrbahn bei zweibahnigen Straßen.

(2) Sofern Gefährdungen für Beschäftigte durch den fließenden Verkehr nicht vermieden werden können, sind diese so weit wie möglich zu minimieren.

Im Punkt 4.2.1 sind technische Schutzmaßnahmen für Straßenbaustellen längerer Dauer beschrieben. Dort heißt es:

(1) Zur Minimierung der Gefährdungen durch den fließenden Verkehr sind zur räumlichen Trennung von Arbeitsplätzen und Verkehrswegen auf Straßenbaustellen vorrangig Fahrzeug-Rückhaltesysteme einzusetzen….

(3) Können Fahrzeug-Rückhaltesysteme nicht eingesetzt werden, z. B. aufgrund fehlender Aufstellflächen oder Unterschreitung der Mindestaufbaulänge, sind Verkehrseinrichtungen (z. B. Leitbaken, Leitkegel), Leitschwellen, -borde oder -wände zur Führung des Straßenverkehrs zu verwenden…

Als Mindestbreite für Arbeitsplätze und Verkehrswege auf Straßenbaustellen wird für reine Kontroll-, Steuer- und Bedientätigkeiten z. B. im Mitgängerbetrieb ein BM von 80 cm vorgesehen.

Der seitliche Sicherheitsabstand SQ von Arbeitsplätzen und Verkehrswegen auf Straßenbaustellen zum fließenden Verkehr ist geschwindigkeitsabhängig und beträgt beim Einsatz von großen Leitbaken zwischen 30 cm bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h bis zu 90 cm bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h.

Da bei der Bemessung des Sicherheitsabstandes SQ beim Einsatz von z. B. Leitbaken ausschließlich die leitende Wirkung der Verkehrseinrichtung betrachtet wird, nicht jedoch die Auswirkung eines Durchbrechens der Absperrung, wird der gleiche Grundgedanke bei der Bemessung der Sicherheitsabstände beim Einsatz von transportablen Schutzeinrichtungen angewendet. Hieraus ergeben sich für den Einsatz von transportablen Schutzeinrichtungen zum Schutz der Beschäftigten geringere Sicherheitsabstände SQ als bei Betrachtung des „crashens“ einer solchen Schutzeinrichtung und der daraus folgenden dynamischen Querverschiebung. Die Sicherheitsabstände für transportable Schutzeinrichtungen betragen somit zwischen 30 cm bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h bis zu 100 cm bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h. Hieraus ergibt sich eindeutig ein geringerer Platzbedarf gegenüber der bisherigen Betrachtungsweise.

Der Sicherheitsabstand SL zum ankommenden Verkehr ist ebenfalls geschwindigkeitsabhängig. Anders als in den Regelplänen der RSA-95 dargestellt, beziehen sich die Maße im Arbeitsschutz zwangsläufig auf das lichte Maß zwischen Sicherungselement und Arbeitsmaß.

Unterstützt und verdeutlicht werden die hier erläuterten Inhalte der ASR A5.2 durch eindeutige Maßketten in Grafiken, welche übliche Arbeitsverfahren im Straßenbau nach heutigem Stand der Technik darstellen (Bild 5).

Bild 5: Grafik aus ASR A5.2


Öffnungsklausel

In verschiedenen Abschnitten der ASR A5.2 sind Öffnungsklauseln eingebaut, welche beschreiben, wie die Schutzmaßnahmen zu wählen sind, wenn die Mindestmaße aus den Tabellen  nicht eingehalten werden können. Hiernach sind als Ergebnis einer Gefährdungsbeurteilung Schutzmaßnahmen festzulegen, die mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten erreichen. Dabei sind z. B. folgende Kriterien zu berücksichtigen:

– zulässige Höchstgeschwindigkeit des fließenden Verkehrs,

  • Kurvigkeit der Straßenführung,
  • fehlende Ausweichmöglichkeiten, z. B. durch Bordsteine, seitlichen Bewuchs oder Gegenverkehr,
  • Fahrstreifenbreiten,
  • Fahrzeugarten und
  • Verkehrsdichte, Sichtverhältnisse.

Des Weiteren sind geeignete Maßnahmen beispielhaft aufgeführt, wie z. B.

  • temporäre Fahrbahnverbreiterung für den vorbeifließenden Straßenverkehr,
  • Überwachung der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit z. B. durch polizeiliche Maßnahmen,
  • Anzeige der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit durch elektronische Messverfahren,
  • in lokal begrenzten Abschnitten weitere Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit,
  • Herausfiltern und Umleiten des Lkw-Verkehrs,
  • Durchführung der Arbeiten in verkehrsarmen Zeiten oder
  • Temporäre Lichtzeichenanlage zur zeitweiligen Sperrung des fließenden Verkehrs (Nutzen von Zeitfenstern).

Zusammenfassung

Die ASR A5.2 ist ein modernes und flexibles Hilfsmittel, welches allen am Straßenbau Beteiligten wichtige Informationen liefert und anschaulich darstellt. Durch das Berücksichtigen von erforderlichen Breiten für die Sicherheitsabstände und Arbeitsräume in der Planung können verkehrsentlastende Maßnahmen rechtzeitig eingeplant und ausgeschrieben werden. Hierdurch kann proaktiv zur Stauvermeidung beigetragen werden. Gegenüber RSA-95 ergeben sich keine Mehrbreiten für Arbeitsstellen längerer Dauer auf Landstraßen, vorausgesetzt, dass bei dem Vergleich RSA-95 und Arbeitsstättenverordnung richtig angewendet werden. Grundsätzlich bleibt jedoch festzustellen: Jedes Bauen stört den Verkehrsfluss. Das Aufrechterhalten aller Fahrspuren, vorzugsweise ohne Geschwindigkeitsreduzierung, ohne Beeinflussung des Verkehrs, ohne Zusatzkosten, ohne zusätzlichen Zeitaufwand und bei simpelster Verkehrsführung bei gleichzeitiger Durchführung einer Straßenkomplettsanierung ist ein Wunschgedanke, der bei näherem Hinsehen als nicht realistisch erkannt werden muss. Er kann nicht Gegenstand ernsthafter Diskussionen sein. Soll der Verkehr trotz Bauarbeiten an der Baustelle vorbeigeführt werden, so müssen hierfür entsprechend zusätzliche Maßnahmen, Bauzeiten und daraus folgende Kosten eingeplant und bereitgestellt werden. Will der Auftraggeber hingegen kostengünstig, schnell und mit bester Produktqualität bauen, ist die Vollsperrung oftmals die bessere Lösung. Bei einer Vollsperrung fallen z. B. Längs- und Quernähte weg. Hierdurch verbessert sich die Produktqualität der Straße und somit die Haltbarkeit. Eine geringere Reparaturhäufigkeit verringert die Belastung der Verkehrsteilnehmer. Nicht zu vernachlässigende Mitnahmeeffekte bei einer Vollsperrung sind geringere Baukosten und -zeiten.