FGSV-Nr. FGSV 001/20
Ort Berlin
Datum 13.10.2004
Titel Gütesicherung für Asphalt und Prüfstellen nach europäischen Regeln
Autoren Dr.-Ing. Heinrich Els
Kategorien Kongress
Einleitung

Qualitätsorganisation und Qualitätsmanagementsysteme sind auch im Straßenbau immer mehr auf dem Vormarsch. Hierzu tragen auch europäische Regelungen bei, indem die in vielen Normen unter der Bauproduktenrichtlinie geforderte so genannte werkseigene Produktionskontrolle über die bisherige Eigenüberwachung hinaus Grundzüge der Qualitätsorganisation, ausgerichtet an Leitpapieren der EU-Kommission, enthält. Ein Beispiel dafür ist der gerade verabschiedete Teil der werkseigenen Produktionskontrolle der europäischen Asphaltnormen. Zu einem funktionierenden Qualitätssystem gehört ein fachkundiges Audit, dessen Umfang weit über die bisherige reguläre Fremdüberwachung hinausgeht. So etwas sieht auch die Gütesicherung nach den europäischen Vorgaben vor. Hier stoßen allerdings verschiedene Regelungen aneinander: die RAP-Stra-Anerkennung, verschiedene EN-Normen mit Anforderungen an die Kompetenz von Prüflaboren, von Ü- und Z-Stellen und schließlich die PÜZ-Zulassungsverordnung. Ziel muss eine funktionierende Qualitätsorganisation beim Hersteller sein und gleichzeitig ein Audit/eine Fremdüberwachung durch eine fachkundige Stelle. Benötigt wird ein Umfeld, in dem ein für alle befriedigendes und vertrauenswürdiges System geschaffen werden kann. Der folgende Beitrag zeigt die Grundzüge der europäischen Systeme auf und welche Vorteile sich hieraus bieten können und nicht zuletzt, welche Ansprüche an wen gestellt werden müssen. Dieses und der Vergleich mit einigen Nachbarstaaten zeigt, dass es besonders bei den Regelungen für die Audits und die Auditoren noch deutlichen Handlungsbedarf gibt.

 

 

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1 Werkseigene Produktionskontrolle am Beispiel Asphalt

Die prEN 1310-21 „werkseigene Produktionskontrolle“ regelt die Eigenüberwachung der Asphaltmischanlagen. Die „WPK“ wie sie kurz genannt wird, ist dabei Teil der Prozedur, die zur CE-Kennzeichnung erforderlich ist, welche im Abschnitt 2 genauer erläutert wird. Die WPK definiert sich selbst als „die ständige Eigenüberwachung der Produktion durch den Hersteller, wobei alle Elemente, Anforderungen und Vorschriften, die durch den Hersteller angewendet werden (Anmerkung: und vorher von ihm auch ausgewählt wurden) systematisch in Form von niedergeschriebenen Anweisungen und Verfahren dokumentiert werden müssen“ usw.

Wichtig ist es hierbei, dass diese Überwachung bzw. Kontrolle nicht nur als bloßes „Nachgucken“ verstanden wird sondern im Sinne des englischen „to control“ im Sinne „überwachen + steuern = kontrollieren. Um diesem Anspruch genügen zu können, werden verschiedene Anforderungen an das System des Herstellers gestellt.

1.1  Generelle Anforderungen

Zunächst und als Basis wird gefordert, überhaupt eine WPK gemäß dieser Norm zu betreiben, mit deren Hilfe sichergestellt wird, dass die auf den Markt gebrachten Produkte die angegebenen Eigenschaften haben.

Die Grundsätze und Verfahren seiner werkseigenen Produktionskontrolle muss der Hersteller in einem Qualitätsplan festlegen und einhalten. Dieser Qualitätsplan muss alle Prozesse identifizieren und detaillieren, die die Produktqualität direkt beeinflussen. Es sind also u. a. zu beschreiben:

  1. die Betriebsstruktur des Herstellers/des Werkes, soweit sie sich auf die Konformität und Qualität bezieht
  2. der Umgang mit den Dokumenten
  3. die Kontrolle der eingehenden Stoffe
  4. die Produktionskontrolle bzw. Produktionslenkung selbst
  5. das Lagern und der Umschlag der Produkte
  6. die Kalibrierung und die Wartung der Produktionseinrichtung
  7. das Überwachen durch Messen und Prüfen
  8. und das Verfahren für den Umgang mit nichtkonformen Produkten.

Zur Durchsetzung ist eine Organisation aufzubauen, in der die Verantwortlichkeiten und Befugnisse des gesamten Personals klargestellt werden. Es ist ein Beauftragter der Geschäftsführung zu benennen, was verdeutlicht, dass die WPK „Chefsache“ ist, und nicht Sache des Labors. Es sind regelmäßige interne Audits durchzuführen sowie ein jährliches Management-Review, in dem die Geschäftsführung prüfen und sicherstellen muss, dass die WPK ihren Zweck noch erfüllt. Auch hierdurch wird die Verantwortlichkeit des Herstellers noch einmal klar unterstrichen.

Weiterhin ist die Lenkung der Dokumente zu beschreiben, d.h. alle Vorgänge sind zu dokumentieren und zwar so, dass sie nachverfolgbar sind.

1.2 Überwachungsverfahren

Auch unter diesem Begriff verbirgt sich wieder die Produktionskontrolle, zunächst zur Kontrolle der eingehenden Baustoffe. Hier werden für jedes Werk spezifische Anforderungen gefordert. Zum Beispiel ist für Gesteinskörnungen zu beschreiben, was zu tun ist, wenn der Eingang auf die Halde erfolgt, wie und durch wen die Boxen zu beschriften sind usw. Gleiches gilt für Bindemittel, Zusätze, Füller und natürlich auch für Asphaltgranulat.

Entsprechend der QM-Philosophie werden aber (hier und in der gesamten Norm) keine genauen Vorgaben gemacht, sondern (nur?) gefordert, dass der Hersteller Verfahren, Vorgaben usw. aufstellt, sie dokumentiert – und natürlich einhält. Welche Verfahren und Vorgaben das sind, bleibt dem Hersteller überlassen, spezifisch für jedes seiner Werke.

Für den Bereich Prozesslenkung muss der Qualitätsplan u.a. Folgendes enthalten:

  • eine Prozessbeschreibung als Flussdiagramm als gemeinsame Basis für alle Maßnahmen
  • eine Angabe aller Verfahren, die gebraucht werden, um gleichmäßig und zielgerichtet produzieren zu können. Hier ist z. B. festzulegen, wie die Mischanweisungen überprüft werden. Hier kommt die Individualität am besten zum Tragen, denn bei modernen elektronischen Steuerungen ist dies anders zu lösen als bei älteren Anlagen
  • ein Überwachungsplan für das Anlagenverhalten, für die „Mischanlagenperformance“ mit dem Ziel, eine Aufzeichnung der Leistungsfähigkeit (der Mischanlagenperformance) zu erhalten. Als Beispiel wird hier u.a. ein regelmäßiger Test der Vordoseure gefordert mit dem Zweck der Sicherstellung einer (stets) korrekten Materialzugabe. Der Hersteller muss also vorgeben, wie er die korrekte Materialzugabe bei der Vordosierung überwachen und prüfen kann
  • der Qualitätsplan muss ferner festlegen, wie das fertige Mischgut umgeschlagen, gelagert und ausgeliefert wird
  • und letztlich muss der Qualitätsplan auch festlegen, wann, wie, was an der Anlage gewartet und kalibriert wird.

1.3 Überprüfen und Prüfen

Nun kommt der Abschnitt, der beinhaltet, was gemeinhin bisher unter Eigenüberwachung verstanden wird, nämlich das Überwachen durch Messen und Prüfen. Hierzu werden Vorgaben gemacht, die wir im Wesentlichen aus der TLG Asphalt kennen. Auch wenn es einige Neuerungen bzw. Besonderheiten gibt, soll hier nicht näher auf die Details eingegangen werden.

Wichtig ist aber auch hier, dass es sich um eine Produktionskontrolle handelt, nicht um eine Produktkontrolle. Auch dieses System basiert auf stichprobenartigen Prüfungen, die Hinweise darauf geben, ob die Produktion korrekt abläuft oder nicht. Das einzelne Produkt wird nicht geprüft, Wert wird gelegt auf das Steuern und Kontrollieren der Produktion in Form einer glasklaren Organisation und Struktur.

1.4 Weitere Anforderungen

Darüber hinaus werden in der Norm weitere Anforderungen an das System gestellt:

  • es ist zu dokumentieren, was zu tun ist, wenn Abweichungen bei den Produkten festgestellt wurden
  • welche Mess- und Prüfgeräte vorzuhalten und wie sie zu kalibrieren sind
  • es bestehen Anforderungen an die Dokumentation und Aufzeichnungen
  • sowie schließlich an die durchzuführende Schulung des Personals.

1.5 Freiheit und Verantwortung des Herstellers

Mit Ausnahme von einigen Mindestanforderungen, wie Mindestprüfhäufigkeiten, gibt die Norm dabei keine Vorgaben, was genau zu tun ist sondern sie verlangt, dass hierzu Angaben gemacht werden.

Der Hersteller ist also gefragt, sich Gedanken zu machen und angepasste Lösungen zu finden.

Dem Hersteller werden also bewusst Freiheiten gelassen, die dieser verantwortungsbewusst füllen muss. Dieses entspricht der Philosophie der CE-Kennzeichnung beim System 2+, welche die Verantwortlichkeit der Hersteller in der Produktkette stärkt.

1.6 Fremdüberwachung bzw. Audit

Das bedeutet, dass sich auch die Fremdüberwachung dieser Systeme nicht darauf beschränken kann, zu überprüfen, ob die geforderten Mindestanforderungen eingehalten sind oder die Mindestprüfhäufigkeiten unterschritten wurden. Der Auditor muss vielmehr nicht nur fachliches Wissen auf dem Gebiet des Asphaltes, sondern auch der Qualitätsorganisation mitbringen. Benötigt wird ein Auditor, der dem Hersteller als starker Partner hilft, die Freiheiten verantwortungsvoll und im Sinne dieser Norm zu füllen. Hierzu soll im Folgenden mehr ausgeführt werden, zunächst zur Vervollständigung ein kurzer Abriss der Vorgehensweise der CE-Kennzeichnung.

2 Prozess der CE-Kennzeichnung

Das Bauproduktengesetz (BauPG) vom 8. Mai 1998 schreibt die zwingende Kennzeichnung jedes Bauproduktes mit dem CE-Zeichen vor. Für die CE-Kennzeichnung sind jedoch einige Voraussetzungen zu erfüllen. Im Gesetz heißt es:

Ein Bauprodukt ist brauchbar, wenn es gebrauchstauglich für eine angemessene Zeitdauer ist und unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit die wesentlichen Anforderungen erfüllt.

Als wesentliche Anforderungen werden angesehen: Mechanische Festigkeit, Standsicherheit, Brandschutz, Hygiene, Gesundheit, Umweltschutz, Nutzungssicherheit, Schallschutz, Energieeinsparung und Wärmeschutz. Die Erfüllung der Anforderungen wird durch die Konformität des Bauproduktes mit den zugrunde liegenden harmonisierten Normen bzw. Regelwerken dargelegt. Konformität bedeutet Übereinstimmung eines Bauproduktes mit der entsprechenden harmonisierten oder anerkannten Norm.

Für den Nachweis der Konformität sind im Bauproduktengesetz acht unterschiedliche Bausteine vorgesehen, die je nach dem vorgeschriebenen Konformitätsnachweisverfahren miteinander verknüpft werden. Die für die jeweiligen Bauprodukte vorgesehene Kombination einiger dieser Bausteine sind im Leitpapier A zur europäischen Bauproduktenrichtlinie angegeben. Für Straßenbaustoffe ist das System 2+ vorgesehen, das folgende Bausteine miteinander verknüpft:

  • Erstprüfung durch den Hersteller
  • Ständige Eigenüberwachung der Produktion durch den Hersteller (werkseigene Produktionskontrolle)
  • Erstinspektion des Werkes und der werkseigenen Produktionskontrolle durch eine Überwachungsstelle
  • Laufende Überwachung, Beurteilung und Auswertung der werkseigenen Produktionskontrolle durch die Überwachungsstelle.

Die Reihung der Bausteine gibt jedoch keinen zeitlichen Verlauf wieder, sondern die Reihenfolge der Auflistung im BauPG.

Auf Grund der logischen Reihung sieht das Verfahren zum Nachweis der Konformität im System 2+ daher folgendermaßen aus:

  1. Der Hersteller führt die werkseigene Produktionskontrolle gemäß DIN EN 13108-21
  2. Der Hersteller prüft sein Produkt gemäß DIN EN 13108-20 (Erstprüfung).
  3. Der Hersteller beauftragt eine Zertifizierungsstelle mit der Überprüfung und Zertifizierung des
  4. Die Zertifizierungsstelle beauftragt eine Überwachungsstelle mit der Durchführung der Erstinspektion.
  5. Die Überwachungsstelle prüft das Werk und die werkseigene Produktionskontrolle (Erstinspektion) und erstellt einen Bericht an die
  6. Zertifizierung des Werkes und der werkseigenen
  7. Konformitätserklärung des Herstellers und anschließende CE-Kennzeichnung der Produkte.

Die Zertifizierungsstelle kann auch selbst als Überwachungsstelle tätig werden.

Zur Mitwirkung in diesem System werden von allen beteiligten Stellen (Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstellen) zum Nachweis der Kompetenz Qualitätsmanagementsysteme gefordert, die im Einklang mit den harmonisierten Normen stehen. Das bedeutet nicht, dass der Asphalthersteller für sein Labor im Rahmen der WPK auch eine Anerkennung oder Zulassung benötigt, sondern das Labor muss nur nach diesen Prinzipien arbeiten, wie sie auch in der DIN EN 13108-21 dargelegt sind. Für Prüfungen, die er nicht selbst durchführt, sondern an eine externe Prüfstelle vergibt, sind jedoch nur anerkannte Prüfstellen heranzuziehen.

Das bedeutet weiterhin, dass unser bewährtes Zulassungssystem nach RAP Stra entweder die Anforderungen der Norm DIN EN 17025 übernehmen und umsetzen muss oder RAP Stra im Rahmen der Konformitätsnachweisverfahren nicht zu Anwendung kommen kann.

3 Audit und Auditor

Die europäischen Qualitätsmanagementsysteme haben in ihren zugrunde liegenden Normen keine feststehenden Anforderungen, sondern nur die Forderung nach möglichst genauer Nachvollziehbarkeit, bzw. Rückverfolgbarkeit. Im Detail legt der überprüfende Auditor anhand seiner Vorgaben fest wie und mit welchen Inhalten die Norm erfüllt wird.

Die überprüfende Überwachungsstelle führt das Audit eines Werkes mit mehreren Auditoren durch, mindestens jedoch zwei. Einer ist Systemauditor, der andere ein Fachmann auf dem zu auditierenden Gebiet. Gemeinsam stellen sie fest, ob das vorgesehene System der werkseigenen Produktionskontrolle die verlangte Produktqualität sicherstellen kann. Jedes einzelne System der WPK wird anders konfiguriert sein und ist immer in Wechselwirkung mit der jeweiligen Anlage und deren Ausrüstung zu sehen und zu beurteilen.

Auch die Arbeit der Überwachungs- und Zertifizierungsstellen wird ihrerseits von der Anerkennungsbehörde regelmäßig durch Audits überprüft.

Der Qualifikation und dem Wissen der Auditoren kommt ein sehr hoher Stellenwert zu. Der Auditor muss nicht nur ein exzellenter Fachmann auf dem Gebiet der Straßenbaustoffe sein, sondern er muss auch auf dem Gebiet des Qualitätsmanagements ein hohes Wissen besitzen. Um dieses System des Konformitätsnachweises normkonform durchführen zu können, werden Auditoren auf jeder Ebene notwenig sein. Es ist daher notwendig, diese benötigten Auditoren rechtzeitig auszuwählen und auszubilden um die von uns gewünschte Qualität in das System einzubauen.

Beispiele dafür liefern uns die Schweiz und Österreich, wo jeweils ausgehend von einer zentralen Akkreditierungsstelle (zentrale Anerkennungsbehörde) ein System zur Anerkennung von PÜZ-Stellen ins Leben gerufen wurde und unterhalten wird. Die dazu notwenigen fachkundigen externen Auditoren werden seit Jahren ausgewählt und geschult. Da in Deutschland der Straßenbau jedoch Ländersache ist, gelten in jedem Bundesland unterschiedliche Anerkennungs- bzw. Zulassungsverfahren. Es wird notwendig sein, diese zu vereinheitlichen und dann durch die entstandene zentrale Anerkennungsbehörde den Auditorenpool aufzubauen.

Diese Aufgabe muss rechtzeitig vor dem Inkrafttreten der europäischen Asphaltnormen erfolgen, um zu diesem Zeitpunkt bereits ein funktionierendes System des Konformitätsnachweises zur Verfügung zu haben, das auch mit dem notwendigen Vertrauen des Auftraggebers rechnen kann