FGSV-Nr. FGSV 002/113
Ort Karlsruhe
Datum 22.09.2015
Titel Feucht- und Flüssigstreuung im Winterdienst - quo vadis?
Autoren Ltr. MR Dr.-Ing. Horst Hanke
Kategorien Straßenbetrieb, Winterdienst
Einleitung

Feuchtsalz FS 30 ist seit Jahren zum Winterdienst-Standard geworden. Seit einigen Jahren wird dies durch die Flüssigstreuung FS 100 ergänzt, die vor allem für vorbeugende Streuungen bei Temperaturen leicht unter dem Gefrierpunkt dem FS 30 überlegen ist. Jüngste Versuche in Österreich haben gezeigt, dass auch Feuchtsalz mit höherem Lösungsanteil (FS 50 und FS 70) praktisch umsetzbar und bei bestimmten Situationen besser als FS 30 ist. So stellt sich grundsätzlich die Frage der optimalen Strategie in der Zukunft. Dabei spielt auch eine Rolle, inwieweit in nachgeordneten Netzen und im kommunalen Bereich die erforderlichen Investitionen für FS 100 rentieren bzw. in absehbarer Zeit geleistet werden können.

Stellt man die Vor- und Nachteile der verschiedenen Streutechniken von FS 20 bis FS 100 systematisch zusammen, so ergibt sich, dass keine der Techniken für jeden Fall ideal ist. In Abhängigkeit vom Fahrbahnzustand und der Witterungssituation, insbesondere der Temperatur, sind jeweils unterschiedliche Befeuchtungsgrade am wirksamsten. Ideal wäre daher, Feuchtsalz mit differenzierter Befeuchtung abhängig von der jeweiligen Situation einzusetzen. Geräte mit automatisiert differenzierter Befeuchtung wären daher künftig die ideale Lösung. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, dieses Ziel zu erreichen. Auf diesem Gebiet sind daher noch umfangreiche Praxistests mit wissenschaftlicher Begleitung sinnvoll.

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Anforderungen an einen effektiven Winterdienst 

Die Anforderungen, denen ein moderner Winterdienst in der heutigen Zeit genügen muss, sind sehr vielfältig. 

Der Winterdienst muss effektiv sein, d.h. er muss möglichst jederzeit bzw. möglichst schnell nach den winterlichen Einwirkungen optimale Verkehrssicherheit und optimalen Verkehrsfluss gewährleisten. Er muss wirtschaftlich sein, d.h. die Ressourcen sollen kostengünstig eingesetzt werden (Betriebswirtschaftlichkeit), und die Straßennutzerkosten sollen minimiert werden (Volkswirtschaftlichkeit). Weiterhin soll der Winterdienst umweltschonend sein, d.h. die Umweltbelastung durch die Streustoffe und durch den Verkehr sollen minimiert werden. Letztlich muss der Winterdienst auch rechtssicher sein, d.h. die gesetzlichen Streupflichten umfassend erfüllen. 

Um diesen Anforderungen optimal gerecht zu werden, muss die Winterglätte möglichst frühzeitig bekämpft werden. Das bedeutet bei absehbarer Glättebildung eine vorbeugende Streuung, und bei Schneefall eine schnelle und effektive Räumung und Streuung. 

Hierfür müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

· Gute Vorbereitung des Winterdienstes

· Strategische Einsatzplanung und Einsatzorganisation

· Optimale Straßen-Wetter-Informationen und Prognosen

· Gute Kenntnisse über Zusammenhänge zwischen Wetterentwicklung, Glättebildung und Glättebekämpfung

· Optimale Räum- und Streutechniken

· Effektive Qualitätssicherung bei Gerätetechnik und Streustoffen

· Gut geschultes Personal 

Die Streutechnik ist dabei ein ganz wesentliches Element. Gerade auf diesem Feld hat es in jüngster Zeit erhebliche Entwicklungen gegeben, die im Sinne eines effektiven Winterdienstes genutzt und weiter optimiert werden sollten. 

Meilensteine der Entwicklung der Streutechnik 

Mit der zunehmenden Motorisierung und der Notwendigkeit der Bekämpfung der Winterglätte auf den Straßen hat sich auch die Streutechnik im Winterdienst entwickelt. 

Bereits 1938 wurde von der Firma Weisser in Bräunlingen der Streuteller entwickelt, mit dessen Hilfe das Streugut gleichmäßig und auf eine größere Streubreite dosiert und verteilt werden konnte. Allerdings wurden die ersten Streuteller noch vom fahrenden Fahrzeug aus per Hand befüllt. Eine wesentliche Weiterentwicklung waren dann die sogenannten „Streuautomaten“, bei denen der Streuteller während der Fahrt automatisch mit Streustoffen versorgt wurde. 

Konnten die ersten Streugeräte nur mit einer konstanten Geschwindigkeit gefahren werden, um richtig zu dosieren, wurde ab 1960 das sogenannte „wegeabhängige Streuen“ eingeführt, bei dem das Streugut automatisch geschwindigkeitsabhängig dosiert wurde. 

Einen weiteren besonderen Meilenstein stellte die Entwicklung der Feuchtsalz-Technik dar, die seit 1974 in Deutschland erprobt und eingeführt wurde. Hierbei wird das Salz nicht mehr trocken ausgebracht, sondern mit Salzlösung befeuchtet. Die Fahrzeuge müssen das trockene Salz und die Salzlösung getrennt befördern, gemischt wird dies erst unmittelbar vor der Ausbringung auf dem Streuteller. Durchgesetzt hat sich dabei ein Verhältnis zwischen Lösung und Festsalz von 30:70, weshalb auch die Bezeichnung „FS 30“ üblich ist. Feuchtsalz ist mittlerweile Standard im Winterdienst, nicht nur in Deutschland. 

Die Flüssigstreuung, d.h. die Ausbringung reiner Salzlösungen ohne Trockenstoffe, ist schon älter als das Feuchtsalz. Sie wurde 1959 in Paris erstmals praktiziert und wurde in der Vergangenheit in Deutschland bei einigen Kommunen, auf Flughäfen sowie in einigen nordischen Ländern praktiziert. Auch die DDR setzte in hohem Maße reine Salzlösung (MgCl2) für den Winterdienst ein. Trotzdem hat sich die reine Lösungsausbringung in Deutschland nicht flächendeckend durchgesetzt. 

Seit 2008 wurde dann in Deutschland wegen erkannten Problemen beim vorbeugenden Einsatz von FS 30 die reine Flüssigstreuung (FS 100) in größerem Umfang erprobt, bei der reine Salzlösung (in der Regel NaCl) über Sprühdüsen auf die Verkehrsfläche aufgebracht wird. Nach guten Erfahrungen hinsichtlich Streubild und Liegedauer verbreitet sich die Flüssigstreuung zunehmend, bisher insbesondere auf Autobahnen für präventive Streueinsätze.  

Wirksamkeit der Feuchtsalz-Streuung FS 30 

Die Feuchtsalz-Streuung FS 30 wurde 1974 in ersten Praxisversuchen in Rheinland-Pfalz entwickelt und erprobt. Nach bundesweiten Praxistests wurde sie anwendungsreif entwickelt. Seither wurde sie stetig weiter entwickelt und verfeinert und hat sich im Laufe der Jahre als Standardlösung durchgesetzt, nicht nur in Deutschland. Heute ist die Feuchtsalz-Streuung Stand der Technik und wird bundesweit flächendeckend angewendet, auch weltweit ist sie in sehr vielen Ländern zum Standard geworden. 

Bild 1 zeigt ein typisches Feuchtsalz-Gerät mit Salzsoílo für das trockene Salz und separaten Tanks für die Salzlösung, beides im Volumenverhältnis von 70:30 für FS 30. Beides wird separat befördert und dann erst auf dem Streuteller mit ausgereifter Technik gemischt und dann ausgeworfen.

Bild 1: Modernes Feuchtsalz-Streugerät

Die Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit von Feuchtsalz wurde in verschiedenen Studien auch international nachgewiesen, richtungsweisend war hier die umfassende Praxisstudie der TH Darmstadt, die erstmals die Einsparungen in der Praxis quantitativ nachgewiesen hat und damit den endgültigen Durchbruch dieser Technik bewirkte (HANKE 1991).

Als Vorteile der Feuchtsalz-Streuung, vor allem im Vergleich zur Trockensalz-Streuung, sind heute folgende unbestritten: 

Bindung der Feinstaubanteile 

Im Salz ist ein Anteil sehr kleiner Körnung (Salzstaub) unvermeidbar. Bei der trockenen Ausbringung wird dieser Feinstaubanteil durch den Fahrtwind verweht und landet in der Regel nicht auf der Fahrbahn, sondern oft neben der Straße, wo er nicht nur für die Tauwirkung verloren ist, sondern auch unnötige Umweltbelastungen hervorruft. 

Diese Wehverluste beim Streuen können durch Feuchtsalz vermieden werden, da die Salzlösung den Salzstaub bindet und somit das Verwehen verhindert. 

Besseres Streubild 

Die gleichmäßige Anfeuchtung der Salzkörner auf dem Streuteller führt dazu, dass die Streugutverteilung wesentlich homogener als bei Trockensalz möglich ist, zudem führt der Fahrtwind zu deutlich weniger Verwirbelung des Streuguts. Ergebnis ist ein wesentlich besseres Streubild und damit eine deutlich gleichmäßigere Verteilung des Salzes auf der Fahrbahn als bei Trockensalz (siehe Bild 2), auch bei geringen Streudichten und höheren Geschwindigkeiten. Das bedeutet gleichzeitig auch weniger Verluste an Salz, da das Salz gezielter in der Menge dorthin gelangt, wo es wirken soll.

Bild 2: Streubild im direkten Vergleich Trockensalz – Feuchtsalz (Fotos: Schmidt)

Schnellere Tauwirkung (Flächentauwirkung) 

Ein sehr wesentlicher Vorteil des Feuchtsalzes ist, dass es wesentlich schneller auf der Fahrbahn wirkt und so vorhandene Schnee- und Eisglätte schneller auftaut. Um dies zu verstehen, muss man sich das Prinzip der Tauwirkung von Salz vor Augen führen (siehe Bild 3).

Bild 3: Wirkprinzip von Salz auf einer Eisfläche 

Auftauende Stoffe wie Salz tauen ja entgegen der Bezeichnung das Eis nicht direkt auf, denn Eis kann man eigentlich nur durch Erwärmung (über 0°C) auftauen. Salz wirkt indirekt über den Weg der Gefrierpunkterniedrigung: Dies macht sich zunutze, dass zwar Wasser einen Gefrierpunkt von 0°C hat, eine Salzlösung aber einen niedrigeren (je nach Salzart und Konzentration der Lösung). Wie die Prinzipskizze in Bild 3 darstellt, kann das Salzkorn nicht direkt auf dem Eis auftauend wirken, es geht nur über den Weg der Salzlösung. Wird trockenes Salz auf die Eisfläche gestreut, muss sich zunächst Luftfeuchte um das Salzkorn mit diesem zu einer Salzlösung verbinden, die auch unter 0°C flüssig ist. Diese Lösung breitet sich dann langsam flächig aus und verbindet sich mit dem Eis zu einer (dann verdünnteren) Salzlösung, die bei ausreichender Konzentration auch flüssig bleibt, bis dann nach einiger Zeit das gesamte Eis in Lösung gegangen ist. 

Dieser Prozess dauert naturgemäß sehr lange, bis sich die Salzlösung langsam verbreitet und mit dem Eis verbunden hat. Es leuchtet ein, dass beim Streuen von Feuchtsalz der Prozess dadurch erheblich beschleunigt wird, dass direkt Salzlösung auf die Fahrbahn gelangt und diese sofort flächenhaft wirkt. 

Das bedeutet nicht nur, dass die Tauwirkung bei Feuchtsalz deutlich schneller erfolgt und damit bereits früher eine effektive und sichere Nutzung durch den Verkehr ermöglicht. Gleichzeitig führt die schnellere Wirkung auch dazu, dass weniger Salz durch den Verkehr, der während der Wirkdauer über die Straße fährt, von der Fahrbahn weggeschleudert wird. Dementsprechend sind die Verluste an Salz, bevor es auf der Fahrbahn wirken kann, bei Feuchtsalz viel geringer als bei Trockensalz. In der Folge wird bei der Feuchtsalz-Streuung weniger Salz erforderlich, um die gleiche Tauwirkung zu erzielen. Diese Einsparungen an Salz sind erheblich und auch praktisch nachgewiesen. Sie liegen in der Größenordnung von mindestens 25 % Salz. 

Somit führt die bessere Flächentauwirkung von Feuchtsalz zu einer Erhöhung der Verkehrssicherheit und der Wirtschaftlichkeit des Verkehrsflusses, bei gleichzeitiger deutlicher Einsparung an Salz, was auch ökonomisch und ökologisch zu Buche schlägt. 

Bessere Haftung und Liegedauer auf der Fahrbahn 

Die Anfeuchtung des Salzes führt weiterhin dazu, dass das Salz nach dem Ausstreuen besser auf der Fahrbahn haftet und nicht so schnell durch den Verkehr weggeschleudert wird wie trockenes Salz. Das ist vor allem bei vorbeugenden Streuungen auf trockene oder leicht feuchte Fahrbahnen ein großer Vorteil. 

Diese höhere Liegedauer von Feuchtsalz hat überhaupt erst vorbeugende Streuungen ermöglicht, denn diese wären mit Trockensalz sinnlos. 

Nachteile von Feuchtsalz 

Feuchtsalz weist zwar gegenüber dem Trockensalz viele Vorteile auf, allerdings gibt es auch einige Nachteile. 

Zum einen sind dies die im Vergleich zum Trockensalz höheren Investitionskosten für die Feuchtsalz-Ausrüstung der Streugeräte (Soletank und Befeuchtungsapparatur am Streuteller) und für die Herstellung und Lagerung der Salzlösung in der Meisterei bzw. dem Bauhof. Durch die bereits erwähnten Untersuchungen ist allerdings zweifelsfrei erwiesen, dass sich diese Investitionen langfristig durch die Salzeinsparungen mehr als amortisieren, so dass dies nur ein scheinbarer Nachteil ist. 

Ein weiterer, durchaus wesentlicher Nachteil von Feuchtsalz ist der Wasseranteil, der mit dem Salz ausgebracht wird. Da für die Gefrierpunkterniedrigung eine bestimmte Salzkonzentration auf der Straße erforderlich ist, ist zusätzliches Wasser, das auf die Fahrbahn aufgebracht wird, für die Tauwirkung eigentlich kontraproduktiv. Denn je mehr Wasser aufgebracht wird, umso mehr Salz wird wieder erforderlich. Rein physikalisch hat dementsprechend Feuchtsalz eine geringere Tauleistung als Trockensalz, d.h. für die gleiche Menge Eis braucht man eine größere Menge Salz, wenn man es feucht aufbringt, was auch im Labor nachweisbar ist. Dieser Effekt, der zum Teil immer noch bei einigen Praktikern Skepsis gegenüber Feuchtsalz – zumindest bei bestimmten Situationen wie Schneefall – erzeugt, wird allerdings beim praktischen Streuen durch die oben erwähnten geringeren Weh- und Streuverluste und die bessere Liegedauer kompensiert, so dass die praktisch erforderlichen Streumengen bei Feuchtsalz geringer sind. Wenn jedoch eine große Menge Streustoff benötigt wird, wie bei sehr tiefen Temperaturen, bei starkem Schneefall oder dicken Eisschichten, ist Feuchtsalz wegen des hohen Wasseranteils nicht optimal. 

Der Vorteil der besseren Liegedauer gegenüber dem Trockensalz ist zudem nach neuen Forschungsergebnissen (Hausmann 2009, siehe auch Bild 5) nur relativ. Denn Messungen zeigen, dass das Feuchtsalz auf trockenen oder feuchten Fahrbahnen zwar länger haftet als das Trockensalz, aber auch hier sind bereits nach relativ kurzer Zeit erhebliche Salzverluste zu verzeichnen, insbesondere bei starkem und schnellem Verkehr. Diese Salzverluste betragen bereits nach weniger als einer Stunde auf der Autobahn rund 70 %, d.h. der Trockensalz-Anteil ist nicht mehr da, nur noch der Soleanteil, wobei dieser allerdings noch länger auf der Fahrbahn verbleibt. Für vorbeugende Streuung ist daher Feuchtsalz zwar besser als Trockensalz, aber nur bedingt geeignet, d.h. nur bei schwachem Verkehr und möglichst unmittelbar vor der Glättebildung, ggf. müssen die Mengen zum Ausgleich der hohen Verluste erhöht werden. 

Feuchtsalz 30 ist damit zwar wesentlich besser als Trockensalz, aber nicht für jede Fahrbahn- und Witterungssituation die optimale Lösung. 

Wirksamkeit reiner Salzlösungen (Flüssigstreuung) 

Vor allem die Ergebnisse zur relativ schlechten Liegedauer von Feuchtsalz haben dazu geführt, den Blick vermehrt auf die reine Flüssigstreuung zu richten. Wenn beim Feuchtsalz vor allem die Festanteile schnell vom Verkehr weggeschleudert werden, liegt es nahe, bei vorbeugenden Streuungen darüber nachzudenken, von vornherein ganz auf das Festsalz zu verzichten und nur reine Lösung auszubringen („FS 100“). Dies erfordert allerdings eine besondere Technik, da reine Lösung nicht mit dem Streuteller, sondern nur über Sprühdüsen ausgebracht werden kann. Dies muss also mit eigens dafür vorgesehenen Streuern erfolgen, oder mit Kombinations-Streugeräten, die sowohl Streuteller als auch Sprühdüsen haben.

Bild 4: Flüssigstreugerät FS 100 (Foto Epoke) 

Vorteile von FS 100 

Wesentlicher Vorteil von FS 100 ist die deutlich verbesserte Liegedauer beim vorbeugenden Streuen auf trockener oder feuchter Fahrbahn. Bild 5 zeigt die Ergebnisse der vergleichenden Untersuchung der Liegedauer auf Autobahnen (Hausmann 2009): Obgleich die ausgebrachte Salzmenge deutlich geringer war, war bei FS 100 bereits nach 60 Minuten mehr Salz auf der Fahrbahn zu finden als bei FS 30. Praktisch haftet vor allem die ausgebrachte Lösung, das Festsalz ist nach kurzer Zeit nicht mehr auf der Fahrbahn und damit nicht mehr tauwirksam. Somit kann mit deutlich geringerer Menge an Salz die vorbeugende Wirkung gegen Glätte erreicht werden, und dies über eine längere Wirkdauer. Die mittlerweile vorliegenden Messungen auf nachgeordneten Straßen und im kommunalen Bereich zeigen die gleiche Tendenz.

Bild 5: Vergleich der Liegedauern FS 30 – FS 100 (Quelle Hausmann 2009) 

Weiterer Vorteil von FS 100 ist eine sehr gute und gleichmäßige Verteilung des Streuguts auf der Fahrbahn, wobei das Streubild sehr gut randscharf ist, da keine Körner zur Seite springen. Hierbei sind auch wesentlich geringere Dosierungen als mit Feuchtsalz möglich, z.B. können bei der Ausbringung von 10 g Lösung pro Quadratmeter nur 2 g/m² Salzmasse auf der Fahrbahn gut verteilt werden. Damit ist FS 100 für vorbeugende Streuungen optimal geeignet. 

Aber auch bei kurativen Streuungen auf vorhandene dünne Glätteschichten bietet FS 100 Vorteile, da die bereits für FS 30 vorteilhafte Flächentauwirkung der Salzlösung hier weiter verstärkt ist und die Tauwirkung nochmals deutlich beschleunigt. Dies belegen Vergleichsmessungen in Österreich (Bild 6).

Bild 6: Vergleich der zeitlichen Tauwirkung (Quelle Neuhold 2015) 

Zusammengefasst ergibt sich eine schnellere und dauerhaftere Tauwirkung bei deutlich verringerten Streumengen bei FS 100, d.h. alle Vorteile der FS 30-Streuung werden bei reiner Salzlösung weiter verstärkt. Trotzdem ist FS 100 nicht für jeden Einsatzfall geeignet. 

Nachteile von FS 100 

Auch die Nachteile der Feuchtsalz-Streuung verstärken sich bei der Flüssigstreuung. So ist der Wasseranteil, der bei FS 100 ja immerhin 80 % der ausgebrachten Masse beträgt, der wesentlichste Nachteil der Flüssigstreuung. Gerade dann, wenn eine hohe Salzmenge erforderlich ist, d.h. bei größeren Schnee- oder Eismengen oder bei tiefen Temperaturen, ist ein hoher Wasseranteil bei der Streuung besonders kontraproduktiv, da dann sehr viel Wasser auf die Fahrbahn kommt, das dann wiederum mehr Salz erfordert. Dieser Effekt verstärkt sich also deutlich, so dass die erforderliche Salzmenge deutlich steigt.

Bild 7: Salzbedarf [g] zum Tauen von 1 kg Eis abhängig von der Temperatur 

Bild 7 zeigt die theoretisch erforderliche Salzmenge (Trockenmasse), die bei gleicher Eismenge zum Auftauen benötigt wird, in Abhängigkeit der Temperatur. Es ist erkennbar, dass die Salzmenge exponentiell ansteigt. Damit wird die Ausbringung von Lösungen unterhalb von -5°C zunehmend unwirtschaftlich, denn die positiven Effekte (Verringerung Streuverluste, Flächentauwirkung) gleichen dann die geringere Tauleistung nicht mehr aus. Hinzu kommt, dass die große Gefahr besteht, dass die auf der Fahrbahn gebildete Salzlösung zu stark ausdünnt und überfriert, so dass sogar Glätte erzeugt wird. 

FS 100 ist daher bei großen Wassermengen (nasse Fahrbahn, dicke Eisschichten, Schneefall und Schneeglätte) sowie bei tiefen Temperaturen nicht geeignet, um Glätte wirksam und wirtschaftlich zu bekämpfen. Die FGSV-Empfehlungen zum praktischen Räumen und Streuen (2011/2015) empfehlen daher FS 100 vor allem für dünne Reif- und Eisglätte sowie für vorbeugende Einsätze bei trockener und feuchter Fahrbahn und geben als praktische Einsatzgrenze etwa -6°C vor. 

Damit zusammenhängend ist ein weiterer Nachteil der Flüssigstreuung. Für FS 100 sind nämlich nicht nur Investitionen für die Sprühgeräte und Fahrzeuge erforderlich, die wegen des hohen Wasseranteils trotz geringerer Salzmengen eine höheres Fassungsvermögen und daher eine höhere Nutzlast haben müssen. Überdies sind diese Investitionen zusätzlich zu denen für FS 30 erforderlich, da FS 100 nicht in allen Fällen einsetzbar ist und somit beide Techniken parallel vorgehalten werden müssen. Dies kann durch Wechselstreugeräte oder durch Kombinationsstreugeräte (geeignet für beide Techniken) gewährleistet werden, in jedem Fall sind erhöhte Investitionen erforderlich. Für den Bereich der Autobahnen ist nachgewiesen, dass bei konsequenter Nutzung von FS 100 für vorbeugende Einsätze sich diese Investitionen amortisieren. Für das nachgeordnete Netz und für Kommunen ist dies nicht zwingend der Fall, auch wenn die großen verkehrlichen und volkswirtschaftlichen Vorteile von FS 100 dieses auch ohne rein betriebswirtschaftlichen Nutzen rechtfertigen. 

Alternativlösungen 

Gerade wegen der doppelten Vorhaltung und den nicht unerheblichen Investitionskosten stellt sich zumindest für nachgeordnete Bereiche und Kommunen die Frage nach möglichen Alternativen zu FS 100. Vor diesem Hintergrund wurde in Österreich getestet, inwieweit Feuchtsalz auch mit einem höheren Lösungsanteil noch mit dem Streuteller ausgebracht werden kann und welche Auswirkungen dies hat. Dies führte zur anwendungsreifen Entwicklung von FS 50 und FS 70, das mittlerweile in Niederösterreich zum Standard wird (Neuhold 2015). 

Die Ergebnisse aus Niederösterreich zeigen, dass sowohl FS 50 als auch FS 70 noch mit dem Streuteller praktisch ausgebracht werden können. Die Geräte müssen lediglich über eine optimierte Befeuchtung am Streuteller (zweiter Soleauftreffpunkt), eine gute Pumpenleistung sowie über einen vergrößerten Soletank verfügen. Diese Nachrüstung vorhandener Geräte bzw. Neuausrüstung neuer Geräte ist allerding im Vergleich zu FS 100 bzw. Kombistreuern deutlich preisgünstiger. 

Die Vergleichsmessungen von FS 50 und FS 70 im praktischen Einsatz in Österreich zeigen dann auch, dass die Vor- und Nachteile analog der Ergebnisse von FS 30 und FS 100 ziemlich genau dazwischen liegen. D.h. die Taugeschwindigkeit bzw. die Flächentauwirkung sowie die Liegedauer sind gegenüber FS 30 weiter erhöht (Bild 8 zeigt die Ergebnisse zur Liegedauer im Vergleich), andererseits ist aber auch durch den höheren Wasseranteil die Tauleistung insbesondere bei dicken Schnee- und Eisschichten sowie bei tiefen Temperaturen verschlechtert.

Bild 8: Liegedauer von Feuchtsalz mit unterschiedlichem Feuchteanteil
(Mittelwert der österreichischen Messungen für FS 50/70 im Vergleich zu den deutschen für FS 30/100)

In der Anfangszeit des Feuchtsalzes, in der 80er Jahren, wurde auch bereits über die Frage des richtigen Feuchteanteils diskutiert und verschiedene alternative Anfeuchtungsgrade erprobt. Dies bezog sich jedoch nicht auf eine höhere Anfeuchtung wie heute, sondern auf eine geringere. Aus diesen Praxis-Erprobungen weiß man allerdings, dass auch FS 15 und FS 20 technisch problemlos möglich sind und bereits Vorteile gegenüber der Trockenstreuung haben wie geringere Weh- und Streuverluste und schnellere Tauwirkung, allerdings nicht im Maße wie FS 30 (Hanke 1991). Umgekehrt ist die Tauleistung bei dicken Schnee- und Eisschichten und bei tiefen Temperaturen besser als bei FS 30. 

Differenzierte Anfeuchtung als optimale Lösung

Fasst man die vorliegenden Erkenntnisse zu den verschiedenen Varianten der Anfeuchtung zusammen, so zeigt sich, dass es keine Technik gibt, die in jeder Situation die optimale Lösung bietet, im Gegenteil gibt es für jede Technik auch Situationen, in denen diese nicht sinnvoll einzusetzen ist. 

Tabelle 1 fasst die vorliegenden Erkenntnisse zu den verschiedenen Feuchteanteilen zusammen, für Feuchteanteile von 15 % bis hin zu 100 % (Flüssigstreuung) sind dabei für die verschiedenen Auswirkungen der Anfeuchtung der Grad der Ausprägung (von ++ sehr gut bis – sehr schlecht) angegeben. Die bereits zuvor dargestellten gegenläufigen Tendenzen von Streubild, Tauwirkung und Liegedauer einerseits und der Wirksamkeit bei Schnee und dicken Eisschichten sowie bei tiefen Temperaturen andererseits werden dabei deutlich. Dies legt nahe, die Anwendung vom Einsatzfall abhängig zu machen.

Tabelle 1: Auswirkungen unterschiedlicher Feuchteanteile auf die Streuung 

Interessant ist die Betrachtung der Möglichkeit, sehr geringe Salzmengen auszubringen. Diese ist bei FS 100 optimal, da das Salz mit der Lösung sehr fein verteilt werden kann. Allerdings ist es in diesem Fall nicht so, dass FS 70 und FS 50 sich hier dem FS 100 annähern wie in den anderen Fällen. Denn die Anfeuchtung über den Streuteller bedingt eine Mindestmenge an festem Taustoff, damit die Anfeuchtung noch funktionieren kann; Daher können mit FS 20 und FS 30 geringere Mengen ausgebracht werden als bei FS 50 und 70. 

Die Betrachtung der Vor- und Nachteile sowie der sich daraus ergebenden Einsatzbereiche führt zu differenzierten Empfehlungen, in welchen Einsatzfällen welche Technik optimal ist. Dies zeigt Tabelle 2. In den Fällen, in denen FS 100 die Ideallösung wäre, wird in der Tabelle zusätzlich in Klammern angegeben, welche Technik dann ersatzweise anzuwenden wäre, wenn nur mit Streuteller gearbeitet wird.

Tabelle 2: Optimierung des Winterdienstes durch differenzierte Anfeuchtung 

Es zeigt sich, dass FS 50 und FS 70 nicht nur Ersatzlösungen sein können, wenn die FS 100-Technik nicht bzw. noch nicht zur Verfügung steht (bzw. nicht finanziert werden kann oder soll), sondern auch als optimale Lösung für Grenzbereiche, in denen die FS 100-Technik nicht mehr optimal eingesetzt werden kann, also bei zunehmender Nässe auf der Fahrbahn und bei tieferen Temperaturen. Andererseits wäre bei Schneefall durchaus FS 20 dem FS 30 überlegen. 

Praktische Umsetzung 

Die Ausbringung der richtigen Streudichte in Abhängigkeit von der Fahrbahn- und Witterungssituation sowie der (erwarteten) Temperatur ist bereits sehr komplex und für Eiinsatzleiter bzw. Fahrer nur mit sehr guter Schulung umsetzbar. Hier wäre es zu viel verlangt, würde man nun noch (wie es eigentlich nach Tabelle 2 optimal wäre) verlangen, in diesen Fällen auch noch den Feuchteanteil zu variieren. 

Um dennoch die Vorteile der differenzierten Anfeuchtung zu nutzen und damit die optimale Wirksamkeit und Effektivität sicherstellen zu können, bieten sich folgende Möglichkeiten: 

· Vereinfachung der Tabelle 2 in der praktischen Anwendung, in dem man nur noch zwei Stufen der Anfeuchtung definiert, z.B. nur FS 30 als geringe und FS 60 oder 70 als hohe Anfeuchtung (bzw. FS 100, wenn dies zur Verfügung steht).

· Wenn Streugeräte mit automatisch temperaturgesteuerter Dosierung (Thermographie) zur Verfügung stehen, ist es kein Problem, den Feuchtegrad in diese Steuerung automatisch zu integrieren. Der Fahrer muss nach wie vor nur die Streustufe nach Einsatzsituation vorwählen, der Rest erfolgt automatisch.

· Aber auch ohne automatische Temperatursteuerung können Feuchtsalzgeräte für eine differenzierte Anfeuchtung automatisiert werden: Gleicht man die Tabelle 2 nämlich mit den Streudichte-Empfehlungen der FGSV (2011/2015) ab, wird erkennbar, dass in fast allen Fällen ein direkter Zusammenhang zwischen empfohlener Streudichte und optimalem Anfeuchtungsgrad besteht: je geringer die Streudichte, je höher der Feuchteanteil und umgekehrt. Dies kann man auch in die Steuerung der Geräte automatisch programmieren, was heute bereits teilweise Hersteller anbieten. 

So ist es möglich, die vorliegenden Erkenntnisse zur Feucht- und Flüssigstreuung sehr kurzfristig in eine weiter optimierte Streutechnik mit differenzierter Anfeuchtung umzusetzen, auch wenn (insbesondere im nachgeordneten und im kommunalen Bereich) FS 100 (noch) nicht eingesetzt werden kann oder soll. Damit wird dann eine weiter verbesserte Wirkung bei gleichzeitiger Minimierung der Salzmangen erreicht. 

Es ist allerdings in jedem Fall zu empfehlen, diese praktische Erprobung und Umsetzung durch intensive Forschung zu den Auswirkungen und Einsatzbereichen zu begleiten und damit weiter zu optimieren, insbesondere hinsichtlich praktisch handhabbarer Empfehlungen und der Automatisierung der Steuerung. 

Literaturhinweise 

Durth, W. / Hanke, H.
Handbuch für den Straßenwinterdienst
Kirschbaum-Verlag, Bonn 2004 

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen
Merkblatt für den Winterdienst auf Straßen
Köln 2010 

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen
Praktische Empfehlungen für ein effektives Räumen und Streuen im Winterdienst (AP 416 T)
Köln 2011 und 2015

HANKE, H.
Feuchtsalz-Anwendung im Straßenwinterdienst - Einsparungsmöglichkeiten und
Anwendungsempfehlungen
in: Straße und Autobahn, Heft 5/1991

Hausmann, G.
Verteilung von Tausalzen auf der Fahrbahn
Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Heft V 180, Bergisch Gladbach 2009

Neuhold, J.
Feuchtsalz mit erhöhtem Soleanteil – Erfahrungen und Strategien in Niederösterreich
Vortrag beim FGSV-Kolloquium Straßenbetrieb
Karlsruhe 2015

Verband Kommunaler Unternehmen (VKU)
Empfehlungen zur Durchführung eines effektiven Straßenwinterdienstes im kommunalen Bereich
Informationsschrift 79
Berlin 2013